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Edda Erster Band Heldendichtung


Übertragen von Felix Genzmer /Mit Einleitungen und Anmerkungen von Andreas Heusler

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


7. Das grönländische Atlilied

Hier haben wir den jüngern Doppelgänger zum Alten Atliliede (Nr. 4). Auch dieser Dichter, wie der des Jüngern Sigurdliedes, strebt nach seelischer Vertiefung. Sein Atli und seine Gudrun sind die zusammengesetztesten Menschenbilder in der nordischen Heldendichtung, diejenigen, die am meisten über den Typus oder die Rolle hinauswachsen zum Charakter. Die merkwürdigen Zwiesprachen der beiden verbitterten Gatten fallen in die zweite Hälfte des Gedichtes: was in dem ältern Liede in zwölf Strophen vorüberrauscht — die Rache der Königin —, wälzt sich hier auf dreifachem Raume, in zähflüssiger Beschaulichkeit dem Ende zu.

Auch der erste Teil, der an Handlung reichere, ist mächtig angeschwellt, und zwar durch Einführung neuer Nebenpersonen, Ausmalung einzelner Momente, auch Erfindung ruhender Auftritte: es sind die Kunstmittel, die anderwärts vom Liede zum Buchepos geführt haben, und unser Gedicht, das umfänglichste der ganzen Edda, darf in der Tat ein Anlauf zum Epos heißen, wenn es auch sicher den Seien Vortrag verfaßt wurde.

Daß das Werk in dem äußersten Winkel germanischer Erde; in Grönland, entstanden ist, lehrt außer der alten Überschrift der Eisbär in Str. 17. Es ist nicht der einzige Zug, den unser Dichter aus seinem heimischen Lebenskreise das ferne Reich der Helden versetzt hat. Er hat, wie kein zweiter seiner Kunstgenossen die Vorzeitskönige verbauert, wenn auch nicht bewußt noch folgerichtig. Er hat Neigung zum Niedrigen, Unadligen, auch zum Genrehaften und wieder zum Krassen: ein eigenartiger Realismus, den wir aus der isländischen Saga gut kennen, der sich aber nur hier in die Heroendichtung vorgewagt hat. Die strahlende Heldenwelt erscheint wie eingetaucht in einen trüben, cholerischen Nebel. Dazu diese absonderliche , klumpfüßige Sprache, der fast mit jedem Verse der Atem ausgeht! Oft ist sie bare Prosa, dann wieder verfängt sie sich in gesuchten Wendungen: den kühnen Schritt des Heldensängers gewinnen diese vielsilbigen, unsanglichen Zeilen kaum je.

Und doch fühlt man dem Dichter an, daß eigene Eingebungen ihn bedrängten und daß er nicht nach der Schablone stammelt.



Thule-Bd.01-071 Edda Heldendichtung Flip arpa

Das Werk des Grönländers ist, in Tugenden und Schwächen, nur sich selbst gleicher Absenker der germanischen Heldenpoesie poesie; wir möchten es neben seinen warm- und blaubütigeren Nachbaren nicht miseri.



***
1
von Feindschaft erfuhr ich,
Wie vormals zusammen
Kriegsmänner kamen;
Es war keinem heilsam.
vollendet war der Anschlag,
Zum Unheil den Hunnen
Und den Erben Gjukis,
Die man arglistig täuschte.


***
2
Reckenlos reifte:
Sie ritten den Todesweg;
Übles tat Atli
Der doch Einsicht hatte:
Schlimmes schuf er sich,
Er zerschlug seine Stützen;
Botschaft schickte er,
Die Schwäger zu laden.


***
3
Begabt war Gudrun,
vergaß nicht der vorsicht-Nicht
blieb ihr verborgen,
Was sie böses planten.
In Not war die weise:
Sie wollt ihnen helfen.
Man segelte seewärts;
Sie selbst mußte bleiben.


***
4
Einschnitt sie Runen;
Die änderte Wingi,
Ehe er sie abgab:
Ein Unheilschmied war er.
Auszogen also
Atlis Gesandte
Hin zum Limafjord,
Wo die Herrscher wohnten


***
5
Bier ward geboten;
Es brannten die Feuer:
Nicht ahnte man übles,
Als sie angekommen.
Sie nahmen die Gaben,
Die der glänzende sandte,
An die Säule sie zu hängen;
Nicht sahn sie die Tücke.



