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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


1. Winkelried tödtet den Lindwurm.


Stumpf's Chronik, B. 7. C. 2.


Etterlin's Chronik, S. 7.


Tschudi, B. i. S. 146.

Zu der Zeit, als man die Wälder der Schweiz zu lichten und reinigen anfing, ist eine gräuliche Schlange und erschrecklicher Drache, so die Schweizerischen Jahrbücher Lindwurm nennen, in dem Unterwaldner Lande gefunden worden. Dieser würgte sowohl Menschen als Vieh, so daß ein Dorf davon den Namen Oedweiler bekam, welches so viel ist, als ein verlassener Ort.

Da war es, daß Einer aus diesem Lande aus dem Geschlechte der Winkelriede, dessen Vorname Struth war, sich wegen begangenen Todtschlages außer Landes aufhalten mußte. Als dieser von der Noth seiner Landsleute hörte, erbot er sich, das Ungethüm zu tödten, wenn ihm die Rückkehr in das Vaterland gestattet werde. Das wurde ihm gerne zugelassen Freudig seine Heimath wieder sehen, machte sich Struth von Winkelried sofort auf nach dem Orte, wo sich der Lindwurm aufzuhalten pflegte. Bald traf er auf ihn und der Kampf begann, aus dem Struth von Winkelried, nachdem er der Bese seine Lanze, an deren Spitze ein Büschel spitziger Dörner befestigt war, in den Rachen und dann sein



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Schwert durch den Leib gestoßen hatte, als Sieger hervorging. Als er aber vor Freude über den Sieg das blutige Schwert in der Luft schwang, fiel ein Tropfen Blut auf seinen Leib und plötzlich fiel er todt hin.

Westwärts von Stanz am Fuße des Ramserhornes öffnet sich eine morastige, mit sauren Gräsern und Schilf bewachsene Thalebene, welche die Sage als den Schauplatz dieses Drachenkampfes bezeichnet. Noch heute führt diese Thalebene den Namen das Drachenried, so wie die dunkle Höhle im Mietenschwandenberg, der ihren Hintergrund begrenzt , in diesem Augenblicke noch das Drachenloch heißt, während der Sage nach die Kapelle *) auf dem Hügel, Namens Allweg, der zwischen dem Rotzberge und dem Stanzerberge liegt, zum Gedächtniß der Heldenthat des Struth von Winkelried errichtet sein soll, von welchem Tschudi behauptet, er sei mit jenem Winkelried, der wegen seiner großen Tapferkeit im Jahre 1250 vom Kaiser Friedrich, als dieser vom Papste Gregorius X. mit dem Banne belegt war, zum Ritter geschlagen wurde, eine und dieselbe Person. Was schließlich das getödtete Ungeheuer betrifft, so wurde schon auf S. 4 auf die naturhistorische Basis zur Genüge hingedeutet, die allen derartigen Sagen zu Grunde liegt; für die allgemeine Verbreitung des Glaubens an das Vorhandensein solcher Ungeheuer in der Schweiz aber mögen, unsere an dieser Stelle und auf Seite 49 in der Erläuterung zu den Stollenwürmern ausgesprochene Behauptung bestätigend , noch folgende Drachenhistorien, deren Zeitalter durchaus nicht zu den ältesten gehört, Zeugniß ablegen.


I.

Wagneri, historia naturalis Helvetiœ, lib. VIII. p. 250 et 251.Hans Egerter aus dem Dorfe Lienz in der Grafschaft Sax **), genannt der Martis Hans, ein alter 70jähriger Mann, sah einst auf der Alp Cammor, die nahe an der genannten Herrschaft liegt, an einem Orte, dem sogenannten Wellerschen Gang, einen erschrecklichen Drachen, welcher



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unter einem überhängenden Felsen sein Lager aufgeschlagen hatte. Dieses Ungethüm hatte einen ungeheuren Kopf, eine weit aus seinem Rachen heraushängende gespaltene Zunge und war mit schwarzen und gelben Streifen gezeichnet; der Rücken war von dem Kopfe bis zu dem Schweif knotig, und sein Bauch von goldgelber Farbe. An dem Vordertheil seines Leibes hatte es zwei Füße, die ohngefähr einen Schuh lang waren, wie der Mann deutlich wahrnahm; das Hintertheil des Thieres konnte er dagegen nicht genau sehen, doch bemerkte er an demselben einen sehr langen Schweif, welcher in vielfache Ringe gewunden war. Kaum hatte das Ungethüm den Mann gesehen, so richtete es sich in die Höhe, und blies, wie eine Gans durch ihren Schnabel, aus seinen Nasenlöchern und seinem Schlunde einen giftigen Hauch gegen denselben, daß er wie in Schwindel gerieth und das Gesicht seiner Augen fast gänzlich geschwächt wurde, und gewiß würde die Bestie über ihn hergefallen sein, wenn es ihm nicht noch gelungen wäre, sich durch eilige Flucht zu retten. — Einen anderen Drachen, welcher aber 4 Füße hat, sah ein Mann, aus der Parochie Sennwald, Namens Bueler, auf dem Frumsenberg bei dem sogenannten Erlawäldli, welches an dem Ufer beß Kalenbachs liegt.


