Edda Erster Band Heldendichtung
Übertragen
von Felix Genzmer /Mit Einleitungen
und Anmerkungen von Andreas Heusler
Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912
17. Die Erweckung der Walküre
Zu Jung Sigurds Taten gehörte die Entzauberung der schlafenden Odinsdienerin: das Dornröschenmärchen, ins Heroische verpflanzt. Die Sage vertrug sich nicht recht mit der Brynhilddichtung , und so sind von unserm gewiß alten, aus der Heidenzeit stammenden Liede nur wenige Trümmer im Gedächtnis geblieben. Den Verlauf der Geschichte überblicken wir nicht; das Liederbuch führte bis zu den Verlobungseiden des Paares. Sogar der Name der Heldin ist zweifelhaft; der Eddasammler nennt sie Sigrdrifa, aber das war wohl eigentlich nur eine Bezeichnung für "Walküre" (sieh Nr. 15 zu Str. 5).
Die bewahrten Verse im dialogischen Maße geben den höchsten Begriff von der lyrischen Gewalt dieses Dichters; Str. 3 und 4 sind einzigartige Überbleibsel germanischer Hymnenpoesie.
Die zwei Strophen epischen Maßes, die der Sammler dazu gestellt hat (z und 5), haben wir an ihrem Orte gelassen; die fremdartigen Runen- und Sittenlehren aber versetzen wir unter ihre verwandten in Band 2.
Sigurd aan einst über das Hochland, das den Namen hat Berg der Hindin. Da sah er ein großes Licht, als ob ein Feuer brenne, und der Schein davon ging bis zum Himmel. Aber als er hinzu kam, war es ein Schildzaun, und ein Banner ragte draus empor. Sigurd schritt durch den Schildzaun, da sah er einen Menschen daliegen und schlafen in voller Rüstung. Er nahm ihm zuerst den Helm vom Kopfe; da sah er, daß es ein Weib war. Die Brünne saß fest, wie angewachsen; da schnitt erste auf mit dem Schwerte Gram, von der Kopföffnung abwärts und dann beide Ärmel entlang. Darauf nahm er ihr die Brunne ab; sie aber erwachte, setzte sich auf, und als sie Sigurd sah, sprach sie:
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Wer schnitt die Brünne Wie brach mein Schlaf: Die bleiche Not, Wer nahm sie mir: Sigurd. Der Sohn Sigmunds: Sigurds Klinge Löste die Zweige Des Leichenvogels. |
Lange schlief ich, Lange schlummert ich, Lang ist des Lebens Leid Odin schuf, Daß den Schlummerbann Zu lösen mir nicht gelang. |
Heil dir, Tag! Heil euch, Tagsöhne Heil, Nacht und Nachtkind! Mit holden Augen Schaut her auf uns Und gebt uns Sitzenden Sieg! |
Heil euch, Asen! Heil euch, Asinnen! Heil dir, fuchtschwere Flur! Rat und Rede Gebt uns ruhmreichen beiden Und heilkräftige Händel |
Sigurd setzte sich nieder und Sagte sie nach ihrem Namen. Sie sagte, sie heiße Sigrdrifa und sei Walküre. Sie erzählte, zwei Könige hätten einander bekriegt; der eine hieß Helm-Gunnar, ein großer Kriegsmann, hoch bei Jahren; ihm hatte Odin den Sieg versprochen; der andere war der junge Agnar; ihm half Sigrdrifa und fällte den Helm-Gunnar in der Schlacht. Zur Strafe dafür stach Odin sie mit dem Schlafdorn und sagte, sie dürfe künftig nie mehr in der Schlacht Sieg erkämpfen. Er sprach den Bann aus, daß nur der ihren Zauberschlaf solle lösen können, der nichts von Furcht wisse.
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Sigrdrifa nahm darauf ein Horn und reichte Sigurd Men Weisheitstrank:
Bier bring ich dir, Brünneneich baum, Gemischt mit Stärke Und stolzem Ruhm, Voll von Sprüchen Und Freudenrunen, Gutem Zauber Und Glücksstäben. |
Nicht lange seh ich Dein Leben währen, Da furchtbare Fehde naht, |
Riese nun, Du kannst es jetzt, Schimmernder Schildbaum! Wort oder Schweigen Wähle du selbst; Bestimmt ist alles Unheil! |
Will nicht weichen, Winkt mir auch Tod; Kein Zager ward ich gezeugt: Folgen will ich Deinem Freundesrat, So lange mein Leben währt |
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