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Felix Niedner Islands Kultur zur Wikingerzeit


Mit 24 Ansichten und 2 Karten

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


4. Islands Besiedelung

Landnama -diesen klangvollen Namen führt das alte isländische Buch aus dem 13, Jahrhundert, das die Besiedelung der Insel erzählt. Landnahmezeit heißen die sechzig Jahre, in denen sich jene vollzog. Die vierhundert Häuptlinge, von denen die Besiedelung geleitet wurde, nannte man Landnahmemänner .

Den Grundstock des Besiedelungsbuches bilden die Reihen der alten Geschlechter, die lange vor ihrer schriftlichen Aufzeichnung im Gedächtnis des Volkes hafteten. Schon Ari, der Vater der isländischen Geschichtsschreibung, baute um 1130 auf jener Überlieferung. Sein Isländerbüchlein beginnt mit der Besiedelung der Insel.

Zur Zeit, da die Landnama entstand, wurden die ehrwürdigen Genealogien besonders hochgehalten. Verknüpften sie doch manches berühmte Geschlecht des untergehenden Freistaates mit den großen Persönlichkeiten der Vorzeit. Snorri, der berühmteste Mann jener Epoche, war stolz darauf, vom Skalden Egil, einem Sohn des Landnahmemannes Skallagrim, abzustammen .

Das Besiedelungsbuch ist keine trockene Chronik. Es entwirft lebensvolle Porträts von den führenden Männern. Anekdotenhafte Berichte orientieren über ihre Schicksale in der alten und neuen Heimat. Das damalige Island steigt lebendig vor uns auf. Oft berührt sich die Darstellung mit den Isländersagas, ja auch von Urbeginn an berichten. Dann erscheinen in der epischen Erzählung auch Skaldenstrophen.

Inhaltlich herrscht eine nüchterne Grundstimmung. Die Wahrheit der Erzählung ist die Hauptsache.

Wir hören von dem neuen Land mit reicherem Waldwuchs als jetzt, von seinen fischreichen Gletscherströmen, von den Verheerungen des Vulkanfeuers und erhalten den Eindruck: so haben die Landnahmemänner es wirklich gesehen. Wir ersahren aus dem Leben der Ansiedler so intime und nebensächliche Züge, daß wir uns sagen: nur die Gewissenhaftigkeit des Berichterstatters erklärt ihre Einfügung in die Erzählung.



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Die Segelfahrt von dem mittleren Norwegen nach dem isländischen Nordkap wird auf sieben, die vom Westen Islands nach Grönland auf vier Tagereisen angegeben. Solche Kursberichte, die noch heute stimmen, stehen vertrauenerweckend am Anfang.

Trotzdem fehlt es der Darstellung nicht an wunderbaren und märchenhaften Zügen, die an die Edda und die Sagas erinnern. Träume haben für die Erlebnisse und Erfolge der Ansiedler große Bedeutung und wirken auf ihre Maßnahmen bestimmend ein. Weissagungen und Orakel der heidnischen Götter oder Sommer Christen gehen oft dem Entschluß zur Siedelung voran. Zaubern findet sich in mancherlei Gestalt. Katastrophen in der Natur werden auf Besprechungen von Unholden zurückgeführt. Es treten finnische Heren auf, die den Reisenden mit einem Talisman für die neue Heimat versehen, oder kampfwütige Berserker, die sich in allerhand Tiergestalt verwandeln können.

Immer aber sind Wahrheit und Dichtung geschickt verwoben und bereiten eine behagliche Stimmung.

Zwei Gestalten treten am Eingang der Landnama scharf hervor , die in der isländischen Literatur auch sonst eine große Rolle spielen: Ingolf und Skallagrim. Jener hat den Ruhm als erster Entdecker und steht am Anfang aller isländischen Geschichtsschreibung. Skallagrim war ein Musterlandwirt der Besiedelung und wird in der Saga seines Sohnes Egil mit noch größerem Glanz umgeben.

Beide müssen Norwegen verlassen, Ingolf vor dem ränkevollen Jarl Ätti, Skallagrim vor Harald Haarschön. Beide verlieren ihren Reisegefährten, jener seinen Freund Hjörleif, dieser seinen Vater Kveldulf. Und beide finden erst nach langem Suchen die Stelle, wo sie nach dem Willen der Götter landen sollen. Bei Ingolf ist es der Platz, wo die im Anblick des Landes aufs Meer geworfenen Säulen des heimatlichen Hallenhochsitzes ans Ufer geschwemmt wurden. Bei Skallagrim weist der ebenso über Bord geworfene Sarg des unterwegs gestorbenen Vaters den Weg. So wurden die Sitze von Reykjavik und Borg gegründet.