II.

Wagneri, ibid. lib. VII. p. 219.Als in dem Jahre 1660 — um diese Zeit war es ohngefähr — einst dem Herrn Andreas Roduner, welcher Landschreiber und Fähndrich der Landvoigtei Hohen -Sax war, und noch einem Anderen die Lust ankam, den sogenannten Wangserberg im Sarganser Lande zu besteigen, begegnete diesen beiden, während des Hinaufsteigens auf jenen Berg, ein Bergdrache von ungeheurer Größe, welcher sich bei ihrem Anblicke auf seinen Hinterfüßen zu der Größe eines Mannes emporrichtete. Sein Leib, dessen Länge und Dicke einem halben Wiesbaum ohngefähr gleich kam, war ganz und gar mit rauhen Schuppen bedeckt. Er hatte 1 Füße, seine Ohren und sein Gesicht glichen denen einer Katze und sein Schweif war ohngefähr drei Ellen lang. Sein Bauch war bis zu den Hinterfüßen mit braunrothen Striemen, gleich dicken angeschwollenen Adern, gezeichnet und sein Rücken war bis zu dem Kopf, auf dem ein Haarbusch emporragte, mit Borsten besetzt. Beide haben aber sofort den gebahnten Weg verlassen und ihre Reise ohne Schaden weiter fortgesetzt.


III.

Kircheri, Mund. subterr. Tom. II. lib. VIII. p. 98.Als Christoph Schorer, ehemaliger Landvoigt zu Solothurn *), in einer Nacht bes Jahres 1619 den hellen Himmel betrachtete, sah er aus



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einer Höhle eines ungeheuren Felsen des Berges Pilatus einen glänzenden Drachen sehr schnell nach einer anderen auf der entgegengesetzten Seite des Sees liegenden Höhle fliegen, welche Flue heißt. Er war sehr groß, sein Schweif von bedeutender Länge, der Hals dick und fein Kopf endete in einen gespaltenen Schlund. Während des Fliegens sprühte er, wie glühendes Eisen, wenn es geschmiedet wird, helle Funken um sich herum. Im Anfang hielt er das Thier für eine feurige Lufterscheinung, als er es aber näher beobachtet hatte, erkannte er aus der Bewegung und der Beschaffenheit der Glieder, daß es ein wirklicher Drache sei.


IV.

Wagneri, ibid. lib. VII. p. 258. Kirchen, ibid. r. 8. lib. VIII. p. 98.Einen anderen ungeflügelten Drachen will ein Jäger, Namens Schumperlin, auf dem Fluen-Berg, welchen er der Jagd wegen oft bestieg, an dem St. Jakobstag des Jahres 1654 an dem Eingang einer großen Höhle haben sitzen leben. Dieser hatte einen Schlangenkopf, einen Hals und einen Schweif von gleicher Länge, sein Leib aber ruhte auf vier Füßen, welche ohngefähr einen Schuh oder drüber hoch waren. Der Kopf war dem eines Pferdes nicht unähnlich. Als er den Jäger gesehen, zog er sich unter großem Geräusch der Schuppen, welche seinen Körper bedeckten, in die Höhle zurück.


V.

Joh. Jak. Scheuch er, Naturgeschichte des Schweizerlandes. Thl. 2. S. 237.Bei dem Dorfe Quinten in der Landschaft Gaster sah ein Wann, Namens Meier, ohngefähr um die 90er Jahre des iten Jahrhunderts herum, einen Drachen unter dem Schatten einer großen Tanne liegen. Er hatte Füsse und Flügel, welche mit rothen Flecken bezeichnet waren und schier wie Silber glänzten. Wenn er Athem holte, so war es, als ob er seufzete, zuweilen schüttelte er auch seine Flügel. Der Mann ging aber zurück, sobald er ihn gesehen hatte. Zwei Tage darauf zog ein schreckliches Ungewitter mit Hagel über jene Gegend, was wiederum die Sage bestätigt, daß wenn ein Drach sich zeigt, Sturm und Wetter gleichfalls nicht fern sind.


VI.

Noch wurde im Jahre 1696 auf dem Berge Joppatsch im Plurser Gebiet *) von einem Küher, Namens Bartolome Alegro de Ponte, ein Drache mit einem Flintenschuß und Steinwürfen getödtet, welcher ohngefähr zwei Ellen lang war, einen Katzenkopf, eine gespaltene Zunge und einen gespaltenen Schweif, so wie statt der Füße flügelartig-schuppichte



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Absätze hatte (s. I. I. Scheuchzers Naturg. des Schweizerlandes sammt s. R. über d. Schw. Geb, Tom. 2. pag. 235). Ferner schreibt Johannes Fabrizius von Chur von solchen Thieren, welche im Jahre 1559 und vorher gesehen worden sind. Endlich erzählt Etterlin in seiner Schw. Chronik pag. 112 von einem großen ungeflügelten Drachen, welcher, die Reuß hinabschwimmend, im Jahr 1499 am 26. Mai zu Luzern gesehen wurde. Derselbe war so dick als ein Kalb, ohngefähr 8 Ellen lang und hatte hervorstehende Ohren.
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