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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


2. Die Riefen zu Iseltwald.


I. R. Wyß, Reise in das berner Oberland, Abth. i. S. 357.

Bei Iseltwald am Brienzer See wohnten einst drei Riesen, welche eine ungeheure Stärke besaßen. Einst als der deutsche Kaiser, unter dem zu dieser Zeit jenes Land stand, den Völkern des Oberlandes geboten hatte, auf einem Kriegszuge zu seinem Heere zu stoßen, schickten ihm die Oberländer statt des verlangten Heereshaufen nur eene drei Riesen. Anfänglich war der Kaiser hierüber sehr erzürnt. Als jedoch die Riesen ihm betheuert hatten, daß ein einziger von ihnen mehr werth sei, als das zahlreichste Volk, legte sich sein Zorn und er nahm sie in seinem Heere auf.

Alsbald gingen die Riesen in den Wald und rissen drei große, dicke Buchenstämme aus der Erde. Diese nahmen sie als Keulen und stellten sich mit ihnen in die Vorderreihen der Kämpfer, wo sie den heranstürmenden Feind so darniederschlugen, daß die Schlacht durch sie ganz allein gewonnen wurde.

Da sprach der Kaiser: Wählet Euch zum Lohne, was Ihr möget!" — Sie aber verlangten nichts, als einen Adler auf ihr Panner, wenn sie dereinst hundert Mann stark in das Feld rücken würden, und die Erlaubniß, aus den Pflanzstätten bei Boningen, auf Reichsboden, drei Rüben auszug



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ichen und eine mit der Hand und zwei im Gürtel davon tragen zu dürfen — was ihnen der Kaiser auch gewährte.



***
Die Schweizersage kennt ganze Riesengeschlechter. So soll das Kalfeuserthal von einem solchen bewohnt gewesen sein (I. v. Müller Geschichte der Eidgenossen, Bd. l. K. 15. Anm. 7). Noch am Schlusse des vorigen Jahrhunderts wurden bei der Kapelle dieses Thales Knochenreste von unverhältnissmäßig großen Menschen gefunden. So fand man auch bei Langon, nahe bei St. Romain, im Jahre 1613 menschliche Gebeine von übermäßiger Größe. Jak. Tissot und Riks. Habigot gaben sie für die Ueberreste des Teutobech aus, von dem sie erzählen , er sei fünfundzwanzig Ellen groß gewesen. Daß dieser Heerführer der Tiguriner, Amberer, Cimbern und Teutonen, welcher im Jahr 105 vor Christi Geburt von C. Marius erschlagen worden sein soll, die Kriegszeichm überragte, lesen wir bei L. Flor. L. III. c, 'gas in D. Orosi lust. L. V. c. 16. Aventinus, in seiner lust. Bojar. L. IV. p. 208, berichtet von einem Thurgauer, der ein ganzes Heer gegolten habe und deßwegen Einheer genannt worden sei; die Feinde habe er wie Heu niedergemähet und sie dann gleich Vögeln an seinem Spieß davongetragen. Auch Rudolf Tschudi von Glarus kennt einen ähnlichen Helden, Namens Hermann Hermann, der gleiche Heldenthaten verrichtete. Endlich findet man am Rathhaus zu Luzern die Abbildung eines Riesen mit folgender Inschrift:
In der Stadt Luzern da unden
Bei dem Dorf Beyden hat man funden
Schröcklich große Menschen Gebein
Vnder einer Eych auf einem Rein
Die Obrigkeit derselben Statt
Glehrten Leuten zugschicket hat
Welche nach der Proportion
Geometrisch das Wäß han gnom
Hiemit erscheint unfällbar gewiß,
Wann aufrecht g 'standen dieser Riß
Sey er gsin mit der Länge gleich
Vierzehn mahlen disen Streich:
Beschah im 1577 Jahr
Gott weiß wie lang Er vor da war:
Was man g'funden noch bhalten werden
Was vbrig verbleibt der Erden.



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Auch das medizinische Zeugniß eines Arztes aus Basel, Namens Felix Slater, welches die Echtheit dieser Gebeine bestätigt, findet sich daselbst *)Alle diese Angaben aber und der Umstand, daß die in verschiedenen schweizerischen Ortsnamen sich wiederfindenden Wörter Ent und H une, synonym riesenmäßig starke Menschen bedeutend, den keltischen Ureinwohnern Helvetiens wegen ihrer gewaltigen Größe und Stärke beigelegte germanische Benennungen waren, berechtigen zu der Alnnahme, daß obige Sage mehr eine auf historischer Basis ruhende Ueberlieferung, als reine Mythe ist; daher auch die in ihr und in dieser Anmerkung namentlich angeführten Niesen mehr als riesenmäßige Menschen, denn als der Phantasie entsprungene mythologische Riesengebilde zu betrachten sind. Das Verlangen der drei Riesen von Iseltwald aber: ,drei Ruhen auf Reichsboden ec. ec." dürfte in einem zu Matten sich befindenden Glasgemälde, das einen Bären vorstellt, der ein paar Rüben in seinem Gürtel trägt, seine Erklämng finden, indem es nicht unwahrscheinlich ist, daß dasselbe, im Laufe der Zeit mit unserer Sage in Zusammenhang gebracht, Veranlassung zu diesem merkwürdigen Zusatz gab.
Copyright: arpa, 2015.

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