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Felix Niedner Islands Kultur zur Wikingerzeit


Mit 24 Ansichten und 2 Karten

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


14. Snorri Sturluson

Genau dreihundert Jahre, nachdem Egil Skallagrimsson in Borg geboren war, zog Snorri Sturluson als Besitzer auf das alte ehrwürdige Bauerngehöft.

Snorri war damals ein dreiundzwanzigjähriger Mann. Er hatte eine treffliche Bildung hinter sich. In Odde war er bei Jon Loptsson, dem mächtigsten Häuptling seiner Zeit erzogen worden. Sein Pflegevater war ein pracht- und kunstliebender Mann, aber zugleich hervorragend klug und für alle Wissenschaft empfänglich , die dort nach alter guter Tradition seit Sämund dem Weisen gepflegt wurde. In einer Umgebung reicher vaterländischer Gelehrsamkeit wuchs hier der junge Snorri bis zum 19. Jahre

Durch die Heirat mit der reichen Priestertochter Herdis war Snorri dann in Borg an eine noch ehrwürdigere Stätte gekommen Hier haue Egil Skallagrimsson, mit dessen Geschlecht er durch seine Mutter Gudny verwandt war, gesungen. Nun war er selbst dort am Borgfjord schon in jungen Jahren ein mächtiger Mann.

Es reizte den Ehrgeizigen, der auch Skaldenkunst in sich verspürte , sich in die Geschichte seines großen Ahnherrn zu vertiefen. Vom Besiedlungsbuch, von den Königsgeschichten hatte er hier und in Odde tiefe Eindrücke empfangen. So zeichnete er alles, was die reiche mündliche Überlieferung von dem großen Dichter bot, auf. Er lernte und kannte, wie viele andere, dessen Skaldenlieder auswendig. Als er dann die fertige Egilssaga hinschrieb, hatte er dem Geschlecht Skallagrims in der Landnahmezeit wie in seinen Kämpfen mit den norwegischen Königen doch wohl unwillkürlich eine sagenhaft überragende Stellung gegeben .

Bald darauf siedelt Snorri nach dem neuerworbenen prächtigen Landsitz Reykjabolt am Borgfjord über. Er kann dort in seinem stolzen stark befestigten und mit reichen Badeeinrichtungen versehenen Heim eine fürstliche Pracht entfalten. Sein Blick war durch die Königssagas längst nach Norwegen gelenkt. Seinen Ahnen Thorolf hatte erin der Geschichte vom Skalden Egil



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schon Harald Haarschön gegenüber nach dem Muster des Vasallen Olafs des Heiligen Erling Skjalgsson eine mächtige Rolle spielen lassen. Er selbst wollte nun auch den norwegischen Königen gegenüber etwas vorstellen.

Dieser Ehrgeiz war um so berechtigter, als Snorri nicht nur durch seinen geschickt vermehrten Reichtum auf der Insel etwas galt. Er hatte in blutigen Fehden, wie sie bei der damaligen Rivalität der vornehmen Geschlechter unausbleiblich waren, ges Rgt, daß er seinen Mann stellen konnte. Und doch trat seine Friedfertigkeit zutage und eine geringe Neigung, sich in anderer Händel zu mischen, die ja einst auch auf Island Egil auszeichnete. Er war vier Jahre lang Gesetzessprecher der Insel gewesen und galt längst für einen guten Skalden.

Dreißigjährig kommt Snorri nach Norwegen, wo der junge König Hakon und neben ihm der tapfere Jarl Skule regierten. An beide Herrscher; die damals noch nicht entzweit waren, schloß sich Snorri als Gefolgsmann an, doch besonders feierte Jarl Skule im Liede. König und Jarl überhäuften ihn mit Ehrengeschenken und Titeln, die seinem Erwerbssinn zusagten und seinem Ehrgeiz schmeichelten.

