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Die schönsten Sagen des Berner Oberlandes


Erzählt für Jung und Alt von


Otto Eberhard

Mit 54 Zeichnungen von Fritz Buchser

Hans Feuz-Verlag Bern /Leipzig


Der Schatz im Hügel

Beim kleinen Gerzensee, nicht weit von Thun, lebte vor Setten ein alter Bauer. Der hatte Kasten und Speicher voll, sein Herz aber war leer, weil das Glück nicht darin wohnte. Denn, ob der Mann gleich reich war, daß man mit seinem Geld ein Schloß hätte bauen können, wär er ums Leben gern noch viel reicher geworden, und das geschwind, ohne sich länger mit Arbeit zu plagen.

Er grübelte darüber Tag und Nacht. Da munkelte man im Dörfchen von einem Schatze, der im nahen Hügel verborgen sei. Der Schatz ruhe auf einem mächtigen Wagen, und schon oft hätten Leute, die zu nächtlicher Stunde am Hügel vorbeigegangen, das Rasseln des Wagens vernommen.

Dem Bauer lief das Wasser im Munde zusammen, als ihm das zu Ohren kam. Er spürte begierig dem Gemunkel nach, horchte bald hier, bald dort, bis endlich ein altes Weiblein genauen Bescheid wußte.

Am Ostertage, um Mitternacht, also erzählte das Weiblein, öffne sich der Hügel ein wenig auf der Morgenseite, und des Wagens Deichsel trete aus dem Innern hervor. Wer nun den Schatz gewinnen wolle, der müsse um jene Zeit mit Roß und Rind zur Stelle sein, diese gleich einspannen und versuchen, den schweren Wagen herauszuschaffen. Gelinge ihm dies, bevor eine Stunde verstrichen, dann sei der Schatz sein eigen, wenn nicht, raßle der Wagen in den Hügel zurück. Schon mancher, fügte das Weiblein hinzu, habe das Wagestück unternommen, noch feder aber sei mit leeren Händen nach Hause gegangen.

Jetzt war des alten Nimmersatts Ruhe dahin, und all sein Geld und Gut freuten ihn nicht mehr. Was bedeutete das, also sprach sein töricht Mund, gegen den Schatz, der im Hügel vergraben lag ? Ein Vettel war s, eine Lumperei, nicht der Mühe wert, sich noch weiter drum zu scheren. Wenn es aber bisher noch keinem gelungen, den



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Wagen ans Licht zu ziehen, so habe das Schicksal wohl ihn ausersehen das Werk zu vollbringen.

Bon nun an zog der Narr allnächtlich aus mit einem großmächtigen Hammer, klopfte auf der nach Osten zugekehrten Seite an fede Grashalde, an jeden Sandhaufen, und horchte gespannt, ob es hohlklinge und ihm die Stätte des Wagens verraten täte. Und als sich ihm die gewünschte Stelle auch nach Monaten nicht kundtun wollte, da ward er nur hitziger darauf und fuhr unverdrossen fort, den Hügel von unten bis oben und von oben bis unten durchzuhämmern.

Viel gesprochen hatte der Geizkragen mit den eingefallnen Wangen und den zusammengekniffnen Lippen zeit seines Lebens nicht. Das trug ja nichts ein. Jetzt gab er niemand mehr ein Wort, brütete heimlich über seltsamen Büchern, die er um wenig Geld von einem Händler erstanden, und guckte fleißig zum Nachthimmel hinauf, zu erfahren, ob ihm wohl die Sternlein hold gesinnet und seinen Wunsch nicht bald erfüllen würden.

Als aber die Osterzeit näherrückte, ohne daß der Narr die Stelle im Hügel gefunden, da war ihm doch ein wenig bange, so daß er einen Schwarzkünstler aufsuchte, ihn um Rat zu befragen. Deren gab es zu jenen Zeiten gar viele. Die taten, als hätten sie Macht über allerlei Geister, sa über den Bösen selber, waren aber im übrigen geartet wie etwa unser Bauer: sie liebten das Geld über alle Maßen.

Fürs erste, und noch bevor der Hexenmeister seinen Mund auftat, mußte also unser Mann ein Säcklein Geld auf den Tisch legen, und wenn ihm hiebei auch die Finger juckten, so tat er es dennoch im Hinblick auf die zu erwartenden Schätze. Mit einer heißen Kohle beschrieb nun der Beschwörer ein paar Kreise auf den Boden und versah sie hier und dort mit einem Kreuze, wobei er gar seltsame Worte murmelte. Fuchtelte sodann mit einem Haselstocke in der Luft herum und starrte am Ende ein ganzes Weilchen in den schwarzen Rauchfang hinauf, also daß der Bauer jeden Augenblick vermeinte, es werde nun der Böse selber herabsteigen und mit dem Meister Zwiesprache halten.



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Als der Alte nach acht Tagen wieder kam, teilte ihm der Schwarzkünstler mit, die Stelle sei gefunden, am nächsten Ostertage werde die Deichsel des Wagens mächtig in die Lüfte ragen, und er müsse nun alles bereitstellen, den Wagen herauszuziehen. Auch dürfe er ja nicht vergessen, an jener Stelle bis zur besagten Zeit etliche kohlschwarze Böcke zu schlachten; denn so manchen Bock er schlachte, so manche Goldkiste mehr würden die Geister auf den Wagen laden.

