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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

UBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 2

IM INSEL-VERLAG


SCHLUSS DER GESCHICHTE DES KÖNIGS 'OMAR IBN EN-NU'MÂN UND SEINER SÖHNE

Darauf sprach Dau el-Makân zu dem Wesir Dandân: ,Fürwahr, nur ein Mann wie du kann ein bekümmertes Herze trösten und Königen ein trauter Gefährte sein und ihnen seinen Rat in der schönsten Weise leihn!' All dies geschah, während sie Konstantinopel belagerten. Doch als schon vier Jahre darüber vergangen waren, da sehnten sie sich nach ihrem Heimatlande; die Truppen murrten, müde der langen Belagerungswacht und des ewigen Kämpfens bei Tag und bei Nacht. Nun berief König Dau el-Makân den Bahrâm und Rustem und Tarkâsch zu sich; und als sie gekommen waren, sprach er zu ihnen: ,Wisset, all diese Jahre haben wir hier verweilt, olme unser Ziel zu erreichen, vielmehr sind unsere Sorge und Not nur noch gewachsen. Wir kamen damals, um Blutrache zu nehmen für den König 'Omar ibn en-Nu'mân; aber da ward uns mein Bruder Scharkân ermordet, und so wurde unser Schmerz verdoppelt und ein Unglück an das andere gekoppelt! All das kam durch die alte Dhât ed-Dawâhi: denn sie ist es, die den Sultan in seiner Hauptstadt vergiftete, und die seine Gemahlin, die Königin Sophia, mit sich nahm. Ja, nicht einmal das war ihr genug, sondern sie spann auch noch ihre Ränke um uns und schlachtete meinen Bruder ab. Darum habe ich mich durch einen heiligen Eid gebunden, nicht zu rasten, ehe ich Blutrache genommen habe. Was meinet ihr? Erwäget dies, was ich euch kundgetan, und gebt mir eure Antwort dann!' Da senkten sie das Haupt und sprachen: ,Es ist an dem Wesir Dandân, zuerst seine Meinung zu sagen!' So trat denn der Wesir vor den König hin und hub an: ,Wisse, o größter König unserer Zeit, unser Verweilen hier hat uns nichts genützt. Deshalb



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geht meine Meinung dahin, wir sollten jetzt aufbrechen und der Heimat zueilen, und dort zunächst eine Spanne Zeit verweilen; dann aber ziehen wir wieder von hinnen, um von neuernden Kampf gegen die Götzendiener zu beginnen !',Trefflich ist dieser Rat,' erwiderte der König; ,denn die Leute sehnen sich danach, die Ihrigen wiederzusehen. Und auch mich quält die Sehnsucht nach meinem Sohne Kân-mâ-kân und nach meines Bruders Tochter Kudija-Fakân; sie ist ja noch in Damaskus, und ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist!'

Als die Truppen von diesem Beschlusse hörten, waren sie erfreut, und sie beteten für den Wesir Dândan. Dann gebot König Dau el-Makân dem Herold, zu verkünden, daß nach drei Tagen aufgebrochen werden solle. Da begannen alle, sich bereit zumachen, und am vierten Tage wurden die großen Trommeln geschlagen, die entrollten Banner wurden getragen, und der Wesir Dandân zog an der Spitze des Heeres voran, während der König in der Mitte ritt, zu seiner Seite der Großkammerherr. So zogen die Heerhaufen dahin, ohn Unterlaß, bei Tag und bei Nacht, bis sie in der Stadt Baghdad ankamen. Da freute sich alles Volk über ihr Kommen, und Sorge und Kummer ward von ihnen genommen. Die Daheimgebliebenen scharten sich um die Heimkehrenden; und jeder Emir ging in sein Haus.

Der König aber zog zu seinem Schlosse hinauf und begab sich zu seinem Sohne Kân-mâ-kân, der nun schon sein siebentes Lebensjahr vollendet hatte und bereits auszureiten pflegte. Nachdem er sich dann von der Reise ausgeruht hatte, ging er mit seinem Sohne ins Bad; und als er wiederkehrte, setzte er sich auf den Thron seiner Herrschaft nieder. Nun trat der Wesir Dandân vor ihn hin, und alle Emire und Vornehmen des Reiches fanden sich ein und stellten sich auf, ihm zu Diensten. Da verlangte Dau el-Makân nach seinem Gefährten, dem Heizer,



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der ihm einst zur Zeit seiner Fremdlingsschaft so viel Gutes erwiesen hatte. Man brachte ihn, und als er vor den König trat, erhob der sich, ihm zur Ehre. und ließ ihn zu seiner Seite sitzen. Dem Wesir aber hatte er schon früher erzählt, wieviel Wohltaten und Freundlichkeit ihm der Heizer erwiesen hatte; und darum hatten Emire und Wesir ihn mit Ehrerbietung empfangen. Nun war jedoch der Heizer dick und fett geworden durch das gute Essen und das ruhige Leben, so daß sein Nacken wie der eines Elefanten war, und sein Gesicht wie der Bauch eines Delphinen gar. Auch war er stumpfen Geistes geworden, da er sich nie von der Stätte, an der er sich befand, gerührt hatte; so erkannte er denn den König nicht an seinem Aussehen. Der aber wandte den Blick nach ihm und lächelte ihm zu, indem er ihn auf das herzlichste begrüßte und zu ihm sprach: ,Wie rasch hast du mich vergessen!' Da ward der Heizer aufgerüttelt, starrte den König an, und als er ihn sicher erkannt hatte, sprang er auf die Füße und rief: ,Mein Freund, wer hat dich zum Sultan gemacht? 'Während Dau el-Makân über ilm lachte, trat der Wesir an den Heizer heran und erklärte ihm alles, indem er mit den Worten schloß: ,Sieh, er war dein Bruder und Gefährte, aber jetzt ist er der König des Landes geworden. Dir wird sicherlich viel Gutes von ihm zuteil. Darum rate ich dir, wenn er zu dir sagt, du möchtest dir etwas von ihm wünschen, so wünsche dir nur etwas ganz Großes; denn du bist ihm sehr lieb.' Der Heizer sprach: ,Ich fürchte, wenn ich mir etwas von ihm wünsche, so wird er es mir nicht gewähren oder nicht dazu imstande sein!' Doch der Wesir erwiderte: ,Alles, was du nur wünschest, wird er dir geben; sei nur nicht schüchtern!' ,Bei Allah,' rief nun der Heizer, ,ja, ich werde mir das von ihm wünschen, was mir im Sinne liegt und von dem ich jede Nacht träume. Und ich hoffe zu Allah dem Erhabenen, daß er es mir



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gewähren wird.' Darauf der Wesir: ,Sei gutes Muts! Bei Allah, wenn du auch verlangst, an Stelle seines Bruders Statthalter von Damaskus zu werden, so wird er deinen Wunsch erfüllen und dich mit diesem Amt bekleiden.' Nun stand der Heizer wieder auf, aber Dau el-Makân winkte ihm zu, er solle sitzen bleiben. Doch jener weigerte sich dessen, indem er sprach: ,Das verhüte Gott! Die Tage sind vorüber, da ich in deiner Gegenwart sitzenbleiben durfte.' ,Nein,' entgegnete der König, ,sie dauern vielmehr immer noch fort; denn dir habe ich mein Leben zu verdanken. Bei Allah, wenn du von mir erbittest. was du nur willst, ich werde es dir geben. Doch erbitte es zuerst von Gott, dann von mir!' Da begann er: ,Hoher Herr, ich fürchte...' ,Fürchte dich nicht!' rief der König dazwischen. So fuhr jener fort: ,Ich fürchte, wenn ich um etwas bitte, so wirst du es mir nicht gewähren.' ,Was ist es denn?' fragte der König lächelnd und fügte hinzu: ,Wenn du um die Hälfte meines Reiches bätest, so würde ich mich mit dir in die Herrschaft teilen. Also erbitte, was du nur willst, und mach keine langen Reden!' Wieder begann der Heizer: ,Ich fürchte...' ,Du sollst dich doch nicht fürchten!' unterbrach ihn der König. Da fuhr jener fort: ,Ich fürchte, wenn ich um etwas bitte, so wirst du es mir nicht gewähren können!' Nun aber rief der König zornig: ,Erbitte, was du willst!' Endlich sagte der Heizer: ,Ich erbitte -zunächst von Gott - und dann von dir -. daß du mir eine Bestallung ausfertigen lässest zum Vorsteher aller Heizer in der Stadt Jerusalem!' Da lachten der König und alle, die anwesend waren, und Dau el-Makân sprach: ,Wünsche dir etwas anderes!' ,Hoher Herr,' erwiderte der Heizer, .habe ich dir nicht gesagt, daß ich fürchte, wenn ich etwas erbäte, so würdest du es mir nicht gewähren oder nicht dazu imstande sein?' Da stieß ihn der Wesir an. und nochmals und zum dritten Male.



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und bei jedem Male fing er an: ,Ich erbitte von dir...' ,Erbitte schnell!' rief der Sultan. Endlich sagte er: ,Ich erbitte von dir, daß du mich zum Oberhaupt der Straßenkehrer in der Stadt Jerusalem oder in der Stadt Damaskus machst!' Da fielen alle Anwesenden um vor Lachen, und der Wesir gab ihm einen leichten Schlag. Der Heizer wandte sich um und sprach zum Wesir: ,Was ist dir, daß du mich schlägst? Ich habe keine Schuld; du hast mir doch selbst gesagt, ich sollte mir etwas ganz Großes wünschen.' Und dann rief er aus: ,Laßt mich in meine Heimat ziehen!' Nun erkannte der Sultan, daß er scherzte, und nachdem er eine kleine Weile auf seine Antwort gewartet hatte, wandte er sich an ihn mit den Worten: ,Lieber Bruder, nun wünsche dir etwas Großes, das unserer Würde entspricht!' ,O größter König unserer Zeit,' antwortete der Heizer, ,ich erbitte zunächst von Gott, und dann vom König, daß du mich zum Statthalter von Damaskus einsetzest. an Stelle deines Bruders!' Wie der König dann sprach: ,Allah hat deine Bitte erhört!' küßte der Heizer den Boden vor ihm. Dann gebot der König, man solle einen Sessel für ihn hinstellen, seinem Range entsprechend, und er bekleidete ihn mit dem Statthaltergewande. Ferner ließ er ihm die Bestallung für das Amt ausfertigen und setzte sein Siegel darunter. Dann sprach er zu dem Wesir Dandân: ,Kein Geringerer als du soll ihn geleiten. Und wenn du heimkehren willst und wieder hierherkommst, so bringe meines Bruders Tochter Kudija-Fakân mit dir!' ,Ich höre und gehorche!' antwortete der Wesir; dann ging er mit dem Heizer aus dem Schlosse hinab zur Stadt und rüstete sich zur Reise. Ferner befahl der König, man solle Diener und Gefolge für den Heizer auswählen und ihm eine neue Sänfte mit fürstlicher Ausstattung bringen; zu den Emiren aber sprach er: ,Wer mich lieb hat, der erweise diesem Manne Ehre und bringe



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ihm ein großes Geschenk!' So brachten denn die Emire ihm Geschenke, ein jeder nach seinem Vermögen. Und der König gab ihm den Namen Sultan ez-Ziblikân' und den Ehrennamen ed-Mudschâhid Wie dieser nun alle seine Sachen bereit hatte. begab er sich mit dem Wesir Dandân hinauf ins Schloß zudem König, um von ihm Abschied zu nehmen und ihn um Erlaubnis zum Aufbruch zu bitten. Der König erhob sich vor ihm, umarmte ihn und ermahnte ihn zur Gerechtigkeit gegen die Untertanen; ferner befahl er ihm, sich nach zwei Jahren für den Kampf gegen die Ungläubigen bereit zu halten. Dann nahmen sie schließlich Abschied voneinander; und er. Fürst el-Mudschâhid, genannt ez-Ziblikân, zog von dannen. Aber vorher hatte König Dau el-Makân ihm noch einmal das Wohl der Untertanen ans Herz gelegt, und die Emire hatten ihm die Mamluken und Diener gebracht, fünftausend an der Zahl, die nun hinter ihm ritten. Der Oberkammerherr stieg auch zu Roß und ebenso Bahrâm, der Hauptmann der Dailamiten, und Rustem, der Hauptmann der Perser, und Tarkâsch, der Hauptmann der Araber; und sie gaben ihm das Ehrengeleit. Drei Tage lang zogen sie mit ihm dahin; dann kehrten sie nach Baghdad zurück. Sultan ez-Ziblikân aber und der Wesir Dandân zogen mit ihren Truppen ohn Unterlaß weiter, bis sie nach Damaskus kamen. Nun war aber schon auf Vogelschwingen die Nachricht dort eingetroffen, daß König Dau el-Makân einen Sultan des Namens ez-Ziblikân über Damaskus eingesetzt und ihm den Ehrennamen el-Mudschâhid gegeben habe. Wie er also bei Damaskus anlangte, schmückte sich die Stadt



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für ihn, und alle Einwohner der Stadt gingen hinaus, um ihn zu sehen. So zog denn der neue Sultan in Damaskus mit großem Gepränge ein, ritt zur Burg hinauf und setzte sich auf den Sessel seiner Herrschaft nieder; doch der Wesir Dandân stand vor ihm, seiner Befehle gewärtig, und machte ihn mit Stellung und Rang der Emire bekannt, die eintraten, dem Herrscher die Hand küßten und auf ihn den Segen des Himmels herablichten. König ez-Ziblikân trat auf sie zu und verteilte Ehrengewänder, Gaben und Geschenke. Dann öffnete er die Schatzkammern und nahm daraus Geldgeschenke für alle Krieger, für hoch und niedrig; auch sprach er Recht und richtete in Gerechtigkeit. Und dann begann er die Tochter des Sultans Scharkân, die Herrin Kudija-Fakân, für die Reise auszustatten und ließ für sie eine Sänfte aus Halb seide herstellen. Ferner rüstete er den Wesir aus und bot ihm eine große Summe Geldes zum Geschenk; der aber weigerte sich, indem er sprach: ,Du bist erst kurze Zeit in der Herrschaft. und vielleicht hast du das Geld bald nötig. Später werdenwir es von dir annehmen, wenn wir zu dir senden und dich um Geld bitten für den Heiligen Krieg oder einen anderen Zweck!'