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Sehr verschieden sind die weiteren Schicksale der beiden Landnahmemänner. Ingolfs Besitznahme ist mit Hader und Blutvergießen verbunden. Skallagrims Kolonisation geht in Ruhe und Frieden vor sich.

Ingolf muß den Tod des Freundes rächen. Seine vom Wikingzug aus Irland mitgebrachten Sklaven haben jenen getötet, weil sie die mühsame Feldarbeit auf dem neuen Gebiet nicht leisten wollen. Erst nachdem er jene auf den Westmännerinseln, wohin sie flüchteten, getötet hat, kann Ingolf sich das erste Gehöft am Faxafjord errichten.

Irische Sklaven, öfter edler Abkunft, sind häufig im Gefolge der Landnahmemänner, und Empörungen dieser Knechte finden sich auch sonst. Im allgemeinen aber war das Verhältnis von Herr und Diener schon in jenen ersten Zeiten gut. Es war schon damals nicht selten, daß treue Sklaven freigelassen und als Verwalter der Nebengüter ihres Herrn eingesetzt, ja selbst mit eigenem Land ausgestattet wurden.

Auch Skallagrim hält wie Ingolfs Freund Hjörleif die Knechte zur Saatbestellung an und neunt sogar eines seiner Gehöfte "Acker" . Bei ihm aber herrscht Fügsamkeit und Gehorsam. Die Untergebenen sind seine Landsleute, die er sich aus der Gegend nördlich vom Sognefjord mitgebracht hat. Mit scharfem Blick erspäht Skallagrim die Vorteile, die das neue Land bietet. Seine Leute müssen mit ihm die fischreichen Flüsse der ganzen Gegend absuchen. Er läßt das Vieh auf den Sennen im Freien weiden, weil es dann um so gemästeter heimkehrt. Er findet die Stellen, wo das meiste Treibholz angeschwemmt wird, um es für Haus- und Schiffbau zu verwenden. Er errichtet sich endlich selbst eine Schmiede und geht allen mit tüchtiger Hausarbeit voran. Sein Herrensitz Borg wird berühmt.

Skallagrim und Ingolf haben es noch leicht, Land abzugeben, da ihr Besitz fast den ganzen Faxafjord umfaßt. Zuerst werden die mitgekommenen Hausgenossen mit Landschenkungen bedacht, dann aber auch zugereiste Freunde und Verwandte-Noch waren nicht wie in den späteren Jahren alle guten Plätze zwischen der See und dem Hochgebirge im Innern des Landes besetzt.



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Am Búlandshöfdi. Westisland



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Wie Ingolf und Skallagrim nahmen nun allmählich mehr Ansiedler von allen günstigen Stellen an der Küste Besitz. Wer nichts Geeignetes mehr vorfand, kaufte oft lieber, um nicht durch Schenkung eine Verpflichtung gegen den früheren Besitzer auf sich zu nehmen. Mit Feuer umging man das in Aussicht genommene Land bei der Besitznahme, um es für den Gebrauch zu heiligen,

Wohlhabende Norweger waren es gewöhnlich, die nach Island überzusiedeln sich entschlossen. Sie kamen fast alle auf eigenem Schiff mit zahlreichen Hausgenossen, mit Vieh und beweglicher Habe. Unter zebn Begleitern hatte kaum einer der Landnahmemänner, den mächtigsten aber folgten wohl Scharen von gegen Hundert. Groß muß schon damals die Bevölkerung gewesen sein, wenn zu einem einzigen Gelage einmal 1200 Mann geladen werden konnten. Sie mag gegen Ende der Besiedelungszeit gut ein halbes Hunderttausend betragen haben.

Unter diesen Männern gab es viele, die auch in dem neuen Lande an Besitz einem norwegischen Kleinfürsten oder Edelbauern gleichkamen. Das Wikingertum schaffte Gelegenheit, im Auslande durch Kriegszüge oder von Fürsten empfangene Geschenke den heimatlichen Reichtum zu mehren. Wohl ward das wilde Wikingerblut auch hie und da bei der Landnahme gefährlich. Durch Zweikampf suchte ein neuer Siedler sich gelegentlich Land von dem Besitzer, den er vorfand, zu ertrotzen . Doch überwog einträchtiges Zusammenwirken und Hilfsbereitschaft. Eine reiche Siedlerin aus Helgeland lud, vor ihrem Hause sitzend, jeden Bedürftigen zu Gast, eine fischereikundige Landsmännin von ihr verriet uneigennützig die besten Fangplätze.

