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Die schönsten Sagen des Berner Oberlandes


Erzählt für Jung und Alt von


Otto Eberhard

Mit 54 Zeichnungen von Fritz Buchser

Hans Feuz-Verlag Bern /Leipzig


Die Jungfrau Ein Engel stand vor Gottes Thron. Gott sprach zu ihm:

"Ich habe nun das Licht erschaffen, hab zwei der Lichter an des Himmels Fest gesetzet, ein großes, das den Tag regiert, ein kleines, das die Nacht regiert. Dazu die Sterne. Ich hab die Erd vom Meer geschieden und Samen auf die Erd gestreut, daß Gras und Kraut, auch Baum daraus erblühen mögen, ein jeglich Ding nach seiner Art. Setzt aber geh, steig nieder auf die Erde und sieh, ob alles wohl gedeihen tut.

Der Engel tat, wie ihm befohlen, schritt rüstig über Gottes junge Erde hin, sah hier der Saaten viel, dort duft'ge Blumen, erfreute sich am zarten Grün der Matten, flog über dicht belaubte Eichenwälder.

Und wieder stand vor Gottes Thron der Engel.

"Herr ", sprach er, "'s tut alles wohl gedeihn, und eine Lust war's, übers Land zu schreiten.

"'s ist gut ", sprach Gott. Nun hab ich hier und dort die Erd gefaltet, hab Berg und Tal geschaffen, auf daß das Land nicht eine Form nur haben möcht. Auf diese Höhn hab ich gesetzt die Quellen. Von ihnen soll'n die Wasser niederlaufen und fließen bis zum Meer. Setzt geh, steig auf die Erd und bring mir Kunde, ob auch dies Werk gelungen ist.

Der Engel tat, wie ihm befohlen, flog über Tal und Höhen hin und sah sich alles an. Dann stand vor Gottes Thron er wieder.

Herr", sprach er, es ist dir alles wohl gelungen, und staunen mußt ich über deine Wunderkraft. Eins aber hat vor allem mich erfreuet .

"Was ist es ? Sprich!

"Ich ging von mitternächtger Seite her den Fluß entlang. Da sah ich schon von ferne einen Bau sich türmen, strahlend Haupt an Haupt, in blendendweiß Gewand gehüllt. Ein Berg vor allen schien mir wundersam. Mich drängt, ihn näher zu beschaun, und wie ich



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endlich hingelangt zu jener Stell, wo zwischen zweien Geen das Land sich ebnet, und hinaufblickt in das Tal, da wuchs mein Staunen zum Entzücken.

Einsam lag er da, gebettet zwischen dunkle Waldgehänge, dir selber gleich gewaltig und erhaben an Gestalt. 's war um des Tages Mitte. Das große Licht, das du entzündet, strahlt feinen Glanz auf Schnee und Eis und schmückte Stirn und Brust des Bergs mit glitzerndem Geschmeide. edlem Gleichmaß, Licht und Schatten wohl verteilet, ruhten Leib und Glieder; hoch in den Himmel aber ragt sein Haupt, mit stolzer Würd die Welt um sich beherrschend, und blickte dennoch mild und freundlich auf mich nieder. Es war ein herrlich Bild zu schaun.

Und also stand ich lange, konnte kaum mich trennen. Dann aber flog ich weiter über Tal und Höhn, besah mir alles und bestaunt die Zeugen deiner Macht. Doch Schönres als jenen Berg vermocht mein Aug nicht zu entdecken.

Gen Abend endlich, als an des Himmels Nand dein großes Licht einem Flammenmeer versank, da trieb's mich nochmals hin zu jener Stell, wo um des Tages Mitte ich gewesen.

Und wie ich stand und schaut, da war es mir, als fang der Berg zu brennen an. Ein rötlich Schimmer legt sich mählich über Brust und Stirn, ward rot und röter, ward zur dunklen Glut, daß ich vermeint , sie werd am End den Berg verzehrn. Dem war nicht so. Denn mählich schwand die Glut wie sie gekommen, und weiß und schimmernd lag er da als wie zuvor. Doch hat dies Glühn des Bergs mich wundersam ergriffen und zittert jetzt noch nach in meiner Seel. Wie groß, o Herr, sind deine Werke!

Gott aber sprach:

"'s ist gut. gehe nun, den Menschen zu erschaffen. 's wird ein Geschlecht ans andre sich reihn, manch Volk erstehn, manch Volk vergehn. Der Berg jedoch, von dem du hast gesprochen, er wird bestehen bis ans End der Welt. Den hab ich hingesetzet als ein Fels, an dem



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die Menschen solln erkennen, daß einzig Ich, der Herr, und nicht ein fremder Gott ein solches Werk zu tun vermag.

Er sprach's, ging hin und schuf das Tier und dann nach feinem Bild den Menschen.


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