Als nun der Wesir Dandân zur Reise bereit war, stieg Sultan el-Mudschâhid zu Roß, um ihm das Geleit zugeben; auch ließ er Kudija-Fakân kommen und in die Sänfte einsteigen, und er gab ihr zehn Mädchen mit, die ihrer warten sollten. Nachdem der Wesir Dandân aber aufgebrochen war, kehrte König el-Mudschâhid zurück, um sich den Regierungsgeschäften zu widmen, und beschäftigte sich mit der Kriegswehr, der Zeit gewärtig, da König Dau el-Makân zu ihm senden würde.

Lassen wir nun den Sultan ez-Ziblikân. und wenden wir uns wieder zu dem Wesir Dandân! Der legte ohn Unterlaß einen Tagesmarsch nach dem andern mit Kudija-Fakân zurück und



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zog dahin, bis er nach Ablauf eines Monats in er-Ruhbe ankam. Dann setzte er die Reise fort, und als er sich Baghdad näherte, ließ er dem König sein Kommen melden. Dau el-Makân aber bestieg alsbald sein Roß und ritt ihm entgegen. Da wollte der Wesir Dandân absitzen, aber der König bat ihn inständigst, es nicht zu tun, ja, er lenkte selbst sein Roß, bis er dem Wesir zur Seite ritt, und fragte ihn nach ez-Ziblikân el-Mudschâhid. Der Wesir berichtete ihm, jener sei wohlauf, und tat ihm ferner kund, daß Kudija-Fakân, die Tochter seines Bruders Scharkân, mitgekommen sei. Erfreut sagte der König: ,Nun pflege der Ruhe von den Mühen der Reise drei Tage lang; danach komm zu mir!' ,Herzlich gern!' antwortete der Wesir und begab sich dann zu seiner Wohnung, während der König zum Schlosse hinaufritt. Dort ging er zu der Tochter seines Bruders, Kudija-Fakân, die jetzt acht Jahre alt war. Wie er sie erblickte, hatte er seine Freude an ihr, aber auch die Trauer um ihren Vater erwachte wieder in ihm; und er ließ Kleider für sie machen. schenkte ihr Geschmeide und kostbaren Schmuck und gebot, daß man sie zusammen mit seinem Sohne Kân-mâ-kân wohnen lassen solle. Die beiden Kinder wuchsen heran zu den klügsten und tapfersten Menschen ihrer Zeit; nur zeigte es sich, daß Kudija-Fakân umsichtig und verständig war und auf den Ausgang der Dinge achtete, während Kân-mâ-kân großherzig und freigebig war und nie an den Ausgang einer Sache dachte. Sie wurden nun älter, und als sie ihr zehntes Lebensjahr vollendet hatten, begann Kudija-Fakân sich zu Rosse zu tummeln; und dann ritt sie mit ihrem Vetter aufs Feld hinaus und schweifte dort weit umher. Beide lernten auch, mit dem Schwerte zu schlagen und mit der Lanze zu stechen. Doch als sie beide das Alter von zwölf Jahren erreicht hatten, beendete der König die Vorbereitungen und vollendete die Rüstungen und Vorkehrungen,



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die er für den Heiligen Krieg traf. Darauf ließ er den Wesir Dandân kommen und sprach zu ihm: ,Wisse, ich habe etwas beschlossen pdas ich dir mitteilen will. Ich wünsche, daß du es dir überlegst und mir bald deine Antwort sagst.' ,Was ist das, o größter König unserer Zeit?' fragte der Wesir, worauf der König fortfuhr: ,Ich habe beschlossen, meinen Sohn Kânmâ-kân zum Sultan einzusetzen, auf daß ich noch zu meinen Lebzeiten Freude an ihm habe, und ich will ihm voraus in den Streit ziehen, bis mich der Tod ereilt. Was ist deine Meinung darüber?' Der Wesir küßte den Boden vor dem König und sprach: ,Wisse, o König im Herrscherkleid, du größter Fürst des Jahrhunderts und aller Zeit, was du im Sinne hast, ist vortrefflich; nur ist jetzt nicht die Zeit dafür, aus zwei Gründen. Erstlich ist dein Sohn Kân-mâ-kân noch sehr jung, und zweitens lehrt die Erfahrung, daß, wer seinen Sohn zu seinen eigenen Lebzeiten als Herrscher einsetzt, dann nur noch kurze Zeit am Leben bleibt. Dies habe ich zu antworten.' ,Vernimm, o Wesir,' sagte der König darauf, ,wir wollen zum Vormund über ihn den Oberkammerherrn bestellen, der ja wie einer von uns geworden ist und zu uns gehört, da er mit meiner Schwester vermählt und mir gleichsam ein Bruder ist.' Der Wesir erwiderte: ,Tu, was dir gut dünkt! Wir gehorchen deinem Befehle!' Da schickte der König nach dem Oberkammerherrn und ließ ihn zu sich kommen, desgleichen auch die Großen seines Reiches, und er sprach zu ihnen: ,Ihr wisset, dieser mein Sohn Kân-mâ-kân ist der größte Held unter seinen Zeitgenossen, und keiner ist ihm gleich im Schwerterschlagen und Lanzenstoßen. So habe ich ihn drum zum Sultan über euch eingesetzt, und der Oberkammerherr, sein Oheim, ist zu seinem Vormund bestellt!' Der Kammerherr hub darauf an: ,O größter König unserer Zeit, ich bin nur ein Reis, gepflanzt von



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deiner Huld!' Der König aber fuhr fort: ,O Kammerherr, mein Sohn Kân-mâ-kân und meines Bruders Tochter Kudija-Fakân sind Geschwisterkinder: jetzt vermähle ich sie miteinander und nehme die Anwesenden dafür zu Zeugen!'

Darauf überwies er seinem Sohne so viel Schätze, wie die Zunge sie nicht einmal beschreiben kann, und trat zu seiner Schwester Nuzhat ez-Zamân ein, um ihr alles kundzutun. Erfreut sprach sie: ,Siehe, die beiden sind ja meine Kinder. Allah erhalte dich ihnen und lasse dich für sie noch lange Zeit leben!' ,Schwester,' erwiderte er, ,siehe, ich habe in der Welt vollbracht, was mir am Herzen lag, und ich habe Vertrauen zu meinem Sohne; doch es wäre gut, wenn du auf ihn und auf seine Mutter dein Auge richtetest!' So legte er dem Kammerherrn und Nuzhat ez-Zamân die Sorge um seinen Sohn und um seines Bruders Tochter und um seine Gemahlin ans Herz, Tag und Nacht. Er selbst aber sah den Becher des Todes schon vor sich und war an sein Lager gebannt; dochder Kammerherr widmete sich der Regierung von Volk und Land. Nach einem Jahre berief der König seinen Sohn Kân-mâ-kân und den Wesir Dandân zu sich und sprach: ,Mein Sohn, siehe, dieser Wesir wird dein Vater sein nach meinem Tode; denn wisse, ich gehe jetzt dahin aus dem Lande der Vergänglichkeit in das Land der Ewigkeit. Ich habe an der Welt mein Verlangen gestillt; doch es bleibt in meinem Herzen eine Sorge, die Allah durch deine Hand von mir nehmen möge!' Sein Sohn fragte: ,Was ist denn das für eine Sorge, lieber Vater?' ,Mein Sohn,' antwortete er, ,es ist die Sorge, daß ich sterben könnte, ohne für deinen Großvater 'Omar ibn en-Nu'mân und deinen Oheim Scharkân Rache genommen zu haben an einer Alten, die da heißt Dhât ed-Dawâhi. So Allah dir Hilfe gewährt, säume nicht, die Blutrache an den Ungläubigen zu vollstrecken und unsere Schmach



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zuzudecken! Doch sei auf der Hut vor der Tücke der alten Vettel, und nimm stets den Rat an. den der Wesir Dandân dir gibt; denn er ist die Stütze unseres Reiches von alters her!' Sein Sohn versprach ihm, danach zu handeln. Dann aber flossen dem König die Augen von Tränen über, und die Krankheit fiel ihn noch heftiger an. Die Regierung des Reiches ruhte nun ganz in den Händen des Kammerherrn, seines Schwagers; der war ja ein erfahrener Mann, er sprach Recht, erließ Befehle und Gebote und wirkte so wiederum ein volles Jahr, während Dau el-Makân von seiner Krankheit geplagt ward. Vier Jahre lang ließ die Krankheit nicht ab in ihm zu wüten, und während dieser ganzen Zeit regierte der Oberkammerherr zur Zufriedenheit der Landesbewohner und der Großen des Reiches; ja das ganze Land segnete ihn.

Sehen wir nun, was während dessen mit dem Prinzen Kânmâ-kân geschah! Der war nur damit beschäftigt, die Rosse zu tummeln, die Lanze zu schwingen und mit Pfeilen zu schießen; seine Base Kudija-Fakân aber zog gleichfalls mit ihm aus vom frühen Morgen bis zum Abend. Dann ging sie zu ihrer Mutter, während er sich zu seiner Mutter begab, die er immer zu Häupten seines Vaters weinend sitzen fand; und er pflegte den Vater bis zum andern Morgen. Darauf zogen er und seine Base nach ihrer Gewohnheit wieder aus. Dau el-Makân aber ward unruhig ob der langen Schmerzenszeit, und so klagte er in diesen Versen sein Leid:

Verzehrt ist meine Kraft, die Zeit ist abgelaufen,
Ich bin, wie ihr mich seht -ja, schauet mich nur an!
Am Tage der Ehre war ich der Erste meines Volkes,
Ich war es, der vor ihnen allen das Ziel gewann.
O könnt ich vor dem Tode doch meinen Sohn noch sehen.
Wie er statt meiner das Volk beherrscht, ein König groll,
Und wie er auf die Feinde einherstürzt, Rache zu nehmen,



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Mit seines Schwertes Schlag und mit der Lanze Stoß!
Mich hat Enttäuschung jetzt in Scherz und Ernst ereilt,
Wenn mir nicht Gott der Herr das wunde Herze heut.

Wie er so gesprochen hatte, leimte er sein Haupt auf das Kissen zurück, die Augen fielen ihm zu, und er schlummerte ein. hn Traume sah er eine Gestalt, die zu ihm sprach: ,Freue dich, denn dein Sohn wird als König im Lande Gerechtigkeit walten lassen, und die Menschen werden ihm untertan sein!' Da erwachte er aus seinem Traume, erfreut über diese frohe Kunde. die ihm geworden war. Dann aber nach wenigen Tagen suchte der Tod ihn heim.

Durch sein Hinscheiden ward das Volk von Baghdad mit tiefer Trauer geschlagen, und alle, hoch und niedrig, begannen um ihn zu klagen. Aber die Zeit ging an ihm vorbei, als ob er nie gewesen sei. Auch die Lage Kân-mâ-kâns ward gar anders; denn das Volk von Baghdad setzte ihn ab und wies ihm und den Seinen eine Stätte der Verbannung an. Als Kân-mâ-kâns Mutter das erleben mußte, ward sie tiefbetrübt und sprach: ,Ich muß jetzt den Oberkammerherrn aufsuchen und auf die Gnade des Allgütigen und Allweisen hoffen.' So ging sie denn fort von ihrer Wohnstatt, bis sie zum Hause des Kammerherrn kam. der nun Sultan geworden war. Sie fand ihn auf seinem Teppich sitzen und trat dann zu seiner Gemahlin Nuzhatez-Zamân ein. Dort weinte sie bitterlich und sprach: ,Wahrlich, der Tote hat keinen Freund! Möge Allah euch niemals Mangel leiden lassen, all eure Jahre und all eure Zeit, und möget ihr immerdar über reich und arm herrschen in Gerechtigkeit! Deine Ohren haben es gehört, und deine Augen haben es gesehen: einst waren wir von Herrschaft und Macht, von Würde und Reichtum umgeben, und unser Dasein war das schönste Leben; jetzt aber wandte sich unser Geschick, verraten haben uns Zeit und Glück



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und sind uns genaht mit feindlichem Blick. Nun komme ich zu dir und muß dich um Wohltaten anflehen, ich, die ich selbst einst Wohltun übte. Denn ach, wenn der Mann gestorben ist, so werden Frauen und Töchter, die er hinterläßt, verachtet.'