Aus dem Norden Norwegens war gleich diesen sympathischen Frauen noch so manche gute Kraft nach Island gekommen. Indes nicht Romsdal oder Drontheim, auch nicht die nach Schweden zu gelegenen Landschaften stellten den reichsten Zuwachs. Hauptsächlich die Landschaften um den Sogne- und Hardangersiord und dann Südnorwegen spendeten die Besiedler. Endlich die britischen Inseln. Denn dahin waren manche Norweger vor König Harald geflüchtet. Sie traten



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von dort; oft durch irische Kultur beeinflußt, die Reise nach Island an. Iren allein haben, schon durch häufige Ehen mit Norwegern, außer diesen zur Bildung der isländischen Volkheit beigetragen. Mit der irischen Blutmischung gingen aber auch geistige Züge auf die Norweger über. So das Fabuliergeschick der Iren, das in der isländischen Saga lebt.

Wo die Saga am reichsten blüht, da weiß auch das Landnahmebuch am interessantesten zu berichten. Nicht nach den norwegischen Bezirken, denen sie entstammen, sondern nach den Gegenden auf Island, die sie besiedeln, sind die Landnahmemänner geordnet. Der wohl am ersten vollbesetzte Osten und der wegen seiner unwirtlichen Küste am spätesten ganz besiedelte Süden treten in der Schilderung zurück. Der Nachdruck liegt auf dem Nord- und Westlande. Dort ist der Inselfjord, hier der Breitfjord der Mittelpunkt der Besiedelung.

Die merkwürdigsten Gestalten an diesem sind der eisige Thorspriester Thorolf Mostrarskegg und Aud die Tiefsinnige, die weise Beraterin ihres ganzen Geschlechtes. Im Norden ragt um 880 der mächtige Häuptling Helgi der Magere hervor und um 890, schon mit Harald Haarschön versöhnt, Ingimund aus Romsdal.

Die Berichte über diese vier urwüchsigen Persönlichkeiten könnten, jeder in seiner Art, Stoff für einen historischen Novellendichter abgeben.

Im Mittelpunkt von Thorolf Mostrarskeggs Interesse steht der alte Donnergott. Ihm hatte der stolze Häuptling schon in seiner Heimat am Hardangerfjord einen Tempel geweiht. Weil er hier einem Feinde Harald Haarschöns, der nach Island flüchtete, Schutz gewährt hatte, muß er selbst dorthin übersiedeln. Thor weist ihm den Weg. Auf einer kleinen Landzunge im Breitfjord, dem er diesen Namen beilegt, treibt des Gottes Bild ans Land. Denn es war auf dem Hochsitzpfeiler geschnitzt, den Thorolf alter Sitte gemäß ins Meer geworfen hatte.

Thorolf erneuert hier den Kult des Gottes. Auf der Landungsstätte des Götterbildes, zu Thorsnes, richtet er ein Gaugericht für alle Umwohnenden ein. Schwere Strafe stand auf



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der Entweihung dieses Platzes. Noch heiliger war ein Berg auf der Thorskaphalbinsel, den niemand ungewaschen anschauen durfte. Das Blut keines Menschen oder Tieres durfte dort vergossen werden. In diesen heiligen Berg, glaubte Thorolf, würden dereinst er und alle seine Verwandten nach ihrem Tode hineinfahren.

Auch ein prächtiger Tempel des Gottes ward aus den Resten des in Norwegen abgebrochenen Heiligtums gebaut. Dem Tempelvorsteher mußten alle Umwohner Abgaben zahlen und sich verpflichten, zu den angesetzten Thingversammlungen zu erscheinen.

Thorolf fühlte sich wohl im Dienste des heidnischen Gottes. Er lebte mit großem Gefolge auf seinem neuen Wohnsitz. Die Fülle der Fische und der Reichtum an Seevögel schufen ihm großen Wohlstand.

Die Entweihung des heiligen Tempelbezirks führte unter Thorolfs Nachfolgern zu erbitterten Kämpfen. Die Saga des Goden Snorri weiß davon zu erzählen. Der Landnahmebericht des Thorolf Mostrarskegg steht auch am Eingang jener schönen Saga. In ihm tritt uns das Godentum der Landnahmezeit deutlich vor Augen.

In gewisser Weise setzt sich das norwegische Häuptlingstum in ihm fort. Der Gode ist Priester und übt in seinem Bezirk das Gerichts- und Versammlungsrecht. Daß sie für Geld veräußert werden konnte, ist freilich eine jsl-indische Eigentümlichkeit dieser neuen Würde.