Reibereien zwischen dem Königsgeschlecht und den großen Häuptlingen auf Island waren damals an der Tagesordnung. Auch jetzt noch war die Stimmung in Norwegen so erbittert, daß König Hakon und Jarl Skule einen Kriegszug gegen Island planten. Hier konnte sich Snorri als Politiker zeigen. Dringend riet er den Fürsten von einem bewaffneten Angriff ab, indem er versprach, bei seiner Rückkehr dafür zu wirken, daß die Insel ohne Blutvergießen in die Gewalt des Königs komme. Er stellte seinen Sohn als Geisel und wiegte die Herrscher in den Glauben, daß er sein Vaterland verraten wolle. Zunächst hatte er ihm als vermeintlicher Lehnsmann des Königs einen patriotischen Dienst getan. Aber Snorri wurde seiner Rückkehr nach Island mit Spott- und Hohnversen empfangen. Man mißtraute dem ehrgeizigen Mann und neidete ihm die reichen Königsgeschenke,

Doch gelingt es Snorri in kurzer Zeit, allen Argwohn und alle Eifersucht zu zerstreuen. Er wird nun auf zehn Jahre



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als Gesetzessprecher der erste Mann und vermehrt durch ein Seies Liebesverhältnis mit einer angesehenen und reichen Witwe seinen Reichtum und seinen Einfluß auf der Insel.

Das schönste Gedicht, das Snorriwährend seines Aufenthaltes in Norwegen auf die beiden Fürsten gedichtet hatte, war ein über hundert Weisen umfassendes Preislied.

Das Lied besingt erst den Ruhm des Königs, dann den des Jarles und endlich beider. Es weiß nicht genug die Tapferkeit und Freigiebigkeit der Herrscher zu preisen. Es sollte ihm gleichzeitig ihr politisches Vertrauen sichern. Es ist in der Form ein nicht wieder übertroffenes Meisterwerk. Alle kunstvollen Weisen der Skalden bis auf die einfachere Strophenform der Edda waren in ihm nach einander veranschaulicht. Es beginnt mit einem Lobe König Hakons in der prachtvollen Königsweise und klingt eddamäßig einfach und natürlich in den Wunsch für ein langes Leben der beiden befreundeten Herrscher aus.

Das ursprünglich rein als Lobgedicht verfaßte Lied sollte später noch eine besonders wichtige Aufgabe erfüllen. Es wurde als Abschluß und größter äußerer Schmuck an das erste der beiden gelehrten Meisterwerke Snorris gefügt, an seine Edda.

Mit dem Namen Edda bezeichnen wir auch die Götter- und Heldengedichte in"Thule". Sie wurden schon in älterer Zeit so genannt. Da sie später wieder entdeckt wurden als Snorris Werk, nannte man dann die der seit nach früheren Gedichte "ältere Edda" im Gegensatz zur"jüngeren Edda" Snorris.

In Wirklichkeit verdient nur dies Werk den Namen Edda, der"Poetik" bedeutet. Ein Skaldenlehrbuch sollte es trotz seiner wunderlichen mythologischen Umrahmung sein.

Der erste Teil, die"Täuschung Gylfis"läßt einen schwedischen König nach Asgard kommen. Dort erfährt er auf seine Fragen von drei Göttern, in denen sich schon die christliche Trinität wiederspiegelt; alles Wissenswerte aus der nordischen Mythen- und Sagawelt. Als er das letzte; den Untergang und die Erneuerung der Welt, gehört hat, verschwindet die Halle mit den Göttern plötzlich, und er ist allein.



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Ein solches Frage- und Antwortspiel war ganz nach dem Sinn der Isländer. Auch im gewöhnlichen Leben kramte man gern sein Wissen in der Art aus. Die alte Eddadichtung ließ so Odin über die ganze Mythologie mit einem Riesen äch unterhalten. Solche alten Gedichte, aber auch das mythendurchwobene Gedicht von der Weissagung der Seherin, hat Snorri für sein umfassendes Sagengemälde benutzt.

Für die Auswahl der Mythen und den Umfang, den ihre Darstellung bekam, waren Gründe der Zweckmäßigkeit maßgebend . in Skaldenliedern behandelte Vorwürfe, wie die Fahrten Thors, waren am meisten erwünscht. Bei ihnen nimmt die Darstellung leicht die Gestalt einer kleinen Saga an. Oft sind die Lieder, die einer solchen Erzählung zugrunde liegen, uns nicht mehr bekannt. Dann bekommt das Skaldenlehrbuch für uns auch den Wert einer selbständigen Dichtung.