Der Narr tat, wie ihm geheißen. Er ließ sich das Geld nicht reuen und schaffte in den nächsten Tagen alle schwarzhaarigen Böcke herbei, die er etwa im Lande auftreiben konnte, schlachtete sie heimlich zu mitternächtlicher Stunde auf dem Schatzhügel ab und war fast ein wenig enttäuscht, daß der Boden nicht schon jetzt anschwoll von den Goldkisten, die er verdient zu haben glaubte.

Heimlich, auf daß kein Mensch ihm etwa den Raub streitig mache, richtete der Alte auch alles übrige her, schickte sodann am Ostermorgen seine Frau, seine Knechte und Mägde über Land, und atmete erst wieder auf, als er gegen Abend den Troß musterte, der dem Hügel den Schatz entreißen sollte.

Da standen nicht weniger denn vier Hengste nebst vier gewaltigen Stieren, durch nahrhaftes Futter stark geworden. Da lagen Ketten und Seile in Menge, Peitschen, die Tiere anzufeuern, Hebel und Stangen, die Räder zu fördern. Nichts war vergessen, und wenn der Beschwörer sich nicht etwa in der Stelle geirrt hatte, konnte die Sache nicht fehlen.

Die Nacht brach an. Die Fledermäuse schwirrten, die Käuzlein wehklagten, schaurig ertönte der Unke Geschrei. Da trieben die beiden Geldwölfe, die Peitsche in der Hand, die Herzen voll Gier, ihre Herde der Stelle zu, die ihnen wohlvertraut war. Dort angekommen, mühten sie sich im Finstern — denn Lichter zu brennen wagten sie nicht — Zugtiere und Geräte in Bereitschaft zu setzen. Und als sie damit zu Ende gekommen, band der Beschwörer dem Alten nochmals auf die Seele, während der Geisterstunde nur sa kein Wort zu sprechen. Geschehe



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es dennoch, so fahre der Wagen wieder in den Berg zurück, und alles sei verloren.

Da schlug es zwölf im Dörfchen drunten. Kaum war der letzte Ton verklungen, erfolgte ein Donnerschlag. Die Erde spaltete sich, und eine Deichsel, drei Spannen dick, die Spitze in einen bläulichen Schwefeldunst gehüllt, schoß dicht vor den Nasen der beiden Männer aus der Tiefe. Erschrocken prallten sie zurück. Doch da galt kein lang Besinnen. Stiere und Hengste wurden in Windeseile vorgespannt und auch gleich mit Peitschenhieben angetrieben.

Die kraftvollen Tiere zogen an. Und siehe da! Wenn auch nur Ruck um Ruck — es ging doch vorwärts. Die Erde öffnete sich mehr und mehr, schon traten die mächtigen Vorderräder ins Freie, Speichen und Felgen erglänzten im Schwefellichte, und auf dem Wagen — Herrgott! welch ein Schimmern und Flimmern von all den Reichtümern , die da aufgeschichtet waren!

Jetzt nur nicht nachgeben! Die Tiere dampften, sträubten sich, bäumten sich, und zogen wiederum an. Und wie die Tiere so mühten sich, der eine zur Linken, der andre zur Rechten, aus Leibeskräften die beiden Schatzgräber. Sausend fuhren die Peitschen nieder, mit Hebebäumen wurde nachgeholfen, und wie jetzt auch die schwefelgelben Hinterräder herausrückten, da griffen sie in die Speichen.

Nicht mehr lange, und der Schatz mußte gehoben sein. Dem



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Bauer schwoll das Herz vor Wonne, und als er nun, einen Augenblick verschnaufend, die mächtigen Barren und Goldkisten vor sich aufgetürmt sah, da vergaß er die Mahnung des Beschwörers und wieherte plötzlich in taumelnder Gier:

"Iuhei, jetzt haben wir's dann bald!

Kaum war ihm das Wort entfahren, da erdröhnte der Boden, und ein furchtbares Gerassel und Gestampfe hub an, so daß der Unglückliche , vom Lärm betäubt, auf den Boden schlug und bewußtlos liegenblieb. Roß und Stier und Wagen aber fuhren setzt, wie von unsichtbaren Händen gezogen, schnell und immer schneller in den Schlund zurück. Umsonst war all der Tiere Mühen, sich zu stemmen und zu wehren, vergeblich schlugen sie ihre Hufe und Klauen fußtief in den Grund. Gegen die höllischen Mächte, die da wirkten, waren all ihre Kräfte ein bloßes Kinderspiel, und der ganze Troß mitsamt dem Teufelsbeschwörer ward von der Erde verschlungen.

Als der Morgen graute, lag der Grasboden zerstampft, von Tier und Wagen aber, von Geschirr und Ketten war keine Spur mehr zu entdecken. Und wie der Mann aus seiner Ohnmacht erwachte und sah, daß nun all sein Hoffen dahin, dahin auch alles, was er dafür geopfert, da packte ihn der Wahnsinn. Er zerkratzte sich das Gesicht, er warf sich auf der Erde herum, sie mit zuckenden Fingern aufwühlend. Er sprang plötzlich hoch in die Lüfte, schaute dann mit stierem Blick um sich und rannte am Ende unter schrecklichem Geheul der nahen Aare zu.

Kein Mensch hat ihn se wieder gesehen.


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