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Kapitel 

VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

III. BAND

DAS FABELHAFTE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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EIN BAND ZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


7. Der Schakal und der Bauer

Ein Bauer (Aecheräss, Pl. icheraesen) pflügte mit zwei Ochsen, vom Morgen bis zum Abend. Da kam eines Abends ein Löwe und sagte: "Gib mir einen der beiden Ochsen ab, oder ich töte dich und beide Ochsen." Der Bauer erschrak. Der Bauer spannte einen Ochsen aus und gab ihn dem Löwen. Der Löwe nahm ihn und schleppte ihn von dannen. Der Bauer kehrte mit dem übriggebliebenen Ochsen nach Hause zurück und kaufte gleich am selben Abend noch einen zweiten, um am anderen Tage wieder pflügen zu können.

Der Bauer pflügte am anderen Tage wieder vom Morgen bis zum Abend, und als es Abend war, kam wieder der Löwe und sagte: "Bauer, gib mir einen von deinen beiden Ochsen, oder ich töte sie alle beide und dich obendrein!" Der Bauer gab wieder einen Ochsen. Und abends kaufte er wieder einen Ochsen, um am anderen Tage pflügen zu können, und am nächsten Abend kam der Löwe wieder und verlangte einen Ochsen.

Der Bauer gab dem Löwen jeden Abend einen Ochsen. Eines Abends kam der Schakal bei dem Bauern vorbei, als er seinen Ochsen heimtrieb. Der Schakal fragte: "Jeden Morgen sehe ich dich mit zwei Ochsen dein Gehöft verlassen und jeden Abend sehe ich dich nur mit einem einzigen in dein Gehöft zurückkehren. Wie kommt das?" Der Bauer sagte: "Jeden Abend, wenn ich mit der Tagesarbeit fertig bin, kommt der Löwe und verlangt von mir einen Ochsen und droht, meine beiden Ochsen und mich selbst zu töten, wenn ich dem Wunsche nicht nachkomme." Der Schakal sagte: "Wenn du mir versprichst, mir ein Schaf zu geben, will ich dich von dem Löwen befreien." Der Bauer sagte: "Wenn du mich von dem Löwen befreien kannst, will ich dir gerne ein Schaf versprechen." Der Schakal sagte: "Morgen werde ich mit verstellter Stimme dort oben vom Hügel aus fragen, wer mit dir spricht. Dann antworte, es sei nur ein Asko! (Holzkloben zum Spalten.) Halte ein Beil zur Hand. Hast du mich verstanden?" Der Bauer sagte: "Gewiß habe ich dich verstanden."

Am andern Tage nahm der Bauer ein Beil mit auf den Acker



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und pflügte wie sonst mit den beiden Ochsen vom Morgen bis zum Abend. Als es Abend war, kam der Löwe und sagte: "Bauer, gib mir einen Ochsen, damit ich nicht beide Ochsen und dich noch obendrein töte!" Als der Löwe das gesagt hatte, sprach eine tiefe Stimme vom Hügel und sagte: "Bauer, wer spricht mit dir?" Der Löwe erschrak, duckte sich nieder und sagte erschrocken vor sich hin: "Das ist Gott." Der Bauer antwortete aber laut: "Es ist nur ein Asko (oder Ascho)." Die Stimme sagte laut: "So nimm dein Beil und spalte den Holzblock!" Der Löwe sagte leise: "Schlage aber nur sanft, Bauer." Dabei neigte er den Kopf. Der Bauer ergriff das Beil und schlug mit aller Gewalt auf den geneigten Löwenschädel, so daß er ihn spaltete und der Löwe sogleich starb. Der Schakal kam vom Hügel herunter und sagte: "Ich habe gehalten, was ich versprochen habe, der Löwe ist abgetan. Nun werde ich morgen wiederkommen und mir das Schaf holen, das du mir versprochen hast." Der Bauer sagte: "Du sollst es haben."

Der Bauer kam nach Hause. Er sagte zu seiner Frau: "Der Schakal hat mich von dem Löwen befreit. Nun will ich ihm einen Schafbock geben. Ich werde ihn schlachten. Verpacke ihn dann, damit ich ihn morgen mit auf den Acker nehme." Der Mann schlachtete den Widder. Als die Frau ihn einpacken sollte, sagte sie: "Weshalb sollen wir den guten Widder nicht selbst essen?" Die Frau steckte den Schafbock in einen Fellsack. Sie legte den Fellsack in einen Flechtkorb. Neben den Fellsack hieß sie aber den Hund des Hauses sich im Korbe niederlegen." Die Frau sagte zum Bauern: "Wenn etwa der Schakal über Tag den Widder nicht nimmt, bring ihn uns wieder heim. Sonst fressen ihn über Nacht die andern Tiere, die dir nichts Gutes getan haben. Stelle den Korb also nur so wie er ist auf das Feld, und laß die Sache gehen, wie sie geht."

Der Bauer ging aufs Feld. Er stellte den Korb auf das Feld und schrie: "Schakal, hier steht dein Widder!" Dann ging der Bauer seiner Arbeit nach und pflügte vom Morgen bis zum Abend, ohne sich weiter um den Korb, den Widder und den Schakal zu kümmern. Der Schakal kam aber auf den Korb zu, um den Widder herauszunehmen. Als er seine Nase in den Korb steckte, sprang der Hund empor. Der Schakal lief, so schnell er konnte, von dannen. Der Hund folgte ihm eine Weile, und als er sah, daß der Schakal doch zu schnell war, sprang er ab und lief nach Hause. Der Schakal schwor, den Menschen nie wieder zu helfen.

Der Bauer kam abends. Er blickte in den Korb und fand den



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Widder noch unberührt mit dem Fellsack über sich darin. Da packte er den Korb mit dem Widder wieder auf, brachte ihn heim und sagte: "Der Schakal hat seinen Widder nicht abgeholt. —Nun können wir ihn selbst essen!" — — —


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