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Felix Niedner Islands Kultur zur Wikingerzeit


Mit 24 Ansichten und 2 Karten

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913

5. Altisländisches Alltagsleben

Die Lebensweise des neuen Volkes war norwegisch. Der keltische Einschlag der Bevölkerung war ja an Zahl gering . Auch betraf er vorwiegend die dienende Bevölkerung. Der Seie nordische Mann führte sein heimatliches Leben nach Möglichkeit auch auf Island fort.

Die Natur der Insel drängte wohl auf einfachere Gestaltung des Lebens. Fruchtbarkeit des Bodens und Lebhaftigkeit des Menschenverkehrs waren geringer als in Norwegen. Doch brachten viele Ansiedler beträchtliche Habe aus der Heimat mit, und die rührige Arbeitskraft der Bevölkerung sorgte für aufblühenden Mohlstand. Auch blieb der Zusammenhang mit dem Mutterlande während der Besiedelungszeit ständig erhalten. Immer neue Kolonisten rückten nach, und früh zeigte sich auch auf Island die Lust zu Wikingerfahrten. Durch diese Auslandreisen, die sich auf den ganzen Norden Europas erstreckten, kam auch Reichtum, ja Luxus auf die Insel.

Gern spähte der isländische Großbauer von dem Hügel, an dem sein Gehöft lag, in die Umgebung. Er überwachte von dort eifersüchtig sein Besitztum gegenüber den leicht streitsüchtigen Nachbarn. Mohlgefällig sah er dann wohl auf das höchst originelle Hauptgebäude. Fünf Häuser, aneinander gebaut: in der Mitte ein breiter, gedeckter Gang, rechts Wohnstube und Schlafzimmer, links Küche und Speisekammer, alles einen Komplex bildend, doch mit eigenen Dächern. Abseits dann Wirtschaftsgebäude, Vorratskammern, Scheunen und Viehställe. Selten fehlte eine stattliche Schmiede. Der isländische Hausherr dachte: selbst ist der Mann.

Einfach freilich war das Material, mit dem gebaut wurde. Erde und Feldsteine mit Erdfüllung waren die Regel. Wände und Dach waren mit üppigem Rasen gedeckt. Nur selten kamen Holzhäuser vor.

Stimmungsvoll aber war das Innere, vor allem die Wohnstube . Hier saßen die ganze Familie, Knechte und Mägde morgens beim Frühmahl, ehe man an die Arbeit ging. Hier traf



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Der Priesterhof Háls in Nordisland



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man abends zur Hauptmahlzeit wieder zusammen und erholte sich am flackernden Herdfeuer.

Das Dach der Wohnstube war durch Pfeilerreiben gestützt. Die äußeren standen an den Längswänden, die inneren schlossen den Herdplatz in der Mitte des Hauses ein, der aus Lehm bestand. An der Wand sogen sich, über dem Fußboden erhöht, Bänke hin. Die mittelsten Sitze auf den Längsbänken, rechts und links des Eingangs, waren die Hauptplatze. Auf dem rechts saß der Hausherr, auf dem gegenüber, der niedriger war; der nächst angesehene Hausgenosse oder ein Gast, den man ehren wollte. Den Sitz des Hausherrn umgaben die heiligen Hochsitzpfeiler, in die Götterbilder geschnitzt waren. Alle Sitze auf den Längsbänken füllten nur die Männer. Auf der Hinterwand gegenüber dem Eingang thronte die Hausfrau mit ihren Mägden.

Ein farbenfohes Bild mag die Wohnstube eines begüterten Bauern an Festtagen gewährt haben. Auf Stattlichkeit der Erscheinung und gute Kleidung legte der Isländer wie jedes tüchtige Bauernvolk Gewicht.

