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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.

Der Teufel übernachtet im Thurm zu Wyl.


Mündliche Mittheilung. I. R. Wyß und Andere.

Im Thurm zu Wyl muß jeden Abend ein Bett in einem abgelegenen Zimmer zurecht gemacht stehen. Man sieht Niemand gehen, Niemand kommen und doch ist am andern Morgen das Bett jedes Mal erlegen, unter dem Kopfkissen finden sich aber einige Batzen Schlafgeld vor. Ist die Zubereitung des Bettes vergessen worden, dann erhebt sich in und um dem Schlosse ein solcher Lärm, daß man wohl merket, daß Niemand als der Teufel selbst der unsichtbare Schlafgast war.

Obige Sage führt uns eine Hauptperson des christlichen Mythus, den Teufel, vor. Bei der Rolle, die dieses Wesen in dem Volksglauben spielt, scheint es nicht unangemessen, wenn wir demselben unsere Aufmerksamkeit in etwas ausgedehnterem Maße schenken. Den Forschungen Grimm's folgend, finden wir, daß die Vorstellung von einem Vertreter des bösen Prinzips gegenüber einer gütigen Gottheit, also ein das höchste Wesen in Gegensätze spaltender Dualismus, der heidnischen Anschauungsweise unangemessen erscheinen mußte, obschon der dualistische Gegensatz bei dem Gestalten- und Farbenreichthum der sinnlichen Mythologien unserer Voreltern, jedoch ohne in das Ganze einzugreifen, nicht völlig zu schweigen brauchte. Des Weitem sagt Grimm: "Der jüdische Monotheismus gewährte dem Satan blos die Nebenrolle eines Versuchers, Lästerers, wie sie das Buch Hiob deutlich zeigt, und der griechische Ausdruck grec den die LXX und das N. T., abwechselnd mit grec oder grec brauchen, bestätigt. Seit dem Exil waren aber die Juden mit der Idee des Dualismus bekannter, und zur Zeit des N. T. hatte sich die ganze Dämonologie vielfach äusgebildet; Beelzebub wird als der oberste aller bösen Geister genannt, den das A. M bloß als ein heidnisches Idol kennt; hier also schon gehen Götzen über in den Begriff der Dämonen oder Teufel." "Dadurch, fährt Grimm dann weiter fort, daß hierzu noch die Vorstellung von Luzifer, einem abgefallenen Lichtgeist kam, der sich wider Gott vermaß, und mit feinen Anhängern in die Finsterniß verwiesen wurde, erhielt das System eines teuflischen Reichs,


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im feindlichen Gegensatz zu den himmlischen, immer mehr Halt; böse Geister sind zwar der schwächere Theil und unterliegen den guten, allein sie werben um gottlose Menschen und suchen ihr Heer damit zu verstärken. Bündnisse werden mit Teufeln geschlossen und er unterstützt seine Verbündete schon in ihrem irdischen Leben. Aber selbst die Bekehrung der Heiden wirkte mit, die herrschende Vorstellung von dem Einfluß des Teufels zu erweitern und zu vervielfältigen. Die verlassenen heidnischen Götter waren zwar für besiegt und ohnmächtig, nicht aber geradezu für machtlos erklärt worden: ihre ehemals gütige, wohlthätige Gewalt hatte sich in eine böse, teuflische verkehrt — eine Verwandlung, die bei den an und für sich schon übelthätigen und finstern Gottheiten und Geistern des Heidenthums leicht vor sich ging, bei den guten aber seine Schwierigkeit hatte und in der Volksmeinung größern Widerstand fand. Alle diese Einwirkungen haben die Volksansicht von dem Wesen und der Natur des Teufels, wie sic im n. P. bis auf unsere Tage bestand, hervorgebracht. Rer Teufel ist jüdisch, christlich, heidnisch, abgöttisch, eibisch, riesenhaft, gespenstig, alles zusammen. Durch seinen Zusatz mußte eben, indem die heidnische Vielgötterei erlosch, das Christenthum eine deutliche Hinneigung zum Dualismus empfangen, den später die Philosophie in ein allgemeineres Prinzip vom Guten und Bösen aufzulösen trachtete."Jetzt auf die verschiedenen Benennungen übergehend, welche dem Teufel beigelegt werden, bezeichnet er zuerst das Wort Teufel selbst als undeutsch, als das beibehaltene griechische grec, das sich über ganz Europa verbreitete. Im Italienischen finden wir es in diavolo wieder, im Spanischen in diablo, im Französischen in diable, im Altfranzösischen in deable, im Polnischen in djabel, im Böhmischen in dabel, im Russischen in dïavol, im Serbischen in djavo ec. ec. Die übrigen Benennungen klassifizirt er je nachdem ihnen der Charakter, die Gestalt oder der Aufenthalt des Teufels zu Grunde liegt. "Nach seinem innern Prinzip heißt der Teufel der böse, feindliche, unholde als Gegensatz des gütigen, freundlichen und milden Gottes, in Bezug aber auf seine äußere Gestalt gegenüber der leuchtenden, weiß en und reinen Gottheit der Schwarze, welcher Farbe er es hauptsächlich verdankt, daß ihm die Gestalt gewisser Thiere beigelegt wurde. Diese Thiergestalt war jedoch häufig nicht vollendet, sondern nur angedeutet; in allen übrigen Gliedern wie ein Mensch geformt, verräth ihn das Bocksohr, das Horn, der Schwanz oder Pferdefuß. Schon die heidnischen Götter und geisterhaften Wesen konnten einzelne Theile des-Leibes nach Thieren bilden. Der slavische Triglaw, der höchste unsichtbare Gott der Serben, Wenden, Polen, zum Theil auch der Rugen, Pommern, Preußen und Lithauer, hatte drei Ziegenhäupter und in der indischen Mythologie ist die Mischung



