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Kapitel 

VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

III. BAND

DAS FABELHAFTE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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EIN BAND ZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


9. Die drei Wünsche des Schakals

Der Schakal warf sich eines Tages zum Gebet vor Gott nieder und sagte: "Ich möchte drei verschiedene Tage hintereinander erleben. Am ersten Tage möchte ich recht fröhlich sein und lachen. Am zweiten Tage möchte ich etwas recht Gutes zu essen haben und am dritten Tage möchte ich weinen." Das Gebet des Schakals hörte der kleine Vogel Abüms 'gan(u) (Pl. ibumigasen). Der sagte (zu sich): "Zur Erfüllung dieser drei Wünsche brauchte der Schakal sich nicht an Gott zu wenden. Dazu kann ich ihm auch verhelfen."



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Der kleine Vogel kam zum Schakal und fragte ihn: "Willst du heute einmal recht fröhlich sein und etwas sehen, was dich sehr lachen machen wird?" Der Schakal sagte: "Gerade das ist es, was ich gerne möchte." Der kleine Vogel sagte: "So komme mit mir!" Der kleine Vogel lief voraus. Der Schakal lief hinter ihm her. Der kleine Vogel flog dahin, wo zwei Brüder zusammen das Feld bearbeiteten. Der eine der beiden Brüder führte den Pflug (ei maun, pl. lemaunat), und riß damit den Boden auf, der andere ging mit der Hacke hinter ihm her und zerschlug die Schollen. Der kleine Vogel setzte sich dem Pflüger nun auf den Kopf und pickte ihm auf der Mütze herum. Der Pflüger, der beide Hände am Pfluge hatte, suchte den Vogel abzuschütteln. Der Vogel ließ sich nicht wegjagen. Der Pflüger rief dem hinter ihm gehenden, hackenden Bruder zu: "Verjage doch einmal den Vogel von meinem Kopf oder schlage ihn tot." Der Bruder kam mit der Hacke von hinten heran und schlug mit aller Gewalt nach dem Vogel. Der kleine Vogel flog fort und der Hieb traf den Pflüger so stark, daß er tot hinsank.

Da lachte der Schakal. Als der kleine Vogel zurückkam, sagte der Schakal: "Du hast mir einen fröhlichen Tag gemacht!"

Am anderen Morgen kam der kleine Vogel zum Schakal und sagte: "Willst du heute einmal etwas recht Gutes zu essen haben?" Der Schakal sagte: "Gerade das ist es, was ich gerne möchte." Der kleine Vogel sagte: "So komme mit mir!" Der kleine Vogel und der Schakal begaben sich zur Landstraße. Es kam ein Mann mit seiner Frau. Die Frau ging vorn und trug einen Korb, der mit Fleisch und Kuchen gefüllt war. Der Mann ging voran und trug ihr kleines Kind auf dem Arme. Der kleine Vogel setzte sich vor dem Manne auf die Straße und hüpfte hin und her. Das Kind lachte und griff nach dem Vogel. Der Mann sagte: "Du willst wohl gern den kleinen Vogel zum Spielen haben?" "Warte, ich will sehen, ob ich ihn fangen kann." Der Mann setzte das Kind auf die Straße und versuchte, den kleinen Vogel zu fangen. Der kleine Vogel hüpfte von einer Seite zur andern. Der Mann suchte ihn zu greifen. Immer, wenn der Mann dem Vogel ganz nahe war, hüpfte der auf eine andere Seite. Der Mann rief seiner Frau zu: "Setze deinen Korb hin und sieh, ob du mit mir gemeinsam den kleinen Vogel für unser Kind fangen kannst." Die Frau setzte den Korb hin und nun suchte die Frau den Vogel von der einen Seite der Straße, der Mann ihn von der anderen Seite zu greifen. Der Vogel hüpfte immer ein wenig weiter. Das Kind saß auf der einen Seite der Straße, der Korb stand auf der



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anderen. Die Eltern entfernten sich mehr und mehr. Der Schakal kam und fraß alles, was in dem Korbe aufbewahrt war.

Der Schakal erhob sich gesättigt. Als der kleine Vogel das sah, flog er von dem Manne und der Frau fort und kehrte zum Schakal zurück. Der Schakal sagte: "Du hast mir heute viel gutes Essen gegeben."

Am dritten Morgen früh kam der kleine Vogel wieder zum Schakal und sagte: "Willst du heute wieder mit mir kommen oder hast du die Lust verloren ?" Der Schakal sagte: "Du bist ein lustiger Vogel, ich komme immer gerne mit dir." Der kleine Vogel sagte: "Heute werde ich dir eine Feige zeigen." Der kleine Vogel flog vor dem Schakal her. Der kleine Vogel setzte sich auf einen Zweig und sagte: "Sieh, dort unten liegt die Feige." Der Schakal griff nach der Feige. Die Feige war aber das Lockmittel für eine Falle. Die Falle packte zu und hielt den Schakal an den Füßen fest. Der Schakal heulte vom Morgen bis zum Abend. Der kleine Vogel hörte ihm zu und sagte endlich: "Du solltest sehr froh sein. Selten werden drei Wünsche erfüllt. Dir aber sind für drei aufeinander folgende Tage die Wünsche erfüllt. Weine also nicht und sei froh."


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