Thule-Bd.01-072 Edda Heldendichtung Flip arpa



***
6
Es kam Kostbera —
Klugheit besaß sie,
Sie war Högnis Gattin —
Und begrüßte die beiden.
Auch die Gattin Gunnars
Glaumwör, war freundlich ;
Gewandt war die weise,
Sie bewirtete die Gäste


***
7
Sie luden auch Högni,
Daß leichter man käme
Fest stand die Falschheit,
Wenn Vorsicht sie übten.
Da verhieß es Gunnar,
Wenn Högni wolle;
Högni fügte sich
Des Herrschers Worten.


***
8
Met brachten Mädchen
Das Mahl war reichlich,
Viel Hörner kreisten,
Bis kräftig gezecht war;
Das Lager rüsteten,
Wie es recht war, die Gatten.


***
9
Klug war Kostbera:
Sie war kund der Runen
Die Lautzeichen las sie
Beim lichten Feuer.
Aber ihr zögerte
Die Zunge am Gaumen:
Sie waren verworren
Nicht wußte sie die Deutung.


***
10
Bald ging mit Bera
Ins Bett nun Högni.
Böses träumte sie;
Nicht barg es die kluge:
Die Frau sprach zum Fürsten,
Als sie frei war vom Schlafe:


***
11
"von hinnen willst du, Högni;
Hör auf die Warnung!
Nicht rätst du Runen;
Reit ein andermal!
Ich las die Runen,
Die geritzt deine Schwester:
Nimmer hat die Edle
Euch eingeladen.


***
12
Eins scheint mir seltsam —
Ich seh nicht die Lösung —:
Was die weise wollte,
Da verworren sie ritzte;
Das aber dünkt mich
Als ob drunter stünde
Euer beider verderben,
Wenn bald ihr kämet:
Einen Stab vergaß sie,
Oder andre zerstörtens."


***
13 Högni
"Alle sind argwöhnisch;
Meine Art ist es nimmer.
Nicht prag ich nach Falschheit,
Muß ich Feindschaft nicht rächen
Mit glutrotem Golde
Begabt uns Atli;



Thule-Bd.01-073 Edda Heldendichtung Flip arpa

Furcht ist mir ferne, Mag Gefahr auch drohen."


***
14 Kostbera
"Übel wird die Ausfahrt,
Wenn zu Atli ihr ziehet:
Empfang nach Freundesart
Findet ihr nimmer.
Das träumte ich, Högni —
Nicht hehlen will ichs —:
Widrigen Weg geht ihr,
Wenn die Warnung nicht
täuschte.


***
15
Dein Bettuch sah ich, Högni,
Brennen im Feuer;
Aus meinem Hause
Brach hohe Flamme."
Högni:
"Linnenzeug liegt hier,
Das ihr leicht verschmerzet;
Bald wird es brennen,
Da du Bettücher schautest."


***
16 Kostbera ';
"Einen Bären sah ich kommen:
Er zerbrach die Pfeiler,
Die Pranken schwang er,
Uns packte Entsetzen.
Gar manchen sein Maul faßte,
Machtlos waren wir;
Ein Gewühl ward da,
Wahrlich kein kleines."


***
17 Högni:
"Ausbricht Unwetter -
Arg wird es wüten:
von Eisbären träumtest du;
Dann wird Oststurm kommen."


***
18 Kostbera:
"Einen Aar sah ich fliegen
Durch die offene Halle;
Er bespritzte mit Blut uns:
Böses wird kommen.
Nach dem Schrei schien er
Mir der Schutzgeist Atlis."


***
19 Högni.
"Schnellkommt die Schlachtzeit;
Drum schautest Blut du:
Ochsen bedeutets,
Wenn von Aaren man träumte.
Ohne Arg ist Atli
Was immer du träumest." —
Sie ließen es ruhen;
Man redete nicht länger.


***
20
Die Edeln erwachten;
Ähnlich war die Zwiesprach:
Gram faßte Glaumwör;
Nicht gut war ihr Schlummer:
(Ihr däuchte; es deuteten
Auf verderben die Träume;)
Der König und die kluge
Erklärten sie verschieden.



