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Kapitel 

VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

III. BAND

DAS FABELHAFTE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_03-0004 Flip arpa

EIN BAND ZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


19. Die Teriel und die Fliege (Kettenerzählung)

Eine Teriel (Hexe) hatte Ziegen. Sie pflegte die Ziegen gut, molk sie regelmäßig und verkaufte die Sahne. Es kam aber eine Isi (Fliege), die stahl der Teriel regelmäßig die Sahne, und die Teriel wurde darüber so wütend, daß sie die Fliege eines Tages fing, um sie töten und, wie es ihre Art war, sie verschlingen wollte. Die Fliege bat aber so sehr um ihr Leben, daß die Teriel zuletzt Gnade für Recht ergehen ließ und ihr zur Strafe nur die Flügel ausriß. Die Fliege konnte daher nicht mehr fliegen.

Eines Tages war nun ein großes Fest der Onkel (der chueli d. h. mütterliche Onkel, Sg. chali; väterl. Onkel, Sg. ami, Pl. leamum) und alle Fliegen kamen zu den Onkeln zu Gaste. Nur die Fliege, der die Teriel die Flügel ausgerissen hatte, konnte nicht kommen, weil sie nicht fliegen konnte. Die Fliege kam deshalb zur Teriel und bat: "Gib mir doch meine Flügel wieder, damit ich zum Feste meiner Onkel kommen kann." Die Teriel sagte: "Gib mir meine Milch wieder, dann sollst du deine Flügel wieder erhalten."

Die Fliege lief zur Ziege und sagte: "Bitte, gib mir deine Milch, damit ich meine Flügel erhalten kann, sonst kann ich nicht zum Feste meiner Onkel." Die Ziege sagte: "Bring mir frische Blätter, dann will ich dir meine Milch geben."

Die Fliege lief zur Pflanze und sagte: "Bitte, gib mir deine Blätter, damit mir die Ziege die Milch und die Teriel meine Flügel gibt; sonst kann ich nicht zum Feste meiner Onkel!" Die Pflanze sagte: "Bring mir frisches Wasser, dann will ich dir meine Blätter geben."

Die Fliege lief zur Quelle und sagte: "Bitte, gib mir dein frisches Wasser, damit mir die Pflanze ihre Blätter, die Ziege ihre Milch und die Teriel meine Flügel gibt, sonst kann ich nicht zum Feste meiner Onkel fliegen." Die Quelle sagte: "Rufe die Maurer, daß sie mir ein Becken mauern, dann will ich dir mein Wasser geben."

Die Fliege lief zu den Maurern und sagte: "Bitte, mauert der



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Quelle ein Becken, damit sie mir ihr Wasser, die Pflanze die Blätter, die Ziege die Milch und die Teriel mir meine Flügel gibt; sonst kann ich nicht zum Feste meiner Onkel fliegen!" Die Maurer sagten: "Ruf uns eine Sängerin (Taghemait), die uns singt, dann wollen wir der Quelle ein Becken mauern."

Die Fliege lief zu der Sängerin und sagte: "Bitte, singe den Maurern, damit sie der Quelle ein Becken mauern, damit die Quelle mir das Wasser, die Pflanze mir die Blätter, die Ziege die Milch und die Teriel mir meine Flügel wiedergibt; sonst kann ich nicht zum Feste meiner Onkel fliegen." Die Sängerin sagte: "Beschaffe mir einen Hund, der mich schützt, dann will ich den Maurern zur Arbeit singen."

Die Fliege lief zum Hund und sagte: "Bitte, komme mit mir zur Sängerin und gehe dann mit der Sängerin und schütze sie, damit sie den Maurern singt, damit die Maurer das Becken bauen, damit die Quelle das Wasser, die Pflanze die Blätter, die Ziege die Milch, die Teriel mir aber meine Flügel gibt, sonst kann ich nicht zum Fest meiner Onkel fliegen." Der Hund sagte: "Laufe voraus, ich will dir folgen und die Sängerin schützen."

Der Hund lief mit der Fliege zur Sängerin. Die Sängerin ging unter dem Schutze des Hundes zu den Maurern. Die Maurer bauten für die Quelle ein Becken. Die Quelle gab für die Pflanze das Wasser. Die Pflanze gab für die Ziege ihre Blätter. Die Ziege gab der Fliege die Milch. Die Fliege brachte der Teriel die Milch. Die Teriel setzte der Fliege wieder die Flügel an. Die Fliege flog zum Fest ihrer Onkel, und es war ein langes und sehr schönes Fest.


Copyright: arpa, 2015.

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