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menschlicher mit thierischer Form überaus häufig; in der griechischen oder deutschen selten und kaum leise angedeutet. Die Vorstellung des Teufels in Bocksgestalt steigt sicher in ein hohes Alterthum hinauf; wie hätte sie in dem Hexenwesen so fest gewurzelt? Alle Hexen dachten sich ihren Meister als schwarzen Bock, dem sie bei feierlichen Zusammenkünften Ehre erwiesen. In Schwüren und Verwünschungen des 15ten und 16ten Jahrhunderts parodirt dieser Bock den wahren Gott: "Daß ihn der pock schend !" ist eine häufige Formel bei Hans Sachs und im 13ten Jahrhundert findet sich bei Martina 156 d, 184b helleboc deutlich für Teufel. Als weitere thierische Gestaltungen des Teufels führt Grimm ferner noch an seine Gestaltung als Wolf und als Hund. "In der erstern Gestaltung tritt er schon bei den Kirchenvätern auf, welche sich ihn seelenraubend dachten; die Namen Höllenwolf, Höllenhund sind vielfach begründet. In letzterer Gestalt bewacht er Schätze. Auch als Rabe zeigt er sich, eine Vorstellung, die nicht bloß die Schwärze, List und Behendigkeit dieses Vogels, sondern auch sein alter Zusammenhang mit Odin, welchem zwei Raben als stete Begleiter beigegeben waren, befestigt . ältesten und verbreitetsten war jedoch seine Erscheinung als Schlange, Wurm und Drache. Die verführende Schlange im Paradies galt für den Teufel selbst und die Benennungen antiquus anguis, anguifer hostis, letifer anguis, serpens, mit welchen ihn alte Schriften belegen, finden ihren Grund in der Apocal. 20, 2 und in den Deutungen, welche die Kirchenväter dem Leviathan gaben. Im biblischen Sinne wird er daher von den alten Dichtern slange, hellewurm, helledracke genannt, wodurch sich aber auch im Volksglauben die Vorstellung von feuerspeienden, giftigen Würmern, schatzhütenden Drachen und wunderbaren Schlangen ausbildete. Endlich finden wir den Teufel noch in Fliegengestalt, , als Fliegengott in den LXX, womit hier Baalsebub, des akkaronischen Götzen Name, grec grec übertragen ist, und in Folge Zusammenhangs heidnischer und jüdischer Vorstellungen mit zwei Geräthschaften, dem Hammer und dem Riegel verglichen, während er die Benennungen hellewarte, hellehirte, hellewirt seinem Aufenthalte in der Hölle zu verdanken hat, aus der er die heidnische Göttin verdrängte." Von den Provinzialismen, welche Grimm anführt und die oftmals kaum zu erklären sind, sei hier nur das schweizerische Kuhni, Kueni erwähnt, das vielleicht der kühne, verwegene bedeutet, vielleicht aber auch das verstellte Konrad ist.
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