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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


10. Das Spielmännlein im Sagenboden und das Ungeheuerlein im Plasselbschlund.


Franz Küenlin, Alpenrosen und Sagen aus der Schweiz. S. 97.


I.

Links unten am Käsenberg, den die Welschen Cousinber nennen, liegt der tiefe Plasselbschlund; rechts erheben sich die Schweinberge. Im Sagenboden steht eine alte Hütte, wo sich die benachbarten Küher sehr oft des Abends versammelten, um ein Paar müßige Stunden verplaudern oder mit dem Tarokenspiel zu verkennen. Zu ihnen gesellten sich häufig die Pottaschebrenner, die Kräuter- und Harzsammler oder sonst andre Leute, die in den Bergen thun hatten. Zuweilen erschien ein Seines, fremdes Männlein bei der gemischten Versammlung. Es hatte eine blaßgelbe Gesichtsfarbe; aschgraue, blinzelnde, tiefliegende Augen; rothes, buschiges Haar; eine grüne Kappe auf dem Kopfe, und trug einen grauen Kittel; lange, enge Hosen von hellbraunem Zeuge und kurze Stiefel. Unter dem linken Arme hielt es stets eine Geige, weßwegen man es das Spielmännlein nannte. Es verhielt sich meist ganz ruhig und still in einem Winkel, wo es sich zusammenkauerte, wie ein Kater, oder wärmte sich am Feuer in halb knieender, gebückter Stellung. Wenn man es munter machen wollte, gab man ihm zum essen und Sinken Er dankte dann in einer sonderbaren, fremden Sprache, wovon man nur ein paar Worte verstehen konnte, und am Ende sing er an zu geigen allerlei alte und neue Tänze und Lieder, daß einem vor Freude das Herz sammt den Füßen hüpfte, wie wenn man beim Kiltgang, bei einer Hochzeit oder Kilbe mit seiner Liebsten tanzen kann. Ja, das Spielmännlein konnte den Sennen die Zeit so schön vertreiben, daß sie



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sogar oft darüber ihre Pflicht und Schuldigkeit vergaßen, weßwegen es dann auch in den Stafeln Streit und blutige Händel gab. Oft aber geschah es auch, daß man das Spielmännlein in dem alten Hüttenwerk nirgends sehen konnte, und doch hörte man sein Saitenspiel im Sagenboden bald diesseits, bald jenseits des wilden Aergernbaches.


II

Damals sprach man auch von einem Geiste, der im Plasselbschlund sich hin und wieder merken ließ; aber obschon viele Leute glaubten, es sei das Spielmännlein, so war dies kaum möglich, weil es, obschon nicht größer, jedoch viel stärker , und bei der Nacht besonders fürchterlich anzusehen war. Es hatte ganz das Ansehen von einem kleinen, zottigen, schwarzen Bär, mit feuersprühenden Augen; — und doch gab es verwegene Leute, die so keck waren, das Ungeheuerlein, wie man es nannte, durch Schimpfreden herauszufordern, und sich mit ihm in der Finsterniß herumzubalgen. Unter diesen Raufhelden lebten damals die Brüder Brügger von Zur March, die jedesmal, wenn sie benebelt von Plaffeyen nach Haus gingen, nicht ermangelten im Sagenboden zu rufen: "He, Ungeheuerlein, wo versteckst du dich? Bist du bei deinem Toggeli zu Ritt gewesen, oder hast du ein frisches Fantumli *) aufgefischt, mit dem du dich auf dem Heu herzest . . . . Gelt, du Michsuppenläger, du darfst heute Nacht nicht heraus aus deinem Buhlnest?" — Doch Sacks ergriff unsichtbar das Ungeheuerlein den riesenstarken Benz **) bei den Schultern, klemmte ihm den Hals so eng zusammen, wie wenn es ihn erdrosseln wollte, warf ihn zu



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Boden, wo er sich fluchend im Kothe herumwälzte, und als er entweder ausstehen, oder ihm sein hochstämmiger Bruder Josi *), der Großmarcher genannt, zu Hülfe eilen wollte, saß die Teufelsbrut auf einem hohen Tannenast, lachte die geprellten Narren aus, sagte ihnen, sie sollten nach Hause trätschen **) und den Säbel wetzen ***), oder fiedelte ihnen Spottlieder vom Wipfel des pyramidenförmigen Baumes herab. ,Darob wurden die Marcher nur noch erboster; sie ergriffen Steine, Scheiter und Zaunstecken, und hängten !) nach dem windigen Föppeler; aber er erhob ein gellendes Gelächter, und erwiederte die Begrüßung mit einem Hagelwetter von Tannzapfen. Und so mußten die hochmüthigen Schläger ||), die sonst überall den Meister spielten, und es oft mit einer ganzen Stube voll handfester Leute aufnahmen, welche sie herausfuggten |||) wie mit einem Kehrbesen, mit einer langen Nase abziehen, Ein andermal ließ sich das Ungeheuerlein zum Schein von den Brüdern Brügger ergreifen und zu Boden werfen; aber in einem Nu war es entwischt, und da brauste auf der Stelle ein dermaßen gewaltiger Wirbelwind, daß sie so lange herumgedrillt wurden, bis sie betäubt und besinnungslos auf dem Grase niederfielen, wo man sie am andern Morgen noch schlafend fand.

Dieser Geist wurde auf Anrathen des Pater Jakobs, eines durch seine Beschwörungskünste weit und breit bekannten Kapuziners von Zbindenmühle dadurch gebannt, daß die Marcher eine Pilgerfahrt nach Rom und Loretto veranstalteten



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und sich bei ihrer Rückkehr in die römische Brüderschaft zu Düdingen aufnehmen ließen.


Copyright: arpa, 2015.

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