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ARNOLD BUCHLI

Schweizer Legenden

GUTE SCHRIFTEN ZÜRICH 1967


DIE HEILIGE VERENA

Die heilige Jungfrau Verena, eine nahe Blutsverwandte des Ritters Mauritius, gleich ihm adeligen Herkommens und von Jugend auf gottselige Christin, hatte Vaterland, Freunde und Reichtum verlassen und fuhr mit der thebäischen Legion von Ägypten über das Meer nach Rom aus Andacht, die heilige Stadt zu besuchen. Als jedoch der Schar die beschwerliche Reise über das Alpengebirge befohlen ward, blieb sie in Italien zurück und zog den Stätten der Märtyrer zu, bis sie endlich gen Mailand kam.



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Weil in dieser Stadt damals auf Befehl des Wüterichs Diocietianus viele Christen in harten Banden lagen, wurde Verena auch zu der Marter entflammt, besuchte die Gefängnisse der Glaubensstreiter Christi, diente ihnen, versah sie täglich mit Nahrung und sprach ihnen zu, standhaft zu bleiben.

Da sie zu Mailand vernommen, wie die Legion der Thebäer samt ihrem Obersten Mauritius um Christi willen hingerichtet worden, entschloß sie sich, die Walstatt aufzusuchen mit großem Verlangen, die Krone der Blutzeugen jenes Orts auch zu gewinnen. Deshalb wanderte sie über die Gebirge gen Martinach, wo Mauritius mit seiner Ritterschaft gemartert worden. Aber die Ungläubigen hinderten sie alldort, Gott zu dienen, und darum zog sie weiter und kam an den Aarfluß nahe bei Solothurn.

In dieser Gegend wählte sie sich selbst eine Höhle als Wohnung aus, die noch heutigestags zu sehen ist und mit großer Andacht besucht wird. Zu ihrem Unterhalt arbeitete sie täglich, und eine alte, fromme Frau, die nicht weit von ihrer Klause wohnte, verkaufte, was Verena angefertigt, und brachte ihr aus dem Erlös die notwendige Speise, damit die heilige Jungfrau niemand überlästig sein mußte.

Weil aber dem bösen Geist ihre Übung christlicher Tugenden und Werke zuwider war, stiftete er den Landpfleger Hirtacus zu Solothurn an, sie wegen ihres Glaubens gefangen zu setzen, um sie wie andere Christen endlich töten zu lassen. Währenddessen trug es sich zu, daß Hirtacus von einem gefährlichen Fieber ergriffen wurde. Weder Arzt noch Arznei konnten ihm helfen. Da gedachte er, bei der gefangenen Jungfrau Hilfe zu suchen, von der er gehört hatte, daß sie viele Sieche, Blinde und Lahme gesund gemacht. Die Milde dachte an keine Rache und fing alsbald voll Barmherzigkeit an, Gott für ihren Feind zu bitten, worauf die tödliche Krankheit und Schwäche den Landpfleger verließen.

Danach wurde sie freigesprochen, und nun versammelte sie um sich viele Töchter, die ihr sehr zugetan und, da fast die ganze Gegend noch den heidnischen Göttern ergeben, begierig waren, von ihr Unterricht im christlichen Glauben zu erhalten.



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Einst begab es sich, daß eine große Hungersnot eintrat und alle Leute in der Umgebung Mangel litten. Auch ihre geistlichen Schwestern klagten der Heiligen ihre Not. Nur sie blieb getrost und machte ihnen Hoffnung, Gott werde sie nicht verlassen. Und siehe, als sie nach inbrünstigem Gebet vor die Tür ihrer Klause trat, standen dort viele Säcke Mehls, von dem sie samt ihren Jungfrauen lange Zeit zu leben hatte und das nie zur Neige ging, sie mochten von ihrem Vorrat zehren, soviel sie wollten. Sie teilte davon unter die Bedürftigen aus und buk selber Kräpflein für die Kinder. Diese kamen scharenweise in die Schlucht gelaufen, bei der heiligen Jungfrau ihren Hunger zu stillen und dabei mit andächtiger Freude zuzuhören, wenn sie ihnen vom Leben des Heilandes erzählte und sie Gebete und Lieder, aber auch das Spinnen mit dem Wirtel lehrte.

