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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


8. Die Herren von Rothenthal.


Mündliche Mittheilung.

An der Südwestseite der Jungfrau, hoch über ihrem Fuße, liegt ein furchtbar vergletschertes Thal, das Rothenthal oder Roththal. Ehemals war hier eine der fruchtbarsten Alpen, die Blümlisalp *), und vor noch nicht zu langer Zeit führte von hier aus ein Paß, wenn auch nicht ohne Gefahr, nach dem jenseits gelegenen Wallis. Glücklich wäre das Loos der Bewohner dieses Theiles des Landes gewesen, hätte nicht zu jener Zeit die Willkürherrschaft grausamer Herren auf ihnen gelastet. Keiner war seines Eigenthums sicher und selbst die Frauen und Jungfrauen des Thales entgingen nicht den Verfolgungen dieser Wüthriche. Ihr gottloses Treiben konnte jedoch nicht ungestraft bleiben. Der Zorn des Himmels erwachte und als einstmals einer von ihnen, der böseste von allen, unter denen das Land seither geschmachtet hatte, mit seinem wilden Gelüste ein junges Hirtenmädchen verfolgte, kam plötzlich im jähen Sprunge ein großer schwarzer Bock, welcher noch niemals vorher auf der Alp erblickt worden war, der fliehenden Jungfrau zu Hülfe und stürzte den Verfolger mit Saftigem Stoße von der steilen Felsenwand hinab in den Abgrund. Gleichzeitg aber erzitterten ringsum die



Schw.Sagebuch-036 Flip arpa

Firnen der Eisberge und unter herabrollenden Felsstücken und Eismassen verwandelte sich das einst so blühende und fruchtbare Thal in die traurige Gletschereinöde, die es heute ist und die von jenem Augenblick an, nur selten von den Menschen betteten, der Aufenthaltsort aller jener Bösewichter ward, welche, einst hier herrschend, ihre Macht zur Unterdrückung ihrer Nächsten und zur Befriedigung ihrer verabscheuungswürdigen Leidenschaften mißbrauchten. ewiger Buße verdammt, ziehen sie jetzt, ihr Schicksal in dumpfen eigenthümlichen Tönen beklagend, von hier aus oftmals durch das Land. So oft aber diese Töne gehört werden, kann man sicher sein, daß trübes regnerisches Wetter im Anzug ist und im Volke heißt es dann: die grauen Thalherren kommen was eben so viel bedeutet, als es wird schlecht Wetter werden,

Das Rothenthal ward selten besucht. Im Jahr 1829 betrat es Professor Hugi von Solothurn zum ersten Male, welchem wir auch die erste Kunde von ihm verdanken. Das wilde und grausenhafte Gepräge, welches die Natur diesem Thale aufgedrückt hat, rechtfertigt seinen Ruf als Aufenthaltsort der auf ewig verdammten Seelen der einstigen Herrscher jener Gegend, und so stimmt, wie gewöhnlich, auch hier die Sage mit der Oertlichkeit, an die sie sich bindet, überein. So wies man im berner Oberlande den guten und freundlich gesinnten Toggeli lichte Waldstellen, glänzende Krystallhöhlen und prachtvolle Säle im Innern der Berge als Wohnungen an; für die höfen Thalherren aber konnte die Phantasie keinen passendern Ort der Verbannung finden, als jene Gletschereinöde des Rothenthals, von wo aus dieselben, ihr Schicksal beklagend, durch das Land ziehen ein Zusatz, der sich auf eine gewisse tönende Lufterscheinung gründet, welche selbst in den niedern Gegenden der Schweiz vorkommt und unstreitig zu den sogenannten Stimmen aus der Höhe zu zählen ist, denen wir unsere Aufmerksamkeit auf den nächsten Seiten in der Erläuterung zur Sage vom Wütisheer schenken werden.
Copyright: arpa, 2015.

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