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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


14. Der Auszug nach dem Tägermoos.


Wanderer in der Schweiz, VIII. Jahrg. X. Heft.

Zweimal des Jahres, jedoch nicht ;u einer bestimmten Zeit, ösen sich in dunkler Mitternachtsstunde, wenn kein Sternlein aus düstern Wolken sein Licht herniedersenkt, und die schauerliche Stille bloß durch das Gekächze der Nachtvögel



Schw.Sagebuch-313 Flip arpa

und das geheimnißvolle Flüstern der Wellen unter den alten Mauern unterbrochen wird, die Thore der Burg Gottlieben . Der Boden erdröhnt unter dem eisernen Fußtritt Gewappneter; man hört das Klirren von Waffen und Ketten und mitunter den dumpfen Wehlaut eines Jammernden. Man sieht nichts, hört aber deutlich, daß der Zug nach dem Tägermoos sich bewegt und endlich dort einen Halt macht. Daselbst angekommen, vernimmt man ein stärkeres Waffengetöse und dann ein dumpfes Hin- und Herrennen wie von vielen Leuten. Plötzlich wird Alles still. Dann erscheinen, so viel sich nach dem Gehör vermuthen läßt, mitten unter den Reisigen zwei dunkle Gestalten, welche auf dem Kopfe brennende Lampen tragen. Sie stehen nahe bei einander, leicht hin- und herschwankend. Endlich hört man ein sonderbares Zischen, die Lichter erlöschen, die Gestalten verschwinden.

Dies ist die Hinrichtung des Huß und Hieronymus in Prag, ;u deren jährlichen Wiederholung alle diejenigen verdammt sind, welche bei jenem furchtbaren Trauerspiel thätig waren.

Daß die geisterhafte Reproduktion der Hinrichtung der beiden Glaubenshelden von der Sage so weit von dem Ort verlegt ward, wo sie in der That geschah, ist wohl in dem Umstand zu suchen, daß sowohl Huß als Hieronymus in den furchtbaren Kerkern der Burg Gottlieben geschmachtet haben. Einige Erinnerungszeichen an die Gefangenschaft des erstern zu Konstanz, von wo aus er nach der Flucht des Papstes vom Bifchof von Konstanz bekanntermaßen nach Gottlieben gebracht wurde, fanden sich vor einiger Zeit noch in dieser Stadt vor. So stand im dortigen Kaufhaus eine alte Kutsche, deren obere Hälfte weggesägt war, von der erzählt ward, in ihr sei Huh nach dem Orte seiner Gefangenschaft gefahren. Auch das Haus zeigte man, in welchem er nach versuchter Flucht ergriffen worden sein soll. Angeblich stellte dieses Ereigniß ein in einer Mauerecke ausgehauener Kopf dar, unter dem die Worte :
Ich armer Tropf
ier nahm man mich beim Schopf
Ich bin zwar gflohen hiehar,
Bin doch nit kommen us der Gfahr.


Copyright: arpa, 2015.

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