Der leidige böse Feind aber sah ihr Werk voll Neid und Ingrimm an. Und als St. Verena einst vor ihrer Höhle kniete und für alle jene betete, welche, vom Pfade der Wahrheit abgewichen, der Macht des Versuchers anheimzufallen drohten, lauschte der Böse heimlich. Voll Zornes stieg er auf den nahen Bühel, brach von der Felswand der Schlucht ein großes Stück los und hob es mit gewaltigen Armen empor, um es auf die Betende zu schleudern. In diesem Augenblick jedoch schaute die Jungfrau in die Höhe, die Hände noch im Flehen verschränkt, und blickte dem Fürsten der Hölle unerschrocken ins Gesicht. Darob ward er verwirrt und fuhr etliche Schritte zurück. Das Felsstück entfiel seinen Krallen und traf statt Verenas Haupt seine eigenen Füße. Heulend entfloh er. Der Stein blieb an der Stelle liegen, wo er zu Boden gestürzt, und ist noch zu sehen an der Straße, auf der man zur Höhle der heiligen Verena geht, und als Wahrzeichen trägt er die Griffe der Teufelsklauen. Er ist gar groß und ungefüge und daher unschwer zu verstehen, daß der Höllenfürst von jenem Tage an hinkend geblieben.

Die Heilige dankte Gott für ihre Rettung. Doch nun war ihres Verweilens in der Schlucht nicht mehr. Sie machte sich auf und ging hinunter bis an den Aarfluß. Daselbst lag ein Stein, der hatte vorzeiten den Römern als Schwelle zum Eingang einer



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Feste gedient und war ins Wasser gesunken. Und nachdem die Jungfrau Gott um Hilfe angerufen, hob sieden Stein mit gar geringer Mühe empor und fuhr auf ihm die wilde Aare hinunter an Dörfern und Städten vorbei bis dahin, wo sie in den Rhein fällt.

Und wo sie vorbeikam, da fingen die Kirchenglocken von selber zu läuten an. Die Bürger des alten Städtleins Klingnau stiegen in den Turm hinauf, und da sie die heilige Verena, von deren Wundertaten sie viel vernommen, auf ihrer Steinschwelle daherfahren sahen, pfiogen sie Rats, mit welchen Ehren sie die Heilige empfangen möchten. Allein diese war bereits auf einer Insel bei dem Dorfe Koblenz ans Land gestiegen der Meinung, sich dort ihre Wohnung zu erküren. Doch betrübt erkannte sie, daß das Eiland von eklen Sumpftieren und Schlangen voll war. Abermals wandte sie sich an Gottes Allmacht. Wenn es sein Wille wäre, daß sie hier Wohnung nehme, möchte er gebieten, daß das schädliche Geziefer von dannen weiche. Sie machte das Zeichen des Kreuzes wider das Gewürm, das in Massen sogleich die Flucht ergriff und sich ins Wasser verkroch, um sich nie mehr sehen zu lassen. Wo aber die Heilige den Fuß aufgesetzt, als sie die Hand zum Himmel erhob, entsprang im grasigen Grund eine herrlich klare Quelle. Sie ward bald entdeckt; die Leute erkannten deren Wunderkraft und nannten sie das St. Verenenbrünnlein. Sie bringt Bresthaften Heilung und verleiht den ehrbaren Mägdlein Holdseligkeit.

Die Einwohner des Dorfes Koblenz faßten eine besondere Neigung zu der heiligen Jungfrau und überließen ihr ein Häuslein, das zur Beherbergung armer Christen war erbaut worden. Daselbst blieb Verena ziemlich lange Zeit. Den Stein aber, auf dem sie die Aar heruntergefahren, bewahrte das Volk als ein Heiligtum auf, und er wurde neben der Kirchentüre eingemauert. Daselbst ist er noch heute zu sehen, und darüber liest man die Worte:

Auf diesem Stein hier auf der Aaren
Die heilig Verena ist gefahren
Ohne Ruder, Schiff und Schalten,
Wie solches erzählt die frommen Alten.