Dann sprach sie diese Verse:

Dein Trost sei, daß der Tod uns unbegreiflich scheinet;
Was uns im Leben weit war, ist nun nicht mehr weit!
Die Tage dieses Lebens sind nur Lagerstätten,
Und deren Tränken sind gemischt mit bittrem Leid.
Ach, nichts quält so mein Herz, wie Edle zu verlieren,
Wenn sie die grausen Schläge des Schicksals uns entführen!

Als Nuzhat ez-Zamân diese Worte hörte, gedachte sie ihres Bruders Dau el-Makân und seines Sohnes Kân-mâ-kân, und indem sie liebevoll an sie herantrat, sprach sie: ,Jetzt bin ich, bei Gott, reich und du arm. Aber, bei Allah, wir haben es nur deshalb unterlassen, dich aufzusuchen, weil wir fürchteten, deinem Herzen weh zu tun; wir wollten nicht, daß es dir schiene, als ob wir dir Almosen darböten, obgleich doch all unser Gut von dir und von deinem Gatten kommt. Unser Haus ist dein Haus, unsere Stätte ist deine Stätte, all unser Hab und Gut gehört auch dir!' Darauf gab sie ihr prächtige Ehrenkleider und bestimmte für sie im Schlosse eine eigene Wohnung, die an die ihre anschloß; dort blieb die Witwe nun mit ihrem Sohne Kân-mâ-kân bei ihnen und hatte ein schöneres Leben. Auch dem Sohne gab Nuzhat ez-Zamân königliche Kleider, und sie teilte ihnen beiden Sklavinnen zu für ihren Dienst. Nach einer kurzen Weile erzählte sie dann ihrem Gatten von der Witwe ihres Bruders Dau el-Makân; da rief er mit Tränen im Auge: ,Willst du wissen, wie die Welt nach deinem Tode ist, so schau, wie sie nach eines anderen Tode ist! Gib der Armen eine würdige Wohnstatt!' —



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Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 838 Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Kammerherr, als Nuzhat ez-Zamân ihm von der Witwe ihres Bruders erzählte. zu ihr sprach: ,Gib der Armen eine würdige Wohnstatt und mache sie reich in ihrer Not!'

Lassen wir nun jene und wenden wir uns zu Kân-mâ-kân und seiner Base Kudija-Fakân! Die beiden wuchsen heran und erblühten, wie zwei Zweige, die an Früchten reich, oder zwei strahlenden Monden gleich; und so vollendeten sie ihr fünfzehntes Lebensjahr. Kudija-Fakân war das schönste unter den Mädchen. die treulich behütet werden: lieblich war sie anzusehn; ihre Wangen waren rund und schön; ihr Leib war schmal, die Hüften schwer zumal; die ganze Gestalt war fein, ihre Lippen süßer als edler Wein; ihr Speichel glich dem Nektar; sie war, wie ein Dichter ihresgleichen in diesen beiden Versen beschrieben hat:

Es ist, als sei ihr Speichel klarer junger Wein,
Als pflücke man Trauben ab von ihrer Lippe süß;
Sie gleicht der schwanken Rebe, die sich biegend neigt -
Preis Ihm, dem Hocherhabnen, der sie werden ließ!

Ja, Allah der Erhabene hatte in ihr alle Reize vereint; ihr Wuchs beschämte die schlanken Zweige; es war, als ob die Rose um Nachsicht flehend sich vor ihrer Wange neige; und ihr Speichel gar spottete selbst des Weines, der stark und edel war. Sie war es, die Herz und Auge mit Freude durchdrang, so wie der Dichter einst von ihr sang:

Schön ist sie anzuschaun; vollkommen sind ihre Reize.
Ihr dunkles Auge macht das Schwärzen mit Schminke zuschand.
Es ist, als träfe ihr Blick das Herze des, der sie liebet,
Dem Schwerte gleich in 'All's, des Fürsten der Gläubigen, Hand.



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Doch auch Kân-mâ-kân war von wunderbarer Lieblichkeit und von herrlicher Vollkommenheit. und an Gaben und Schönheit glich ihm niemand weit und breit; zwischen seinen Augen leuchtete die Tapferkeit und war immerdar für ihn zu zeugen bereit. Die härtesten Herzen sogar neigten sich ihm zu, der dunkeläugig und vollkommen an Anmut war. Doch als dunkler Flaum ihm sproßte auf Lippe und Wangen, da waren ihrer viele, die ihn besangen:

Erst dann verzieh man mir ob seiner, als Flaum ihm sproßte,
Als auf des blühenden Jünglings Wange sich Schatten gelegt.
Ein Reh -doch wenn die Augen auf seine Schönheit starren,
So zuckt sein Blick einen Dolch, der ihnen Wunden schlägt.

Und ein anderer sprach:

Die Seelen der Liebenden malten auf seine Wang eine Zeichnung,
Ameisengleich, die dem roten Blute Schönheit verleiht.
O Wunder, selige Märtyrer weilen im Höllenfeuer,
Und ihr Gewand ist dort noch das grüne Seidenkleid.

Nun traf es sich an einem der Festtage, daß Kudija-Fakân ausging, um einigen ihrer Verwandten am Hofe ihre Glückwünsche zum Fest darzubringen. Sie war umgeben von ihren Dienerinnen, Anmut hüllte sie ein, die Rosen ihrer Wange beneideten ihr schönes Mal, eine Narzisse lächelte aus ihrem blitzenden Zahngeheg: da begann Kân-mâ-kân um sie herum zu eilen und warf seinen Blick auf sie, die wie der leuchtende Mond war. Doch schließlich festigte er sein Gemüt und löste seine Zunge zu einem Lied, indem er sprach:

Wann wird das Herz des Betrübten geheilt vom Schmerze des Fernseins?
Wann lächelt des Wiedersehns Mond? Wann hat die Trennung ein End?
O wüßte ich doch, ob ich je einmal eine Nacht verbringe
Nahe der Liebe,,, die selbst einen Teil meiner Qualen kennt!

Als Kudija-Fakân diese Verse hörte, blickte sie ihn tadelnd und vorwurfsvoll an; stolz und mit zorniger Miene sprach sie zu



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Kân-mâ-kân: ,Nennst du mich in deinen Versen, um mich bei deinem Volke bloßzustellene Bei Allah, wenn du von diesem Gerede nicht ablässest, so werde ich über dich Klage führen bei dem Oberkammerherrn, dem Sultan von Chorasân und Baghdad, der in Recht und Gerechtigkeit herrscht! Dann wird Schmach und Verachtung dich treffen.' Kân-mâ-kân schwieg zornig und kehrte in seinem Grimm nach Baghdad zurück. Dann begab Kudija-Fakân sich zu ihrem Schlosse und führte Klage über ihren Vetter bei ihrer Mutter; die aber sprach zu ihr: ,Liebe Tochter, er wollte dir wohl nichts Böses tun. Er ist doch nur eine Waise, und er hat doch auch nichts gesagt, was dir Schande bringt! Aber hüte dich, irgend jemandem etwas davon zu berichten. Denn sollte die Kunde davon zum Sultan dringen, so würde er seinem Leben ein frühes Ziel setzen, ja, er würde sein Andenken auslöschen und ihn machen wie den gestrigen Tag, dessen Andenken heute vergessen ist! 'Dennoch wurde in Baghdad die Liebe Kân-mâ-kâns zu Kudija-Fakân bekannt, und die Frauen begannen darüber zu reden. Ihm aber ward die Brust enge, seine Geduld erlahmte, und seine Kraft versagte. Er konnte den Leuten seinen Zustand nicht verheimlichen, und er sehnte sich danach, den Schmerz des Fernseins, der in seinem Herzen brannte. kundzutun: aber immer fürchtete er den Tadel und den Zorn der Prinzessin. So dichtete er denn die Verse:

Bin ich einen Tag nur in Furcht vor dem Tadel
Von ihr, deren reines Gemüt er erregt,
So duld ich um sie, wie der Mann es erduldet,
Der heilsuchend auf sich das Brenneisen legt. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 139. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet



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worden, o glücklicher König, als der Oberkammerherr Sultan wurde, da habe man ilm König Sasân genannt. Er hatte den Thron der Herrschaft bestiegen und waltete bei dem Volke trefflich seines Amtes. Während er nun eines Tages auf dem Throne saß, da wurden auch ihm die Verse Kân-mâ-kâns hinterbracht. Jetzt bereute er, was geschehen war, ging zu seiner Gemahlin Nuzhat ez-Zamân und sprach: ,Halfa-Gras und Feuer zu vereinen, fürwahr, —das birgt in sich die größte Gefahr. Man soll den Männern die Frauen nicht anvertrauen, solange die Augen noch blicken und die Lider noch nicken. Siehe, deines Bruders Sohn Kân-mâ-kân ist zum Mann herangewachsen, und man soll ihm den Eintritt vorenthalten zu den Frauen, die hinter den Vorhängen walten. Und erst recht soliman deine Tochter vor den Männern zurückhalten, da ihresgleichen sorgsam gehütet werden muß.' Sie erwiderte: ,Du hast recht gesprochen, weiser König!'

Am nächsten Morgen kam Kân-mâ-kân nach seiner Gewohnheit und trat zu seiner Muhme Nuzhat ez-Zamân ein. Er sprach den Gruß, und sie gab ilm ihm zurück. Dann fügte sie hinzu: ,Mein Sohn, ich habe etwas auf dem Herzen, das ich nicht gern ausspreche. Dennoch will ich es dir mitteilen, obgleich es mir schwer wird!' ,Sprich!' erwiderte er; und so fuhr sie fort: ,Wisse denn, dein Oheim, der Kammerherr, der Vater Kudija-Fakâns, hat gehört, was für Verse du an sie gerichtet hast, und er hat befohlen, sie dir fernzuhalten. Wenn du also, mein Sohn, wieder etwas von uns wünschest. so werde ich es dir hinter der Tür heraussen den. Du wirst Kudija-Fakân nicht wiedersehen und von jetzt ab auch nicht mehr hier eintreten.' Als er aber ihre Worte vernommen hatte, ging er auf und davon, ohne nur ein Wort zu sagen. Er begab sich zu seiner Mutter und tat ihr kund, was seine Muhme zu ihm gesagt hatte. Die Mutter



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erwiderte: ,Das ist nur von deinem vielen Reden gekommen. Du weißt doch, daß die Kunde von deiner Liebe zu Kudija-Fakân ruchbar geworden ist und sich überall verbreitet hat. Wie, du willst ihr Brot essen und hernach mit ihrer Tochter eine Liebschaft haben?' Da rief er: ,Wer anders soll sie denn haben als icht Sie ist meines Oheims Tochter, und ich habe das meiste Recht auf sie!' Aber seine Mutter entgegnete: ,Laß ab von diesem Geschwätz! Schweig, damit die Kunde davon nicht zu König Sasân dringt! Sonst wird es durch dich dahin kommen, daß du sie ganz verlierst, dich selbst zugrunde richtest und deine Trauer nur noch mehrst. Schon heute abend haben sie uns kein Nachtmahl gesandt, von dem wir essen könnten; wir werden noch Hungers sterben. Ja, wenn wir in einem anderen Lande wären, so wären wir schon umgekommen vor nagendem Hunger oder vor dem Elend des Bettelns.' Wie Kân-mâ-kân diese Worte von seiner Mutter hörte, ward er noch betrübter; seine Augen füllten sich mit Tränen, er seufzte und klagte, und sprach diese Verse:

Laß ab doch von dem Tadel, der immer ,nich verfolget!
Nach ihr, die mich gefangen nahm, steht nur mein Sinn.
Verlange nicht Geduld von mir, nicht die geringste:
Denn meine Geduld ist jetzt -beim Gotteshaus! dahin.
Wenn mir die Tadler Verbot aufzwingen, leist ich nicht Folge:
Hier steh ich, mit meinem Anspruch auf Liebe hab ich recht!
Sie wollten mir mit Gewalt versagen, daß ich sie besuche:
Hier steh ich, beim Gnadenreichen! —. mein Handeln ist nicht schlecht.
Wenn ich sie nennen höre, so zittern meine Gebeine,
Gleichwie die Vögel zittern, wenn sie der Sperber jagt.
Wohlan, sag allen denen, die meine Liebe schelten,
Daß ich meine Base liebe -das sei vor Gott gesagt!