Thule-Bd.01-074 Edda Heldendichtung Flip arpa



***
21 Glaumwör
"Einen Galgen sah ich stehen;
Du gingest zum Tode.
Schlangen Saßen dich;
Du schienst mir noch lebend.
Die Welt schien zu wanken —
Weißt du die Deutung :


***
22
Eine Klinge sah ich blutig
Aus dem Kleid dir gezogen —
Traurig ists, dem Trauten
Solchen Traum zu sagen.
vom Ger sah ich, Gunnar,
Dich ganz durchstoßen;
Um uns her heulten
Hungrig die Wölfe."


***
23 Gunnar:
"Rüden werden rennen,
Rüstig sie bellen:
Oft kündet Speerwurf
Kläffen der Meute."


***
24 Glaumwör
"Einen Gießbach sah ich gehen
Durch die ganze Halle:
Erbittert brauste er;
Die Bänke stürzte er.
Euch beiden Brüdern
Brach er die Füße;
Nichts schonte der schäumende:
Das muß schlimmes bedeuten.


***
25
Frauen sah ich, tote,
Im Finstern kommen,
Ärmlich angetan,
Dich abzuholen;
Zur Bank entboten sie
Dich bald zu kommen:
Dein Folgegeist, fürcht ich,
Ist dir fremd geworden."


***
26 Gunnar:
"Zu spät zum Gespräch ists:
Versprochen ist alles;
Die Fahrt ist befohlen:
Wir fliehn nicht dem Tode.
So kann es wohl kommen,
Daß kurz unser Leben.


***
27
Es graute der Morgen;
Sie machten sich fertig:
Aufstanden alle;
Abrieten manche.
Fünf bei der Fahrt waren —
Zweimal so viele
Waren im Gesinde-Erwogen
war es übel —:


***
28
Snäwar und Solar,
Die Söhne Högnis
Auszog noch einer,
Orkning hieß man ihn:



Thule-Bd.01-075 Edda Heldendichtung Flip arpa

Der schimmernde Schildbaum War der Schwager Högnis. Es folgten die Frauen, Bis der Fjord sie trennte; Nicht hörten die Helden, Als die holden sie warnten.


***
29
Glaumwör begann da,
Gunnars Gemahlin;
Sie redete zu Wingi,
Wie es recht sie däuchte:
"Nicht weiß ich, ob die
Bewirtung
Nach Wunsch ihr lohnet -
Ruchlos ist die Gastung,
Wenn verrat ihr planet."


***
30
Da verschwor sich Wingi,
Er schonte sich wenig:
"Es gehöre den Riesen,
Wer verrat schmiedet!
Es verfalle dem Galgen,
Wer auf Friedensbruch sinnt!


***
31
Bera drauf sagte,
Ihr Sinn war friedlich :
"Gesund nun segelt,
Sieg gewinnet!
Was ich wünsche, werde;
Dawider nichts spreche!"


***
32
Högni erwiderte,
Er war hold den Seinen:
"Klagt nicht, ihr klugen,
Was auch kommen möge!
Oft sagt man Segen;
Umsonst ist es häufig:
Den meisten hilft wenig
Welcher Wunsch sie geleitet."


***
33
Sie schauten aufeinander,
Bis sie scheiden mußten.
Das Geschick, meinich, waltete;
Ihre Wege trennten sich.


***
34
Sie ruderten rüstig;
Es rissen die Planken.
In die Riemen legten sich
Rückwärts die grimmem
Die Bänder barsten;
Es brachen die Pflöcke.
" Nicht befestigt ward das Fahrzeug,
Als sie fortzogen.


***
35
Eine Zeitlang später —
Zum Ziel muß ich kommen —
Erblickten die Burg sie,
Die Budli hatte.



Thule-Bd.01-076 Edda Heldendichtung Flip arpa

Hell klang das Gitter,
Als Högni anschlug.
Das Wort sprach da Wingi —
Weiser war Schweigen —:


***
36
"Fern bleibt der Feste!
Gefahr bringt der Eintritt:
Bald sollt ihr brennen;
Das Beit wird euch fällen
Freundlich lud ich euch;
Falschheit war dahinter.
Hier könnt ihr harren,
Bis erhöht ist der Galgen."


***
37
Dieses rief Högni —
Nicht dachte er an Schonung-
Nicht wich der wackre-wo
sich Mut bewährte —
"Spar dein Vorhaben,
Furcht uns zu wecken!
Kein Wort sprich weiter,
Sonst gewinnst du schlimmes!"