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Man schreibt ihm wunderbare Kraft zu. Als einst eine Feuersbrunst das Dorf einäscherte, blieb das Kirchengewölbe mit dem Stein von den Flammen unberührt.

Als Verenas Ruf wegen ihrer Heiligkeit weit umher erscholl und der Zulauf leidender Leute mit ihren Anliegen zu ihrem Häuslein sich mehrte, beschloß sie, von dannen zu ziehen. Denn der hoffärtige Geist menschlichen Ruhmes pflegt sich gar gerne einzumischen und viele gute Werke zunichte zu machen.

Indem sie ihren Fuß von Koblenz weiter setzte, erreichte sie von ungefähr den alten Flecken Zurzach. Sie wurde berichtet, daß dort Christen seien und ihr Gottesdienst ungehindert geübt werde. Sie fand ebenda auch eine Kirche, zu Ehren der Muttergottes erbaut, und ging andächtiglich hinein. Und sie dachte, nachdem sie aus so weit entfernten Landen dahin gekommen, all das Ihre und die Ihrigen aufgegeben und also allein und verlassen durch unbekannte Gegenden gezogen, wäre es nun an der Zeit, einen Ort zu erwählen, wo sie ihrer Pilgerschaft ein Ende setzen könnte.

Als sie ihr stilles Gebet geendet, trat ein Priester in die Kirche, um seine Messe zu halten. Er fragte sie, woher sie komme und aus welcher Ursache sie in diesem Lande weile, da er sie gleich als eine Fremde erkannte. Sie gab ihm zur Antwort: «Ich bin eine Blutsverwandte Mauritius', des Obersten der thebäischen Legion, und mit dieser über Meer gezogen, die heiligen Orte in Italien zu besuchen und die Marterkrone zu erlangen. Weil es aber dem lieben Gott anders gefallen, so bitte ich demütiglich, Ihr wollet mir gestatten, allhier ihm zu dienen bis zum Abschied meiner Seele.» Darauf entgegnete der Priester: «Ist dies Euer Wille, Jesus Christus, unserm Herrn, und seiner Mutter Maria Euer Leben zu weihen, so verbleibet bei mir! Ich will Euch genugsam Unterhalt zukommen lassen.» Und er vertraute ihr sein Hauswesen an, es zu verwalten.

Nahe beim Rhein war eine alte, zerstörte Stadt, welche vorzeiten die Römer erbaut. Diese hatte man den armen Leuten und den Siechen zur Behausung angewiesen. Verena, die aller-



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wegen mit den Bedürftigen Erbarmen gehabt und ihnen nach Kräften geholfen, ging alle Tage dahin zu den Bresthaften und Armen, wusch von ihnen den Unrat ab, säuberte ihre Häupter, verband ihre Geschwüre und brachte ihnen zu essen und zu trinken nach ihrer Notdurft mit großer Freundlichkeit des Herzens.

Einst lag im Siechenhaus auch ein Kriegsgesell, beinahe noch ein Knabe an Jahren. Den pflegte St. Verena gar gut mit Kamm und Lauge und Wein aus ihrem Kruge. Er war dieser leiblichen Tröstung sehr froh, dankte ihr zu tausend Malen, indem er sich die feuchtgewordenen Augen wischte, der rauhe Söldner, und reichte ihr zum Andenken eine Wurzel, die er aus seinem Ranzen hervorgesucht. «Nehmt diese und tut sie in die Erde!» sagte er zu ihr. «Sie wird eine Blume treiben, Euch und allen zur Augenweide. Ich habe sie im Valtellin, wo ich im Felde gestanden und gestritten, ausgegraben.» Verena tat nach seinen Worten und setzte die Wurzel in des Pfarrers Garten. Aber sie mochte den ganzen Sommer und Herbst über nur Stengel und Blätter treiben, bis endlich zur Weihnachtszeit unter Eis und Schnee hervor eine wunderschöne Blume auf brach, die hatte die zartesten weißen Blättlein mit feinen, rötlichen Rändern. Diese trug die liebreiche Jungfrau ins Siechenhaus, die nothaften Leute damit zu erfreuen. Und sie schenkte von den Wurzeln den Frauen zu Zurzach, und seither blüht die Blume, Christrose geheißen, um die Zeit der Geburt des Herrn landauf und ab in den Gärten, wo man ihrer wartet.