Als er diese Verse gesprochen hatte, sagte er zu seiner Mutter: ,Mir bleibt bei meiner Muhme und bei den Leuten da keine



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Stätte mehr; nein, ich will das Schloß verlassen und am äußersten Ende der Stadt wohnen.' Da verließ seine Mutter das Schloß zusammen mit ihm; sie kamen in die Gegend, wo armes Volk wohnte, und ließen sich dort nieder. Die Mutter aber ging von Zeit zu Zeit hinauf in das Schloß des Königs Sasân und holte von dort Nahrung für sich und ihren Sohn. Bald darauf ging Kudija-Fakân mit der Mutter Kân-mâ-kâns beiseite und sprach zu ihr: ,Ach, liebe Muhme, wie steht es um deinen Sohne' ,Meine Tochter,' antwortete sie, ,siehe, sein Auge weint, sein Herz ist schwer, und er ist in das Netz der Liebe zu dir verstrickt!' Und sie wiederholte ihr seine Verse. Weinend sprach drauf Kudija-Fakân: ,Bei Allah, ich wies ihn nicht ab um seiner Worte willen noch auch aus Abneigung gegen ihn, sondern nur, weil ich wegen der Feinde um um besorgt war. Denn sieh, meine Sehnsucht nach ihm ist doppelt so groß wie die seine nach mir; ach, meine Zunge kann meine Leidenschaft für ihn gar nicht beschreiben. Hätte seine Zunge, wie das Herz ihm klopfte, nicht so unvorsichtig geklagt, dann hätte mein Vater ihm nicht seine Güte versagt, noch auch Trennung und Fernsein über ihn zu verhängen gewagt! Doch die Tage der Menschen rollen im Wechsel dahin, und das beste in allen Dingen ist ein geduldiger Sinn. Vielleicht wird er, der uns bestimmte, einander fern zu sein, uns gnädig gewähren, daß wir uns wiederfinden in trautem Verein.' Dann sprach sie diese beiden Verse:

O meines Oheims Sohn, ich trag in meiner Sehnsucht
Das gleiche, was dein Herz erträgt in bittrer Pein.
Doch ich verbarg den Menschen meine heiße Liebe -
Warum verbargest du nicht auch die Liebe dein?

Als die Mutter Kân-mâ-kâns das von ihr hörte, dankte sie ihr und fichte den Segen des Himmels auf sie herab. Dann ging sie fort und erzählte ihrem Sohne alles. Da ward sein Verlangen



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nach ihr noch stärker, und er faßte wieder Mut, nachdem er schon alle Hoffnung aufgegeben und fast abgeschlossen hatte mit dem Leben. Und nun rief er: ,Bei Allah, ich will keine andere als sie!' und er sprach die Verse:

Weg mit dem Tadel! Ich höre nicht auf des Tadlers Worte.
Ich machte das Geheimnis, das ich einst barg, offenbar.
Ach, jetzt ist sie mir fern, der ich zu nahen hoffte;
Sie ruht in süßem Schlummer -mein Auge wacht immerdar.

Dann vergingen Nacht und Tag, während er wie auf glühenden Kohlen lag, bis er ein Alter von siebenzehn Jahren erreicht hatte. Nun war er vollkommen schön und herrlich anzusehn. Eines Nachts aber, als er wach dalag, sprach er zu sich selber: ,Was soll's, daß ich mich hier in Schweigen hülle, bis ich vergehe, ohne mein Lieb zu sehent Ich habe keinen anderen Fehler als die Armut. Doch bei Allah, ich will jetzt dies Land verlassen; ich will davoneilen in die Wüsten und Einöden. Denn mein Dasein in dieser Stadt ist eine Folter; ich habe in ihr ja auch keinen Freund. keinen Gefährten. der mich trösten könnte. So will ich denn Trost für mich selbst suchen, fern vom Heimatlande, bis ich sterbe und Ruhe finde von all dieser Trübsal und Schande.' Dann kleidete er seine Gedanken in Verse und hub an:

Laß nur mein Inneres noch immer mehr erbeben!
Die Feigheit vor dem Feinde ist nicht seine Art.
Verzeihe mir, denn sieh, mein Herz gleicht einem Buche,
Dem sicherlich die Träne zu seiner Aufschrift ward.
Ja, meine Base gleicht einer Huri, die vom Himmel
Herabkam, als der Wächter sie gütig uns gesandt.
Wer Blicke der Augen wünscht und deren Schwertern trotzet,
Bleibt doch nicht ungestraft, wenn sie von Zorn entbrannt. Jetzt will ich Gottes Welt durchstreifen ohne Säumen,
Auf daß ich mir mein Brot auch suche fern von ihr.
Ich will die weite Welt durchstreifen und meine Seele



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Befrein und sie beschenken, doch ach, sofern von ihr.
Dann will ich frohen Herzens heimkehren, wohlbehalten,
Wenn ich mit Recken stritt auf ihrem Kampfesfeld.
Dann will ich auf der Heimkehr die Beute vor mich treiben,
Wenn ich im Kampfe siegte über so manchen Held.

Dann zog Kân-mâ-kân davon, ohne Schuhe, zu Fuß; gekleidet in ein Hemd, daran kurze Ärmel waren, auf dem Haupte eine Filzkappe von sieben Jahren; er hatte nur einen trockenen Brotlaib bei sich, der war drei Tage alt, und so zog er hinaus in des Dunkels finstere Gewalt. Er kam zum Arkadentore in Baghdad und blieb dort stehen. Als dann das Stadttor geöffnet wurde, war Kân-mâ-kân der erste, der hindurchging. Und er zog aufs Geratewohl umher in den Wüsten, Tag und Nacht.

Als es nun an jenem Tage Abend geworden war, suchte seine Mutter ilm; doch sie fand ihn nirgends. Da ward es ihr enge in der weiten Welt, und sie hatte an nichts mehr Freude. was sonst den Menschen gefällt. Sie wartete auf ihn, einen Tag, zwei Tage, drei Tage, bis schließlich zehn Tage vergangen waren, ohne daß sie Nachricht über ihn erhielt. Da krampfte sich ihr die Brust zusammen, sie schrie auf und rief mit Tränen im Auge: ,Mein Sohn, mein trauter Gefährte, du hast meine Trauer von neuem erregt. Ich trug genug des Kummers schon, nun bist du auch noch der Heimat entflohn. Da du fort bist. will ich Speise scheun, am Schlummer will ich mich nicht mehr freun: nichts bleibt mir, als daß ich traure und wein'. Mein Sohn. in welchem Land kann mein Ruf dich ereilen? In welcher Stadt magst du jetzt weilen?' Dann begann sie in Seufzer auszubrechen, und sie hub an, diese Verse zu sprechen:

Ich wußte wohl, daß ich nach deinem Fortgehn leide,
Da Trennungsbogen Pfeile wider mich entsandt. Jetzt hat er mich verlassen, seit er den Sattel schnallte;



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Ich leide Todesqual, zieht er durch Wüstensand.
Zur Nacht drang an mein Ohr geheimnisvolles Girren
Der Ringeltaube klagend, bis ich ,Halt ein!' gebot.
Bei deinem Leben, wäre ihr Schmerz gleich meinem Kummer,
Sie trüge keinen Ring, der Fuß wäre ihr nicht rot.'
Fort ist mein trauter Freund, und seit er von mir schied.
Lernt ich, daß mich die Sorge des Kummers nimmer mied.

Dann begann sie der Speise und dem Trank zu entsagen und überließ sich bitterem Weinen und Klagen. Durch Leute, die sie sahen, ward ihr Weinen bekannt, und es weinte mit ihr alles Volk in Stadt und Land. Die Leute begannen zu rufen: ,Wo ist dein Auge, o Dau el-Makân?' Und klagend über die Härte des Schicksals sprachen sie: ,Was widerfuhr wohl dem Kânmâ-kân, daß er seine Heimat verließ, von hier verbannt, während durch seinen Vater jeder Hungernde Sättigung fand, und jener einst mit Gerechtigkeit und Güte herrschte im Landt' Doch seine Mutter weinte und klagte immer mehr, bis daß die Kunde auch zu König Sasân drang. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 140. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß dem König Sasân die Kunde über Kân-mâ-kân von den großen Emiren hinterbracht wurde, die ihm sagten: ,Siehe, er, der Sohn unseres Königs und der Enkel des Königs 'Omar ibn en-Nu'mân, er hat sich, wie uns berichtet ist, aus der Heimat in die Fremde begeben.' Als König Sasân ihre Worte vernommen hatte, ergrimmte er wider sie, und er befahl, einen von ihnen am Galgen aufzuhängen. Da befiel das Grauen die Herzen aller anderen Großen, und



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keiner von ihnen wagte mehr zu reden. Doch als König Sasân wieder daran dachte, wie Dau el-Makân ihm so viel Gutes erwiesen und wie er ihm seinen Sohn ans Herz gelegt hatte, ward er um Kân-mâ-kân betrübt und sprach: ,Ich muß doch in allen Landen nach ihm suchen lassen.' Dann ließ er den Tarkâsch kommen und befahl ihm, hundert Reiter auszuwählen und mit ihnen auf der Suche nach Kân-mâ-kân umherzuziehen. Der zog aus und blieb zehn Tage lang fort; aber dann kehrte er zurück und berichtete: ,Ich habe keine Kunde über ihn vernommen, ich bin auf keine Spur von ihm gestoßen, und niemand ist mit Nachricht über ihn zu mir gekommen.' Da ward König Sasân betrübt über das, was er dem Jüngling angetan hatte. Seine Mutter aber fand keine Ruh noch Rast, auch die Geduld war nicht mehr ihr Gast, und zwanzig Tage vergingen ihr unter der Sorge Last.

Lassen wir jene nun, und wenden wir uns wieder zu Kân-mâkân! Als der Baghdad verlassen hatte, war er ratlos und wußte nicht, wohin er sich wenden sollte. Drei Tage lang zog er dort draußen allein umher, ohne einen Fußgänger oder einen Reiter zu sehen. Der Schlaf wollte sich ihm nicht mehr schenken. Schlummer sich nicht mehr auf seine Lider senken; denn er mußte immer an die Seinen und an die Heimat denken. Er begann sich von den Kräutern der Erde zu nähren, und er trank aus den Bächen; und er suchte Ruhe im Schatten der Bäume, wenn die Hitze zu stechen anfing. Dann verließ er die Richtung, in der er ging, und schlug eine andere ein; ihr folgend zog er wiederum drei Tage lang dahin. Am vierten Tage aber kam er in ein Gelände grünender Auen, mit bunten Gewächsen und mit Gebüsch lieblich anzuschauen. Dies Gelände hatte aus den Bechern der Wolken getrunken, als die Donnerschläge klirrten und die Wildtauben girrten; da waren die Hänge dort



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grün geworden, und den Auen entströmte süßer Duft. Nun mußte Kân-mâ-kân wieder an seine Vaterstadt Baghdad denken, und in seinem großen Leid sprach er die Verse:

Ich zog in die Ferne, auf Wiederkehr hoffend;
Und dennoch, ich Armer, ich weiß nicht das, Wann!'
Ich hab in der Liebe zu ihr, die unnahbar,
Den Weg mir verbaut, der zum Heil führen kann.

Nachdem er so gesprochen hatte, weinte er. Dann trocknete er seine Tränen, aß von jenen Früchten, um seinen Hunger zu stillen, nahm die religiöse Waschung vor und sprach die vorgeschriebenen Gebetsformeln, die er in dieser Zeit versäumt hatte. Und nun setzte er sich nieder und ruhte sich den ganzen Tag über an jener Stätte aus. Als es aber Nacht war, schlummerte er ein, und er schlief weiter bis Mitternacht: da wachte er auf und hörte eine menschliche Stimme, die diese Verse sprach:

Was ist das Leben denn, wenn nicht ein Blitz mir lächelt
Vom Zahngeheg der Geliebten, noch auch ein Antlitz klar?
Es beteten für sie Bischöfe in den Klöstern;
Wetteifernd brachten sie ihr auf Knien Verehrung dar!
Der Tod ist mir noch leichter als Sprödigkeit einer Geliebten,
Wenn nicht einmal zur Nacht ihr Traumbild zu mir eilt.
O Freude der Zechgenossen, wenn sie sich froh vereinen
Und wenn dort die Geliebte bei dem Liebenden weilt!
Zumal zur Frühlingszeit, wenn seine Blüten prangen,
Da tut die Jahreszeit ihr ganzes Füllhorn auf
O Zecher des Weines, du! da hast du vor dir liegen
Die wunderschöne Welt und des Wassers rauschenden Lauf

Als Kân-mâ-kân diese Verse hörte, regte sich in ihm heftiger Schmerz; Tränen rannen ihm in Strömen über die Wange, und eine Feuerflamme drang ihm ins Herz. Dann erhob er sich, um nach dem Sprecher dieser Verse zu sehen; aber da er im Dunkel der Nacht niemanden erkennen konnte, so ward er



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noch leidenschaftlicher erregt, Schrecken und Unruhe ergriffen ihn, und er ging von der Stätte, an der er war, hinab bis zur Sohle des Tales; dort ging er am Ufer des Baches entlang und hörte denselben, den er vorher vernommen, nun in Seufzer ausbrechen und diese Verse sprechen:

Wenn du auch das Geheimnis der Liebe sorgsam hütest,
So laß am Trennungstage den Tränen freien Lauf
Das hab ich der Geliebten mit Schwüren der Treue versprochen:
In Sehnsucht ihrer zu harren höre ich nimmer auf.
Mein Herz gedenket ihrer in Zärtlichkeit; mich freuet
Der kühle Zephir, wenn die Sehnsucht wieder brennt.
O du mein Freund, denkt wohl die Trägerin der Spangen
An Treuschwur und Gelöbnis, seit wir uns getrennt?
Kehren denn wohl die Nächte des trauten Beisammenseins wieder,
In denen ein jeder dem andren von seinen Leiden erzählt?
Sie sprach: ,Dich quält die Torheit der Liebe zu mir.' Ich sagte:
,Wie viele Liebende hast du -Gott schütze dich! schon gequält!'
Gott laß mein Auge nie ihre Schönheit wiedersehen,
Sollt es der süße Schlaf je fern von ihr umfangen!
O Wunde meines Herzens, ich weiß dir keine Heilung,
Als, mit der Lieben vereint, an ihrem Mund zu hangen.

Als Kân-mâ-kân nun auch diese Verse von jener Stimme vernommen hatte, ohne jemanden zu sehen, wußte er, daß der Sprecher ein Liebender sein müsse wie er selbst, dem die Vereinigung mit der Geliebten versagt war. Und so sprach er zu sich: ,Es wäre recht, daß dieser sein Haupt neben mein Haupt legte und daß ich ihn zu meinem Gefährten machte hier in der Fremde!' Dann räusperte er sich und rief: ,O du, der du in der dunkeln Nacht dahin wanderst, komm zu mir heran und erzähle mir deine Geschichte vielleicht wirst du in mir einen Helfer gegen dein Ungemach finden!' Als aber der andere, der jene Verse gesprochen hatte, diese Worte vernahm, rief er: ,O du, der du auf meine Klage geantwortet hast und der du meine



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Geschichte hören willst, was bist du für ein Held? Bist du ein Geisterwesen oder ein Mensch dieser Welt? Sprich jetzt zu mir unverweilt, eh dich der Tod ereilt! Denn siehe, ich ziehe bald zwanzig Tage in dieser Einöde umher, ohne daß ich je einen Menschen gesehen oder eine Stimme gehört hätte außer der deinen!' Wie Kân-mâ-kân diese Worte hörte, sprach er bei sich: ,Diesem ist es ergangen wie mir. Auch ich wandere schon zwanzig Tage umher, ohne einen Menschen gesehen oder eine Stimme gehört zu haben.' Aber er sagte sich noch weiter: ,Ich will ihm nicht eher antworten, als bis der Tag anbricht.' Dann schwieg er still; aber der andere rief wieder: ,O du, der du gerufen hast, bist du ein Dschinn, so geh in Frieden dahin! Bist du aber ein Mensch wie wir, so bleib noch eine Weile hier, bis des Tages Licht aufsteigt und die Nacht mit ihrem Dunkel entweicht!' Der Rufer blieb an seiner Stätte. und so blieb auch Kân-mâ-kân, wo er war. Und beide trugen abwechselnd unter heißen Tränen Verse vor, bis die Nacht sich mit ihrem Dunkel verlor: da stieg das Tageslicht empor. Nun blickte Kân-mâ-kân den anderen an, und er sah, daß es einer von den Arabern der Wüste war; der war noch jung an Jahren, mit alten Kleidern angetan und trug in seinem Gehenk ein rostiges Schwert; und die Spuren der Liebesqual waren an ihm zu erkennen. Er ging auf ihn zu, trat an ihn heran und sprach den Gruß. Der Beduine erwiderte ihm den Gruß und wünschte ihm freundlich ein langes Leben; aber er hatte keine Achtung vor ihm, da er sah, daß der Prinz noch sehr jung war und so ärmlich aussah. Dann fuhr er fort: ,Jüngling, von welchem Stamme bist du und zu welcher Sippe unter den Arabern rechnest du dich? Was ist's mit dir, daß du in der Nacht um herwand erst, wie die Helden es tun, und daß du zu nächtlicher Zeit Worte an mich gerichtet hast, wie sie nur ein Held verwegen



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und ein löwengleicher Degen spricht? Jetzt ist dein Leben in meiner Hand; aber ich will Mitleid mit deinen jungen Jahren haben und dich zu meinem Gefährten machen, und du sollst als mein Diener bei mir bleiben!'

Als Kân-mâ-kân so freche Worte vernommen von demselben, der ihm vorher mit schönen Versen entgegengekommen, da wußte er, daß jener keine Achtung vor ihm hatte und ihn in seine Gewalt bringen wollte; und so erwiderte er mit sanften und gewählten Worten: ,O Häuptling der Araber, laß uns nicht davon sprechen, daß ich noch so jung bin; tu du mir lieber kund, warum du nachts dich durch die Wüsten schlägst und die Verse vorträgst. Ich höre, wie du sagst, ich sollte dir dienen. Ja, wer bist du denn, und was veranlaßt dich zu solcher Rede?' Jener antwortete: ,Höre, Knabe, ich bin Sabbah ibn Rammâh ibn Hammâm', und mein Stamm gehört zu den Arabern von esch-Schâm'. Ich habe eine Base. die heißt Nadschma; und wer sie erblickt, ist von ihr entzückt. Mein Vater ist gestorben, und ich wurde im Hause meines Oheims, des Vaters der Nadschma, erzogen. Doch als ich älter ward und auch meine Base zur Jungfrau heranwuchs, hielt mein Oheim uns voneinander fern; denn ich war arm in der Welt und besaß wenig Geld. Da stellte ich mich in den Schutz der Großen unter den Arabern und der Stammesfürsten und bat sie, für mich bei ihm einzutreten. Vor denen scheute er sich, und so antwortete er, er wolle mir meine Base geben, aber er machte mir als Morgengabe für sie zur Bedingung fünfzig Rosse, fünfzig starke Reitkamelinnen, fünfzig Lastkamele mit Weizen beladen und ebenso viele mit Gerste beladen, zehn Sklaven und zehn Sklavinnen; so legte er mir eine Last auf, die ich nicht



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tragen kann, indem er eine zu große Morgengabe von mir verlangte. Ich ziehe nun aus Syrien nach dem Irak und bin seit zwanzig Tagen unterwegs, ohne daß ich jemand gesehen hätte als dich. Mein Plan geht dahin, mich nach Baghdad zu begeben und dort aufzupassen, wer von den reichen Kaufleuten, die etwas bedeuten, auszieht; dann folge ich ihrer Spur alsbald, nehme ihnen ihr Hab und Gut mit Gewalt. ihr Geleite töte ich dort und treibe die Kamele mit den Lasten fort. Was für ein Mensch aber bist denn du?' Kân-mâ-kân erwiderte: .Mir ist es ergangen gleichwie dir; allein mein Leid ist noch schlimmer als das deine. Denn meine Base ist eine Prinzessin; und den Ihren genügt das nicht, was du genannt hast, nein, dergleichen stellt sie nicht zufrieden!' Da rief Sabbah: ,Du bist wohl von Sinnen, oder die heftige Liebe trieb deinen Verstand von binnen! Wie kann deine Base eine Prinzessin sein, wo nichts von königlicher Art an dir ist und du nichts weiter als ein Bettler bist?' ,Häuptling der Araber,' antwortete Kân-mâ-kân, ,laß dich dies Aussehen nicht befremden! Vergangen ist vergangen. Willst du eine Erklärung von mir, so wisse: ich bin Kân-mâkân, der Sohn des Königs Dau el-Makân, des Sohnes Königs 'Omar ihn en-Nu'mân, des Herrn von Baghdad und des Landes Chorasân! Mir hat das Geschick schweres Unrecht getan: denn als mein Vater starb, da bestieg den Thron der König Sasân. Da mußte ich Baghdad verlassen, heimlich, damit kein Mensch mich sähe nun hab ich dir die Erklärung kundgetan. Seit zwanzig Tagen habe ich niemanden gesehen als dich. Mir ist's wie dir ergangen; und mein Ziel ist wie dein Ziel!'

Wie Sabbah dies hörte, rief er aus: ,O Freude! Mein Wunsch ist erfüllt. Ich brauche nun keine andere Beute mehr als dich. Bist du von königlichem Stand und zogst aus in einem Bettlergewand, so suchen die Deinen nach dir alsbald, und finden sie



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dich in eines anderen Gewalt. so werden sie dich loskaufen mit vielem Gelde. Wohlan, wende deinen Rücken um, mein Bürschchen, und geh vor mir her!' ,Tu das nicht, du Araberbruder!' bat Kân-mâ-kân, ,denn die Meinen werden mich nicht loskaufen, weder um Silber noch um Gold, ja nicht einmal um einen roten Heller. Ich bin ein armer Mann, der weder viel noch wenig zahlen kann; drum laß ab von diesem Gebaren und nimm mich zu deinem Gefährten an. Komm, laß uns aus dem Lande Irak fortziehen und die Welt nach allen Seiten durchqueren! Vielleicht wird das Glück uns die Morgengabe, die wir brauchen, bescheren und uns Freude an unseren Basen durch Kuß und Umarmung gewähren.' Bei diesen Worten ergrimmte Sabbâh; ja, es wuchsen sein anmaßender Mut und seine Zornesglut und er schrie ihn an: ,Du da, du widersprichst mir schon, du allergemeinster Hundesohn? Kehr mir den Rücken zu, sonst zahl ich dir bitteren Lohn!' Da lächelte Kân-mâ-kân und sprach: ,Wie sollte ich dir den Rücken zukehren? Willst du mir nicht mein Recht gewähren? Will es dich vor der Schande bei den Arabern nicht bangen, wenn du einen Mann wie mich vor dir hertreibst, in Schmach und Elend gefangen, ohne ihn auf dem Kampfplatze erprobt zu haben, um ihn zu erkennen als tapferen Ritter oder als feigen Knaben?' Lachend erwiderte Sabbah: ,Gottes Wunder! Du bist noch ein Knabe an Jahren, aber im Reden bist du gut erfahren; solche Worte kommen nur von Helden kühn in Gefahren! Was für ein Recht verlangst du denn?' Nun sagte Kânmâ-kân: ,Wenn du mich als Gefangenen und als deinen Diener mit dir schleppen willst, so wirf deine Waffen hin, lege deine Oberkleider ab, tritt zu mir heran und ring mit mir! Wer dann von uns beiden den Gegner wirft, der kann mit ihm nach Gutdünken handeln und ihn zu seinem Sklaven verwandeln!'



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Wieder lachte Sabbah und sprach: ,Da du so reich an Worten bist, mein' ich, daß der Tod dir nahe ist.'

Dann warf er seine Waffen fort, schürzte sein Gewand und trat auf Kân-mâ-kân zu; auch der trat auf ihn zu, und so packten die beiden einander. Aber da merkte der Beduine, daß der Prinz ihm überlegen war und ihn aufschnellen ließ wie in der Waage ein Zentner einen Dinar. Und nun blickte er auf seine Beine, die fest auf dem Boden standen; er fand, sie waren wie zwei Türme, von festen Grundmauern getragen, oder wie zwei Pflöcke, die in den Boden geschlagen, oder auch zwei Berge, die steil in die Lüfte ragen. Da fühlte er sich selber der Kräfte bar, und er bereute, daß er zum Ringkampfe mit ihm herangetreten war. Und er sprach bei sich: ,Hätte ich ihn nur mit meinen Waffen bekämpft!' Darauf packte Kân-mâ-kân ihn mit eisernem Griffe an und schüttelte ihn. Der Beduine aber fühlte, daß ihm die Eingeweide im Leibe zerrissen, und er schrie: ,Halt ein, o Knabe!' Allein der achtete seiner Worte nicht, sondern schüttelte ihn weiter, hob ihn vom Boden empor und ging mit ihm dem Flusse zu, um ihn hineinzuwerfen. Da rief der Beduine: .O du Held. was hast du vor?' Der Prinz entgegnete: ,Ich will dich in diesen Fluß werfen. Der wird dich in den Tigris tragen, und der Tigris wird dich zum 'Îsa-Kanal bringen, der 'Îsa-Kanal aber zum Euphrat, und der Euphrat wird dich in deiner Heimat landen: dann soll dein Stamm dich sehen und erkennen, dann sollen sie wissen, was für ein starker Mann du bist und wie echt deine Liebe ist!' Sabbah aber schrie auf und rief: ,O du Held im Blachgefild, handle nicht so roh und wild; laß mich los, beim Leben deiner Base, der Schönheit Bild!' Sofort legte Kân-mâ-kân ihn auf