***
38
Sie hieben auf Wingi
Zur Hel sie ihn sandten.
Sie schwangen die Arie,
Bis er ausgeröchelt.


***
39
Es scharten sich die Hunnen,
Schlüpften in die Brünnen.
Der Zaun war dazwischen,
So zogen sie näher.


***
40
Scheltworte schleuderten
Die schnell ergrimmten:
"Längst wars beschlossen,
Euer Leben zu rauben."


***
41
(Hell rief da Högni —
Er höhnte die Feinde —:)
"Das schaut man wenig,
Daß entschlossen ihr waret:
Ihr seid schlecht gerüstet;
Erschlagen liegt einer,
Zur Hel hingesandt,
Der zu euch gehörte."


***
42
Wutentbrannt waren sie,
Als das Wort sie hörten
Sie regten die Finger,
Sie faßten die Sehnen,
Die Schilde schützten sie,
Sie schossen heftig.


***
43
Nach innen kam Botschaft,
Was sie außen taten,
Die kühnen, vorm Königssaal
Ein Knecht erzählte es.
Ergrimmt ward da Gudrun,
Als das grause sie hörte;
Die halsbandgezierte:
Hinwarf sie alles,
Auf den Boden das Silber;
Es brachen die Ringe.



Thule-Bd.01-077 Edda Heldendichtung Flip arpa



***
44
Sie eilte nach außen,
Stieß auf die Türen —
Furcht war ihr ferne —
Die Fremden begrüßte sie.
Sie lief zu den Niblungen
Zum letzten Wiedersehn.
Ihr Gruß war ehrlich,
Andres noch sagte sie:


***
45
"Retten wollt ich euch,
Zurück euch halten,
Das Geschick war mächtiger:
Ihr mußtet kommen."
Besonnen versuchte sie,
Ob versöhnung möglich:
Ablehnten alle,
Nicht einer ihr folgte.


***
46
Da sah die Herrscherin,
Daß man hari sie bedrängte:
Auf Heldentat dachte sie,
Warf hin den Mantel
Das Schwert entblößte sie,
Sie schützte die Bruder.
Nicht sanft war das Streiten,
Wo die starke eingriff.


***
47
Zwei Fechter ließ die Fürsten
Auf die Flur sinken
Sie hieb ihren Schwager,
von hinnen trug man ihn;
Einen schlug sie nieder;
Daß er nimmer aufstand,
Zur Hel sie ihn hinsandte;
Ihre Hand war sicher.


***
48
Einen Strauß sie stritten,
Der stets gepriesen wird;
Nichts gab es, was gliche
Der Gjukunge Taten:
Es heißt, daß die Niblunge,
Da die Herrscher lebten,
Einen Schwertkampf schufen,
Brünnen durchschlugen,
Helme zerhieben,
So wie Helden es ziemte.


***
49
Sie kämpften den Morgen,
Bis der Mittag heraufkam;
Dann war aus das Fechten,
Die Flur schwamm im Blute.
Es sanken achtzehn —
Dann siegten die Hunnen —
Auch die Söhne Veras
Und der Bruder der Fürstin


***
50
Der rasche zur Rede griff —
Es regte sein Zorn sich: —
"Übel ist der Anblick;
Ihr seid die schuldigen!
Es traten der Degen
Euch dreißig entgegen;
Lücken schluget ihr:
Es leben nur elf noch.


***
51
Fünf Brüder wir waren
Als wir Budli verloren:
Bei Hel weilt die Hälfte,
Zerhaun liegen zweie.
Schwäger hab ich, hohe,
Das hehle ich nimmer,



Thule-Bd.01-078 Edda Heldendichtung Flip arpa

Eine Frau zum Fluche, Deß freu ich mich selten.


***
52
Wonne fand ich wenig,
Seit das Weib hierherkam;
Übles hat angetan
Mir immer ihre Sippe:
Den Reichtum entrissen,
Geraubt die Verwandten
Ihr erschlugt mir die Schwester
Am schwersten trug ich das."


***
53 Gudrun:
"Sprichst du also, Atli,
Der zuerst so gehandelt,
Da du mir die Mutter
Gemordet um Ringe
In der Höhle verschmachtete
Ihrer Schwester Tochter.
Lächerlich dünkt michs,
Wenn dein Leid du klagst;
Den Göttern dankt ich,
Ginge dirs übel."


***
54 Atli:
"Euch Jarlen gebiet ich,
Den Jammer zu mehren
Dem verwegnen Weibe;
Gewahren muß ichs.
Ans Werk gebt wacker!
Weinen soll Gudrun,
Ihr Glück soll vergehen,
Das begehr ich zu schauen.


***
55
Legt Hand an Högni!
Den Helden sollt ihr schlachten;
Schneidet das Herz aus!
Geht hurtig zur Arbeit!
Gunnar; den grimmen,
An den Galgen hänget!
vollendet es eisig,
Ladet ein die Schlangen!"


***
56 Högni:
"Tu, was dich gelüstet!
Lachend erwart ichs;
Du wirst fest mich finden:
Schon vieles ertrug ich.
Wir stritten standhaft,
Als wir stark waren,
Gewalt gewannst du nun,
Da Wunden uns schwächten."


***
57
Das sagte Beiti,
Des Budlungs Truchseß:
"Legt Hand an Hjalli;
Doch Högni schonet!



Thule-Bd.01-079 Edda Heldendichtung Flip arpa

Den Halbnarren tötet! Er taugt zu nichts anderm: Zu lange schon lebt er, Nie liebte er Arbeit."


***
58
Bleich ward der Topfhüter;
Nicht blieb er am Platze:
Auf Angst verstand er äch,
In die Ecken kroch er:
Er ärmster müsse nun
Ihre Untat büßen,
von den Schweinen weg sterben
An diesem Schmerzenstage,
von der fetten Fleischkost,
Die zuvor er hatte.


***
59
Hervor sie ihn zerrten,
Sie zückten das Messer;
Auf schrie der elende,
Eh das Eisen er spürte:
Zeit wollt erfinden,
Die Flur zu düngen,
Das schmutzigste schaffen,
Wenn er Schonung fände;
Glücklich sei Hjalli,
Behielte erdas Leben.


***
60
Da erhob Högni —
So handeln wenige —
Für den Feigling Fürbitte,
Daß davon er käme:
"Dies Spiel zu beginnen,
Gilt mir ein kleines;
Brauchen wir länger
Solch Gebrüll zu hören "


***
61
Sie ergriffen den glänzenden:
Es gab keinen Ausweg
Für die tapfern Recken,
Die Tat zu verzögern.
Högni lachte,
Es hörten die Mannen:
Schmerz konnte standhaft
Der starke ertragen.


***
62
Die Harfe nahm Gunnar,
Er griff mit den Fußzweigen;



Thule-Bd.01-080 Edda Heldendichtung Flip arpa

Die Weiber weinten: So wußt er spielen, Es klagten die Krieger, Die den Klang hörten; Es barsten die Balken. Der Frau gab er Botschaft,


***
63
Früh wars am Vormittag,
Die Fürsten starben.
Bis zuletzt ließen sie
Leben ihre Tugend.


***
64
Stolz war nun Atli:
Er stand über beiden
Gram schuf er Gudrun:
Er begann zu schelten:
"Morgen ists, Gudrun,
Du missest die teuren.
Schuld bist du selber,
Daß es so gekommen."


***
65 Gudrun:
"Froh bist du, König,
Du kündest Totschlag;
Reue wirst du zeigen,
Wenn du recht es erkanntest.
Das nimmst du als Nachlaß
Nennen will ichs dir
Nicht enteilst du dem Unheil,
Eh auch ich gestorben."


***
66 Atu:
"Um solches sorg ich nicht;
Ich seh einen Ausweg —
Schicklicher scheint der mir,
Oft verschmähen wir gutes —:
Mägde sollen dich trösten,
Treffliche Kleinode,
Schneeweißes Silber,
Wie du selbst es wünschest."


***
67 Gudrun:
"Der Wahn ist eitel:
Ich weigre es immer.
Um kleinere Kränkung schon
Hab ich Kampf begonnen.
Für grimmig galt ich;
Grausamer werd ich noch.
Alles könnt ich leiden,
Lebte noch Högni.


***
68
Man erzog uns zusammen
In demselben Hause:
Heiter spielten wir,
Im Hain erwuchsen wir;
Es gab uns Grimhild
Gold und Kleinode:
Nimmer nehm ich Buße
Für des Bruders Totschlag.


***
69
Die Macht der Männer
Mindert Frauenglück:
Umsinkt die Esche,
wenn die Äste dorren
Es wankt der Waldbaum,
Wenn die Wurzeln man
durchhieb.



