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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


9. Paracelsus in St. Gallen.


Bartholomaei Anhorn, Magiologia. Tom. c. 7. s. 2, p, 625.


Happe!, Relationes curiosae r. III. p. 482.


s. de Vries, de Satan. l. 296.


Wolf, deutsche Mährchen und Sagen. S. 245.


Neue illustrirte Zeitschrist für die Schweiz. Jahrgang 1850. Nr. 4.

Es was vf ain Zyt, 1526 —30, do der in ganz Europa hoch verüemt Doktor Theophrastus Paracelsus zu St. Gallen im obern Thurgäuw, vor dem Multerthor saß und mit ihm manch ehrbare Burger, wie das noch Büttgen Tages zur Abendzyt gepflogen wirdt.

Do erzellt Inen der Doktor velerley von synen Reysen und Farten durch Lamparten, Bömerland und Hungern, auch



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wie er in Polen mit den Zyginern gezogen und gehuset, ire Kunde der heilsamen Chrüter und Wundsalben zu erforschen, des Wytern Croatien und Skandinavien bereyset und kostliche Erfarung gesamblet zum Frommen der Lydenden.

Bud als er Inen so erzellt von der Menschen in fömden Landen Thun und Tryben zu aller Ergetzen, wandelt deß Wegß Stücheler, der Stadtpfyffer, sonst ein heller Gesell und lustiger Sinnen voll, jetzt aber vast trurig und ernstlich zuwider sin Gewohnhait; alß den der Doktor ersach, dem nünt entrünnt, frogt er ihn: "Stücheler, min guoter Gesell, was bist du so trurig und henkst die Lefzgen ? Du wärst wie ich wol truw lieber by dinen Herren zu Baden, statt hier zu schliche um ir Tor und die Fecken (Fittiche) zu lampen wie ain Vogel in der Mus?"

Auf das, so gnappet der Stücheler mit dem Haubt, alß wollt er dem Doktor Recht geben, doch schamt er sich, das ers merk, aber der Parazelß fart fort mit sym Spott, sagende, willtu hüt noch zur Abendstund in Baden sin zu; diner Freud und Lust und dinem Herren vorpfyffen, so ryt dahin, denn ich höre schon die Rößlin stampffen dorten by der Schüßhütten.

Deßen wunderten sich alle, vorab der Pfyffer, wie sticht Im do das Rößlin in die Augen, der Parazelß aber trybt In ylfertig, was sums so lang und stoht doch das Thierlin do für dich, satz dich hinuf und grüß mir mine Herren zu Baden, aber so lieb dir din tung Leben, so spar die Red und wahr din Zungen vestiglich underwegen, bis din Fuß zu Baden vf der Gassen stoht.

Do satzt sich der Stücheler hurtig vf und mit Im hub sich das Rößlin vf vom Boden, sam es ain Vogel wär, auch mit dem Pfyffer von dannen glych ainem Luftstoß, das Männiglich davor entsatzte, der Doktor aber lachte grimmig darob glych ainem rechten Schalken.



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Mocht auch der Pfyffer vf syner Windfart an den Doktor denken, so konnt ers doch nicht lang und dick, denn er zu Baden vor der Herberg war, eh daß er sich versach, grad alß es hoche Zyt und man zu Baden die Torglogen lüt, mocht auch bloß vss dem Bügel stygen, so war das Rößlin vf und furt, denk wohl von wo es kommen !

Zu Baden in den Rappen aber war alles lebendig, voll des Jubels und lutprächtigem Wesens, denn die frömden Gesandten, viel vss dem Adel, Frömd und Inheimbsch, auch der Eydtgenoßen Ratsboten pflogen daselbst der Freuden bym Spyl und Dan en, mit Bankettiren und Inen nach, in den anderen Wirthshüsern, machts das gmain Volk was ains Jeden Seckhel und Truhen erliden mag, sonder Kumber , wovon morn deß zeren.

Der Stücheler gher huscht ins Hus und sucht nit lang sin Platz hinter den Spillüteen; uff ainsmol doch so Nagt der; Junker Ludwig Zollikofer von St. Gallen syn Schwächern , Heinrichen Blum, mir ist ich hör deß Stüchelers Pfyffen vor allen andern vs und sind es doch frömd Spillüt vss Bömerland ? Deß mochtend sy wol Rats sin, denn der Stücheler lahnt hinder ainem Pfosten uff der Spillbrögi, das In kainer sehen konnt; denn die Bömen die mochtends wol liden, das er Inen hulf und syn Pfyffen tönt über die anderen vss mit künstlicher Schrillerei zur Freud von Alt und Jungen, deren viel vorhanden.

Doch sticht den Junker Ludwigen der Wunder so heftig sam -er ain großer Fründ der Musika, daß er hinden zu den Spillüten schlicht und gewart den Stücheler, zucht In auch alß der Dantz vorby, am Gwand hinter dem Pfosten herab und mußte er bychten den Herren von St. Gallen, den Ratspenden wie und wann er kommen.

Hierüber entsatzten sich die einten und fanden diese Wum derart schier verwegen und seltzam, die andern mainten gav,



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Stücheler hätt ainen Stotzen Win zu viel trunken und vergessen wie er herkommen, all aber hatten ytcl Freud und Lust an des Pfyffers Erzellen und munterm Wesen, er vergaß auch nit des Parazelßen Gruß ;u melden, deß Namen Manchem galt eines Zauberers glych. Doch fand der Stüchcler durch syn Herren von St. Gallen und lustig Spillwysen manch willig Hand und offen Becher, daß ers zu Baden wol verliden mocht und nachmols mit Inen dort abzog , alß sy rückkerten in Ir Vatterstadt, minder hitzig dann ers vßgeritten.

Zauberpferde, welche mit Windesschnelle den Reiter nach weitentfernten Orten tragen, kommen in den Volkssagen nicht selten vor. Aehnlich wie die Vorstellung von der wilden Jagd ihre Abkunft dem Gotte Odin verdankt , sind sie Abkömmlinge jener zauberhaften Rosse des heidnischen Alterthums, welche schon S. 154 erwähnt wurden. Ich erinnere nur an Sleipnir, Odin's Leibroß, dessen acht Füße eine Allegorie der acht Hauptwinde waren. Der Begebenheit obiger Sage, welche nach der zuletzt angegebenen Ouelle mitgetheilt ist, soll das Multerthor seine Veränderung in Rößlithor zu verdanken haben. Auch ein Gasthof, der unter dem Namen zum weißen Rößli noch heute in St. Gallen bekannt ist, datirt der Sage nach seine Firma von diesem Ereigniß her.
Copyright: arpa, 2015.

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