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Kapitel 

Die schönsten Sagen des Berner Oberlandes


Erzählt für Jung und Alt von


Otto Eberhard

Mit 54 Zeichnungen von Fritz Buchser

Hans Feuz-Verlag Bern /Leipzig


Bären

Bis ums Jahre 1800 gab es den Bergen unsrer Heimat noch Bären und Wölfe, und Namen wie Bärenfalle, Bärenweg, Bärenfluh , Wolfbach und Wolfsgrube erinnern noch deutlich an die Orte, wo diese Tiere etwa aufgetreten sind.

Junge Bärchen sind gar drollige Wesen. Gleich Hündchen spielen sie miteinander, oder balgen sich herum, und es ist ein groß Ergötzen, ihnen am Bärengraben in Bern zuzuschauen. Auch später bleibt der Bär ein ziemlich harmloses Tier und greift keinen Menschen an, wenn er nicht etwa vom Hunger gequält, gereizt oder verwundet wird — erzählt man sich doch, ein Bär habe einst einem kleinen Mägdlein, das im Walde Erdbeeren suchte, die Früchte aus dem Körbchen gefressen , ohne dem Kind etwas zuleide zu tun. Unter den Raubtieren ist Meister Petz der ehrliche Kerl, ohne Falsch und Tücke. Nicht schlau wie der Fuchs, nicht also schnell wie der Adler geht er, nur auf seine Kraft vertrauend, geradewegs auf den Feind zu, umfaßt den Mann mit seinen gewaltigen Pranken und kämpft mit ihm auf Leben und Tod. Kaum daß er hiebei von seinem furchtbaren Gebisse Gebrauch macht. Fressen tut der braune Geselle, neben Fleisch, mit Vorliebe Gras und Wurzeln, Erdbeeren und Honig, ist aber besonders auf Birnen und Trauben erpicht, also daß er im Herbst viele Stunden weit in die Täler hinabstieg, solche zu erhaschen.

In frühern Jahrhundenen, als der Bär noch in unsern Bergen hauste, war er besonders den Herden gefährlich, und die Menschen wandten oft gar seltsame Mittel an, ihn unschädlich zu machen.

Die Tiere wohnten in Schluchten und Höhlen hoch in den Felsen droben. Tagsüber ließen sie sich nur selten blicken. Wenn es aber zu dunkeln begann, stieg Herr Petz auf die Alpweiden hinab, riß hier ein Kalb nieder, dort gar eine Kuh, und fraß sie auf. Der Senne, wenig erfreut über ein solch Benehmen, suchte erst den Weg ausfindig zu machen, über den der Räuber gewöhnlich herniederstieg. Belegte sodann die schmalen Stellen dieses Weges mit saftiger Tannenrinde,



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deren glatte Seite er nach oben kehrte, und bestreute zudem die Rinde mit Tannennadeln, um den Bösewicht zu täuschen. Betrat dieser nun eine solche Falle, glitt er fast unfehlbar aus und purzelte über die Felswand zu Tode.

Auch Sage und Geschichte wissen einiges vom Bären zu berichten.

Ein Mann aus Frutigen, Peter Zahler, hütete im Kiental droben seine Herde.

Eines Tages fingen die Kühe heftig zu brüllen an, und in der Nacht rasselten sie im Stalle so laut mit den Ketten, daß der Senn irgendein Raubtier in der Nähe vermutete. Da die Unruhe auch in den folgenden Tagen nicht von der Herde weichen wollte, bewaffnete er sich kurzerhand mit einem Spieß und machte sich auf, dem Störenfried nachzustellen.

Wie nun der Mann den gewundenen Pfad hinanstieg, der vom Talgrund auf die Gornerenalp führt, siehe, da kam ein mächtiger Bär den Weg herab und auch gleich auf ihn zu. Der Senne stemmte sich mit dem Rücken im Augenblick gegen eine Tanne, um sich einen festen Standort zu sichern, und stieß dem wütend heranstürmenden Ungeheuer den Speer in den Nachen. Wie er setzt aber des Speeres Schaft gegen seine Brust stützte, um vom Gewichte des verendenden Tieres nicht überworfen zu werden, da fuhr ihm der Schaft mitten durch den Leib, und Mensch und Tier sanken tot zu Boden.