Thule-Bd.01-081 Edda Heldendichtung Flip arpa

Allein magst du, Atli, Hier alles beherrschen."


***
70
Gar arglos war Atli:
Der Edling traute ihr;
Fest stand die Falschheit,
Wenn Vorsicht er übte.
Verschlagen war Gudrun,
Zwei Schilde führte sie:
Sie stellte sich fröhlich,
Freundliches sprach sie.


***
71
Das Erbmahl rüstete
Die Edle den Brüdern.
Dasselbe besorgte
Den seinen auch Atli
Sie ließen es ruhen;
Bereitet war das Gastmahl:
Laut war das Lärmen,
Als das Gelage anhub.


***
72
Großes sann Gudrun,
Sie vergalt es dem Budlung;
Sie begehrte, am Gatten
Sich grimmig zu rächen
Sie lockte die Kinder;
Legte auf die Bank sie.
Die wilden erschraken,
Doch weinten sie nimmer.
Sie schmiegten in den Schoß sich,
Fragten, was geschehe.


***
73 Gudrun;
"Fragt lieber nicht danach!
Das Leben nehm ich euch;
Meine Absicht wars immer,
Euch vom Alter zu heilen."
Die Knaben:
"Hinschlachten kannst du uns,
Dich hindert niemand;
Der Zorn wird nicht zögern,
Wenn zum Ziel du es führest."


***
74
Das Leben raubte
Die rasche den Brüdern -
Sie hieb die Hälse durch,
Sie handelte ruchlos.
Der Fürst drauf fragte,
Ob sie fortgelaufen,
Die Söhne, beim spielen;
Denn er sah sie nirgends.


***
75 Gudrun:
"Dem König zu künden,
Kam ich herüber;
Nicht will dich täuschen
Die Tochter Grimhilds.
Das erfreut dich wenig,
Erfährst du alles.
Gar schlimmes schufst du:
Du erschlugst meine Brüder.


***
76
Sehr selten schlief ich,
Seit sie gefallen.
Hartes verhieß ich dir:
Heute denke dran!
vom Morgen sprachst du,
Das gemahnt mich immer:
Anbrach der Abend,
Da die Antwort du hörest.



Thule-Bd.01-082 Edda Heldendichtung Flip arpa



***
77
verloren hast du
Deine lieben Söhnen
Den Nachkommen tatest du,
Was du nimmer durftest:
Du schwenktest die Schädel
Als Schalen beim Trunke;
So braut ich das Bier dir:
Ihr Blut war darinnen.


***
78
Der Brüder Herzen
Briet ich am Spieße,
Ich kam mit der Kost zu dir,
Kalbfleisch nannte ichs-Du
genossest alles,
Und nichts blieb übrig,
Gebrauchtest die Backzähne;
Zerbissest es gierig.


***
79
Das vernimm von den Nachkommen !
Niemand hörte schlimmres.
Meines Werkes walt ich-Nicht
will ich mich rühmen."


***
80 Atli:
"Grimm bist du, Gudrun,
Da so grauses du tatest,
Das Blut deiner Kinder
Ins Bier mir mischtest.
Du hast sie vernichtet,
Was du nimmer durftest;
Einzig nur Unheil
Du mir übrig lässest."


***
81 Gudrun:
Schöner schiene mirs.
Erschlug ich dich selber:
Not trifft nimmermehr
Genug solchen Fürsten.
voll Wahnsinns warst du:
Nicht wissen die Menschen
von gleichen Greueln
Auf der ganzen Erde.
Überboten hast du nun,
Was bisher wir wußten:
Das ärgste übtest du;
Dein Erbmahl begingst du.


***
82 Atli:
"Auf den Scheitern verbrenne,
Zerschlagen von Steinen!
Dann hast du das Ende,
Das du immer wolltest."
Gudrun.
"Morgen magst du das
Melden dir selber;
Edler will ich fahren
Zum andern Lichte."


***
83
Sie saßen zusammen,
Sie sannen auf arges,
Sie tauschten Feindeswort;
Doch prob war keiner. —
Haß nährte Hniflung:
Er heischte Vergeltung;
Gudrun sagte er,
Er sei grimm dem Atli



Thule-Bd.01-083 Edda Heldendichtung Flip arpa



***
84
vor Augen trat der Edeln
Der Ausgang Högnis:
Ruhmvoll nannte sies,
Wenn er Rache gewönne.
Da erschlugen sie Atli —
Nicht schwankten sie lange, —
Gudrun selber
Und der Sohn Högnis.


