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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


7. Die rothe Buse.


Nach Ruch mitgetheilt.

Auf dem Bergrücken des Irchels liegt das Pfarrdorf Buch. Auf dein Wege nach diesem Dorfe steht am Stammberge eine rothe Buche. Von ihr erzählt man Folgendes:

Zur Zeit einer furchtbaren Hungersnoth, welche so groß war, daß die Menschen selbst zu Nahrungsmitteln greifen mußten, welche sie sonst verabscheuen, lebten in einer Hütte am Abhange eines der hohen Hügel jenes Bergrückens zwei Brüder in der vollsten Blüthe des Lebens und bis dahin in wahrhaft brüderlicher Eintracht. Nachdem sie alle ihre Lebensmittel aufgezehrt hatten und ihre Zuflucht zu den Wurzeln des Waldes nehmen mußten, geschah es eines Tages, daß eine Feldmaus aus dem Boden hervorsprang. Die Brüder stürzten über diesen Leckerbissen her und es gelang einem von ihnen, sie zu erhaschen und sie, ohne seinem Bruder davon etwas abzugeben, ganz allein zu verschlingen. Darüber ergrimmte dieser dermaßen, daß er den sonst geliebten Bruder mit einer Keule todt darniederschlug. Das warm dahinrinnende Blut des Erschlagenen aber netzte die Blätter eines an jener Stelle emporkeimenden Buchensprößlings, unter dem der Leichnam auch eingescharrt ward. Lustig wuchs die Buche über dem Grabe des Erschlagenen empor, ihre Blätter aber, welche sein Blut genetzt, nehmen jedesmal an den Festen der Pfingsten und der Himmelauffahrt zum Angedenken an jene ruchlose That eine blutrothe Färbung an, nach welcher Zeit sie wieder in ein sanftes Dunkelgrün übergehen; daher noch heute an diesen Festen die Stätte, wo die Wunderbuche steht, ein Wallfahrtsort der Jugend jener Gegend ist, welche mit Blättern von ihren Zweigen geschmückt, von dort erst spät am Abend nach ihren Wohnungen heimkehren. Sprößlinge von ihr nach an



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deren Orten verpflanzt, sollen nie zu irgend einem Gedeihen gekommen sein.

Nach Scheuchzer, der die gleiche Sage in seiner "Beschreibung der Naturgeschichte des Schweizerlandes" B. l. S. 2 erzählt, waren es fünf oder vier Brüder, welche sich an jener Stelle erschlugen. Die Sage von noch einem andern Brudermord, dessen Schauplatz ebenfalls der Irchel und der unzweifelhaft identisch mit dem obiger Sage ist, findet sich in Murers Helvetia sancta. Ihren mehr den Charakter der Legende tragenden Inhalt erzählt Bluntschli in seinen Memorabilia Tigurina S. 117 mit kurzen Worten wie folgt: "Nach einer alten Tradition sind auf dem Irchel zwey Brüder gewesen, deren einer den anderen ermördet, das Bruderhäuslein angezündet, und darvon gegangen, damit man vermeine, der ermordete Bruder habe sein Häuslein verwahrloset, und sich selbst verunglücket. Dieser Leichnam ist aber in dem Jener unversehrt geblieben, und hat den herbey nahenden und die verübte Mordthat hefftig verneinenden Thäter durch das Bluten verrathen. Worauf dieser Mörder dem LandGrafen von Kyburg zugeführet und geradbrechet, der ermordete aber zu Embrach begraben, über sein Grab eine Capell gebauet, er für einen Heiligen verehret, und dahin Wallfahrten angestellet, also, daß nach und nach großes Gut dahin vergabet, mithin aus Bewilligung der Grafen von Kyburg daselbst ein Closter der regulirten Chorherren gebauet worden. Von obigen Morden oder Umbringen her, solle, nach einiger Meynung das Stift Umbrach oder Embrach genannt worden Seyn *)."
Copyright: arpa, 2015.

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