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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


2. Die Schlangen Jungfrau.


Prätor. Welt beschr. l. 661 —663. Seyfried in medulla.. p. 477, 478. Kornemgnn mons Veneris c. 34. p. 189-192. Grimm, Gebr. deutsche Sagen. B. l. S. 17

Um das Jahr 1520 war einer zu Basel im Schweizerlande mit Namen Leonhard, sonst gemeinlich Lenimann genannt eines Schneiders Sohn, ein alberner und einfältiger Mensch, und dem dazu das Reden, weil er stammelte, übel abging. Dieser war in das Schlaufgewölbe oder den Gang, welcher zu Augst über Basel unter der Erde her sich erstreckt ein- und darin viel weiter, als jemals einem Menschen möglich gewesen, fortgegangen und hineingekommen und hat von wunderbarlichen Händeln und Geschichten zu reden wissen. Denn er erzählt, und es gibt noch Leute, die es aus seinem Munde gehört haben, er habe ein geweihtes Wachslicht genommen und angezündet und sei mit diesem in die Höhle eingegangen. Da hätte er erstlich durch eine eiserne Pforte und darnach aus einem Gewölbe in das andere, endlich auch durch Stiche gar schöne und lustige grüne Gärten gehen müssen. In der Mitte aber stünde ein herrlich und wohlgebautes Schloß oder Fürstenhaus, darin wäre eine gar schöne Jungfrau mit menschlichem Leihe his zum Nabel, die trüge auf ihrem Haupte eine Krone von Gold und ihre Haare hätte sie ;u Felde geschlagen; unten vom Nabel an aber wäre sie eine gräuliche Schlange. Bog derselben Jungfrau wäre er bei der Hand ciuem eisernen Kasten geführt worden, auf welchem zwei schwarze asse Hunde gosen, also daß sich



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Niemand dem Kasten nähern dürfen, sie aber hätte ihm die Hunde gestillt und im Zaum gehalten, und er ohne alle Hinderung hinzugehen können. Darnach hätte sie einen Bund Schlüssel, den sie am Halse getragen, abgenommen, den Kasten aufgeschlossen, silberne und andere Münzen heraus geholt. Davon ihm dann die Jungfrau nicht wenig aus sonderlicher Mildigkeit geschenkt, welche er mit sich aus der Schluft gebracht ; wie er denn auch selbige vorgezeigt und sehen lassen. Auch habe die Jungfrau zu ihm gesprochen, sie sei von königlichem Stamme und Geschlecht geboren, aber also in ein Ungeheuer verwünscht und verflucht, und könne durch nichts erlöst werden, als wenn sie von einem Jüngling, dessen Keuschheit rein und unverletzt wäre, dreimal geküßt werde; dann würde sie ihre vorige Gestalt wieder erlangen. Ihrem Erlöser wollte sie dafür den ganzen Schatz, der an dem Orte verborgen gehalten würde, geben und überantworten. Er erzählte weiter, daß er die Jungfrau bereits zweimal geküßt, da sie denn alle beide Mal, vor großer Freude der unverhofften Erlösung, mit so gräulichen Geberden sich erzeigt, daß er sich gefürchtet und nicht anders gemeint, sie würde ihn lebendig zerreißen; daher er zum drittenmal sie zu küssen nicht gewagt, sondern weggegangen wäre. Hernach hat es sich begeben, daß ihn etliche in ein Schandhaus mitgenommen, wo er mit einem leichtsinnigen Weibe gesündigt. Also vom Laster befleckt, hat er nie wieder den Eingang zu der Schlauf-Höhle finden können, welches er zum öftern mit Weinen beklagt.

Obige Sage: ist wahrscheinlich die Ausschmückung einer Thatsache, welche sich hundert Jahre früher, im I. 1420, zutrug und die uns der Kirchendiner Johann Groß in seiner "kurtzen Baßler Chronik", wie folgt erzählt: "Um diese Zeit hat sich ein armer Gesell auß Hungersnoth, welchen er in einer grausamen Theurung mit Weib und Kind erlitten, vermessen in dem gewölbten Gang under der Erden bey dem zerstörten Augst ob Basel (da ihnen die Leuth von einem über-grossen Schatz, welchen die Römer verlassen



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sollten haben, und in einem Trog behalten, hinder einer eisernen Thüren verschlossen, und durch einen großen Hund verhütet werde, und daß bißhero niemand so kühn gewesen, der mit diesem Hund stritte) traumen lassen, den gedichteten Schatz zu suchen. Da er nun weit hinein kam, und vermeinte, er wäre schier bei demselbigen Ort, da der Schatz ligt, sande er nichts anders dann Todtenbein und andere erschrockenliche Zeichen. Darob er also erschrocken, daß er in eine Ohnmacht gefallen. Als er aber wieder zu ihm selbs kam, und herfür kroche, sahe er mehr einem Geist dann einem Menschen gleich, und ist 1u dreyen Tagen gestorben."
Copyright: arpa, 2015.

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