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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


9. Der Napfhans, Jean de la Bolieta.


Mündliche Withetlung. Franz Kuenlin. Alpenrosen, Jahrgang 1824. S. 74.


I.

Auf der Alp Zuazo-dessus *) hauste ehemals vor langen Jahren gar friedsam, aber dienstfertig und gefällig, ein Berggeist, der Napfhans, Jean de Bolieta, genannt Auf die gefährlichsten Stellen führte das Männlein die Kühe zur Weide, ohne daß je nur eine verunglückte. Wenn die Hirten den Berg verließen, war dort gewiß kein nährendes Gras mehr vorhanden. Für den geleisteten wichtigen Dienst stellten dann die Sennen jeden Abend dankbar einen Napf voll süßer, frischer Nidle (Rahm) auf das Dach des Stafels. Am andern Morgen fanden sie ihn richtig allemal leer. Es begab sich aber einst, daß ein Senn mit sieben eigenen Kühen auf diesen Berg zog. Zum ersten Male in seinem Leben befand er sich da, und hielt das Hirtenamt



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des Geistes für ein einfältig Mährlein, von der Unwissenheit und Leichtgläubigkeit ersonnen. Er entschloß sich daher den Geist zu prüfen und zu foppen; anstatt des gewürzigen Rahmes that er siedenden Unrath in die Schüssel. Um Mitternacht hörten die schnarchenden Sennen eine dumpfe, hohle Simme, die vom Rauchfange herunter zu kommen schien, und den ungläubigen Küher ermahnte, eilig aufzustehn , um seinen sieben Kühen die Häute abzuziehen. Er achtete nicht darauf, glaubte, man treibe nur Scherz mit ihm und schlief ruhig wieder ein. Aber wie groß war seine Bestürmung, als er am andern Morgen seine Kühe vermißte, und sie endlich jämmerlich zerrissen, sämmtlich todt in einer tiefen Schlucht fand, die jetzt noch der Schindanger (in Lecorzau) ) heißt.


II.

Von diesem Berggeist heißt es weiter: So lange er die Kühe hütete, schlug er mit denselben stets den gleichen Weg ein, welchen man jetzt noch den Weg des Napfhans, chemin de Jean Bolieta, nennt, und dieser steile Pfad ist immer so reinlich und nett, daß man nie einen Stein auf demselben antrifft, obschon auf dem Berge ein ganzes Lager von Rollsteinen vorhanden ist, das oft bei Sturmwinden aufgerüttelt und erschüttert wird. Leider können die Sennen, seitdem der gute Napfhans verschwunden ist, nicht länger als bis Anfang Herbstmonats auf dem obern Zuazo mit ihrer Heerde alpen, und müssen also noch viel gutes Kraut zurücklassen, aus dem sie manchen schweren und fetten Käs hätten bereiten können.


Copyright: arpa, 2015.

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