Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

ARNOLD BUCHLI

Schweizer Legenden

GUTE SCHRIFTEN ZÜRICH 1967


FELIX UND REGULA

In einer Hütte am Gestade der Limmat lebte in grauer Vorzeit ein Geschwisterpaar, dessen Namen in Zürich Jahrhunderte lang heilig gehalten wurden und noch jetzt jedem sinnigen Gemüte teuer sind, Felix und Regula. Ihre Wiege stand in Ägyptenland, und von frühester Jugend an hatte ihnen das Licht des Evangeliums geleuchtet, welches zwischen den geschwisterlichen Seelen ein Band knüpfte, das weder Not noch Tod zu zerreißen vermochten.

Vereint flohen sie aus ihrer palmenüberrauschten Heimat, als auf das Gebot des Kaisers Diocietianus die Christenheit grausam verfolgt wurde. Vereint zogen sie mit der thebäischen Legion über das Meer nach Rom und von dannen bis ins Wallis. Darauf begaben sie sich ins Land Glarus. Über die Senke am Tödi zwischen den Muttenbergen und den Felsabstürzen zum Limmernboden sollen sie gekommen sein und sich zuerst in der Gegend von Linthal aufgehalten haben. Noch zeigt man dort die Felix- und Regulaquelle. Nicht weit von dem Hauptflecken ließen sie sich sodann in einer Höhle am Berg nieder, wo eine alte Inschrift im Felsen von ihnen Zeugnis gibt. Daselbst führten sie ein stilles Dasein und verkündeten den Bauern und Jägern der Umgebung das Evangelium. Ein Stein aus der Grotte des Burghügels zu Glarus wird in einer kleinen Kapelle aufbewahrt, weil auf ihm Felix den Eindruck seiner Hand hinterlassen.

Nachdem sie aber das Volk größtenteils zum wahren Glauben bekehrt, wollten sie nicht müßig sitzen und wanderten deshalb nach dem Limmatfluß und dem Zürichsee entlang abwärts. Durch Gottes Schickung beschlossen sie, an diesem Orte Wohnung zu nehmen und erbauten sich ein schlechtes Hüttlein an der Stätte nahe der Limmat, wo jetzt die Wasserkirche steht.

Auf der Höhe, die man noch den Hof nennt, erhob sich die Feste Turicum. Dort wohnte ein römischer Landpfleger mit Namen Decius. Diesem kam von Kaiser Maximianus ein Befehl zu, fleißig achtzuhaben, daß der christliche Glaube nicht



Schweizer Legenden-052 Flip arpa

fortgepflanzt würde, welchen die Thebaner Felix und Regula in dem bevölkerten Turicum allbereits ausgesät hatten. Des Decius Schergen nahmen die Geschwister gefangen und führten sie vor den Richter. Der Landpfleger sagte zu ihnen: «Ich weiß, daß ihr Christen seid und aus der thebäischen Schar kommt, die euch wegen Verachtung der unsterblichen Götter des römischen Reiches mit Pein und Todesstrafe vorangegangen ist. Deshalb begehre ich von euch zu wissen, wie ihr euch verhalten wollt.» Darauf antwortete St. Felix: «Wir bekennen Christen zu sein und hoffen mit denen, die du genannt hast, durch Gottes Barmherzigkeit die himmlischen Freuden zu teilen.» Und weder durch Martern noch durch gute Worte ließen sie sich vom christlichen Glauben abwendig machen und dazu bewegen, den römischen Göttern Mars, Jupiter und Mercur zu opfern.

Da nun Decius merkte, daß er bei ihnen nichts ausrichten könne, saß er zu Gericht und sprach das Urteil, daß sie als Verschmäher der Götter mit dem Schwert sollten vom Leben zum Tode gerichtet werden. Und auf dem Platz, wo sie vordem ihre Hütte gehabt, boten sie williglich ihr Haupt dem Scharfrichter dar und erlangten dadurch die Siegerkrone ewigen Lebens und die gläubige Verehrung der Nachwelt.

Gott der Allmächtige aber wollte ihnen durch ein Wunderzeichen seine Gnade erweisen. Mit Entsetzen sah das zuschauende Volk, mit Wonne die kleine Schar ihrer heimlichen Anhänger, wie die Geschwister vereint gleichwie im Leben sich erhoben, die abgeschlagenen Häupter von der Erde aufnahmen und diese in den Händen tragend den nahen Bühl erstiegen. Trotzig ließ der Landpfleger ihre Leichname unbestattet. Allein zur Nachtzeit erzeigten ihnen die frommen Christen, die sie bekehrt hatten, heimlich die letzte Ehre. Und sowohl über ihrem Grabe wie über der Stätte, wo sie müde die Häupter niedergelegt, erstanden später berühmte Gotteshäuser ihres Glaubens, das Großmünster und die Wasserkirche.

Im Munde des Volkes geht die fromme Sage, es habe, als das Schwert die Geschwister traf, ein Blitz aus hellem Himmel den



Schweizer Legenden-053 Flip arpa

Stundenweiser an der Zeittafel des benachbarten römischen Tempels heruntergeschlagen, und auch das Großmünster müsse aus diesem Grunde der Tafel entbehren. Denn so oft man es auch versucht, eine solche anzubringen, immer sei der Zeiger vom Blitz herabgeworfen worden.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt