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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


47. Das Martisloch.


Jahn, der Kanton Bern deutschen Theils S. 329.

An der hohen Felswand des nähern Eigers befindet sich eine große Oeffnung. Diese Oeffnung Sägt den Namen Heiterloch, wird aber auch wohl das Martisloch genannt.

Dieses Loch hat der heilige Martin, als er einst nach Grindelwald kam und das Thal erweitern wollte, mit seinem Stocke oder seinem Fuße durch den Felsen gestoßen, indem er sich dabei mit dem Rücken an den gegenüberliegenden Mettenberg anlehnte, in welchem heute noch eine etwas



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breite Aushöhlung, der sogenannte Martinsdruck, die Stelle bezeichnet, gegen welche der Heilige sich anstemmte, als er jenen gigantischen vollbrachte.

Trotz ihres christlich-legendenartigen Gewandes ist in obiger Sage, die sich ganz gegen den ethischen Charakter der Legende lediglich auf eine Naturmerkwürdigkeit bezieht, der Kern eines heidnischen naturphilosophischen Mythus nicht zu verkennen. Jahn motivirt dies wie folgt: "wie man so häufig an die Stelle der Gottheiten Heilige treten ließ, mußte der heilige Martin hier den Platz des Sonnengotts Mithras einnehmen, dessen Verehrung sich von Persien über Italien, Gallien und das ganze römische Germanien verbreitet hatte und welchem als felsgebornem und felsdurchbrechendem Gotte das seltsame Phänomen unserer Sage im römisch-celtischen Paganismus zugeschrieben worden war, eine Uebertragung , die sich um so leichter machte, als nach dem altkatholischen, in den Schweizerbergen noch nicht vergessenen Kalender der Martinstag, bei uns der 11. November, so ziemlich auf den 25. November fällt. Auf diesen Tag findet wenigstens das herbstliche Erscheinen der Sonne durch das Heiterloch statt und danach wurde dasselbe dem Tagesheiligen überhaupt als sein Werk zugeschrieben, um den heidnischen Glauben so gut es anging zu verdrängen. Diese merkwürdige Spur römisch-celtischen Mithrasdiensts in den schweizer Bergen darf keineswegs befremden. Wie aufgefundene Monumente beweisen, ist derselbe selbst auf den Höhen der tyroler Alpen einheimisch geworden, und wenn die Celten, wie es bekannt ist, den Belenus, ihren Sonnengott, vorzugsweise auf Berghohen verehrten, so mußte der Mithrascult, sei es, daß er bei den Celten unter der Form des Belenusdienstes schon einheimisch war, oder, von den Römern zu ihnen gekommen, sich mit demselben amalgamirte, im Gebirgsland um so eher in Schwang kommen, da man hier im Aufsteigen der Sonne hinter den beeisten Höhen den unbezwungenen Lichtgott täglich neu aus dem Felsen geboren werden sah, ja, in einzelnen Fällen, wie hier, im Durchbrechen von Felswänden, mit besonderer Machtfülle vor Augen gerückt fand!" Das flammende Erscheinen der Sonne durch das Heiterenloch findet, außer an dem bereits genannten Novembertag, noch an dem 17. und 18. Januar statt.Ein anderes Martisloch findet sich am Schindlenberg in der Nähe des Orts Elms im Kanton Glarus. Hier erscheint die Sonne im Herbst am Michaeltstag, im Frühjahr am 3. März.
Copyright: arpa, 2015.

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