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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


Vie Kantone Baselstadt und Baselland.

1. Das Basilisken-Ei.


Joh. Groß, Kirchendiener, kurtze Baßler Chronik 1624. S. 120. Wurstisen, Fortführung der Basler Chronik, Vorrede S. 10. Mündliche Mittheilung.

Auf Donnerstag vor Laurentii im Jahr 1474 hat man auf dem Kohliberg zu Basel, allwo die Freileute wohnten und die Freigaben zu Gericht saßen *), einen Hahnen sammt einem M verbrannt, so er geleget hatte. Vorher schnitt der



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Henker den Hahnen auf und fand noch drei Eier in ihm. Dies geschah in Folge richterlichen Spruchs der Freiknaben und im Beisein einer großen Menschenmasse aus der Stadt und vom Lande, die ob dem seltenen Vorfall nicht wenig in Schrecken war, da man allzeit dafür gehalten, daß aus einem solchen Hahnenei, wenn der Hahnen sieben Jahr alt und das EI im Mist von einer Schlange, Coluber genannt, ausgebrütet wird — Andere meinen auch die bloße Sonnenhitze thue es — ein Basilisk, ein Thier, halb Hahn, halb Schlange, hervorkomme, das, obgleich nicht größer als einige Spannen lang, furchtbarer und schrecklicher denn der größte Lindwurm oder Drache ist, da sein bloßer Blick tödtet, was einem Jeden sicher weniger wunderbar dünkt, wenn man weiß, daß der Strahl seiner Augen so scharf ist, daß er selbst das härteste Gestein zersprengt. Diese fürchterliche Eigenschaft besitzt der Basilisk ,jedoch nur im Sonnenlichte, daher Leute, welche einmal ein solches Thier im Keller hasen, denselben das ganze Jahr verschlossen halten mußten, damit kein Sonnenstrahl hineinfiel. Auch erzählt man, daß Gebüsch oder Gras, über das der Basilisk hinwegschreitet, — er knecht nämlich nicht wie eine Schlange, sondern schreitet gerade aufgerichtet; einher — augenblicklich verdorrt und aller Lebenskraft beraubt ist; als schrecklichstes Beispiel für die Kraft des ihm inne wohnenden Giftes aber gibt man an, daß, so Einer zu Pferde ein solches Thier mit seiner Lanze durchsticht, Roß und Reiter das durch die Lan; e zuckende Gift auf der Stelle tödtet. Einen solchen Basilisk unschädlich zu machen, d. h. zu tödten, ist nur ein einziges Mittel vorhanden, es besteht darin, daß man ihm einen Spiegel vorhält, damit er sich selbst erblickt; geschieht dies, so fällt er sofort um und ist todt. Was man endlich von der Stadt Basel erzählt, daß dieselbe von dem Auffinden eines solchen Thieres ihren Namen habe, ist irrthümlich, obschon es mit dem Auffinden seine Richtigkeit



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hat, wie dies eine alte Chronik erzählt, welche als Stelle, wo dieser Fund geschah, den Gerberbrunnen nennt, der damals eine Quelle in einem wilden Waldthale, dem sogenannten Leimenthale, gewesen sein soll.

Fast zur gleichen Seit, als man zu Basel einem Hahnen das Todesurtheil sprach, wurde in der Nähe von Oron ein Schwein, das ein Kind aufgefressen hatte, in Folge richterlichen Spruchs des Officials des Bischofs von Lausanne von dem gleichen Schicksal ereilt. Sein Urtheil lautete, so lange aufgehängt zu, werden, bis sein Tod erfolge. Wirklich geschah dies auch und das Schwein hing lange Zeit ein warnendes Beispiel allen übrigen Thieren dieser Gattung an dem Galgen zu Lausanne. An diese Todesurtheile reihen sich alle jene Verfolgungen, Verbannungen und Verfluchungen schädlicher Thiere, welche, früher zu dem Amte der Druiden gehörend (s S. 34), später bis fast zur Zeit der Reformation und noch länger vom katholischen Klerus ausgeübt wurden. So suchte im Jahre 1478 die Stadt Bern bei ihrem Bischof in Lausanne Schutz gegen die Ingerllnge welche damals, eine große Landplage, Felder und Saaten verheerten. Der Bischof eröffnete einen förmlichen Rechtsgang gegen diese, Thiere, lud sie vor seinen bischöflichen Stuhl und stellte ihnen selbst einen Vertheidiger , der jedoch ihre Sache schlecht geführt haben muß, da ein Anathema und Verbannung für ewige Zeiten das Resultat des Prozesses war *). Aehnliches geschah schon früher im Jahr 1451, nur mit dem Unterschied,



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daß es damals den Blutegeln galt, welche als Feinde der Forellen und Lachse in der Aar die Tafelfreuden der berner Herren beeinträchtigten.Die Fabel vom Basilisk, welchen schon Plinius erwähnt und der ihm die Provinz Cyrenaica zur Heimath gibt, hat sich wahrscheinlich zuerst aus der Naturgeschichte des Schlangengeschlechts entwickelt, dessen Fortpflanzung, wie bekannt, durch Eier geschieht und die man, in die Geheimnisse der Natur noch nicht tief genug eingedrungen, wahrscheinlich der Verbindung mit irgend einem Vogel zuschrieb. Noch Ende des achtzehnten Jahrhunderts, im Jahr 1796, sprach man zu Ardon von einem solchen Schlangen oder Hahnen-Ei. Dasselbe sollte auf dem Kirchhofe der genannten Stadt verborgen sein und es hieß, alle Leute müßten sterben,
Egreditur tectis vestes induta recinctas
Nuda pedem, nudos humeris infusa capillos.



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welche nur zur; Kirche gingen, daher, um sich von diesem Unglück zu befreien, sämmtliche Gebeine; der dort begrabenen Todten verbrannt wurden.

Copyright: arpa, 2015.

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