An der Stelle, wo die Tat geschah, wurde später auf eine Felsplatte eine Inschrift nebst der Jahreszahl gesetzt, die sich bis heute erhalten hat. Den Pfad selber nannten die Leute von da an den Bärenpfad.

Glücklicher verlief ein Abenteuer, das sich nach der Sage auf dem nämlichen Wege abspielte.

Eines Tages stieg ein Senn von der Gornerenalp zu Tal.

Da sah er sich plötzlich einem großen Bären gegenüber, der gemächlich den gleichen Weg heraufgetrottet kam. Der Pfad war schmal, auf der Seite gähnte der Abgrund, ein Ausweichen gab es nicht. Auch stellte sich Meister Petz, als er den Mann erblickte, gleich auf



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seine Hinterpranken und kam aufrecht und brüllend mit aufgerissnem Nachen auf ihn zu.

Der Senn, ein baumstarker Mann, besann sich nicht lange. Er umfaßte mit seinen Armen das Ungeheuer, als gelte es einen Wettkampf, und rang mit ihm auf Leben und Tod. Indessen merkte der Mann bald, da ihm jede Waffe fehlte, daß er am Ende den kürzern ziehen müsse, und weil ihm lieber war, plötzlich zu sterben, als langsam aufgefressen zu werden, drängte er mählich gegen den Abgrund hin, bis Mensch und Tier, eng umschlungen, die Tiefe stürzten. Der Bär, als der schwerere der beiden, schlug zuerst auf den Boden und war auf der Stelle tot. Der Senn aber kam auf ihn zu liegen, blieb am Leben und kam mit dem Schrecken davon.

Eine andre Sage endlich erzählt uns von einem Kampfe zwischen Bär und Stier.

Hoch über dem Brienzersee, dort wo der Gießbach schon recht lustig einherspringt, liegt die Aias. Sie ist im Westen von wilden Felsen umschlossen, und diese Felsen dienten in frühern Zeiten den Bären als Schlupfwinkel. Von hier aus brachen sie nieder auf die ruhig weidenden Herden, bevorzugten indessen jene Stunden, wo das Wetter schlecht und die Kühe unter den mächtigen Schirmtannen Schutz suchen mußten.

Es war an einem solchen Regentage, als ein Bär von seinem Versteck herabstieg, sich seine Beute zu suchen.

Da traf es sich, daß ein großer Stier, der bei der Herde das Amt eines Hüters übernommen, den Seind herankommen sah. Er ging auch gleich auf ihn zu, mit vorgestrecktem Kopf, den Schwanz in den Lüften, und ein gewaltiger Kampf hub an, also daß die Wälder ringsum von dem furchtbaren Gebrüll widerhallten. Neugierig schauten die Kühe aus der Ferne zu.

Eine Weile wogte das Ringen hin und her. Da trieb der Stier den Gegner einer mächtigen Schirmtanne zu, stellte ihn an den Stamm und stieß jetzt seine Hörner mit solcher Wucht in des Bären Leib, daß die Knochen krachten und er stöhnend verendete.



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Wie nun aber der Sieger zurücktrat, neigte der noch immer aufrechtstehende Tote den Kopf nach vorn. In dieser Bewegung sah der Stier ein Lebenszeichen und begann den Kampf aufs neue. Und immer, wenn er zurücktrat, erfolgte dieselbe Bewegung des Bären, und ebensooft erneuerte der getäuschte Stier seinen Angriff, bis auch er endlich, zu Tode erschöpft, zusammenbrach.

Von jener Tanne, bei welcher der Kampf stattgefunden, ist noch heute ein morscher Wurzelstock von Mannshohe zu sehen, und der Senne, der seinem Begleiter etwa Sene Sage erzählt, weist im Vorübergehen auf den Stock und sagt:

"Lue, da isch die Tanne g 'stande, wo der Muni der Bär töt


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