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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


23. Der Richter von Bellenz.


Schriftlich. Vergl. Reithard, Geschichten und Sagen der Schweiz, S. 431.

Zur Zeit der Landvogtei Bellenz wohnte daselbst ein Richter, der sein Amt nach Gesetz und Recht, ohne Ansehen der Person übte und strafte, wo zu strafen war, gleich ob arm oder reich. Darob zog er sich aber die Feindschaft der Vornehmen des Landes zu, welche sich über dem Gesetz geglaubt und Ausschweifungen und Vergehen aller Art seither ungestraft verübt hatten. Da nun ihr übermüthiges und zügelloses Treiben nicht nachließ und sie Strafe auf Strafe ereilte, so beschlossen sie, den Richter zu tödten. Das sollte zur Zeit eines Gerichtstages zu Magadino geschehen, von wo derselbe nach beendigtem Gericht noch spät in der Nacht und stets allein nach Bellenz zurückzureiten pflegte. Und in der That hatten sich auch schon am nächsten Gerichtstage drei der vornehmen Mörder auf dem Wege von Magadino nach Bellenz, mit Dolch und Schwert bewaffnet, in Hinterhalt gelegt. Lange ließ der Richter auf sich warten. Endlich vernahm man den Schall von Rosseshufen; aber siehe! der Bedrohte kam nicht allein. Drei Jünglinge in silberleuchtenden Rüstungen, auf weißen Rossen, hellblitzende Schwerter in den Händen, zogen schweigend vor ihm her, und eine ganz gleiche Schaar deckte ihm den Rücken. Der Mordplan war vereitelt, aber nicht aufgegeben. Nicht lange dauerte es, so lauerten die Mörder wieder in ihrem Versteck; dieses Mal aber in verdoppelter Zahl, um den Beschützern, im Falle sie den Richter wieder begleiten sollten, gewachsen zu sein. Jedoch auch dieses Mal kam es nicht zur That; denn gleich ihnen hatte sich auch die Zahl der Jünglinge vermehrt, welche, gan; wie das erste Mal gerüstet, den Richter in ihrer Mitte, auf ihren schneeweißen Rossen an der erstaunten Mörderhände



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vorüberzogen. Mit der Zahl der Beschützer des Richters schwoll aber die Wuth und der Haß seiner Feinde; mußte man doch unter solcher Obhut seine Gerechtigkeit mehr denn je fürchten, daher der Mordplan auch fest beschlossen blieb und man zum dritten Mal an seine Ausführung schritt. Lagen das erste Mal nur drei, das zweite Mal neun Banditen im Hinterhalt, so waren es jetzt ihrer vierundzwanzig, welche dem Richter sammt seinen Begleitern Untergang und Verderben drohten. Aber o Wunder! ein ganzer Heereszug wohlgerüsteter Jünglinge, auf schneeweißen Rossen, wallte einher, den Richter in ihrer Mitte, welcher still und voll Nachdenken dahinritt, als ob ihm von seiner glänzenden Begleitung eben so wenig Kenntniß, als von der auf ihn lauernden Mörderschaar. Mächtiges Erstaunen ergriff da die Mörder. Wer waren diese Jünglinge, die von Neuem ihr verbrecherisches Vorhaben vereitelt? Hatte doch Keiner unter ihnen je einen derselben gesehen, weder zu Magadino noch zu Bellenz, noch sonst wo. Dies zu ergründen, folgten sie von fern dem im Mondlichte weithin schimmernden Zuge. Aber sieh! welch ' neues Wunder; kaum am Hause des Richters angekommen, zerfloß die Reiterschaar ein leuchtender Nebelstreif. Da erst erkannten die Verbrecher, welche höhere Macht den Richter in ihren Schutz genommen. Reuevoll gestanden sie ihr böses Vorhaben, das ihnen der Richter, sie der Gnade dessen überweisend, der sie davon abgehalten, verzieh.


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