Beide Geschlechter trugen lange Gewänder aus Wollenzeug, Baumwolle oder Leinwand. Ein Gürtel mit dem hängenden Weser beim Mann, Wirtschaftszeug bei der Frau umschloß den Rock oder das Kleid. Die Gewänder der Männer und Frauen schillerten bunt in allen Farben. Das natürliche Weiß der Wolle blieb nur für Sklaven und Dienerinnen. Das kostbarste Stück," das man aber bloß bei Festlichkeiten trug, war ein langes seidenes Schleppgewand von scharlachroter Farbe, das von oben bis unten mit Goldknöpfen geziert war. Auch dies trugen mit geringer durch den Körperbau bedingter Verschiedenheit Männer und Frauen. Einfache, gewöhnlich aus einem Stück Leder gefertigte Schuhe, ein Hut oder eine Kapuze beim Mann, ein Kopftuch -der eine Haube bei der Frau vervollständigten die bäurische Garderobe.

Der Stolz der Männer wie der Frauen war dav lang herabwallende Haar. Das geschorene Haupt war Kennzeichen der Sklaven. Blondes und kastanienbraunes Haar wurde besonders geschätzt. Männer wie Frauen, vor allem aber die jungen



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Mädchen, die den Kopf unbedeckt trugen, schlangen gern ein golddurchwirktes Band ums Haar. Ein Perlband schmückte oft den Hals der Frau. Goldene Halsbänder aber, Ringe, Spangen und andere Schmucksachen trugen wiederum beide Geschlechter. Auch der Mann hatte an dem Fingerreif oder an dem spiralförmigen Ringgeflecht, das seinen Arm umspannte, seine helle Freude.

Für den festtäglichen Schmaus sorgten Männer und Frauen durch fleißige Arbeit. Im Hause selbst wurde von den Frauen das Brot gebacken, von den Männern gebraut. Sorgsam spannen und webten die Mädchen. Man erzählte sich Geschichten oder trug Lieder vor. Man spielte Würfel oder Brettspiel — wie einst die Götter im goldnen Zeitalter.

Ein solches Phäakendasein mußte freilich durch barte Tätigkeit erobert werden. Daran hatten Sklaven und Freigelassene wohl den Hauptanteil. Aber auch die Herrschaft, Männer wie Frauen, griffen tüchtig zu. Im allgemeinen verstand man sich gut in gemeinsamer Arbeit.

Die vielen auf Saatland deutenden Ortsnamen zeigen, welchen Ehrgeiz man darein setzte, den heimischen Getreidebau Norwegens auf dem neuen Boden nicht verkümmern zu lassen. Aber karg war, was ibm die ein fache Bestellung mit Karst oder Pflug abgewann. An manchen Stellen machte die durch heiße Quellen erwärmte Erde den Anbau günstiger. Wenn aber von Ackern besonders gerühmt wird, daß sie jedes Jahr Frucht trugen, weist das deutlich auf häufige Mißernten. Weizen kam nur zu Schiff aus dem Süden.

Ein ländliches Erntebild in unserem Sinne bot die Heuernte. Da war alles auf dem Felde. Die Knechte mähten, die Mägde schichteten die Mieten, die Pferde trugen das getrocknete Heu heim in die Vorratshäuser für den Winter. Viel Heu im Schober war ein Glück für den Besitzer. Der Hausherr, der bei mäßigen Ernten dann im Winter mit Heu aushelfen konnte, stand in großem Ansehen.

Begreiflich war diese Wertschätzung bei der Wichtigkeit des Heues für die Viehzucht. Diese machte den größten Bestandteil der isländischen Wirtschaft aus.



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Die Kuh war das Haupttier des Bauern. Sie vertrat in älterer Zeit den Geldwert der Münze. Unter zehn Kühen hatten wohl nur wenige Bauern, gar mancher besaß gegen hundert. Nur die Schafzucht kam der Kuh an Bedeutung für den häuslichen Wohlstand nahe. Im Sommer wurden die Tiere oft in die Berge getrieben, wo sie wild weideten und besonders feit wurden. Schafherden von 500 Tieren waren keine Seltenheit. Es kam aber auch die fünffache Zahl vor.

Ein lebendiges Leben entfaltete sich, wenn die Schafe im Herbst in die großen gemeinsamen Hürden eingefangen wurden. Da galt es die mit besonderen Hausmarken versehenen Tiere richtig herauszufinden. Dabei gab es leicht Streit und Mißhelligkeiten mit Männern aus demselben Bezirk. Auch die Kuh- oder Schafweide schaffte oft Zwietracht, wenn die Weidegrenzen von unzuverlässigen Nachbarn nicht innegehalten wurden.

