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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


19. Der Kirchenbau.


Schweizerischer Merkur. Jahrgang 1935, S. 365.

Nachdem Ulrich, Graf zu Neuenburg, die dasigen Prämonstratenser aufgehoben hatte, kamen einige Jahre später andere Mönche des gleichen Ordens ins Land, um sich daselbst anzusiedeln, und zwar in den schwarzen Bergen, wie man damals den Jura nannte; allein sie wählten eine Anhöhe in einer Fläche, nicht fern von der Stadt, woselbst man eine schöne Aussicht hat, die noch jetzt Fontaine-André heißt. Damals war aber das Land noch nicht so vortrefflich angebaut wie jetzt und wenig bevölkert, so daß ihnen die Bauern und Hörigen des Grafen und seiner Dienstmannen wenig helfen konnten; das thaten aber die Gnomen.

Eines Abends saß ein Mönch im Schatten der halb beendigten Pfeiler in der Kirche; der Himmel war dunkel, der Mond spielte mit seinen blassen Strahlen durch die Mauerwände, die nicht vollständig aufgeführt waren, durch die angefangenen Bogen, durch die Fenster ohne Gläser und formte daraus einen Reigen, den weiße und phantastische Geister vor den Augen des halbwachenden Klostermannes tanzten, der sich in eine andere Welt versetzt glaubte. Auf einmal erhellte ein glänzendes Licht das Innere der unvollendeten Kirche. Zahlreiche Berggeister, groß und klein, waren allenthalben beschäftigt, Steine zu zerspalten und zu behauen,



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Bretter und Latten zierlich zu schnitzeln, aber man hörte nicht das geringste Geräusch, weder das Klopfen des Hammers, noch das Zischen des Meißels oder des Stechbeitels. Die eichenen Bretter wurden rund oder geglättet, aber die bewegte Säge fraß das Holz, ohne zu schreien oder zu kreischen, und das Beil hieb stumm und lautlos. Die stille Arbeit rückte mit erstaunungswürdiger Geschwindigkeit vorwärts. Es war herrlich anzusehen wie unter den duftenden Händen der Bergmännchen und unter dem Sammet ihrer bunten und flatternden Fittige die Steine sich spitzten, abrundeten und kanteten, wie wenn des Abends der Wind am Himmel die Wolken in dünne, lange Streifen absondert, welche die letzten Strahlen der Sonne mit Gold und Purpur färbt.

Während mehrerer Nächte arbeiteten die Berggeister mit der größten Emsigkeit, und wenn am Morgen die Glocke die Mönche zur Mette und die Meister und Gesellen zur Arbeit rief, so fielen diese auf die Kniee und dankten den unsichtbaren Helfern, indeß die Prämonstratenser Lobpsalmen sangen.

Am Mariahimmelfahrtsfeste im August war der ganze Bau vollendet, mit den langen Gängen, Sälen und Zellen des Klosters, mit der prächtigen Kirche, ihren kühnen Unterbalken, ihren römischen Pfeilern, die den Füßen des Elephanten gleichen, ihrem Thurme, auf dem ein goldener Hahn wacht, ihren großen Glocken, ihrer zierlichen Rose, die einem glänzenden Sterne gleicht, ihren Bildern aller Art und Gattung, welche kränzend um die Säulchen laufen, in welchen Vögel nisten und hausen. Die Kirche wurde der heiligen unbefleckten Jungfrau geweiht, und auf dem reichlich vergoldeten Hauptaltare das erste Hochamt zu Ehren Gottes und seiner glorreichen Mutter gesungen.


Copyright: arpa, 2015.

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