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Kapitel 

VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

III. BAND

DAS FABELHAFTE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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EIN BAND ZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


5. Der Schakal und das Rebhuhn

Der Schakal war mit dem Rebhuhn gut Freund. Eines Tages sagte der Schakal zum Rebhuhn: "Wollen wir wetten, daß ich dich zum Lachen bringe ?" Das Rebhuhn sagte: "Wollen wir wetten, daß ich dich zum Lachen bringe ?" Der Schakal sagte: "Es ist gut. Fange du an." Das Rebhuhn sagte: "So komm mit mir!" Der Schakal folgte dem Rebhuhn.

Das Rebhuhn führte den Schakal an einen Acker, auf dem zwei Leute waren. Der eine der Männer arbeitete, der andere stand daneben.



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Der vom Wuarssen verfolgte Jüngling

verwandelt sich in einen Gärtner (in der Mitte), sein Pferd in eine Landhütte (unten in der Mitte), seine junge Frau in einen Melonengarten (rechts). Vor ihm der Weg (links), auf dem der Wuarssen kommt Originalzeichnung eines Kabylen



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Das Rebhuhn sagte: "Bleib hier stehen." Der Schakal blieb stehen. Das Rebhuhn lief auf den Acker und flatterte dem zusehenden Manne gerade auf den Kopf. Der arbeitende Mann sah es und sagte: "Halt ganz still. Ich will das Rebhuhn von deinem Kopf fangen." Der Mann hielt ganz still. Das Rebhuhn blieb sitzen. Der Mann mit seiner Hacke kam ganz dicht heran. Der Mann schlug mit seiner Hacke nach dem Rebhuhn. Das Rebhuhn flog fort. Der Mann traf mit seiner Hacke den Kopf des Kameraden. Der Kamerad fiel tot hin. Der Schakal lachte.

Das Rebhuhn kam zu dem Schakal zurück und sagte: "Hast du gelacht?" Der Schakal sagte: "Ich habe noch niemals so gelacht." Das Rebhuhn sagte: "Jetzt ist die Reihe an dir, mich zum Lachen zu bringen." Der Schakal und das Rebhuhn gingen zusammen weiter. Sie gingen durch einen Wald. Im Walde war eine Falle (thächfetz) aufgestellt. Es lag da ein Stück Fleisch unter dem Stein. Der Schakal sah das Fleisch. Der Schakal fragte das Rebhuhn: "Was ist das?" Das Rebhuhn sagte: "Das ist ein furchtsames Stück Fleisch." Der Schakal sagte: "Ist es denn gut?" Das Rebhuhn sagte: "Gewiß ist es gut. Willst du es denn essen ?" Der Schakal sagte: "Gewiß möchte ich es essen." Das Rebhuhn sagte: "So lege nur die Hand darauf." Der Schakal legte die Hand darauf. Die Falle schlug zu. Der Schakal war in der Falle gefangen. Das Rebhuhn flog auf einen nahen Baum und lachte.

Das Rebhuhn sagte von dem Baum aus: "Der Fallensteller wird bald kommen, und sich nach seinem Hasen (aüthul) umsehen. Er wird dich dann totschlagen wollen und dir arge Prügel versetzen. Nimm die ersten Schläge hin und stelle dich dann tot." Das Rebhuhn flog fort.

Der Bauer, der die Falle gestellt hatte, kam, um zu sehen, ob er etwas gefangen habe. Er kam an die Falle und sah den Schakal in der Falle. Der Bauer sagte: "Du bist es? Ich dachte, es wäre ein Hase; ein Hase wäre mir lieber gewesen. Warte, ich will dir deinen Lohn geben." Der Bauer begann auf den Schakal einzuschlagen, als er ihm einige starke Schläge versetzt hatte, stellte sich der Schakal tot. Da warf ihn der Bauer beiseite und stellte seine Falle wieder auf. Sowie der Bauer sich abgewendet hatte, sprang der Schakal auf und lief von dannen.