Wie Thorolf Mostrarskegg am Eingang der Saga vom Goden Snorri steht, so eröffnet Aud die Tiefsinnige aus der Landnama die Reihe heroenhafter Gestalten, die die Saga von den Leuten aus dem Lachstal zieren. Ihre Gestalt wirft ein prächtiges Schlaglicht auf die Macht und den Zusammenhang der Sippe schon während der Besiedelungszeit.

Noch in der späteren Zeit tritt die Frau, so sehr sie rechtlich hinter dem Mann zurücksteht, häufig als willkommene und zuverlässige Beraterin, ja Leiterin des Mannes auf. Hier aber herrscht sie unbedingt über ein ganzes Geschlecht. Als selbständige Landnahmefrau braucht Aud den Vergleich mit keinem männlichen Siedler zu scheuen.



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Aud stammt aus den isländischen Kolonien in Irland. Schon dort hatte die Tochter Ketil Plattnases über die Ihrigen ein strenges Regiment geführt und die Gatten, die sie ihren Töchtern bestimmte, unter ihren Willen gezwungen. Da jagt sie noch im Alter die Abenteuerlust nach Island. Wie ein Häuptling nimmt sie Land in Besitz und verteilt es unter ihre zwanzig Mannen. Stolz schlägt sie die Einladung bei ihrem Bruder Helgi ab, weil dieser sie nur mit der Hälfte ihres Gefolges zu sich bittet. Aber die Einladung ihres Bruders Björn, der dem hohen Sinn seiner Schwester Rechnung trägt und ihr mit allen Mannen ehrenvoll entgegengeht, nimmt sie an. So kommt sie zu ihm mit allen Mannen in den Breitfjord.

Zuletzt wohnt Aud dort in Audhall mit ihrem Enkel Olaf Feilan zusammen, den sie in allen wichtigen Fragen berät. Besonders herrlich wird sie kurz vor ihrem Tode geschildert.

Sie rüstet, frisch und aufrecht wie je, ihrem Enkel das Hochzeitsfest. In alter Würde empfängt sie die Gäste, die sich nicht genug verwundern können, wie gewaltig sie trotz des hohen Alters noch auftritt. Feierlich vermacht sie vor der Hochzeitsgesellschaft dem jungen Bräutigam all ihren Besitz und bittet die Gäste fröhlich zu sein, wenn sie sich zurückgezogen habe. Am nächsten Morgen findet sie der Enkel tot, aber noch aufrecht auf dem Bette sitzend. So wird der letzte Tag des Hochzeitsfestes zugleich zum Totenmahl für die gewaltige Ahnfrau, die wohl voraussah, daß sie die eigene Leichenfeier sich rüstete.

Thorolf Mostrarskegg führte uns die ersten Anfänge staatlichen Lebens auf der Insel vor. Aud die Tiefsinnige zeigte die erste Kultur der Familien auf ihr. In der Geschichte Helgis des Mageren haben wir ein interessantes Gemälde von dem vorübergehenden Einfluß des Christentums während der Besiedelungszeit .

Jener kraftvolle Wiking nimmt eine eigentümliche Mittelstellung ein zwischen der alten und der neuen Lehre. Durch seine Erziehung auf den Hebriden und die Verschwägerung mit christlichen Familien gehörte er äußerlich dem Christentum an. So nannte er sein neues Besitztum auf Island"Christkap" und



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erklärte es für Unsinn, an die alien Götter zu glauben. Gleichwohl gründete er ein heidnisches Godentum am Inselfjord, wo er bald ein mächtiger Häuptling wurde und an viele Männer Land verteilte.

Innerlich aber hing er doch noch dem Thor an. Schon vor der Fahrt nach Island hatte er diesen Gott um Rat gesagt und äch noch den Spott seines Sohnes zugezogen, ob er denn auch aufs Eismeer ziehen würde, wenn der Gott ihm dies als Siedelungsstätte anwiese. Bei allen wichtigen Geschäften, auf jeder Seefahrt rief er auch später den Thor, nicht den Christengott an.

Das Christentum, soweit es die Norweger nach Island mitbrachten , konnte während der Siedelungszeit sich nicht behaupten. Die Annahme des Kreuzes, die viele Heiden auf den britischen Inseln vornahmen, war für sie mehr praktischer Natur; um auch bei den Anhängern des neuen Glaubens wohlgelitten zu sein und ihre Pläne durch zu setzen.

