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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


8. Der brüllende See Calandari.


Schreiben des Dsylvadus Molitor, ehemann. Priesters zu Anders.


Scheuchzer, Beschreibung der Naturgeschichte der Schweiz. B. l. S. 170.

Auf der Arosen-Alp im Schamser-Gebiet findet man einen See, welcher so klein ist, daß man ihn von allen Seiten mit einem Stein überwerfen kann, dabei aber eine unergründliche Tiefe und wohl einen Zufluß, aber keinen Abfluß hat. Zieht ein bös Wetter heran, so schnellt sich inmitten dieses Sees ein gewaltiger großer Wirbel empor, welcher im zunehmenden Wachsen so stark brüllt, daß man es von einem Berge zum andern, wohl sechs Stunden weit, hören kann. Dabei hat dieser See noch die wunderbare Eigenschaft, die Menschen, welche sich an seinem Ufer schlafen gelegt haben, unwiderstehlich anzuziehen. So ist einstmals eine Frau, welche sich ziemlich weit entfernt von ihm niedergelegt hatte und eingeschlummert war, von ihm angezogen und verschlungen worden. Worauf man ihren Gürtel mit den Schlüsseln an den Ufern des Rheins gefunden hat, welcher Fluß doch vier Stunden von dem See Calandra entlegen ist. Es gibt aber noch viele andere Leute, welche, obschon sie nicht einen so kläglichen Tod wie jene Frau fanden, doch, als sie weit vom See eingeschlafen waren, mit den Füßen in ihm erwacht sind. Etlichen Knaben aber, welche aus Lust stehen Pferde in den See gesprengt hatten, ist Folgendes passirt: Nachdem die Pferde mehr als drei Stunden in dem See geblieben, sind die Knaben in Furcht gerathen, es möchten dieselben verloren sein; daher sie sich zusammen verstanden, Niemand zu offenbaren, daß sie Urheber dieses Unglücks gewesen. Wie sie aber so mit diesem Gedanken umgingen und sich von dem See hinwegbegaben, kam zuerst eine alte, graue Stute und dann die übrigen Pferde, je eines auf dem Rücken des andern



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fest angeschlossen, wieder aus ihm havar; Auf dem Lande angekommen, fielen sie zwar um und lagen lange wie todt, sind aber hernach wieder zu sich gekommen. Wunderbar hierbei ist, daß alle sieben Pferde, obschon sie vorher beschlagen, doch sämmtlich ihre Hufeisen in dem See verloren hatten.

Von dem Pascholer-See bei dem Dorfe Flerda auf dem Heintzenberge bei Tusis erzählen sich die Landleute auf ähnliche Art, daß er bei herannahendem Gewitter ein unheimlich Getön von sich gebe. Gleiches wird auch von einem See in dem Thale Savogno in Bünden und von einem noch anderen im Sarganserlande berichtet, der ungefähr vier oder fünf Stunden von dem Bad Pfeffers entfernt ist.Die unwiderstehliche Anziehungskraft, welche die Sage dem See Calandari zuschreibt, ruht wohl vor allem in der natürlichen Beschaffenheit seiner Gewässer, deren plötzliches Anschwellen die an seinen ufern Eingeschlafenen überraschte. Vielleicht kann auch ein entfernter Anklang an die in ältester Zeit Flüssen und Seen gebrachten Menschenopfer in ihr aufgefunden werden.
Copyright: arpa, 2015.

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