Solche Reibereien traten auch wohl ein bei Fischfang und Jagd, der dritten Erwerbsquelle der alten Isländer.

Man fing in den Strömen mit Reusen, Netzen und Angel Lachs und Forelle. Auf dem Meere stellte man, wie jetzt noch an den Lofoten in Norwegen, in kleinen Ruder- und Segelbooten dem Hering und dem Dorsch nach. Wo gute Fisch- und Vogelplätze in der Nähe waren, da blühte oft ein überraschender wirtschaftlicher Wohlstand auf. Wie noch heute in den nordischen Gegenden bildeten die Eier der Seevögel einen Hauptzweig der Ernährung.

Besonders beliebt war die Jagd auf Seehunde, Walfische und andere Waltiere. Man schoß mit Harpunen nach ihnen oder schlug sie mit Keulen tot, wenn sie das Meer ans Land warf. Um das Eigentumsrecht an einem angeschwemmten Wal tobte oft ein erbitterter Streit.

Schon die tägliche Arbeit führte so Menschen derselben Gegend zusammen. Man knüpfte auch Bekanntschaft an und lud sich gegenseitig ein zum Gelage.

Dann kam die germanische Reiselust des Isländers zu ihrem Recht. Man machte sich auf in die Nachbarschaft oder gar in einen andern Bezirk. Im Winter fuhr man auf Schneeschuhen oder in Schlitten. Im Sommer zog man zu Pferde aus.



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Schon daheim bei den täglichen Verrichtungen blieb der Mami gern im Bereich seiner Waffen. Auf der Reise trug erste stets. Sie hingen in dem Wohnhaus des Gastfreundes über seinem Bankplatz, nachts im Schlafzimmer über seinem Bett. Vorsicht war unterwegs doppelt geboten. Ein Feind, mit dem man Hader gehabt hatte; konnte immer auftauchen.

Förmlich war der Empfang beim Gastgeber, aber reichlich die Bewirtung. War ein Geschäft zu erledigen, trug man nicht gern, bis der Gast sich selbst äußerte. Mehr als drei Tage zu verweilen galt für unfein. Gastgeschenke frische Pferde und Segenswünsche für die Fahrt gab der Wirt dem scheidenden Gast mit auf den Weg.

Die Nahrung, die dem Fremden vorgesetzt wurde, war wie daheim kräftig und gut. Sie kam vom Ertrag, den die Wirtschaft oder die Jagd des Tages abwarf. Fleisch und Fisch, gekocht und gedörrt, Brot, Grütze aus Gerste oder Hafer, vor allem die fette Milch in jeder Form bildeten den Hauptbestandteil. Engelwurz und mehrere Arten Seetang wurden daneben gegessen. Ein einfaches Hausbier war das Getränk.

Reicher war die Bewirtung bei Gelagen, die zuweilen als Picknicks veranstaltet wurden, meist aber auf besondere Einladung stattfanden. konnte es hoch hergehen. Braten, auch Luxus speisen vom Ausland, selbst Wein aus dem Süden wurde dann gespendet.

Die Gelage fanden oft bei Gelegenheit einer Familienfeier, etwa einer Hochzeit, statt. Dann war häufig eine große Zahl Männer und Frauen zusammen. Die Wohnstube war in diesem Fall besonders festlich geschmückt,

Lange Herdfeuer brannten in der Mitte. Der Fußboden war mit Stroh gedeckt, die Sitze der Männer mit Schmuck geziert, die Wände bei Wohlhabenden mit herrlichen Teppichen behängt. Nachdem die Tische fortgeräumt waren, auf denen man die Speisen auftrug, begann der Hauptteil des Festes: das Trinkgelage.