Aber der Erzfeind aller Menschen, welchem Demut und Barmherzigkeit ein Dorn im Auge sind, gab einem boshaften Menschen ein, die heilige Verena bei ihrem Herrn zu verunglimpfen. Er verleumdete sie, daß sie seinen Haushalt untreulich verwalte. Er habe gesehen, wie sie alle Tage zu den Siechen hinaus sich begebe, zu den Bettlern und Dürftigen, ihnen Brot und Wein aus seinem Hause zu bringen. Der Priester wollte ihm nicht Gehör schenken, wurde aber zuletzt von dem falschen Knecht genötigt, selber an der Straße, wo sie vorüber mußte, einen Augenschein zu nehmen.



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So begab es sich, daß St. Verena den beiden in die Hände lief, nach ihrer Gewohnheit Kamm und Weinkrüglein mit sich führend. Sie ward von dem Priester angesprochen, wohin sie gehe und was sie mit sich trage. Sie antwortete sittiglich, sie besuche die armen Leute und wolle ihnen dienen und sie pflegen. Deswegen habe sie in dem Geschirrlein Lauge mitgenommen. Ihr Herr begehrte zu sehen, ob dem auch also sei und ob nicht vielleicht Wein sich darin befinde. Als er aber den Krug abgedeckt, sah er oben auf der Flüssigkeit Kohlen herumschwimmen und darunter eine graue Lauge. Der Priester erschrak sehr und merkte, daß er von dem neidischen Knecht betrogen worden, stellte ihr den Krug mit zitternden Händen wieder zu und bat sie um Verzeihung, welche die heilige Verena willig gewährte. Da er heimgekommen, fand er in Kästen und Trägen sowie im Keller reichlichen Vorrat, ja Überfluß an allem. Der arge Knecht aber erblindete und ward mit fallendem Weh bestraft zeit seines Lebens. Und auch alle seines Geschlechtes suchte Gott heim mit Bresten und Plagen an ihrem Leib, bis es ganz abgegangen.

Weil aber der Gottlosen kein Ende, kam ein anderer Schalk, ein Verwandter des bösen Knechts, der trug einen besondern Widerwillen gegen Verena und suchte Gelegenheit, sie bei dem Priester in Verdacht zu bringen.

Auf eine Zeit zu Anfang der Fasten, da der Priester allen Schmuck von sich tat, darunter auch einen goldenen Ring mit einem Edelstein, gab er ihr alles zu verwahren. Jener Bösewicht aber entwendete heimlich den Ring und warf ihn in den Rhein. Als der Priester hierauf nach dem Kleinod fragte, fand die Jungfrau es nicht mehr. Sie tat nichts denn weinen und seufzen und bat Gott Tag und Nacht, er möchte den Ring wieder zum Vorschein kommen lassen.

Darnach begab es sich, daß die Fischer eines Tages auf den Rhein hinausfuhren. Da fingen sie außer andern Fischen einen großen Salm. Den teilten sie nicht unter sich, sondern verehrten ihn dem Priester. Dieser ließ ihn durch die Fischer selbst vor seinen Augen in Stücke schneiden, und da fanden sie im



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Magen des Saims den verlorenen Ring. Der Priester erkannte ihn als den seinigen und zeigte ihn St. Verena, welche sich höchlich freute, daß ihre Unschuld an den Tag gekommen.

Da nun die Jungfrau so das ungetreue Wesen der schnöden Welt wahrnahm, begehrte sie sich gänzlich abzusondern und bat den Priester demütig, ihr eine Klause bauen zu lassen, darin sie die übrige Zeit ihres Lebens unserm Herrn Christus und seiner gelobten Mutter allein dienen könnte. Denn unsere Stärke liegt im Stillschweigen und in der Hoffnung auf Gott, so dachte sie. Der Priester wollte erstlich ihrer Bitte nicht stattgeben. Als sie aber in ihrem Vorhaben beständig blieb, ließ er ihr nicht weit von Unserer lieben Frauen Kirche eine Zelle errichten, da, wo jetzt die Stiftskirche steht. Darauf geleitete er mit allen Geistlichen der Nachbarschaft und vielem Volk die Heilige hinein.

