Schweizerisches
Sagenbuch.
Nach
müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten
and handschriftlichen Quellen herabgegeben
und mit
erläuternden Anmerkungen begleitet
von
C. Kohlrusch.
Leipzig,
Rob. Hoffnann
1854.
3.
Der Drachens ein zu Luzern.
Athanasii Kirchen e Soc. Jesu, Mundi subterran. r. VII, lib. lV. p. l.
Cysat, Beschreibung des Vierwaldstetter See's. S. 176.
Ein Bauer sah einst bei Luzern, als er auf dem Felde beschäftigt war, einen Drachen von dem Berg Rigi nach dem Pilatusberg fliegen. Während seines Fluges fiel von dem Ungeheuer etwas zur Erde nieder. Als der Bauer sich von seinem Schrecken erholt und hingegangen war, um zu sehen, was das wohl gewesen sei, da fand er in einer Menge Blut einen vielfarbigen Stein, den man noch heute zu Luzern bewahrt und der ein kräftig Heilmittel gegen pestartige Krankheiten ist; daß sich dies oft bewährt hat, davon zeugen die Stadtbücher, worin man es beschrieben findet.
Folgendes ist die wörtliche Copie einer zu Luzern sich befindenden Urkunde, welche über die Auffindung des Drachensteins näheren Bericht enthält:"Ich Peter zu Katz, des Raths zu Luzern, und der Zeit Vogt zu Rotenburg, bekenne öffentlich mit disem Brief, daß auf heut seiner dato, als ich zu Rotenburg gericht hab, vor mir erschienen sind die Ehrsamen Martin Schryber der Wundarztet, Burger zu Lucern zu einem: Und Rudi Stempflin von Rotenburg anderstheils, und öffnet gemeldter Martin Schryber, wie das ihm gemeldter Rudin Stempflin ein Pfand versetzt hab, namlich einen Stein, so von einem Drache sye solle, umb eine Summa Gelts, welche Sum er begehrte, ihn der Stempflin, darumb ausrichte und bezahlte, und soll ich sein Pfand lösen, dieweil doch gemelt Pfand lengest vor Jahren und Tagen verstande und vergangen sye , nach Formb des Rechten, und dargegen und wider, Rudi Stempflin antwurt, es sye wahr, er hab gemeldten Martin Schryber solchen Stein versetzt und solte den vor leugst gelößt habe und sye Zihl und Tag und alle Rechte übergangen, aber es sye an seinem Vermögen nicht gewesen und noch nicht, wo es aber an seinem Vermögen wäre, so wollte er disen Stein lösen, dann derselbe Stein habe hievor seinen Vorderen, ein groß Gelt wöllen gelten, und in seinem Geschlecht gsin, als er ghört hab, vor 30
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Jahren, und hab auch derselbig Stein unzahlbarlich vil Menschen, Frauen und Mann, mit Hilff Gottes ernehrt und thue groß wunderlich ding, mit verborgnen Gift zu melden, und stelle alle Fluß des Bluts, wie die genennt werden mögen, es syen die roth Stuhlgang,, zu Wunden, zu der Nasen, und sonderlich der Frauen übrigen Fluß und weiblich Krankheit , ohn allen Schmerzen: Er habe auch von synen Vorderen gehört, daß sein Aeni diesen Stein funden hab, in einer Matten, als er gehewet hab, fye ein grausamer Drach kommen, in dem Luft schiessen, zu nechst bei ihme hin, von einem Berg genannt Rigi, in den andern Berg Frakmont, und ihm so nahend, von der Höhi herab kommen, daß ihm geschwunden und in Ohnmacht gelegen."Als er aufstünde, funde er eine Schwäre Bluts, so von dem Drachen gesprützt war, dasselbig Blut wäre zu stund an gestanden, als eine Sulz, in demselbigen Blut sye dieser Stein gelegen und funden worden, also sye der Stein, jesidt in seinem Geschlecht geblieben, und äther, etlich Herren und Stätt, disen Stein wollen taufen, aber seine Vorderen haben ihn nie wölle verkauffen, und dieweil er nun disen Stein jetzt nicht gelösen mög, ihm in Pfandtswyß verstanden, und vergange sye, so gunt er ihn niemands baß, als ermeldten Martin Schryber, der ihm auch vil guts gethan habe, und wölle von ihm, noch eine Ehrung und Schenki erwarten, was syn guten Will sye, ec. solches die obgenannten Parthyen, von mir obgedachtem Vogt, allerding, einanderen gichtig und bekanntlich waren, und Rudi Stempfli gutwillig was, auch Zihl und Tag vergangen, nach Ordnung des Rechten, ist zu recht gesprochen, und mir, als einem Obervogt auch erkennt, daß gemelter Martin Schryber und seine eben, fürerhin disen Stein haben sollen, damit schalten und walten, als mit ihrem eigenen Gut, von Stempflin syne Erben und allermennignichen ungesumpt, und unangesprochen, diser Bekanntnuß und Bertigung, begehrt Martin Schryber eines Urkundts, daß ihme zu geben erkennt ward, under mines vorgeschribnem Vogts angehenktem Insigel, mir und miner Erben ohn Schaden, auf Montag nach St. Martins Tag 1509."Hierauf folgen mehrere Urkunden, in welchen gerichtlich alle die Heilungen bezeugt werden, welche dieser Stein zu Werke gebracht hat.Ueber die Drachen selbst wurde schon Eingang dieses Werks eine etwas tiefer eingehende Erläuterung beigefügt, auch wurde daselbst bereits einmal der Drachensteine gedacht, welchen wir jetzt unsere Aufmerksamkeit schenken werden. Der älteste Schriftsteller, der ihrer erwähnt, ist Plinius. Seine Worte sind : "Der Drachenstein (draconitis sive dracontia) bildet sich aus dem Drachenhirne, wird aber nur zum Edelsteine, wann solches dem lebenden Thiere ausgeschnitten wurde, ohne daß es seines Todes sich bewußt war. Daher nimmt man diese Operation vor, wenn das
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Thier schläft. Sotacus, der einen Drachenstein bei dem König sah, erzählt, daß diejenigen, welche nach solchem ausgehen, auf einem Zweigespanne heranfahren und sobald sie den Drachen gewahr werden, einschläfernde Mittel ausstreuen und dann den Ausschnitt vornehmen. Der Stein sei von durchsichtiger Weiße, und brauche nachher weder geputzt zu werden, noch bedürfe er einer künstlichen Bearbeitung." — Aehnlich erzählt Philostratus von den Indianern, daß diese die Drachen mit einem golddurchwirkten scharlachrothen Tuche anlocken, auf welchem sich Buchstaben von einschläfernder Kraft befinden, und ihnen, wenn sie dann eingeschlafen sind, den Kopf abschneiden, in welchem sich der Drachenstein befinde. Außer den Drachensteinen waren dem Mittelalter auch noch Schlangen- und Krötensteine bekannt, welche neben ihren heilsamen Kräften auch noch die Tugend besaßen, Sieg zu verleihen. In einem Gedichte des Wiener Cod. 428, No. 136 heißt es:
Ich höre von den Steinen sagen die Natern und Kroten tragen, daz grôze tugent dar an lige, swer si habe, der gesige; mochten daz sigesteine wesen sô solt ein wurm vil wol genesen, ders in sînem Lîbe trüege, daz in nieman erslüege. |
Man sagt von Hanensteinen swer in in munt nem einen, daz er guot vür den durst im st.
Ringen zu melden, jedoch auch hier hängt die ihnen zugeschriebene Kraft immer von dem Stein ab, der in sie eingefaßt ist. |
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