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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


15. Das Nachtgespenst von Plaffeien, der Gassentätscher.


Alpenrosen. 1823. S. 121.


I.

Vor Zeiten hauste auf den Straßen und Nebenwegen um Plaffeien, hauptsächlich aber in diesem Orte selbst, ein gräuliches Nachtgespenst. Ließ man es ruhig, so that es keinem Menschen etwas zu Leid; aber wehe dem, der es neckte! Man nannte es den Nachthund, weil es Hundesgestalt hatte, oder den Gassentätscher.

Einmal gingen muthwillige Nachtbuben, lärmend und schreiend, aus dem Wirthshause. Kaum waren sie vor dem Dorfbrunnen, so gewahrten sie das Gespenst. Sie riefen ihm schon von ferne: he! Gassentätscher, hast du noch Durst? — Kaum hatten sie das gesagt, so verrannte ein großer, feuriger, rother Hund ihnen den Weg. Ei, ei, riefen sie wieder, laß uns durchgehen! aber vergebens; er streifte ihnen seine flammende Zunge entgegen, die so lang war, als ein Zaunstecken. Erschrocken schlugen sie einen Nebenweg ein; allein ein großer Ochs glotzte sie heulend an. Bebend und zähnklappernd flohen sie zurück, und siehe da . . . es stand ein neues Gespenst, so groß als ein Speicher, hinter ihnen. Das machte sie nüchtern. Durch ein kleines, enges Gäßchen konnten sie sich bis zum Wirthshause retten, wo sie zitternd anklopften und todtenblaß um eine Nachtherberge baten, die ihnen auch ward. Schlaf aber kam die ganze Nacht nicht in ihre Augen.

Ein herzhafter Mann soll den Nachstund einmal bei Bürgen angeredet und dann mit dem Rosenkranz berührt haben. Da soll sich das Ungethüm erst in eine schwarze Geiß, und dann in einen weißen Geist verwandelt haben und endlich auf



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dem Kirchhof eingesunken und verschwunden sein. Seit dieser Zeit will man ihn nicht mehr gesehen haben.


II.

Ein ander Mal begab sich um Mitternacht ein tüchtig benebelter Bursche von Plaffeien durch die Gasse nach Plasselb. Im Ried klopfte er am Fenster eines Mädchens, bei dem er noch kilten wollte; allein auf der Holbeige lag ein Hund, der ihm hinderlich war, so daß er demselben einen starken Stoß mit einem Scheite gab. Nun bellte der Hund gan; fürchterlich und spie aus seinem ungeheuren Rachen dem Buben Feuer entgegen, bis dieser, so geschwind, als es seine schweren Beine erlaubten, davon lief. Aber der Gassentätscher nicht faul, denn er war es selbst, hockte ihm stracks, so schwer als zwei fette Kühe von der Geißalp, auf die Achseln, und strich ihm Kinn und Backen mit den vordern rauhzottigen Pfoten, und so mußte der Bursche das Ungeheuer eine halbe Stunde weit, mühsam und keuchend, mit sich fortschleppen, bis es ihn bei einem Kreuze vor dem Dorfe wiederum fahren ließ.


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