Hierher gehören etwa die Abenteuer Thors bei Utgardalaki, die in ihrer Mischung von Ernst und Scherz so unterhaltsam sind. Auf anziehenden und dem Gegenstand angemessenen Stil legt Snorri in seinem Skaldenlehrbuch überhaupt das größte Gewicht. Balders Tod oder der Untergang der Welt wirken auch in seiner Prosa gleich Tragödien wie in den Liedern, die sie einst besangen.

Ähnlich wie in Gylfis Täuschung gibt in dem zweiten Teil der Edda der Dichtergott Bragi dem fragenden Wassergott Ägir über alles Wissenswerte aus dem Skaldentum Auskunft.

Die Herkunft des Dichtermetes spielt auch hier wie in Edda- und Skaldenliedern eine Hauptrolle. Dann aber erörtert Snorri alle Einzelheiten der dichterischen Sprache und der poetischen Form und erläutert sie an Meisterstücken aus der Skaldenkunst. Die Fülle künstlicher Umschreibungen und Bilder, von denen wir aus Egils und Kormaks Liedern eine Andeutung zu geben suchten, zieht in buntem Reichtum am Leser vorüber. Die Ausdrücke für Gold, Schwert, Schiff und viele andere des täglichen Lebens enthüllen eine Reibe glänzender Mythenbilder. Die ganze sinnliche und übersinnliche Welt des nordischen Altertums ist in diesen Ausdrücken beschlossen und für den Skalden wertvoll.



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Das Gedicht auf König Hakon und Jarl Skule hatte Snorri ursprünglich nur aus politischen Motiven gedichtet. Jetzt fügt er es als dritten Teil seiner Edda an und erläutert an dieser glänzenden Strophenfolge alle Feinheiten des skaldischen Metrums.

Es spricht für die Lebendigkeit und Vielseitigkeit seines Geistes , daß er so verschiedene Interessen gleichzeitig in sich vereinigen konnte. Snorris häusliche Verhältnisse nahmen ihn nach vieler Richtung in Anspruch. Sein ausgeprägter Erwerbssinn, seine Liebeshändel mit Frauen, die Zwistigkeiten in der eigenen Sippe schufen ihm manche Mühen und Schwierigkeiten. Die Sorge um das Schicksal des Vaterlandes und die zweideutige Stellung gegenüber dem König und seinen Landsleuten, die ihm jene aufzwang, konnten wohl den ganzen Seist eines Menschen in Beschlag nehmen. Bei aller dieser äußeren Unruhe bleibt Snorris virtuosenhafte Vertiefung in den Geist des alten Skaldentums bewundernswert.

Für sein zweites Lebenswerk, das Königsbuch, kam Snorri die Gunst ruhigerer Zeiten zustatten. Die sehn Jahre nach der Rückkehr von seiner ersten Reise nach Norwegen war die fiedlichste Zeit seines Lebens. In dieser genoß er als dauernder Gesetzessprecher der Insel am meisten das Vertrauen seines Volkes. Die Edda, das Werk, das am tiefsten in dessen Seele; den Geist des alten Skaldentums, hinabstieg, hatte er vollendet . Keiner war, wie er, befähigt und berufen, die Zustände der Vergangenheit und der Gegenwart zu vergleichen. Die Sehnsucht, die innere Einheit seiner Künstlerseele mit den Anforderungen seines durch innere Zerwürfnisse zerrissenen Zeitalters in Einklang zu bringen, hat an der Wiege von Snorris großem Geschichtswerk gestanden. Durch dies Bestreben ist eine unvergleichliche Wahrheit und Innerlichkeit über das Königsbuch gebreitet.