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die Erde; doch als jener sich frei merkte, lief er zu seinem Schwert und Schild, nahm beide in die Hände und setzte sich nieder, sinnend, wie er sich heimtückisch auf seinen Gegner stürzen könnte. Kân-mâ-kân las ihm seine Gedanken von den Augen ab und sprach zu ihm: ,Ich weiß wohl, was in deinem Herzen vorgeht, seit du dein Schwert und deinen Schild in der Hand hast. Du, dem zum Ringkampfe der starke Arm und die Kraft fehlt, du meinst, wärst du nur hoch zu Roß und stürmtest mit deinem Schwerte auf mich einher, dann lebte ich schon längst nicht mehr. Wohlan, ich will dir gewähren, wozu es dich treibt, auf daß in deinem Herzen keine Enttäuschung bleibt. Gib mir den Schild und kämpfe gegen mich mit deinem Schwerte; sei es, daß du mich tötest oder ich dich!' ,Da ist er!' rief der Beduine und warf ihm den Schild hin, zückte sein Schwert und stürmte auf Kân-mâ-kân los. Der aber fing den Schild mit der Rechten auf und begann sich mit ihm zu wehren. Sabbah aber schlug auf ihn ein und rief bei jedem Hieb: ,Dieser macht jetzt den Garaus!' —doch der ging ohne zu töten aus. Denn Kân-mâ-kân fing ihn mit dem Schilde auf, so daß er immer verloren ging; er selbst aber schlug nicht zurück, da er nichts zum Schlagen hatte. Dennoch hieb Sabbah immer weiter mit dem Schwerte, bis sein Arm ermattete; als sein Gegner das an ihm bemerkte, da stürzte er auf ihn los, umschlang ihn mit den Armen, schüttelte ihn und warf ihn zu Boden. Dann drehte er ihn um, fesselte ihm die Hände auf dem Rücken mit dem Schwertriemen und schleifte ihn an den Füßen zum Flusse hin. Wieder rief Sabbah ihn an: ,Was willst du mit mir tun, o du Jüngling, du edelster Ritter unserer Zeit, du Held der Walstatt weit und breite' Der Prinz erwiderte: ,Habe ich dir nicht gesagt, daß ich dich auf dem Flusse zu deiner Sippe und deinem Stamme senden will, damit du dich



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nicht grämest noch sie um dich sich grämen, wenn du auch zur Hochzeit mit deiner Base dich verspätest!' Da packte den Sabbah Todesgraus, und er weinte und schrie laut aus: ,Tu's nicht, du edelster Ritter unserer Zeit! Laß mich los; ich bin dir als ein Sklave zu dienen bereit!' Und wieder weinte er und klagte und sprach diese Verse:

Fern bin ich meinem Volk; ach, lang ist die Verbannung.
O wüßte ich doch nur, ob ich als Fremdling sterbe,
Ja, sterb, ohn daß mein Volk weiß um die Todesstätte,
Und ob ich, ohn mein Lieb zu sehen, fern verderbe!

Da hatte Kân-mâ-kân Mitleid mit ihm, under sprach: ,Schwöre mir heilige Eide, mich immer als guter Freund zu geleiten und mich auf allen Wegen zu begleiten!' Darin willigte der Beduine ein und schwor es ihm. Nun ließ Kân-mâ-kân ihn los; Sabbah aber sprang auf und wollte ihm die Hand küssen. Als der Prinz ihn davon zurückhielt, öffnete er seinen Sack und holte drei Gerstenbrote daraus hervor, legte sie vor Kân-mâ-kân hin und setzte sich neben ihm am Ufer des Flusses nieder; da aßen die beiden miteinander. Wie sie dann mit dem Essen fertig waren, vollzogen sie die religiöse Waschung, sprachen das Gebet und setzten sich wieder und erzählten, was sie von ihrem Volke und von den Wechselfällen der Zeit zu erdulden gehabt hatten. Darauf fragte Kân-mâ-kân: ,Wohin willst du gehen?' Und Sabbah antwortete: ,Ich will nach Baghdad gehen, deiner Heimatstadt, und dort bleiben, bis mir Allah die Morgengabe zuteil werden läßt!' Da sagte der Prinz: ,Dort liegt die Straße vor dir; ich will hier bleiben.' Also nahm der Beduine Abschied von ihm und schlug die Straße nach Baghdad ein, während Kân-mâ-kân zu sich selber sagte: ,Ach, meine Seele, wer hätte die Stirn, als armer Bettler heimzukehren? Nein, bei Allah, ich will nicht mit leeren Händen heimkehren;



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es muß doch noch alles gut für mich werden, so Allah der Erhabene will.' Dann trat er an den Fluß heran, nahm die religiöse Waschung vor und sprach die Gebetsformeln. Nachdem er sich niedergeworfen und seine Stirn auf die Erde gelegt hatte, sandte er ein Bittgebet zum Herrn empor und sprach: ,O Gott, der du uns den Regen gewährst und auch den Wurm im Gestein ernährst, ich bitte dich, gewähre mir meine Nahrung in deiner Allmächtigkeit und deiner gütigen Barmherzigkeit!' Dann sprach er noch den Gruß an die Engel als Schluß der Gebetsformeln. Wie ihm nun aber jeder Ausweg versperrt schien und er so dasaß, indem er nach rechts und nach links blickte. da kam plötzlich ein Reiter auf dem Rücken eines edlen Rosses mit hängenden Zügeln dahergeritten. Kân-mâ-kân richtete sich im Sitze auf; doch erst nach einer Weile kam der Reiter bei ihm an, ein Mann, in den letzten Atemzügen, dem Tode nahe, da er schwer verwundet war. Wie der nun bei ihm war. flossen ihm die Tränen über die Wange wie aus Wasserschläuchen, und er sprach zu Kân-mâ-kân: ,Häuptling der Araber, nimm mich, solange ich noch lebe, dir zum Freunde! Denn du wirst meinesgleichen nicht finden. Gib mir jetzt ein wenig Wasser zu trinken, wenn es auch für einen Verwundeten nicht gut sein mag, Wasser zu sich zu nehmen, zumal wenn das lebendige Blut noch rinnt! Bleibe ich am Leben, so werde ich dir schenken, was deine Armut und Not heilen wird; sterbe ich aber, so bist du gesegnet um deiner guten Absicht willen.' Nun ritt jener Reiter einen schönen Hengst von edelstem Schlag, den keine Zunge zu beschreiben vermag, und dessen Beine wie Marmorpfeiler dastanden. Kaum hatte Kân-mâ-kân den Mann und jenen Hengst erblickt, da ward er von heftigem Verlangen berückt; und er sprach bei sich: ,Wahrlich, ein Hengst, der diesem ähnlich wär, findet sich zu unserer Zeit



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nicht mehr!' Dann half er dem Reiter beim Absteigen, nahm sich seiner freundlich an und ließ ilm ein wenig Wasser einschlürfen. Nachdem er noch gewartet hatte, bis der Reiter ausgeruht war, wandte er sich an ihn mit den Worten: ,Wer ist's, der solch ein Werk an dir vollbracht hat?' ,Ich will dir die Wahrheit sagen,' antwortete der Reiter; ,ich bin ein Pferdedieb, der alles unsicher macht; mein ganzes Leben lang stehle und raube ich Pferde bei Tag und bei Nacht. Ich bin Ghassân genannt und als Plage aller edlen Stuten und Hengste bekannt. Ich hörte von diesem Hengste im Lande der Griechen beim König Afridûn; der hatte ihn el-Katûl' benannt, mit dem Beinamen el Madschnûn'. So zog ich um seinetwillen nach Konstantinopel und lauerte ihm auf; und während ich so wartete, da kam eine alte Vettel, die bei den Griechen hoch in Ehren steht und deren Befehl bei ihnen überall gilt; sie ist Schawâhi Dhât ed-Dawâhi genannt und als Meisterin in jedem Truge bekannt. Die hatte dies Roß bei sich und außerdem nur noch zehn Sklaven als Diener für sie und für das Roß. Ihr Ziel war Baghdad und Chorasân, und sie war auf dem Wege zu König Sasân, um von ihm Frieden und Sicherung zu erlangen; doch ich folgte ihrer Spur, denn ich hatte nach dem Hengste Verlangen. Ich ging ihnen immer weiter nach, aber ich kam doch nicht an ihn heran; denn die Sklaven nahmen sich seiner zu eifrig an. Schließlich, als sie dies Land betraten und ich schon fürchtete, sie möchten doch in die Stadt Baghdad hineingeraten, und als ich gerade überlegte, wie ich den Hengst rauben könnte, da stieg plötzlich vor ihnen eine Staubwolke empor und legte der Welt einen Schleier vor. Doch als die Wolke sich wieder verlor, da traten fünfzig Reiter, vereint zum Überfall auf die Kaufleute, unter ihr hervor. Ihr Anführer, Kahardâsch



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geheißen, glich dem reißenden Löwen, ein Held ruhmbedeckt; er war im Kampfe wie ein Leu, der die Mannen wie Teppiche auf den Boden streckt.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 141. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der verwundete Reiters mann dem Kân-mâ-kân des weiteren erzählte: ,Nun sprengte Kahardâsch gegen die Alte und ihre Begleiter heran, stürzte auf sie und griff sie unter lautem Kriegsgeschrei an. Und es währte nur einen Augenblick, so hatte er die zehn Sklaven und die Alte in Fesseln gelegt; den Hengst nahm er ihnen fort, und dann zog er mit ihnen froh von dort. Da sprach ich bei mir selbst: ,Meine Mühe ging verloren, und ich erreichte nicht das Ziel. das ich mir erkoren.' Dann wartete ich, um zu sehen, wie die Dinge laufen würden. Als nämlich die Alte sich in Gefangenschaft sah, sprach sie weinend zu dem Hauptmann Kahardâsch: ,0 du Ritter verwegen, du löwengleicher Degen, was willst du mit der Alten und mit den Sklaven beginnen, da es dir doch gelang, das Roß, das du suchtest, zu gewinnen?' Darauf begann sie, sich listig mit sanften Worten an ilm zu wenden. und schwor ihm, sie wolle ihm Rosse und Kamele senden. So ließ er denn sie und die Sklaven frei, und zog dann mit seinen Leuten weiter. Ich aber folgte ihnen, bis sie in diese Lande kamen; dabei hatte ich immer den Hengst im Auge und ging ihm nach. Endlich, als ich eine Gelegenheit dazu fand, stahl ich ihn, sprang auf ihn, holte eine Gerte aus meinem Sack und schlug auf ihn ein. Als jene das merkten, eilten sie mir nach, umringten mich überall und schossen nach mir mit Pfeilen und warfen mit Speeren zumal. Ich aber blieb fest auf ihm sitzen, und er schlug mit seinen Hufen nach vorn und rückwärts, um



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mich zu schützen, bis er schließlich mit mir aus ihrer Mitte durchbrach wie ein Pfeil, der von der Sehne schnellt, oder wie ein Stern. der vom Himmel fällt. Doch ich hatte bei des heftigen Kampfes Walten mehrere schwere Wunden erhalten; und jetzt bin ich seit drei Tagen auf seinem Rücken, ohne mich an Schlaf oder Speise zu erquicken; nun ist meine Kraft verzehrt, und das Leben ist mir nichts mehr wert. Du hast Gutes getan an mir und Erbarmen gehabt mit mir; doch ich sehe an dir ein dürftiges Kleid und deutliche Zeichen von bitterem Leid, und dennoch sind Spuren des früheren Wohlstandes an dir zu erkennen. Sag an, wer bist du? Woher kommst du? Wohin ziehst du?' Da erwiderte der Prinz: ,Ich heiße Kân-mâ-kân, Sohn des Königs Dau el-Makân, des Sohnes Königs 'Omar ibn en-Nu'mân. Aber da mein Vater starb, wuchs ich als Waisenkind auf; und nach seinem Tode begann ein elender Kerl zu regieren und über hoch und gering die Herrschaft zu führen.' Dann erzählte er ihm seine ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende. Der Pferdedieb aber, der Mitleid mit ihm hatte, sprach zu ihm: ,Bei Allah, dein Stamm ist hehr und von hoher Ehr; eine Stellung der Macht ist für dich bereit, und du wirst der erste Ritter unserer Zeit! Vermagst du es, mich wieder aufs Roß zu heben, und bringst du mich, hinter mir reitend, wieder in mein Heimatland, so werde dir Ehre in dieser Welt und Lohn am Jüngsten Tage zuerkannt; denn siehe, ich habe keine Kraft mehr, um mich selbst aufrecht zu halten. Wenn aber das Jenseits mich ruft, so bist du dieses Rosses mehr wert als irgendein anderer.' ,Bei Allah,' rief Kân-mâ-kân, ,wenn ich dich auf meinen Schultern tragen oder meine Lebenszeit mit dir teilen könnte, ich täte es auch ohne das Roß. Denn ich bin aus einem Geschlecht, das Wohltun übt und den Bedrängten zu helfen liebt; und eine gute Tat um Allahs des Erhabenen willen hält von



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dem Täter siebenzig Heimsuchungen fern. Drum halte dich bereit zu reisen und vertrau auf den Allgütigen und Allweisen!' Schon wollte der Prinz ihn auf das Roß heben und die Reise antreten im Vertrauen auf Allah, der allen hilft, die zu ihm beten, da sprach der Pferdedieb zu ihm: ,Warte noch ein wenig!' Nun schloß er seine Augenlider, hob seine Hände auf und sprach dann wieder: ,Ich bezeuge, daß es keinen Gott gibt außer Allah, und ich bezeuge, daß Mohammed der Gesandte Allahs ist!' und fügte hinzu: ,O allmächtiger Gott, sprich mich von der Todsünde rein; denn nur der Allmächtige kann die Todsünde verzeihn!' Darauf machte er sich zum Tode bereit und klagte in diesen Versen sein Leid:

Ich quälte die Menschen, dnrchstreifte die Länder
Und brachte mein Leben mit Weintrinken hin;
Durchwatete Ströme, um Rosse zu stehlen,
Zerstörte die Häuser mit listigem Sinn.
Die Beute war reichlich, die Sunde gewaltig;
Und doch war Kat Il mir der höchste Gewinn.
Ich hoffte, ich würd alle Wunsche erreichen
Durch ihn, jenen Hengst, da erlahmte mein Glück'.
Mein lebelang hab ich die Rosse gestohlen,
Jetzt sandte die Allmacht mein Todesgeschick.
Als Letztes nun laß ich den Preis meiner Mühe
Dem Fremdling, dem armen, verwaisten, zurück.