Auf Island selbst war das Übergewicht des Heidentums zu stark; als daß die wirklich innerlich Bekehrten dort auf das Volk dauernden Einfluß hätten gewinnen können. Die irischen Mönche; die auf der Insel gewesen waren, hatten keine sichtbaren Spuren des Glaubens hinterlassen. Im Gegenteil, die Stätten an der Ostküste wo sie gehaust hatten, waren als Spuknester verrufen. So ist auch nach Helgis Tode das unverfälschte Heidentum wieder da. Helgis Söhne bauen wieder Thortempel.

Von Männern, die den alten Glauben für Torheit erklärten, ist auch sonst in der Siedelungszeit die Rede. Ein solcher Held, der nur an seine eigene Kraft glaubte, war eben Helgi der Magere. Sein Schwanken war vorwiegend politische Berechnung ming, um sein Godentum auch den Christen annehmbar zu machen.

Im Gegensatz zu der lapidaren Einfachheit; mit der Thorolf Mostrarskegg, Aud die Tiefsinnige und Helgi der Magere vor uns hintreten, steht die romantisch ausgeschmückte Landnahme des Romsdalers Ingimund.

Weder ungezähmter Wikingerdrang noch die Feindschaft



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Harald Haarschöns haben ihn zehn Jahre später als Helgi den Mageren nach dem Nordland gebracht. Die dämonische Weissagung einer Finnin, der er nicht Glauben schenken will, treibt ihn doch schließlich nach Island. Mit dem Herrscher aber, der so viele mächtige Helden im Zorne von sich scheiden sah, steht er gui. Ja dieser treibt ihn geradezu an, dem Finnenorakel, das ihm die Erfüllung seines Schicksals erst auf Island verheißt, Folge zu geben, und unterstützt ihn dann auf jede Weise.

Ein Bild des Gottes Frey, das Harald Haarschön Ingimund geschenkt hat, ist der Talisman, der ihn nach Island zwingt. Die Zauberin läßt es aus seiner Tasche verschwinden und kündet ihm an, daß er es erst auf Island in seinem neuen Wohnsitz wiederfinden würde. Nach langem zähen Widerstand entschließt er sich, die ihm durch andere Zauberer genau beschriebene Stätte auf Island aufzusuchen und findet, als er dem Frey dort einen Tempel errichten will, wirklich das Amulett.

Ingimunds Landnahme zeigt schon eine jüngere Periode der Besiedelungszeit. Seine hartnäckige Weigerung, das neue Land aufzusuchen, entspringt der Überzeugung, daß er Saum besseren Besitz als in seiner alten Heimat eintauschen dürfte. Schon ist das Gebiet ziemlich aufgeteilt, und die abenteuerliche Lust; nach Belieben sich herrlichen Besitz auf Island zulegen zu können, ist geschwunden. Wer nicht durch Landschenkung eines bisherigen Ansiedlers in moralische Abhängigkeit von diesem kommen wollte, dem blieb nur teurer Kauf übrig. Manche zogen es daher in jener späteren Zeit vor, durch Herausforderung zum Zweikampf sich Land zu ertrotzen.

Daß das Gebiet für die Besiedelung seltener und wertvoller geworden war, zeigt eine neue Bestimmung, die um 890 aufkam. Kein Siedler sollte fortan mehr Land in Besitz nehmen dürfen, als er an einem Tag mit Feuer umfahren könne. Reine Frau durfte mehr sich aneignen, als ihr möglich war in der gleichen Zeit mit einer zweijährigen Kuh zu umschreiten. Auf König Haralds Rat sollte diese Einrichtung getroffen sein. Nach vergeblichen Versuchen, die Isländer dem Einheitsstaat zu unterwerfen, mochte es dem stolzen Könige schmeicheln, so doch aus der Ferne seinen Einfluß geltend machen zu können.



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Die vorgeführten Szenen aus älterer und jüngerer Landnahmezeit wiederholen sich in ähnlicher Gestalt bei den Siedlern immer aufs neue.

Um 900, ein Menschenalter nach der ersten Siedelung, hatte sich, mit keltischem Einschlag, das neue nordische Volk herausgebildet. Ein gemeinsames staatliches Band fehlte, wie es vorher auch in Norwegen nicht gewesen war. Die einzige Volksgemeinschaft schaffte das Godentum der einzelnen Bezirke. Etwa vierzig solcher Tempelgemeinden hatten sich in den einzelnen Bezirken herausgebildet. Freiwillig und nicht an den Ort des Wohnsitzes gebunden war für jeden Seien Mann die Zubehör zu einem dieser Verbände. Stark und selbständig aber entwickelten sich nun die aristokratischen Familien. Das spätere Bild des altisländischen Alltagslebens stand schon damals in seinen Grundzügen fest.


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