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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


49. Das Todtenbächlein am Kirchhof zu St. Stephan.


M. Lutz, Vollständige Beschreibung des Schweizerlandes oder geographischstatistisches Handlexikon. T. III. S. 290 und Andere.

Bei dem Kirchhof zu St. Stephan fließt ein kleiner Bach, dessen Wasser sich oftmals ganz unerwartet und ohne vorhergegangenen Regen Stunden- ja oft Tagelang vollkommen trübt und mit einer weißen Materie zu laufen beginnt was dann, der dort herrschenden Sage nach, jedes Mal das Vorzeichen eines Todesfall in der dortigen Kirchengemeinde ist.

St. Stephan ist ein kleines Pfarrdorf, eine halbe Stunde oberhalb Zweisimmen, im Obersimmenthal. In früherer Zeit war es ein stark besuchter Wallfahrtsort. Seine Kirche ist die ältste im ganzen Simmenthale, wie dies wenigstens aus der auf einer Glocke des Kirchthurms sich befindenden Jahreszahl zu schließen ist, von welcher sich jedoch nicht mit Genauigkeit bestimmen läßt, ob es die Zahlen 1023 oder 1030 sind. Am Eingange der Kirche ist in der Mauer eine Nische angebracht, hinter deren Gitter man vor Zeiten ein Todtengeripp sah. Dieses Gerippe sollte dem heiligen Stephan angehört haben, nach welchem das Kirchspiel seinen Namen empfing. Auch sah man noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in dieser Kirche über den Sitzen der Weiber eine Fahne, von der es hieß, sie sei in einem Gefecht bei der Lenker-Alp den Wallisern von den Siebenthalern abgenommen und an diese Stelle ob der bei dieser Gelegenheit von den Weibern bewiesenen Tapferkeit aufgehängt worden.Eine andere Merkwürdigkeit jener Gegend ist das sogenannte "steinig Haus" in der Bäurde Niederen, das sich von dem letzten Besitzer der Burgen Mannenberg, der sich nach deren Zerstörung nach St. Stephan flüchtete, erbaut worden sein soll. Eine andere Sage läßt jedoch den ursprünglichen Bau dieses Hauses als älter erscheinen und seine heidnisch-alterthümliche Bedeutsamkeit nicht verkennen. Nach dieser Sage hat nämlich an der Stelle, wo jenes Haus steht, erst die Kapelle des heiligen Stephan erbaut werden sollen. Eine unsichtbare Hand aber habe



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immer was am Tage aufgebaut wurde des Nachts wieder zerstört; worauf man, von zwei von dem Joche freigelassenen Stieren geleitet, den Bau der Kirche des heiligen Stephan begonnen und ohne Störung ausgeführt habe, da wo sie in diesem Augenblick noch zu finden ist. Wahrscheinlich daß auf dem Platz, wo jetzt das "steinig Haus" die Aufmerksamkeit der Reisenden auf sich zieht, eine ehemals heidnischem Kult geweihte Opferstätte war, und die Annahme, daß an solcher, als unheilig, das Begehen christlichen Gottesdienstes nicht statthaft sei, Veranlassung zur Entstehung dieser in den verschiedenartigsten Versionen sich sehr häufig wiederholenden Sage gab. So soll der Platz für den Bau der Kirche im Ischboden in Grindelwald ganz auf gleiche Art durch das Stillstehen von Ochsen angegeben worden sein. Aehnliches erzählt man auch von der Kirche zu Blumenstein und von der dem heiligen Michael geweihten Kirche zu Einigen, nur daß bei der letzteren der heilige Michael, die Hülfe der stillestehenden Ochsen verschmähend, die ihm zu weihende Stätte selbst anzeigte, nachdem, wie es in der Chronik von Einigen heißt: "was Sy aber eines Tags am Fundament grabten, die Nacht wiederumb verworfen und geäbnet ward."
Copyright: arpa, 2015.

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