Hier kamen alle Roheiten und Kniffe der germanischen Trinklust zur Geltung. Man trank sich von den Längsbänken über das Herdfeuer zu, man vereinigte sich zu besonderen Trink



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ecken, man geriet aber im Rausch auch oft in Streit. Fehde und Totschlag konnten leicht ein Mahl beschließen,

Besonders gefährlich waren die Gelübde, die man in der gehobenen Stimmung ablegte. Sie wurden im nüchternen Zustand , da sie die waghalsigsten Taten versprachen, oft bitter bereut. Sie waren aber heilig und durften nicht zurückgenommen werden.

Vor allem wurden solche Gelöbnisse auf dem Juleber abgelegt , der zur Weihnachtszeit in die Schar der Männer geführt wurde. Auf ihn, der dem Gotte Frey geweiht war, legte man feierlich die Hände und tat dann, indem man einen heiligen Becher leerte, den Schwur.

Eine solche große Bauernstube zur Weihnachtszeit mochte auch auf Island als Abbild der göttlichen Walhall erscheinen. Manche Bauern gaben an Pracht und Ausschmückung der Hallen den norwegischen Edlen und Fürsten wenig nach. Auch hier traten Skalden auf, die an dem Getäfel der Wände bildlich dargestellte Szenen aus der Göttersage in kunstvollem Sange erläuterten und sonst von den Taten der Väter aus Norwegen berichteten.

Das Weihnachtsfest war das Hauptfest auf Island. Es siel, wie bei uns, in den Mittwinter zur Zeit der Sonnenwende. Die beiden andern großen Feste waren zu Beginn des Sommers , um den 14. April, und am Anfang des Winters, um den 14. Oktober. Vor jenem war die Früh saat, vor diesem die Ernte beendet. Der Sommer selbst blieb meist frei für die häusliche Arbeit und die Wikingerfahrten.

Die Götter, denen zu Ehren man die Festgelage veranstaltete, waren die alten der Heimat. Besondere Schutzgottheiten begleiteten den Menschen durch das Leben und wurden bei den Opferfesten angerufen.

Im Mittelpunkt der Verehrung standen Odin, Frey und Thor. Vor allem aber die beiden letzten. Ihre Hochsitzsäulen hatten die meisten Ansiedler begleitet. Ihnen wurden auf Island neue Tempel errichtet.

Die großen Opferfestlichkeiten fanden im Tempel statt. Dieser war ein kapellenartiges Gebäude, das in zwei Teile zerfiel.



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In dem kleineren Raum hauste allein der Tempelvorsteher, der Gode.

In dem größeren, der ähnlich wie eine isländische Wohnstube mit Banksitzen für die Männer versehen war, versammelte sich die Opfergemeinde. Die Götterbilder waren gewöhnlich von Holz, aber oft prächtig geschmückt. Heilig war das Pferdefleisch das auch den Hauptteil des Festschmauses bildete, während man sonst Ochsen- und Schaffleisch verzehrte. Den Vorsitz des Opfermahles führte, auf dem Hochfitz thronend, wiederum der Gode. Die Erhaltung des Tempels wurde durch die Tempelsteuer des Godenbezirkes bestritten. Oft flossen aber feiwilltge Gaben. Endlich hatte der in der Regel reiche Priester und Tempelvorsteher, eben der Gode, selbst ein natürliches Interesse an der Erhaltung seines Heiligtums.

Mit dem Besitz des Tempels bing auch die weltliche Macht des isländischen Goden zusammen. Was vor der Gründung des isländischen Staates an Herrschergewalt und richterlicher Machtsphäre da war, lag gleichfalls in den Händen des Goden.

Er berief die Thinge, die im Frühjahr und im Herbst die Männer des Bezirks zu gemeinsamer Beratung zusammenführten.

Der Thingplatz wurde vom Goden bestimmt und war nach außen feierlich abgesteckt. Hier erschien man mit vollen Waffen, die nur im Heiligtum bei den Opferfesten abgelegt wurden. Von einem Thinghügel aus wurden die Beschlüsse der Versammlung für den Bezirk verkündet und in Streitsachen Recht gesprochen. Grenzfehden, Viehraub, Brandschatzung oder Totschlag des Nachbarn und ähnliches kam zur Verhandlung. Wie auf den Opferfesten war hier jeder Streit mit Waffen verpönt . Auch der Thingfiede war heilig.