Nachdem er diese Verse gesprochen hatte, schloß er die Augen, öffnete den Mund, röchelte noch einmal und schied dann von der Welt. Da ging Kân-mâ-kân hin, grub ein Grab für den Pferdedieb und barg ihn im Sande. Dann trat er an das Roß, küßte es und streichelte sein Gesicht und rief hocherfreut aus: ,Niemand hat solch einen Hengst im Stall, ja auch König Sasân nicht einmal!'

So stand es also um Kân-mâ-kân. Wenden wir uns nun wieder zu König Sasân! Zu dem war die Kunde gedrungen, daß



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der Wesir Dandân mit der Hälfte des Heeres sich gegen ihn empört und daß sie geschworen hatten, sie wollten keinen anderen König haben als Kân-mâ-kân; dann hatte der Wesir den Truppen feierliche Eide abgenommen und war mit ihnen bis zu den Indischen Inseln, bis zum Berber lande und bis in den Sudan gekommen; dort sammelte sich um ihn ein gewaltiges Heer; das glich dem tobenden Meer, und man kannte bei ihm Anfang und Ende nicht mehr. Mit all diesen Truppen beschloß der Wesir auf Baghdad los zu dringen, jenes Land unter seine Gewalt zu zwingen und alle Menschen, die ihm widerständen, umzubringen; dazu schwor er, nicht eher das Kriegs schwert wieder in die Scheide zu stoßen, als bis er Kân-mâ-kân auf den Thron gesetzt habe. Als die Kunde davon zu König Sasâns Ohren drang, war ihm, als ob er im Meere der Sorgen versank; denn er hatte auch erkannt, daß hoch und niedrig im Reiche sich gegen ihn gewandt. So lastete auf ihm der Kummer schwer, und seiner Betrübnis ward noch mehr. Und da öffnete er die Schatzkammern. verteilte die Gelder unter die Großen seines Reiches und wünschte, Kân-mâ-kân möchte zu ihm kommen, auf daß er sein Herz durch Güte und Wohltaten an sich zöge; er wollte ihn dann zum Emir über die Truppen machen, die ihm treu geblieben waren, um durch ihn den Funken zu ersticken, ehe er das Feuer entzündete.

Als all das dem Kân-mâ-kân durch reisende Kaufleute berichtet war, begann er, von seinem Rosse getragen, eilends gen Baghdad heim zu jagen. König Sasân hörte, während er gerade ratlos auf seinem Throne dasaß, von dem Nahen des Kân-mâ-kân, und da befahl er, alle Truppen und alle Vornehmen von Baghdad sollten hinausziehen, um ihn zu empfangen. So zog denn ganz Baghdad aus und holte ihn ein; und alle gingen ihm vorauf zum Schlosse, wo sie die Schwellen küßten.



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Die Sklavinnen und die Eunuchen eilten zu seiner Mutter und brachten ihr die frohe Botschaft von der Heimkehr ihres Sohnes. Da kam sie zu ihm und küßte ihn auf die Stirn. Er aber sprach: ,Liebe Mutter, laß mich zu meinem Oheim gehen, dem König Sasân, der mich mit Huld überhäuft und mir soviel Gutes getan!' Schon waren die Gemüter aller Leute im Schlosse und bei Hofe durch die Schönheit jenes Hengstes wie berückt, und sie riefen: ,Kein Mensch ward je durch solchen Besitz beglückt!' Darauf trat Kân-mâ-kân zu König Sasân ein und begrüßte ihn; der erhob sich vor ihm, aber Kân-mâ-kân küßte ihm Hände und Füße und brachte ihm den Hengst als Geschenk dar. Nun hieß der König den Prinzen willkommen mit den Worten: ,Herzlich gegrüßt sei mir, mein Sohn Kân-mâ-kân! Bei Allah, die Welt ward mir zu enge, als du fern warest! Gott sei gepriesen ob deiner glücklichen Heimkehr!' Kân-mâ-kân antwortete ihm mit einem Segenswunsch. Danach blickte der König auf jenen Hengst mit Namen el-Katûl, und er erkannte, daß es derselbe war, den er gesehen hatte in dem und dem Jahr, damals als er die Kreuzesverehrer belagerte mit des Prinzen Vater Dau el-Makân und zur Zeit der Ermordung seines Oheims Scharkân. Und er sprach zu Kân-mâ-kân: ,Hätte dein Vater es vermocht, so hätte er ihn um tausend edle Rosse erworben. Doch jetzt möge die Ehre heimkehren zu dem, der ihrer wert ist! Das Geschenk, das ich empfangen habe, sei nunmehr dein als meine Gabe! Mehr als irgendeinem anderen gebührt er dir; denn du bist aller Ritter Zier.' Dann befahl der König, man solle Ehrenkleider für den Prinzen bringen; auch ihm Reitpferde zum Geschenk, bestimmte die Hauptgemächer im Schlosse für ihn, ließ ihm Ehre und Freude zuteil werden, gab ihm viel Geld und Gut, kurz, er überhäufte ihn mit den höchsten Ehren, da er um den Ausgang der Unternehmung



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des Wesirs Dandân besorgt war. Darüber war Kânmâ-kân hocherfreut, und frei von der früheren Schmach und Niedrigkeit, begab er sich in sein Haus und trat auf seine Mutter zu mit den Worten: ,Liebe Mutter, wie steht es um meine Base?' ,Bei Allah, mein Sohn,' erwiderte sie, ,meine Sorge um dein Fernsein hat mich von allem anderen abgelenkt, sogar von deiner Geliebten, zumal sie der Grund war, weshalb du fortgingst und mich verließest.' Da klagte er ihr sein Leid und bat sie: ,Liebe Mutter, geh doch zu ihr, sei freundlich zu ihr! Vielleicht gewährt sie meine Bitte, sie zu sehn; dann wird diese Pein von mir gehn.' Sie aber entgegnete: ,Von Begierden werden die Nacken der Männer gebeugt; also laß ab von dem, was Unheil erzeugt! Fürwahr, ich werde nicht zu ihr gehen, noch ihr mit solchen Worten nahen.' Als er das von seiner Mutter vernahm, berichtete er ihr, was der Pferdedieb ihm gesagt hatte, daß nämlich die alte Dhât ed-Dawâhi in ihr Land gekommen sei und nach Baghdad kommen wolle; und er fügte hinzu: ,Sie ist es, die meinen Oheim und meinen Großvater ermordet hat. Jetzt will ich, fürwahr, die Rache vollstrecken und unsere Schande zudecken!'

Darauf verließ er seine Mutter und begab sich zu einer Unglücksalten, einer Kupplerin und listigen Betrügerin, des Namens Sa'dâna; der klagte er sein Leid und alles, was er um der Liebe zu seiner Base Kudija-Fakân willen erduldete, und er bat sie, zu ihr zu gehen und sie ihm geneigt zu machen. ,Ich höre und gehorche!' erwiderte die Alte, verließ ihn und ging in den Palast der Kudija-Fakân. Nachdem sie deren Herz für ihn gewonnen hatte, kehrte sie zu ihm zurück und tat ihm kund, Kudija-Fakân lasse ihn grüßen und habe ihr das Versprechen gegeben, daß sie um Mitternacht zu ihm komme. —

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie



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hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 142. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß die Alte zu Kân-mâkân ging und ihm berichtete, seine Base lasse ihn grüßen und werde um Mitternacht zu ihm kommen. Hocherfreut darüber setzte Kân-mâ-kân sich hin, um zu warten, bis seine Base Kudija-Fakân ihr Versprechen erfülle. Und kaum war es Mitternacht, da kam sie schon zu ihm, gehüllt in einen Mantel aus schwarzer Seide, trat an ihn heran und weckte ihn aus 'dem Schlafe, indem sie zu ihm sprach: ,Wie kannst du nur sagen, du liebest mich, wo du doch freien Herzens bist und guter Dinge des Schlafes genießt?' Er sprang auf und rief: ,Bei Allah, o du meines Herzens Wunsch, ich schlief nur, weil ich mich danach sehnte, daß dein Traumbild mich besuche!' Da tadelte sie ihn mit sanften Worten, indem sie diese Verse sprach:

Wärest du treu in der Liebe, du hättest
Dich dem Schlummer nicht hingegeben!
Der du behauptest, auf Pfaden der Liebe
Leidenschaftlich voll Sehnsucht zu leben -
Ja, bei Gott, mein Vetter, der Schlaf kann
Augen der wahrhaften Lieb nie umweben!

Als Kân-mâ-kân dies von seiner Base hören mußte, schämte er sich vor ihr und begann sie um Verzeihung zu bitten. Nun umarmten sie einander und klagten über den Schmerz, den die Trennung bereitete, und blieben so beieinander, bis die Morgendämmerung aufstieg und sich an den Rändern des Himmels ausbreitete. Als dann Kudija-Fakân sich zum Gehen wandte, begann Kân-mâ-kân zu weinen und in Seufzer auszubrechen, und er hub an, diese Verse zu sprechen:

O die mir jetzt genaht, nachdem sie mich lange gemieden,
In deren Munde von Perle» ein blitzend Geschmeide sich zeigt, 



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Ich küßte sie tausendmal, ich durfte den Leib umschlingen
Und bei ihr verweilen, die Wange an ihre Wange geneigt,
Bis daß der Morgen kam, der nun uns beide trennet,
Hell wie die Klinge des Schwertes, das blinkend der Scheide entsteigt!

Nachdem er so gesprochen hatte, nahm Kudija-Fakân Abschied von ihm und kehrte in ihr Gemach zurück. Dort vertraute sie ihr Geheimnis einigen Sklavinnen an; aber eine von diesen ging zum König und verriet es ihm. Der begab sich sogleich zu ihr, trat in ihr Gemach, zückte sein Schwert gegen sie und wollte sie töten. In dem Augenblicke stürzte ihre Mutter Nuzhat ez-Zamân herein und rief: ,üm Gottes willen, tu ihr kein Leid an! Wenn du ihr aber ein Leid antust, so wird die Kunde davon sich unter dem Volk verbreiten, und du wirst ein Schandfleck sein unter den Königen unserer Zeit. Wisse doch, Kânmâ- ist kein Bastard! Sie ist ja mit ihm erzogen, und er ist ein Mann von Ehre und hohem Sinn, und er tut nichts, was man ihm zum Vorwurf machen könnte. Halt ein, übereile dich nicht! Denn beiden Leuten im Palaste und bei allem Volke von Baghdad ist schon die Kunde verbreitet, der Wesir Dandân habe die Truppen aus aller Herren Länder herbeigeholt und nahe nun mit diesen Heeren, um Kân-mâ-kân zum König zu erklären.' Sasân aber sprach: ,Bei Allah, ich bringe ilm noch in solche Not. daß die Erde ihn nichtmehr stützt und der Himmel ihn nicht mehr schützt. Ich habe ihm doch nur deswegen so viel Huld erwiesen und ihn zu gewinnen gesucht, damit meine Untertanen und die Großen meines Reiches sich nicht ihm zuwendeten. Jetzt sollst du aber sehen, was geschehen wird!' Dann verließ er sie, um sich seinen Regierungsgeschäften zu widmen.

Lassen wir den König Sasân dahingehen, und wenden wir uns zu Kân-mâ-kân! Der ging am nächsten Tage wieder zu



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seiner Mutter und sprach zu ihr: ,Liebe Mutter, ich habe mich entschlossen, auf Raub auszureiten, die Wege zu belagern und Rosse, Kamele, Neger und weiße Sklaven zu erbeuten. Hab ich dann viel Geld und Gut und wieder Ansehen in der Welt, so werbe ich um meine Base Kudija-Fakân bei meinem Oheim König Sasân.' Doch seine Mutter antwortete: ,Mein Sohn, die Güter der Menschen laufen nicht frei für dich umher; nein, sie stehen im Schutze von Schwertgeklirr und Lanzengeschwirr, von Männern, die sich gegen Raubtiere wehren und blühende Länder verheeren, die Löwen erjagen und Panther als Beute heimtragen.' Kân-mâ-kân aber rief: ,Fern sei es, daß ich von meinem Plane abstehe, ehe ich mich am Ziel meiner Wünsche sehe!' Alsbald schickte er die Alte zu Kudija-Fakân und ließ ihr sagen, er wolle ausziehen, um eine Morgengabe für sie zu gewinnen, die ihrer wert sei; zugleich trug er der Alten auf, die Prinzessin zu bitten, daß ihm eine Antwort von ihr zuteil werde. Die Alte ging mit den Worten: ,Ich höre und gehorche!' fort und kehrte mit der Antwort zu ihm zurück, die Prinzessin werde um Mitternacht zu ihm kommen. So blieb er wach bis zur halben Nacht, und schon wollte die Unruhe ihn packen, siehe, da trat sie, ehe er sich dessen versah, zu ihm ein und sprach zu ihm: ,Mein Leben sei dir ein Lösegeld für das Wachen!' Nun sprang er auf und rief: ,O du meines Herzens Wunsch, mein Leben sei dir ein Lösegeld von allem Unglück!' Dann tat er ihr kund, was er beschlossen hatte; und wie sie weinte, sprach er zu ihr: ,Weine nicht, liebe Base, ich will zu Ihm, der unsere Trennung bestimmt hat, flehen, daß Er uns gnädiglich vereine und wir uns wiedersehen.'