Daselbst lebte sie noch elf Jahre, täglich heimgesucht von Bresthaften, Besessenen, Blinden und Lahmen, Krüppeln und Gehörlosen. Und sie wischte manche Zähre von kummerbleichen Wangen, und alle erlangten durch ihre Fürbitte die gewünschte Genesung.

Nachdem sie 15 Jahre zu Zurzach sich aufgehalten, hat der Allmächtige ihrer Mühe ein Ziel gesetzt. Als ihr Sterbestündlein nahe war, erschien ihr Maria, die allerheiligste Mutter Gottes, mit einem schimmernden Chore zierlicher Englein und sprach zu ihr: «0 du standhafte und dem Herrn getreue Jungfrau Verena, mache dich auf und komme mit uns!» Darauf verschied die Gute, und ihre ganze Zelle ward erfüllt mit himmlischem Glanz und gar lieblichem Duft wie von lauter Rosen.

Wegen der vielen Wundertaten, die bei ihrer letzten Ruhestätte geschehen, ist darüber eine gar herrliche, große Kirche errichtet worden. In deren Krypte wird Verenas Grabmal heute noch gezeigt und viel besucht. Da liegt sie, in Stein gehauen, Krug und Kamm in den Händen. Ein kunstvoll gearbeitetes Gitter umschließt sie. Hundert und hundert Weihekerzen sind daran entzündet worden, und das duftende Wachs ist von ihnen



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niedergeträuft wie einst die Zähren aus den Augen der Betrübten auf der guten Verena Hand.



***
Noch über Ihren Tod hinaus bewährte die Heilige ihre menschenfreundliche Wunderkraft. Einst kehrte eine Schnitterin vom Garbenbinden heim und fuhr über den Rhein nach Zurzach zurück, als ihr Weidling in der Strömung umschlug. Da erschien der armen Magd die Jungfrau Verena und rettete sie vor dem Ertrinken, indem sie ihr mit der einen Hand den Mund verschloß und sie mit der andern ans Gestade führte.

Ihr erzenes Krüglein war lange verloren gewesen, bis es Hirtenknaben am Rheinufer wieder gefunden. Es ward reich verziert, mit einem vergoldeten Deckel versehen und als kostbares Andenken beim Stiftsschatz verwahrt. Seitdem hat das Wasser, das man mit ihm aus dem Verenabrünnlein schöpfte, die alte Heilkraft oft bewiesen. Als einmal eine Witwe vom vielen Weinen über den Tod ihres Gatten erblindete, gab es ihr das verlorene Augenlicht wieder.

So blieb die Erinnerung an die heilige Verena weit in der Umgebung, im Surb- wie im Aaretal, Jahrhunderte hindurch lebendig. Sie ist auch die Patronin der Fischer und Schiffsleute und sorgt noch immer dafür, daß die Müller nicht allein an sich denken dürfen. Wenn sie das Wasser, das die Wiesen der kleinen Bauern tränken soll, ihren Rädern zuleiten, so führt Verena ein Gewitter herauf. Die Bäche schwellen an und zerreißen den habsüchtigen Müllern die Wuhre.

Darum steht sie auch als Wetterheilige etterheilige in hohen Ehren. Ihr Namenstag, der Erste des Herbstmonats, wird zu Zurzach feierlich begangen. Da strömt alles Volk in die alte Stiftskirche, an der Verenagruft eine Andacht zu verrichten. Und die Alten halten frühmorgens schon Ausschau, ob vielleicht ein linder Regen zu erwarten sei. Denn sie sehen es gerne, wenn die Heilige, die durch das Wasser so mancherlei Wunder wirkte, an ihrem Feste von dem erfrischenden Segen des Himmels auch etwas über die Fluren ausgießt.


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