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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


6. Das Knöchlein.


Sibert Schott, Alpenrosen 1838.

Auf der Sandalp, die sich im hintersten Winkel des Linththales am Fuße der höchsten Glarnergebirge hinzieht, hatte vor vielen Jahren ein böser Mann aus Linththal seine Sennhütte, und brachte daselbst wie die andern Hirten mit seinem Vieh den Sommer ;u, Er avar jähzornig, frech und übermüthig; einen armen Jungen, der bei ihm diente, quälte er auf jede erdenkliche Weise mit schwerer Arbeit, rauhen Worten und grausamen Schlägen. Eines Tages hieß er ihn ein Geschäft verrichten, für das der Knabe lange nicht genug Kraft besaß, so daß er sich desselben weigern mußte; da gerieth der Hirt in solchen Zorn, daß er den Knaben ergriff und mit dem Kopf in den Kessel tauchte, worin eben die Milch sott, um sie scheiden. So starb der Knabe, und der Senn warf den Leichnam in die Linth; daheim aber sagte er, der dumme Junge müsse von einer Fluh herabgestürzt sein, denn er sei fortgegangen, uni die Geißen zu melken, und nicht wieder zurückgekommen.



Schw.Sagebuch-232 Flip arpa

Es vergingen viele Jahre, das Gebein des Knaben hing ungerächt an einem Felsen des wilden Linthbaches, und von Zeit zu Zeit, wenn eine stärkere Welle vorbeirauschte, nahm sie eins von den Knöchlein mit fort, spielte eine Weile damit und ließ es dann am einsamen Ufer liegen. Einstmals aber traf es sich, daß im Linththal Kirchweih war, wobei es lustig zuging und der böse Senn von Wein, Musik und Tanz betäubt ward, so daß er alle Demuth und Vernunft von sich that und in seiner Sündenthorheit wild dahintaumelte. Es war ihm drinnen zu heiß, drum ging er an den Bach hinaus , der, oben von einem starken, warmen Regen angeschwellt, stärker als sonst vorüberrauschte, kniete daran nieder und zog den Hut ab, um sich Wasser zu schöpfen. Er trank aus, was hineingelaufen war; auf dem Grund aber fand er ein weißes Knöchlein, das steckte er auf seinen Hut und ging so in den Saal zurück. Da fing auf einmal das Knöchlein an zu bluten, und man wußte nun, wohin der Knabe gekommen war; das Fest nahm schnell ein Ende, der Bösewicht ward ergriffen und bald nachher in Glarus auf den Richtplatz geführt.

Wie schon S. 216 erwähnt ward, erzählt man kaum mit einer andern Veränderung, als der des Ortes, im Kanton Schwyz die ganz gleiche Sage; ihre Aufnahme erscheint mir daher als überflüssig, dagegen erlaube ich mir, auf eine poetische Bearbeitung derselben aufmerksam zu machen, welche sich unter dem Titel: "Der Mord bei Ingenbohl" in I. I. Reithard's "Geschichten und Sagen der Schweiz", S, 260 ff. vorfindet.
Copyright: arpa, 2015.

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