So schwere Strafen auf den Bruch des Tempel- oder Thingfiedens gesetzt waren, wurden beide doch nicht selten gebrochen. Oft genügte den Parteien die richterliche Entscheidung des Goden nicht. Dann trugen die Prozeßgegner ihre Sache durch Zweikampf aus. Oft entspannen sich auch durch die Waffenhilfe ihrer Anhänger weitere Fehden. Aber die Frühjahrs- und Herbstzusammenkünfte trugen doch auch wieder zu gesellschaftlicher Annäherung bei,



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Vor allem konnte sich hier der durch die bäurische Alltagsarbeit gehemmte Drang des Isländers zum Messen der körperlichen Kräfte in Sport und Spiel austoben. Knaben versuchten sich frühzeitig in allen Waffenübungen. Bogenschießen, Speerwerfen, Fechten waren selbstverständlich. Schwimmen und Wetthaufen stählten die jugendliche Kraft. Vor allem war der Ringkampf beliebt. Hier kam es neben der Kraft auf Geschicklichkeit und besondere Kniffe bei der Niederwerfung des Gegners an. Aber auch Männer, selbst Greise, beteiligten sich an diesen Sportübungen, die mit dem größten Ehrgeiz betrieben wurden.

Von den Spielen, die sich gern an Gelage, Opferfeste und Thingversammlungen anschlossen, waren am beliebtesten das Ballspiel und die Pferdehatz. Frauen sahen dabei gern von abgesonderten Sitzen dem Spiel der Männer ;u und lohnten ihnen durch ihren Beifall.

Das unserem Schlagball ähnliche Ballspiel gewährte schon äußerlich in dem Ringen der beiden Parteien um den Besitz des Halles das Bild einer Schlacht. Oft artete es in wirkliche Fehde aus, und das Schlagscheit, mit dem man den Ball trieb, wurde mit dem Schwert vertauscht. Ähnlich erging es auch bei der Pferdehatz, wo der Ehrgeiz der Besitzer hinzukam, ein Musterroß vorzuführen.

Die kräftigsten und schönsten Tiere wurden zu dem sonderbaren Sport verwandt, bei dem die Pferde in Paaren gegeneinander getrieben wurden, um sich hoch aufgerichtet mit Bissen gegenseitig kampfunfähig zu machen. Auch hier gerieten dann die Eigentümer der Rosse, die ihre Lieblinge unablässig anstachelten, leicht in Fehde. Der meerumschlossenen Insel fehlte ja ein äußerer Feind, an dem man in natürlicherem Kampfe sein Mütchen kühlen konnte. Nicht jeder konnte als Wiking fahren.

Bei allen diesen Zusammenkünften fehlte aber auch fröhliche Unterhaltung nicht. Man schlug Buden und Zelte auf, in denen man sich besuchte. Da wurden die Geschichtchen, die man sich am häuslichen Herd erzählte, ausgetauscht und durch neue bereichert. Die Erinnerung an die Taten der Väter in Norwegen war ja allen gemeinsam. Und oft kam von dem alten Vaterlande neue Kunde herüber.



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NIcht selten landete an der Küste ein Kauffahrer aus Norwegen oder den nordischen Kolonien in England. Dann entwickelte sich auch am Strande ein buntes Treiben.

Der Gode war auch hier der allmächtige Mann, der dem fremden Ankömmling gegen Abgaben den Handel mit seiner Ware erlaubte. Kaufbuden wurden aufgeschlagen, in denen man diese feilbot. Man tauschte die fremden Produkte gegen einheimische ein. Ausser dem Vieh und dem landwirtschaftlichem Ertrag waren Fische und Pelzwerk der arktischen Tiere die Hauptausfuhr. Sehr gesucht war auch schon damals das heutige Wappentier des Landes, der Falke, zur Jagd.

