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Kapitel 

VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

III. BAND

DAS FABELHAFTE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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EIN BAND ZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


11. Der Schakal und der Löwe

Der Löwe hatte einmal schwere Schmerzen im Fuß und hinkte. Der

Löwe begegnete dem Schakal, und der sah, daß der Löwe hinkte. Der Schakal fragte: "Löwe, was fehlt dir ?" Der Löwe sagte: "Ich habe solche Schmerzen im Fuß, daß ich nicht auftreten und kaum gehen kann." Der Schakal sagte: "Dafür weiß ich ein ausgezeichnetes Mittel. Komm, wir gehen zusammen hin und töten eine Kuh. Dann nehmen wir die Kuh mit in den Wald und ich mache dir aus dem Kuhfell einen Verband, der dir bald genug helfen soll." Der Löwe war damit einverstanden.

Der Schakal führte den Löwen nun dahin, wo viele Kühe waren. Der Löwe tötete eine von ihnen und schleppte sie hinkend in den Wald. Dort häuteten der Löwe und der Schakal die Kuh. Der Schakal sagte zum Löwen: "Willst du dich nun nicht erst satt essen, ehe ich dir den Verband anlege ?" Der Löwe sagte: "Das Fangen und Töten der Kuh hat meine Schmerzen so vermehrt, daß ich allen Appetit verloren habe."

Der Schakal sagte: "Dann will ich gleich den Verband anlegen." Darauf hieß er den Löwen sich auf den Rücken legen und die vier Füße gen Himmel strecken. Als der Löwe in dieser Lage war, warf er die feuchte Kuhhaut über die vier Füße und band sie um jeden Fuß mit einer Kuhsehne fest. Er sagte zum Löwen: "Nun mußt du ein wenig so liegen bleiben, bis der Verband ganz fest ist. Dann wird dir besser werden." Der Löwe blieb so liegen. Der Schakal schleppte inzwischen einen Teil der Kuh nach dem anderen in seine Behausung.

Als der Schakal alles Kuhfleisch weggeschleppt hatte, sagte er zu den anderen Tieren: "Geht zum Löwen und macht ihm Besuche. Er ist sehr fußleidend. Den Verband habe ich ihm angelegt, ich habe aber in den nächsten Tagen so zu tun, daß ich mich nicht um ihn kümmern kann."

Die anderen Tiere kamen nun alle zum Löwen, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Sie fanden den Löwen in einem beklagenswerten Zustande. Die Kuhhaut war festgetrocknet und hatte sich wie eiserne Kettenfesseln um die Füße des Löwen gelegt, der immer auf seinem Rücken liegen blieb, ohne die Möglichkeit, sich zu rühren und die gegen den Himmel gestreckten Beine wieder zur Erde zu bringen. Alle Tiere kamen und klagten mit dem Löwen.

Der Reiher war aber damals mit dem Igel (inisije) sehr verfeindet.



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Als der Reiher zum Löwen kam, sagte er: "Ich weiß ein ausgezeichnetes Mittel gegen dein Fußleiden. Das ist das Blut des Igels." De: Löwe sagte: "Ich will daran denken." Nach einiger Zeit kam dei Igel und machte dem Löwen auch einen Besuch. Der Löwe fragt ihn: "Der Reiher hat mir gesagt, daß dein Blut ein vorzüglichen Medikament für mein Fußleiden ist." Der Igel sagte: "Der Reiher hat durchaus die Wahrheit gesagt. Fünf Tropfen von meinem Blut genügen, um zu heilen. Nur ist mein Blut völlig wirkungslos, wenn es nicht mit dem Gehirn des Reihers vermischt ist." Der Löwe sagte: "Willst du, sowie ich diesen Verband entfernt habe, wieder herkommen, um mir von deinem Blut zu geben?" Der Igel sagte: "Ich werde jeden Tag zu jeder Stunde kommen, wenn du mich rufst.' Der Igel ging.

Der Löwe sagte zu den Tieren: "Nun nehmt mir diesen Verband ab." Viele Tiere kamen und versuchten es vergeblich. Er war zt fest geworden. Sogleich kam das Rebhuhn und feuchtete die einzelnen Stellen mit Tropfen, die es im Schnabel trug, an. Die Kuhhaut wurde weich. Die Tiere konnten sie abnehmen. Der Löw€ sagte: "Nun will ich das Medikament des Reihers versuchen, ruft mir den Reiher und den Igel." Der Reiher und der Igel kamen. Dei Löwe ließ dem Reiher den Kopf abschlagen und das Gehirn herausnehmen. Der Igel trat heran, ritzte sich mit einem seiner eigener Stacheln den Fuß, so daß einige Tropfen Blut herauskamen und hieß dies Mittel den Löwen genießen. Der Löwe bedankte sich, und der Igel ging wieder.

Der Löwe wollte sich an dem Schakal rächen, der ihm den harten Verband angelegt, und ihn für 8 Tage in Fesseln gelegt hatte. Einmal traf er den Schakal im Walde. Er sprang auf ihn. Der Schakal entfloh aber zur Seite und der Löwe behielt nun den abgerissenen Schwanz in der Hand. Der Löwe sagte: "An dem Schwanze werde ich den Schakal, der mich so gepeinigt hat, erkennen." Er gab den Befehl, alle Schakale zusammenzurufen. Als der Schakal das hörte, lief er bei allen Vettern und Schakalen herum und sagte: "Der Löwe will einen Schakal mit einem langen Schwanze haben. Schneidet euch alle die Schwänze ab, wie ich es getan habe. Jeder, der keinen Schwanz hat, kann morgen zu dem Löwen gehen und kann sicher sein, daß ihm nichts geschieht."

Die Schakale schnitten sich alle die Schwänze ab. Sie kamen am anderen Tage dem Befehle des Löwen nach. Alle Schakale kamen zum Löwen. Der Löwe sah, daß er nun den einen Schakal, dem er



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den Schwanz abgerissen hatte, nicht mehr unter alle den anderen herausfinden konnte. Und so war der Schakal gerettet.


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