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ARNOLD BUCHLI

Schweizer Legenden

GUTE SCHRIFTEN ZÜRICH 1967

Der Kopf des Umschlages stammt aus einer Illustration zur Offenbarung des Johannes (Niederländisches Blockbuch, ungef. 1470, Königliche Bibliothek, Kopenhagen)
Arnold Büchlis «Schweizer Legenden» sind im Jahre 1943 mit
Buchschmuck von A. M. Bächtiger im Verlag Sauerländer, Aarau,
erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche
Erlaubnis des Abdrucks.
Druck: Sauerländer AG, Aarau



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Den «Schweizer Legenden» — erschienen im Kriegsjahr 1943 — hat Arnold Büchli ein schlichtes Gleichnis beigefügt. In seiner Lenzburger Mundart erzählt er, wie sich ein müder Wanderer gegen Abend seinem letzten Ziel nähert. Nicht weit vom Tor zögert er aber und steht still. «Er leit d Hand a d Stirne ond wört ernst, so engschtlech und truurig. Was hät er? 1 weis, was er hät: sy Renzeli am Rogge, das macht em Chommer; 's isch allerhand drenn, wo nöd dinne sy sött ...»

Diese Bürde des verlorenen Sohnes scheint die Heiligen der vorliegenden Sammlung nicht zu drücken. Es sind feurige Bekenner, Märtyrer und strahlende Glaubenshelden, vom Volk in liebevoller Überlieferung zu Leitbildern gemacht, zu Helfern erhöht, den Schwachen zuliebe an die Kirchen und Kapellenwände gemalt. Die Versuchungen des Antonius sind den meisten von ihnen fremd, und der paulinischen Warnung: «Wer da steht, sehe zu, daß er nicht falle!» bedürfen sie kaum. Selbst im Tode wandeln sie, Felix und Regula, Ursus und Victor, aufrecht zu ihren Begräbnisstätten. Gleich dem Pariser Heiligen Dionysius tragen sie die abgeschlagenen Häupter in den Händen, und Fridolin ruft sogar einen längst Verstorbenen aus der Gruft, vor Gericht für ihn auszusagen.

Diesen flammenden Zeugen aus der Zeit der Christenverfolgung stehen Widersacher gegenüber, finstere Heiden, verstockte Ungläubige und böse Quälgeister. Unter ihnen sind Männer, die für ihr Vergehen büssen müssen, selbst über den Tod hinaus: Pilatus, Ahasver und der trotzige Hirte von Bethlehem gehören zu ihnen, «Zeugen wider Willen» nennt sie der Verfasser.

Die «Schweizer Legenden», denen diese Auswahl entnommen ist, bilden das Kern- und Herzstück im Werk des großen Sagensammlers Arnold Büchli. Ihre Gestaltung war ihm ein ganz besonderes Anliegen. Legenden wissenschaftlich zu durchleuchten, sie nach ihrem geschichtlichen Kern zu durchsuchen oder gar psychologisch zu deuten, das lag ihm stets fern. Er fühlte zu gut, wie damit das Wesentliche verloren ginge. Er sah seine Berufung darin, die alten Berichte behutsam-ehrfürchtig



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mitsamt den Zeichen ungebrochenen Glaubens wiederzugeben. Nach seinen Worten sollen sie erklingen als «Stimme aus der Ewigkeit, die auch im einfachen Gemüt das himmlische Heimweh. die stärkste Kraft der Menschenseele, weckt.»

Neben zahlreichen andern Quellen diente ihm als Grundlage für die Legenden hauptsächlich die Sammlung des im Jahre 1638 in der Kartause Ittingen verstorbenen Paters Heinrich Murer. Verschiedene Stücke hat er jedoch unmittelbar dem Volk abgelauscht, so etwa die von ihm besonders geschätzten Weihnachtsgeschichten aus der Mesolcina. Bei all dieser Arbeit kam ihm seine Ausbildung als Philologe und Theologe trefflich zustatten. Als Erbe der Reformation. wie er sich einmal nennt, ist er stets bemüht, «über das Trennende der Bekenntnisse hinwegzusehen» und für die gemeinsame Würdigung der Heiligen einzustehen.

Dr. Arnold Büchli ist dieses Jahr zweiundachtzig geworden und hat eben den fast tausend Seiten umfassenden zweiten Band der Mythologischen Landeskunde von Graubünden herausgegeben. Wir hoffen mit allen, die von der großen Bedeutung dieser Sammlung überzeugt sind, daß es dem Autor vergönnt sein werde, auch den schon längst vorbereiteten dritten Band zu vollenden.

Die Guten Schriften Zürich freuen sich, mit der vorliegenden Auswahl auf die Gesamtausgabe der «Schweizer Legenden» hinzuweisen. Legenden sind - das Wort sagt es - zum Lesen und Beherzigen da, einem ungläubigen und von der Technik oft verblendeten Zeitgeist zum Trotz!

Hermann Anliker


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