Die Macht, die in dem norwegischen Königtum lag, hatte Snorri mit eigenen Augen in Norwegen beobachten können. König Hakon, dessen tatkräftige und glückbegünstigte Gestalt in vieler Hinsicht an Harald Haarschön erinnerte, war er nahe getreten. Er dörte weiter auf Island von dessen Siegen, auch



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von seinem gespannten Verhältnis Jarl Skule gegenüber. Das freundschaftliche Verhältnis der beiden, das er besungen hatte, bestand nicht mehr wie früher. Wo Snorri sich in die geschichtlichen Sagas vertiefte, fand er ähnliche Verhältnisse. Auch von mächtigen Jarlen fanden sich Erzählungen. Aber fast nie waren ihre Bestrebungen zum endgültigen Siege ausgeschlagen . Die Reibe der Könige von Harald Haarschön an bestätigte das Bild, das ibm die Gegenwart lieferte. Immer waren es die starken Persönlichkeiten der Herrscher, die Geschichte gemacht hatten. Sie mußten den norwegischen Mittelpunkt seiner Darstellung bilden.

Mit dem gleichen scharfen Blick hatte Snorri die Verhältnisse seines Volkes in der Gegenwart beobachtet. Auch hier fand er die Zustände seiner Zeit beim Durchforschen der alten Königssagas in der Vergangenheit bestätigt. Schon in der letzten Zeit des Freistaates trat die politische Bevormundung Islands durch die Könige Olaf Tryggvason und Olaf den Heiligen besonders hervor.

Aber damals war von einer so unheilvollen Zersplitterung der Isländer untereinander doch nie die Rede. Snorri konnte in seiner eigenen Familie die wilden Roheiten und Grausamkeiten bei Kämpfen und Überfällen beobachten, die die des Heldenzeitalters weit hinter sich ließen. Mehr wie früher wurde der Norwegerkönig von den eigennützigen Häuptlingen selbst in ihren Wirren als Schiedsrichter angerufen. Auch hier konnte Snorris Sympathie nur bei dem Königtum sein. Er sah, daß sich Island selbst zugrunde richtete.

Snorri selbst kam in diesen Wirren des Heimatlandes für seine Person kaum zu seinem Recht. Er geriet wiederholt in Situationen, wo seine friedfertigen Absichten mißverstanden, ja mit Verfolgung gelohnt wurden. Ihm schwebte aus der Egilssaga sein großer Ahnherr vor, der sich nur im äußersten Notfall in die Händel seiner Heimat gemischt hatte. Aber Snorri war keine überragende Kriegergestalt wie jener, den niemand anzutasten wagte. Auf der Insel hatte er als Gesetzessprecher seinen Mann gestanden. Er mochte sich gern in die Rolle eines alleinigen Schlichters der unerträglichen Zustände



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Kraterlandschaft am Myvatn Mückensee). Nordisland



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der Heimat träumen. So war es begreiflich, daß ihm auch für seine Person ein heilsames Wirken für sein Vaterland am ersprießlichsten unter dem Schutz des norwegischen Königtums dünkte,

Der starken Verehrung des Königtums in Vergangenheit und Gegenwart stand aber doch wieder sein nationaler Stolz als Isländer gegenüber. Auch dieser war am Hofe des Königs Hakon mächtig genährt worden. Snorri selbst war Fürstenskalde gewesen wie in alter seit. Seinem klugen Rat gegen die Vergewaltigung des Vaterlandes hatten sich jene Herrscher gefügt. Er war königlich belohnt,

In der Vergangenheit stiegen Männer wie Hallfred und Sighvat vor ihm auf. Auch sie waren ja in der Gefolgschaft der Könige gewesen. Sie hatten durch ihre Selbständigkeit als Skalden den Königen imponiert. Ja Sighvat hatte im Liede sogar wagen dürfen, den jungen Königssohn, dem er selbst den Namen gab, als er schlecht gegen das Volk auftrat, in seine Schranken zu weisen.

So war für Snorri in seinem Königsbuche die Verherrlichung des Skaldentums der zweite Hauptgedanke. Er beherrschte ihn um so mehr, als kein Isländer vor ihm mit so kritischem Blick den Wert der Skaldendichtung auch für die historische Forschung erkannt hatte. Diese Lieder, durch die sorgfältigste Tradition von Mund zu Mund fortgepflanzt, waren gerade durch ihre künstliche Form vor Entstellung geschützt. Die zeitgenössischen Skalden der Könige Harald Haarschön, Olaf Tryggvason und Olafs des Heiligen geben auch deren Taten aus unmittelbar lebendiger Anschauung wieder. Ihre Lieder waren für Snorri zuverlässige Dokumente. Der Verfasser des Skaldenlehrbuchs wußte wie keiner in ihnen Bescheid. Die Beschäftigung mit den Skaldenliedern machte so Snorris Königsbuch zu einer wahrhaft nationalen Tat.