***
85
Der rasche zur Rede griff,
Er entriß sich dem Schlafe,
Nicht brauchte er Verbandzeug,
Spürte bald das Ende:
"Saget mir ehrlich,
Wer hat Atli erschlagen:
Schlimm ist mir mitgespielt,
Nun scheid ich vom Leben."


***
86 Gudrun:
Nicht will dich täuschen
Die Tochter Grimhilds:
Ich ließ es geschehen,
Daß dein Leben endet,
Und Högnis Erbe,
Daß dich hinstreckt die Wunde." Atu:
"Du schüttelt zum Morde,
Ob schändlich die Tat war;
Treulos ists, zu täuschen
Das vertrauen des Freundes.


***
87
Aus zog ich eisig,
, Edle, zu werben,
Die herrische Witwe,
hochgepriesene.
Wohl wirs gewahrten:
Kein Wahn war die Kunde
Her zogst du heimwärts,
Die Heerschar folgte uns.


***
88
Alles war stattlich
In unserem Lebm:
Viel Ehren boten
Uns edle Männer
Groß war die Rinderschar,
Reich war der Unterhalt;
Unser Gut war glänzend,
Wir begabten viele.


***
89
Mahlschatz zahlte ich,
Eine Menge Kleinode,
Sieben Dienerinnen
Und dreißig Knechte;
Alles war ehrenvoll,
Nicht ärmlich das Silber.


***
90
So galt dir das ganze,
Als ob garnichts es wäre;
Da lagen die Lande,
Hinterlassen von Budli.
Du untergrubst es:
Garnichts bekamen wir.



Thule-Bd.01-084 Edda Heldendichtung Flip arpa

Meine Mutter triebst du Zu Tränen oftmals, Nie fand ich uns fürder Friedlichen Sinnes."


***
91 Gudrun:
"Das lügst du, Atli,
Doch acht ich es wenig.
Sanft war ich selten -
Doch sehr überhobst du dich:
Früh wuchs euch Bruderzwist;
Bitter strittet ihr;
Zur Hel ging die Hälfte
Aus deinem Hause;
Nieder sank alles,
Was dir nützen sollte.


***
92
Wir drei Geschwister
Dünkten uns trotzig;
Wir fuhren zur Ferne,
Wir folgten Sigurd.
Wir strebten seewärts,
Steuerten die Schiffe;
Das Schicksal lenkte uns:
Wir gelangten ins Ostland.


***
93
Wir erschlugen den König,
Erkämpften die Lande;
Die Hersen beugten sich:
Sie hegten Besorgnis.
Wir bessten vom Waldgang
Wem wir Frieden wünschten;
Die machten wir mächtig,
Die mittellos waren.


***
94
Tot war der Herrscher;
Trüb ward mein Schicksal:
Weh schufs der jungen,
Witwe zu heißen.
Arger war das Übel,
Zu Atli zu kommen:
Bisher war ein Held mein;
Herb der Verlust war.


***
95
Kamst heim du vom Dinge,
So hörten wir niemals,
Daß du Klage begannest
Und die Gegner beugtest:
Du wolltest nur weichen,
Nie Widerstand leisten,



Thule-Bd.01-085 Edda Heldendichtung Flip arpa

Alles annehmen, Was andre dir taten."


***
96 Atli:
Das lügst du, Gudrun!
Das Los wirst du wenig
Bessern uns beiden;
Böses litten wir.
Nun vergiß nicht der Güte:
Gudrun, uns beiden
Tu, was uns ehret,
Trägt man hinaus mich!"


***
97 Gudrun:
"Will ein Seeschiff kaufen,
Einen Sarg, einen bunten,
Das Linnen wächsen,
Deine Leiche zu schützen,
Alles bedenken,
Als ob innig wir uns liebten."


***
98
Zur Leiche ward Atli;
Leid wuchs den Sippen.
Was die hehre verheißen,
Das hielt sie alles.
Wandern nun wollte
Die weise zum Tode:
Ihr Ende fand Aufschub;
Zu andrer Zeit starb sie.


***
99
Selig heißt immer,
Wem Erben erwachsen
Von gleicher Heldenkraft,
Wie sie Gjuki zeugte:
Lange soll leben
In den Landen allen,
Wo das Volk es erfahren,
Ihr furchtloses Trutzwort.


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