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Kapitel 

VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

III. BAND

DAS FABELHAFTE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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EIN BAND ZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


10. Der Schakal und das Huhn

Ein Huhn wohnte mit seinen Küken auf einem Felsen. Eines Tages kam der Schakal vorbei und sagte: "Gib mir eines von deinen Küken oder ich komme auf den Felsen hinauf und fresse dich und die anderen Küken sämtlich auf." Das Huhn erschrak und warf dem Schakal ein Küken hinunter und der Schakal lief vergnügt damit nach Hause. Dem Schakal war das eine sehr gute Gelegenheit. Er kam nun alle Tage bei dem Huhn auf dem Felsen vorbei und rief: "Huhn, gib mir eines von deinen Küken oder ich komme auf den Felsen und fresse dich und die anderen Küken sämtlich auf." Und das Huhn gab ihm jeden Tag ein Küken.

Eines Tages kam der Adler bei dem Huhn vorbei und fragte: "Huhn, wo hast du alle deine Küken?" Das Huhn sagte: "Jeden Morgen kommt der Schakal vorbei und ruft zu mir herauf: ,Huhn, gib mir eines von deinen Küken, oder ich komme auf den Felsen und fresse dich und die anderen Küken sämtlich auf.' —Was bleibt mir da anderes übrig? Dann werfe ich dem Schakal jeden Morgen ein Küken hinunter." Der Adler sagte: "Höre, Huhn, tue das nicht.



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Der Schakal ist nämlich gar nicht imstande, auf deinen Felsen hinaufzuflattern, du brauchst ihn also gar nicht zu fürchten und hast nicht nötig, seine üble Gier nach deinen Küken zu befriedigen." Das Huhn sagte: "Ich will versuchen, deinem Rate zu folgen."

Am andern Morgen kam der Schakal wieder und sagte zu dem Huhn: "Gib mir eines von deinen Küken, oder ich komme auf den Felsen und fresse dich und alle anderen Küken auf." Das Huhn sagte: "So versuche es doch heraufzukommen." Der Schakal versuchte nun, den Felsen zu erklimmen. Er kam aber immer nur auf den ersten Vorsprung und glitt beim Weiterspringen ab und fiel herunter.

Der Adler kam vorüber. Er sah die Bemühungen des Schakals und rief: "Schakal, was machst du denn da?" Der Schakal sagte: "Das Huhn pflegt mir jeden Morgen ein Küken zu geben. Heute will das Huhn es nicht tun und nun versuche ich, mir meinen Anteil zu holen." Der Adler sagte: "Wenn du Küken willst, mein lieber Schakal, dann will ich dir ein Land zeigen, wo so viele Küken zu treffen sind, daß deine ganze Familie sie niemals aufessen kann." Der Schakal sagte: "Ja, lieber Adler, zeige mir das! Denn junge Küken sind unsere liebste Speise." Der Adler sagte: "Dann mußt du aber auf meinen Rücken steigen." Der Schakal sagte: "So komme etwas tiefer herab."

Der Adler flog herab. Der Schakal stieg auf den Rücken des Adlers. Der Adler stieg dann in die Höhe, und als er mit dem Schakal schon eine gute Höhe erreicht hatte, fragte er ihn: "Nun Schakal, wie siehst du die Erde ?" (tamurt.) Der Schakal sagte: "Ich sehe sie grün. Ich sehe grüne Bäume und grüne Wiesen." Der Adler stieg steil noch höher, und fragte dann wieder: "Nun, Schakal, wie siehst du die Erde denn nun ?" Der Schakal sagte: "Jetzt sehe ich keine Bäume und Felder mehr, jetzt sehe ich die Erde nicht mehr grün. Jetzt sehe ich sie schwarz."

Der Adler sagte: "Dann bist du hoch genug, um eine Unzahl Küken zu sehen. Jetzt suche dir dein tägliches Küken aus." Der Adler machte eine schnelle Bewegung. Der Schakal glitt vom Rücken des Adlers herab. Der Schakal fiel herunter. Der Schakal bat Gott: "Laß mich in ein Wasser oder auf einen Strohhaufen fallen." Der Schakal fiel aber auf einen Felsen und starb!


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