Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


20. Der Teufel raubt Bernhardt von Strättlingen feinen Mantel.


Chronik von Einigen.

Einstmals kam der Teufel dürftig als Pilgrim gekleidet auf das Schloß Strättlingen. Da es sehr kalt war, erbarmte sich Herr Wernhardt seiner und sandte ihm seinen Mantel, um sich zu decken. Am andern Morgen aber war der Pilgrim mit dem Mantel verschwunden. Darauf geschah es, daß sich Herr Wernhardt auf eine Wallfahrt begab nach dem Berge Garganum, allwo im Jahre 320 der Erzengel Michael erschienen war. Bevor der Ritter aber die Reise antrat, brach er seinen Ehering in zwei Hälften; die eine gab er seiner Frau Susanna, die andere aber behielt er selbst und sagte: wenn du diese Hälfte wieder siehst, wird es dir ein Zeichen sein, daß ich noch am Leben bin. Fünf Jahre sollst du meiner Rückkehr warten, bin ich nach dieser Zeit nicht zurück, so bist du frei,

Auf dem Berge Garganum angekommen, begab sich Herr Wernhardt in die Kirche des heiligen Michael, dessen Schutz er sich, seine Frau und sein ganzes Haus empfahl. Der heilige Michael erhörte ihn; auch ward ihm dort ein Stück von seinem Mantel wieder. Darauf, als der Ritter seine Heimfahrt angetreten hatte, gerieth er in Gefangenschaft und saß vier Jahre in einem Kerker zu Lamparten *). Hier erschien ihm eines Abends plötzlich ein Unbekannter, der ihm den Rest des gestohlenen Mantels überbrachte und sich als der Teufel zu erkennen gab. Der sagte ihm: er sei jener Pilgrim gewesen, komme aber jetzt auf Befehl des heiligen



Schw.Sagebuch-057 Flip arpa

Michael, ihn nach seiner Heimath zurückzubringen; hierzu sei hohe Zeit, da seine Frau Susanna, die ihn für todt halte, sich wieder verehelichen und diese Nacht noch Hochzeit halten werde. Hierauf hob der Teufel den Ritter sanft vom Boden und brachte ihn in wenigen Augenblicken nach seinem Schlosse Strättlingen, unbeschädigt und ungefährdet. Zu seinen Leuten aber, die ihn nicht erkannten, sagte Herr Wernhardt, er sei ein fremder Spielmann und Abenteurer, und da man ihn zur Tafel lud, an der so eben das Hochzeitmahl abgehalten wurde, warf der Ritter in den Becher, aus welchem seine Frau zu trinken pflegte, den halben Ring, den er für sich behalten und seither gar Senlich bewahrt hatte, und entfernte sich ohne daß er bemerkt wurde. Als aber seine Frau den Becher ergriff, nahm sie den halben Ring wahr, näherte die zwei Hälften und rief: "Mein Mann ist nicht weit von diesem Orte!" Gleichzeitg erkannte sie ihn in der Ecke des Saales, in welche er sich zurückgezogen hatte, worauf er mit Freuden sein Weib, Schloß und Herrschaft wieder erlangte.

Ein Beweis, daß die Vorstellung vom Teufel dieses Wesen der Macht der Engel und guten Geister unterwirft, liefert obige Sage, in der der Teufel, dem Befehle des heiligen Michael gehorchend, Wernhardt von Strättlingen, welchem er sich anfänglich feindlich genaht hatte, nicht nur den geraubten Mantel zurückbringt, sondern ihn sogar nach seiner Heimath versetzen muß. Die Schnelligkeit, mit der dies geschieht, ist eine dem Teufel gewöhnlich beigelegte Eigenschaft, welche ihm, gleich den Riesen, von Donar, der den Sturmwind vertretenden heidnischen Gottheit, überkommen ist.
Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt