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Kapitel 

Edda Erster Band Heldendichtung


Übertragen von Felix Genzmer /Mit Einleitungen und Anmerkungen von Andreas Heusler

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


19. Die ältere Dichtung von Helgi dem Hundingstöter

Bisher hatten wir Sagenstoffe mit südgermanischer Wurzel: alle folgenden sind nordischem Boden entkeimt.

Helgi, nach einer Jugendtat zubenannt der Hundingstöter; war wohl von Hause aus ein Däne. Unsere Dichter haben ihn zu einem Wölsung, einem Sohne Sigmunds, gemacht, aber sie gingen nicht so weit, ihn in die überlieferten Sagen von Sigmund und Sigurd einzumischen.

Eine Sage aus Helgis Jugend, die Fehde mit Hunding, kennen wir nur bruchstückhaft. Die vier Strophen unter A machen einen altertümlichen, kräftigen Eindruck, sie mögen wohl Reste eines in sich geschlossenen Liedes sein. Der Eddasammler wußte den Strophen nur wenig zur Erklärung und Aufrundung beizufügen; auch das jüngere Helgilied, Nr. 20, gibt uns nur farblose Anspielungen in Str. 10-14

Alles weitere gehört zu Helgis Hauptsage, seiner Brautwerbung und Tod; man kann sie die Sigrunsage nennen. An diesem Thema hat sich, ähnlich wie an dem Brynhildstoffe, eine Mehrzahl von Dichtern versucht.

Die Wechselrede unter B atmet kecke Wikingstimmung. Vielleicht darf man in ihr eine Lose Strophen-Gruppe aus einer Helgisaga erblicken.

Die Bruchstücke unter L heben sich ab durch ihre erzählenden Verse. Dieses doppelseitige Gedicht führt bei dem Sammler den Namen des "Alten Wölsungenliedes", und es mag in der Tat die älteste unsrer Darstellungen der Sigrunsage sein. Die bewahrten verse haben einen raschen Gang, eine ungesuchte, mitunter bis zur Nüchternheit schlichte Art. Das Lied dürfte bis zum Tode des Helden geführt haben.

Über den Tod führt hinaus die vierte dieser Dichtungen, "Helgis Wiederkehr". Mit ihr hat die Helgipoesie einen Gipfel altgermanischer Kunst erstiegen. Ein Anfangsteil ist wohl verloren gegangen; wieviel er umspannte; ahnen wir nicht. Das Erhaltene zeigt die Fabel, die wir aus Bürgers Lenore und dem Märchen vom Totenhemdchen kennen, in dem Faltenwurf der heroischen Sage. Unser Dichter hat einen Siegesgesang der Liebe daraus gemacht. Das Glück der wiedervereinten Gatten übertönt die Klage des Toten, den die Tränen der



Thule-Bd.01-143 Edda Heldendichtung Flip arpa

Witwe in seinem Grabe peinigen. Der Kühnheit, die die Liebesnacht im Grabhügel ersonnen hat, ist die Sprache gewachsen . Sie steigert sich zu fast hymnischer Glut; sie findet auch in den vorangehenden Szenen — den hinreißenden Ausdruck für die Leidenschaften des Hasses, der Sehnsucht, des ungestümen Jubels. Dazu gebietet sie über eine sinnliche Bildkraft, die bei den Germanen selten ihresgleichen hat. Unter den eddischen Dichtern ist dieser der Meister der Gleichnisse: bei Str. 34 und 3Z darf man sich an Homerische Bilder erinnern. Man trifft bei den verfassern der Gudrunelegien die matteren Spuren dieses Vorgängers (Nr. 9 Str. 18, Nr. 10 Str. 2).


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