Der Schakal kam wieder zu dem Rebhuhn. Er sagte zum Rebhuhn. "Hast du gelacht?" Das Rebhuhn sagte: "So habe ich in meinem Leben noch nicht gelacht." Das Rebhuhn sagte: "Nun wollen wir



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etwas anderes gemeinsam machen." Der Schakal sagte: "Was schlägst du vor? Was gibt es ?" Das Rebhuhn sagte: "Entweder gibst du mir zuerst so viel zu essen, bis ich voll bin, oder ich gebe dir zuerst so viel zu essen, bis du voll bist." Der Schakal sagte: "Fange du an, gib du mir zuerst!" Das Rebhuhn sagte: "Es ist mir recht."

Der Schakal und das Rebhuhn gingen zusammen. Sie sahen eine Frau auf dem Wege, die trug eine Schüssel mit gutem Kuskus, Fleisch und Zutat zu ihrer Tochter, die eben Mutter geworden war. Das Rebhuhn sagte: "Warte im Graben!" Das Rebhuhn lief mit hängenden Flügeln (als ob es die Flügel gebrochen habe und nicht fliegen könne) über den Weg. Die Frau suchte das Rebhuhn ZU greifen. Das Rebhuhn lief aber schnell ein wenig weiter. Da setzte die Frau das Essen auf den Weg und eilte dem Rebhuhn nach. Das Rebhuhn huschte immer dicht vor ihr durch das Gras.

Mittlerweile stand der gute Kuskus mit dem Fleisch und der Zukost allein auf dem Wege. Der Schakal kam und fraß den guten Kuskus mit dem Fleisch und der Zutat. Die Frau war aber nahe daran, das Rebhuhn zu greifen. Da breitete das Rebhuhn die Flügel aus und flog davon. Die Frau kehrte zum Wege zurück. Als sie die Speisen aufnehmen und weitertragen wollte, rief der Schakal vom Graben her: "Ich habe alles aufgegessen!" Die Frau ging mit dem Korb und den leeren Schüsseln weiter.

Das Rebhuhn kam zurück zum Schakal und fragte: "Hast du gegessen ?" Der Schakal sagte: "Ich habe in meinem Leben noch nicht so gut gegessen. Mein Bauch ist ganz voll." Das Rebhuhn sagte: "Jetzt bist du an der Reihe, mir ein gutes Essen zu besorgen. Am liebsten esse ich Kichererbsen (l'hammas)." Der Schakal sagte: "Die sollst du haben. Es ist gerade die Zeit der Kichererbsensaat."

Am andern Tage gingen der Schakal und das Rebhuhn ihres Weges. Sie sahen einen Bauer, der hatte sein Feld bestellt und hatte einen Sack mit Kichererbsen gebracht. Die wollte er jetzt auf dem Felde säen. Der Bauer nahm aus dem Sack und ging fort, die Kichererbsen zu säen. Als er sich ein wenig entfernt hatte, trat der Schakal an den Sack und rief: "Herr, dies ist mein Essen." Der Bauer sah auf. Er gewahrte den Schakal und kam schnell zurück, um den Schakal zu vertreiben. Der Schakal lief ein wenig weiter. Der Bauer folgte ihm. Der Schakal lief nun noch ein wenig weiter. Der Bauer folgte ihm. Der Bauer folgte dem Schakal ein weites Stück.

Während der Bauer dem Schakal nachlief, kam das Rebhuhn und



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fraß alle Kichererbsen auf. Als das Rebhuhn damit fertig war, rief es laut: "Ich habe alle Kichererbsen aufgegessen." Der Schakal hörte das und sprang in großen Sätzen fort. Der Bauer gab die Jagd auf. Er kehrte zurück. Der Bauer fand den Sack leer. Er kehrte heim, um neue Kichererbsen zu holen.

Der Schakal traf das Rebhuhn. Er fragte das Rebhuhn: "Hast du gut gegessen?" Das Rebhuhn sagte: "Ich habe in meinem Leben noch nicht so gut gegessen. Mein Bauch ist ganz voll." Der Schakal und das Rebhuhn blieben Freunde. Sie sind bis heute Freunde geblieben.


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