Die doppelte Sympathie für das Königtum und Skaldentum in Vergangenheit und Gegenwart haben dem Königsbuch seine Eigenart gegeben. Mit ihr hängen auch die kritischen Grundsätze zusammen, die Snorri bei Abfassung des Werkes beherrschten.



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Snorri hat diese selbst in einem meisterhaften Vorwort entwickelt. Nur auf den zuverlässigsten Quellen hat er sein Geschichtswerk aufgebaut. Neben den so hochgewerteten Skaldenliedern waren es die besten schriftlichen Vorlagen, wie die isländische Geschichte Aris, und die mündliche Mitteilung zuverlässiger Männer, die Snorri genau kannte. Sein eigenstes Werk aber bleibt die künstlerische Komposition des Ganzen. Frühere Zusammenstellungen von Königsgeschichten waren in der Hauptsache Sammlungen geblieben. Durch Snorris überlegenen Geist war ein in der ganzen Darstellung einheitliches Königsbuch geschaffen worden.

Die Form der Saga, die Snorri in seinem großen Ahnherrn Egil so vollendet entgegengetreten war, hat er im Königsbuch auch seiner kritischen Geschichtsdarstellung aufgeprägt. Mit vollem Bewußtsein hat er einmal, wo er nach seinem Material nicht historisch sichten konnte, die mythische Geschichte des vom Gotte Frey abstammenden Königsgeschlechtes Harald Haarschöns an den Ansang gestellt. Das war wohl eine Aufmerksamkeit für die Norwegerkönige. Sie waren noch immer auf den Gründer des Einheitskönigtums stolz.

Der Schmuck der Skaldenlieder durchzieht Snorris ganzes Werk. Dessen schönste Zierde sind doch die inhaltsvollen Reden, die der Geschichtsschreiber seinen scharf charakterisierten Personen in den Mund legt. Gerade hier mag sich mancher Eindruck von Snorris eigner Zeit widerspiegeln. Durch dieses wirksame rhetorische Mittel hatte ja einst auch ein Thucydides seine Geschichte belebt.

Es war wohl Snorris Lieblingsgedanke, die Sympathien, die er für das norwegische Königtum und das isländische Skaldentum als Künstler empfand, durch eine entsprechende Neuordnung auf der Insel auch für seine Person in Wirklichkeit umzusetzen. Als Landesverrat hätte man ihm dies kaum auslegen können. Er sah den Untergang des Freistaates voraus, der ja auch zwanzig Jahre nach Vollendung seines Königsbuches wirklich eintrat. Wenn ein so kluges und künstlerisches Geschlecht wie er und seine beiden Neffen Olaf und Sturla unter dem Königsschutz die Herrschaft über die Insel angetreten



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Die drei Gipfelklippen des Snaefellsjökull von Südost gesehen. Westisland



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hätten, wäre es dieser nur zum Vorteil gewesen. Freilich hätte Snorri wohl für den Glanz und die Pracht seines Hauses weiter mit dem Geiz seines großen Vorfahren Egil vom Borgfjord gesorgt.

Die ruhige seit für den Forscher Snorri war nach der Vollendung des Königsbuches vorbei. Der friedfertige Mann wurde in Fehden und Verfolgungen verwickelt, die schließlich mit seiner Ermordung endeten.

König Hakon begann, nachdem er ein Jahrzehnt lang durch innere Kämpfe daran verhindert war, seine Unterwerfungsgelüste gegenüber Island aufs neue.

Da er Snorri selbst wegen dessen abwartender Haltung mißtraute , wandte er sich an andere Mitglieder des tatkräftigen Sturlungengeschlechtes, um seine Eroberungspläne durchzusetzen . Vor allem hetzte der König den Sohn von Snorris Bruder Sighvat, Sturla, auf, in seinem Sinne zu wirken. Doch war auch Gissur, ein vornehmer Mann aus dem Geschlecht der Männer vom Haukadal, für den König tätig, der mit jenem verfeindet war.