Aus der Fremde kamen vor allem Getreide und Honig, Schmucksachen und feinere Kleiderstoffe, dann das für Schiffe so wichtige Bauholz. Durch den spärlichen Baumwuchs der Insel und das aus den Buchten Amerikas ans Land geschwemmte Treibholz wurde der Bedarf nicht entfernt gedeckt. Als Zahlmittel galt außer der Kuh und dem Fries Gold und Silber, das aber damals noch gewogen, nicht geprägt ward, Eine Unze Goldes war dabei gleich einer Mark Silbers oder 360 Reichsmark unserer Währung.

Die Kaufleute blieben den Winter über gewöhnlich bei Einwohnern zu Gast, um im nächsten Sommer zurückzufahren. Sie sogen dann auch weiter ins Land, um zu verkaufen oder Schulden einzuheimsen.

Auch der Isländer selbst fuhr aus, um Handel zu treiben. Freilich leitete ibn weniger der Erwerbssinn, als die Hoffnung, aus der Enge des Vaterlandes in die weite Welt zu kommen, Kam er zurück, so hatte er als Weitgereister zu Hause größeres Ansehen. Oft bitten junge Helden den Vater um ein Handelsschiff . Aber sie rüsten es wikingerhaft aus und denken dabei M sich in der Fremde zu rauben und zu plündern.

Der Waffenschmuck des Mannes, von dem er sich nie trennt, ist auch seine höchste Zierde auf der Wikingfahrt. Auf dem Haupte sitzt der oft vergoldete Helm, in der Hand und an der Seite trägt der Krieger, gleichfalls gold- oder silberbeschlagen, Speer, Streitart und Schwert. Besonders kostbar ist der Schild, Er ist mit kostbaren Steinen und Spangen geschmückt und



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Altisländischer Pferdezweikampf. Handzeichnung



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der Mitte bemalt. Oft ist er mit künstlerischen Darstellungen aus der Götter- und Heldensage geziert.

Sehr häufig empfing der junge Isländer einen solchen Prunkschild im Auslande, wenn er bei einem Fürsten zu Gaste war, M geleistete Dienste. Ja auch ein kostbares Segel oder par ein ganzes Kriegsschiff wurde ihm als Geschenk verehrt. Dann gab es bei der Rückkehr ein Staunen oder Fragen ohne Ende.

Das gewöhnliche Schiff, das der Isländer zur Wikingfahrt benutzte, war das Langschiff. Hier fühlte er sich auf der Meerfahrt wie zu Hause. Nachdem es auf Rouen ins Meer gebracht war, ward er dort bald völlig heimisch.

Vorder- und Hinterteil der Schiffe trugen gern phantastische Figuren. Vorn war ein Eber- oder Vogelkopf oder irgendein anderes Tieremblem. Bei der häufigsten Art, dem Drachenschiff, stellte der Vardersteven den Kopf, der Kiel den Schwanz des Ungetüms dar. Vorder- und Hinterdeck waren oft erhöht. Dort standen die streitbarsten Männer. Den Bord entlang ward das Schiff in der Gefahr mit aneinandergereihten Schilden gegürtet. Das entsprach der Schildburg um den König im Kampf dem Lande. Segel, mit oft herrlichen Farben, purpurn und buntgestreift, machten das Schiff weit aus der Ferne sichtbar, ehe es mit dem Steinanker festgemacht werden konnte.

Auf dem Schiff war auch für das Gemüt und die Phantasie des Isländers zweite Heimat. Wenn er in seinem Zelt auf dem Verdeck lag, konnte er glauben, daß er daheim in seinem Haus wäre oder bei einem guten Freunde in Island zu Gast oder in einer Bude auf dem Frühling- oder Herbstthing. Seine Heimatgenossen umgaben ihn noch hier. In die heimatlichen Geschichten am häuslichen Herd und auf dem isländischen Festspielplatz wob sich in der Fremde manch neues Bild ein. Aus Inland- und Auslandeindrücken entstanden so die ersten kleinen mündlichen Vorläufer der später so stolzen Sagas.

Jene kleinen Erzählungen hielten die Bezirke wohl schon damals in ihrer Volkheit zusammen. Noch freilich fehlte ein Schutz gegen den oft in ihnen tobenden inneren Hader und ein äußeres Band dem Ausland gegenüber. Das schaffte erst die Gründung des Freistaates.


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