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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


21. Der Teufel notirt Seelen.


Unter Benutzung verschiedener Mittheilungen.

Zu Aesch pflegte St. Beatus zu predigen. Als er sich einst etwas verspätet hatte, war sein Gefährte, der heilige Achatus, an seine Stelle getreten Die Kirche war schon über und über mit frommen Zuhörern angefüllt, als St. Beatus erschien. Da es aber eben ein sehr warmer Tag und Achatus auch kein besonderer Redner war, mußte er zu seinem großen Leidwesen sehen, wie einer nach dem andern von der Gemeinde in süßen Schlaf verfiel. Desto eisiger und andächtiger lauschte St. Beatus den Worten seines Schülers; da nahm er plötzlich den Teufel unter der Kanzel wahr: ein Bein über das andere geschlagen und eine Krähenfeder in der Hand saß er da und schrieb in aller Eile auf ein großes Bocksfell die Namen der ihm verfallenen Schläfer. St. Beatus war darüber in Verzweiflung, gern hätte er die Schläfer geweckt, aber er durfte, ohne eine Todsünde zu begehen, die Predigt nicht unterbrechen. Der Teufel schrieb indeß fleißig fort und schon war seine höllische Schreibtafel angefüllt, ohne daß sämmtliche Namen der Schlafenden verzeichnet waren. Da kam der Teufel, der die Gelegenheit, so viel Seelen als möglich zu erhaschen, nicht unbenützt vorüber gehen lassen wollte, der Gedanke, die Bockshaut noch etwas in die Länge und Breite auszudehnen, indem er das eine Ende mit den Zähnen und, sich gegen den Taufstein stemmend, das andere Ende mit den Klauen faßte. In dieser wahrhaft teuflischen Absicht strengte er sich aber so heftig an, daß plötzlich das Bocksfell risi und sein Kopf mit aller Gewalt an den Fuß der Kanzel schlug. Dies gewährte aber einen so komischen Anblick, daß St. Beatus laut auflachen mußte, darob die ganze Gemeinde wenige Augenblicke



Schw.Sagebuch-059 Flip arpa

noch vor dem Amen erwachte und dem Teufels die Beute, die er schon sicher in der Hölle untergebracht wähnte, verloren ging. Natürlich war dies dem Teufel sehr unangenehm. Zornig und sich schämend fuhr er von dannen und stürzte sich in den Thunersee, dessen Wellen hoch aufbrausend über ihm zusammenschlag Der heilige Beatus aber ging für die Sünde, die er dadurch begangen, daß sein schadenfrohes Lachen die Predigt unterbrochen, nicht leer aus. Als er an den See kam, über welchen er auf seinem Mantel nach seiner Wohnung, der Beatenhöhle, überzusetzen pflegte, hatte dieser die ihm von Gott verliehene Kraft, den Heiligen zu Sagen, für immer verloren.

Daß der Teufel der sicher gewähnten Beute wieder verloren geht, ist nichts Seltenes. Bald geschieht dies in Folge eigener Dummheit oder Ungeschicklichkeit, bald durch Ueberlistung, bald durch Dazwischentreten einer höheren Macht. In der ersten Beziehung, als daer oder ungeschickter Teufel, nähert er sich den Riesen, den Repräsentanten der rohen Naturkräfte, die in ihrer Plumpheit dem listigeren und gewandteren Menschengeschlecht unterliegen. Die Verwandtschaft zwischen dem Riesen und dem Teufel wird sich überhaupt im Verlaufe dieser Sammlung noch mannigfaltig bestätigen.
Copyright: arpa, 2015.

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