Stur las rücksichtsloses Auftreten hatte sich auf der Insel scharfe Gegner geschaffen. So auch Snorris Bastardsohn Uräkja, der dem Vater schon viel durch seine Gewalttätigkeiten zu schaffen gemacht hatte. Sighvat und Sturla überfielen Snorri, da sie meinten, daß dieser mit seinem Sohn gemeinsame Sache gemacht habe. So mußte Snorri von seinem geliebten Reykjaholt fliehen, ein Jahr ruhelos umherirren und sich auf seinen andern Besitzungen aufhalten.

Auch die Leute vom Haukadal aber hatten Sighvat und Sturla gereist. So wurden beide von jenen in der blutigen Schlacht bei Orlygsstadir besiegt und getötet. Dadurch wurde ihr Gesippe Snorri ein Todfeind Gissurs, des anderen Günstlings König Hakons, der jenen Totschlag verursacht hatte. Das Verhältnis Snorris zu König Hakon wurde dadurch nicht besser. Auf einer zweiten Reise nach Norwegen, die Snorri dann unternommen hatte, war er nur bei Jarl Skule gewesen und hatte dadurch den Zorn des Königs noch mehr auf sich geladen. Gegen des Herrschers Verbot, aber mit ausdrücklicher



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Zustimmung von dessen Widersacher Skule war er nach Norwegen zurückgekehrt. Nun befahl Hakon seinem Günstling Gissur den staatsgefährlichen Mann lebend oder tot in seine Gewalt zu bringern Snorri ward in Reykjaholt überfallen und getötet.

Snorris Tod war für den schnellen Untergang des Freistaates entscheidend. Nach und nach gelang es Gissur, der vom König zum Statthalter Islands ernannt wurde, alle mächtigen Geschlechter der einzelnen Landesviertel zur Anerkennung der norwegischen Oberherrschaft zu bringen. Nach der vollständigen Einverleibung Islands in Norwegen unter Hakons des Alten Nachfolger 1264 hörte auch die isländische Statthalterschaft bald auf.

König Hakons Bemühen war es hauptsächlich zu verdanken gewesen, daß die Romane des Auslandes nach Norwegen kamen und dort in die isländische Sagaform gebracht wurden. Er war schon mehr wie seine Vorgänger ein König im Sinne des mittelalterlichen Rittertums. Er stand mit den Fürsten Europas, besonders mit dem aufgeklärten Hohenstaufen Friedrich ll. auf Sizilien, in enger Verbindung. Er hat als erster schon den Lübecker Kaufleuten in Bergen Handelsprivilegien verliehen. Diesem König hat dann auch der Preis der letzten großen Gefolgschaftsskalden gegolten. Die beiden Söhne von Snorris ältestem Sohn Thord hatten die Bildung und die Liebe zur Dichtung vom Oheim geerbt. Eine eigentümliche Ironie des Schicksals ist es, daß sie gerade im Liede die Verehrer des Königs wurden, der ihren größten Verwandten hatte töten lassen.

Von den mächtigen Aristokratenfamilien der letzten Zeit des Freistaates ist nur der Name der Sturlunge durch Snorri und diese beiden Neffen unsterblich geblieben.

Sie gehören unzertrennlich zu ihm, durch Neigung wie Veranlagung. Olaf, der ältere, war mehr durch Snorris Skaldenwerk, die Edda, beeinflußt. Unter seiner Leitung wurde diese Lebensarbeit Snorris später noch überarbeitet und weitergeführt . Manches, was der große Gelehrte nur angedeutet hatte, wurde mit kundiger Hand ergänzt. Die weitere wissenschaftliche



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Forschung des nordischen Altertums war dadurch schon in alter Zeit eröffnet. Sturla, der jüngere, war mehr durch Snorris Königsbuch angeregt worden. So schrieb er die "Isländergeschichte" , deren Glanzpunkt Snorri Sturlusons Leben bildet. Sie ist denn auch der Mittelpunkt der Erzählungen aus den "Sturlungengeschichten" in Thule.


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