Darauf rüstete Kân-mâ-kân sich zur Abreise, ging zu seiner Mutter und nahm Abschied von ihr. Dann ging er vom Palaste hinab, gürtete sich mit seinem Schwerte, legte Turban und



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Schleier an und bestieg seinen Hengst el-Katûl. So ritt er durch die Stadt, dem Vollmonde gleich, bis er zum Stadttore von Baghdad kam. Da war aber auch sein Freund Sabbah ibn Rammâh, der gerade aus der Stadt hinausging. Wie der ihn sah, lief er hin und ergriff seinen Steigbügel und begrüßte ihn. Der Prinz erwiderte seinen Gruß, und sofort fragte Sabbah: ,Bruder, wie bist du zu diesem edlen Roß gekommen und zu diesem Schwert und zu den Gewändern, während ich doch jetzt nichts besitze als mein Schwert und meinen Schild?' Kânmâ-kân antwortete: ,Der Jäger kehrt nur mit solcher Beute heim, wie sie seiner Willenskraft entspricht. Nachdem wir uns getrennt hatten, kam bald das Glück zu mir. Willst du nun mit mir kommen, vereint mit mir den Willen zur Tat machen und mich in diese Wüste da begleiten?' Da rief jener: ,Beim Herrn der Kaaba, jetzt will ich dich nur noch meinen Herrn nennen!' Dann lief er vor dem Rosse her, das Schwert über die Schulter gehängt und den Sack auf dem Nacken, während Kân-mâ-kân hinter ihm ritt. Vier Tage lang zogen sie bis tief in die Wüste hinein, indem sie vom Fleische der Gazellen aßen und vom Wasser der Quellen tranken. Am fünften Tage aber erblickten sie einen hohen Hügel; an dessen Fuße befanden sich Frühlingslager der Nomaden und ein Teich mit fließendem Wasser zumal; Kamele, Rinder, Kleinvieh und Rosse erfüllten Berg und Tal, und ihre jungen spielten um die Hürden überall. Kaum sah Kân-mâ-kân dieses Bild, da war er herzlich froh, und seine Brust ward von Freude erfüllt; und er beschloß den Angriff zu wagen, um Kamelstuten und Hengste als Beute davonzutragen. So sprach er denn zu Sabbah: ,Wohlan, vorwärts auf diese Herden geschwind, die von ihrem Volke allein gelassen sind! Ziehe mit mir gegen nah und fern in den Streit, bis das Geschick uns den Gewinn der Herden verleiht!' Aber



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Sabbah erwiderte: ,Mein Gebieter, siehe, die Besitzer dieser Herden sind ein großes Volk; unter ihnen sind Degen, zu Roß und zu Fuß verwegen. Lassen wir uns auf diese schwierige Sache ein, so werden wir um ihrer Schrecken willen in großen Gefahren sein. Dann kehrt keiner von uns zu seinem Volke zurück, und von seiner Base wird er getrennt durch ein einsam Geschick.' Da mußte Kân-mâ-kân lachen fürwahr, denn er merkte, daß der andere ein Feigling war. Drum ließ er ihn stehen und stürmte den Hügel hinab im Tatendrang, indem er laut schrie und diese Verse sang:

O Volk des Nu'mân! Wir sind die Männer der Tat,
Ein Volk der Herren, das feindliche Scharen schlägt;
Ein Stamm, der, wenn sich das Kampfgetümmel ihm naht,
Dort, wo es hegi ist, in tapferem Mute sich regt.
Es schläft das Auge des Armen bei ihnen sanft,
Er nimmt der Armut häßliches Bild nicht wahr.
Nun seht, ich hoffe auf Hilfe vom gütigen Herrn,
Dem Weltenschöpfer, der mächtig regiert immerdar.

So stürmte er auf jene Kamel innen los wie ein brünstiger Kamelhengst und trieb alles vor sich dahin: Kamele, Rinder, Kleinvieh und Rosse. Dann aber eilten die Sklaven auf ihn her mit blitzender Klinge und langem Speer; und an ihrer Spitze befand sich ein türkischer Reiter, gewaltig im Schlachtentanze, erprobt im Schwingen der funkelnden Klingen und der braunen Lanze. Der drang auf Kân-mâ-kân ein, laut rufend: ,Wehe dir! Wüßtest du, wem all diese Herden gehören, du ließest dich nicht zu solchem Tun betören. Vernimm, sie gehören der griechischen Schar, den Helden vom Meer und dem tscherkessischen Heer; und das sind lauter grimme Recken zumal, hundert Ritter an der Zahl; sie haben allen Herrschern den Gehorsam abgeschworen, und ihnen ging ein Hengst durch Raub verloren. Da gelobten sie, nicht ohne ihn heimzukehren.'



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Kaum drang diese Rede an Kân-mâ-kâns Ohr, so stieß er laut rufend die Worte hervor: ,Ihr Schurken, dies ist der Hengst, den ihr meint, und den zu suchen ihr euch vereint, um den mit mir zu kämpfen euch erstrebenswert scheint. Tretet nur alle insgesamt gegen mich vor und tut, was sich euer Wille erkor!' Dann stieß er einen Schrei aus zwischen den Ohren von el-Katûl, und der schoß auf die Feinde los wie ein Ghûl'. Kânmâ-kân aber lenkte ihn auf den Reiter zu, den durchbohrte er und warf ihn vom Rosse im Strauß; und jenem quollen die Nieren heraus. Weiter wandte er sich gegen einen zweiten, einen dritten und einen vierten, und allen raubte er das Leben. Bei diesem Anblick erschraken die Sklaven vor ihm, und er rief ihnen zu: ,Ihr Bastardbrut, treibt Herden und Rosse herbei, sonst färbe ich meine Lanze mit eurem Blut!' Als sie die Herden herbeigetrieben hatten und sich schon davon machen wollten, da kam auch Sabbah herbei mit einem lauten Freudengeschrei. Doch nun wirbelte eine Staubwolke empor und legte der Welt einen Schleier vor; dann traten unter ihr hundert Ritter heraus, die sahen wie grimmige Löwen aus. Sabbah aber floh in eiligem Lauf, verließ das Kampffeld und stieg auf den Hügel hinauf, und er begann dem Kampfesgrauen aus der Ferne zuzuschauen, indem er sprach: ,Mein Heldenherz schlägt nur bei Spiel und Scherz!' Die hundert Reiter umringten den Kân-mâ-kân und drängten sich von allen Seiten und Richtungen um ihn heran. Einer von ihnen ritt hervor und rief: ,Wohin des Wegs mit diesen Herden? 'Kân-mâ-kân erwiderte: ,Die nehm ich als meine Beute mit mir, und ihnen zu nahen verbiete ich dir. Doch wohlan zum Streit, hier steht vor ihnen ein dräuen der Löwe bereit, ein gewaltiger Held, und ein Schwert, das da trifft, wo es nur niederfährt!' Als jener Reiter



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diese Worte vernahm, blickte erden Prinzen an, und ihm ward offenbar, daß er ein löwengleicher Ritter war; doch sein Antlitz glich dem vollen Mond, der in der vierzehnten Nacht am Himmel thront, und die Tapferkeit leuchtete ihm aus den Augen. Nun war jener Reiter der Anführer der hundert Mannen, und sein Name war Kahardâsch. Und als er den Kân-mâkân anblickte in seiner vollendeten Ritterlichkeit und seiner strahlenden Schönheit, da verglich er seine Anmut mit der einer Maid, die er liebte, des Namens Chatûn. Ihr war von Gott verliehen solche Schönheit und Lieblichkeit, der Eigenschaften Vornehmheit, und eine so wunderbare Wesensart, daß die Zunge sie nicht beschreiben konnte und daß jedes Mannes Herz von ihr bezaubert ward. Doch die Ritter ihres Volkes fürchteten ihren hochgemuten Sinn, und die Recken jenes Landes gaben sich scheuer Achtung vor ihrer Hoheit hin. Und sie hatte geschworen, sie wolle sich nur dem als Gemahlin zu eigen geben, der sie im Kampfe besiege. Kahardâsch aber gehörte zu ihren Freiem. Als sie nun zu ihrem Vater gesagt hatte: ,Keiner soll mir nahn, es sei denn, er bezwinge mich im Kampfe mit Schwert und Lanze auf dem Plan!' und als dem Kahardâsch diese Worte berichtet wurden, da scheute er sich doch davor, mit einem Mädchen zu kämpfen; denn er fürchtete die Schmach. Zwar hatte einer seiner vertrauten Freunde zu ihm gesagt: ,Dich ziert höchste Vollkommenheit an Schönheit und Lieblichkeit. Und kämpftest du mit ihr, so würdest du sie, selbst wenn sie stärker wäre als du, dennoch bezwingen. Denn sobald sie deine Schönheit und Anmut sieht, wird sie vor dir weichen, so daß du sie überwindest; das Trachten der Frauen ist ja den Männern zugewandt, und all das ist dir nicht unbekannt!' Trotzdem hatte Kahardâsch sich geweigert und es abgelehnt, mit ihr zu kämpfen; vielmehr hatte er auf dieser



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seiner Weigerung bestanden, bis er und Kân-mâ-kân sich so zusammenfanden. Er glaubte also, jener sei seine geliebte Chatûn, und er ward von Furcht erfüllt, obgleich sie ilm liebte, da sie von seiner Schönheit und Tapferkeit gehört hatte. Nun ritt er auf Kân-mâ-kân zu und rief: ,Du da, o Chatûn. du bist zu mir gekommen, um mich deine Tapferkeit erfahren zu lassen! Doch steig ab von deinem Roß, auf daß ich mit dir plaudere; denn ich habe diese Herden eingebracht, ich habe die Freunde verraten, ich habe für Ritter und Männer großer Taten die Straßen unsicher gemacht - all das nur um deiner Schönheit und Anmut willen, die ohnegleichen ist. So vermähle dich mir nun, auf daß die Prinzessinnen dir dienen und du die Königin dieser Länder wirst.' Kaum drangen diese Worte an Kân-mâ-kâns Ohr, da lohten die Feuer seines Zornes in ihm empor, und er rief: ,Wehe, du persischer Hund! Weg mit Chatûn und mit dem, was du fälschlich vermutest! Zum Kampfe mit Speer und Schwert komm heran, auf daß ich dich bald in den Staub werfen kann!' Dann ritt er zum Strauß, umkreiste den Gegner und holte weit aus. Als aber Kahardâsch ihn genauer ansah, erkannte er in ihm einen Ritter verwegen, einen löwengleichen Degen; und sein Irrtum ward ihm klar, als er einen zartgrauen Flaum auf seiner Wange sah gleich Myrten, die inmitten von roten Rosen sprossen. Erschrocken ob seines Ansturms rief er seinen Mannen zu: ,Ihr da! Einer von euch greife ihn an und zeige ihm des Schwertes schneidende Kraft und der Lanze bebenden Schaft! Wisset, der Kampf vieler gegen einen ist eine Schande, sei er auch ein Ritter voll Tapferkeit und ein Held unbesiegbar im Streit!' Da stürmte auf Kân-mâ-kân ein löwengleicher Ritter los, der saß auf einem schwarzen Roß mit weißen Hufen und einer Blesse auf der Stirn wie ein Dirhem groß; es verwirrte Augen und



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Geist, als sei es el-Abdschar, das Roß des 'Antar, von dem es im Liede heißt:

Es kam zu dir der Renner, der in den Kampf gezogen,
Der frohe, der oben und unten Hell mit Dunkel vermählt,
Als habe der weiße Morgen ihn auf die Stirn getroffen
Und habe von dort durch den Leib den Weg zu den Hufen gewählt.

Er stürmte auf Kân-mâ-kân ein wie der Wind. und beide tummelten eine Weile umeinander im Kampf, Hieb wider Hieb austeilend, daß aller Sinne sich verwirrten und die Augen wie geblendet irrten. Als erster aber traf Kân-mâ-kân den Gegner mit einem wuchtigen Heldenhieb, der ihm Turban und Stahlhaube durchschlug und seinen Kopf erreichte; da fiel er vom Roß, wie wenn ein Kamel zu Boden stürzt. Darauf trat ein zweiter vor und sprengte auf ihn los, ebenso ein dritter und ein vierter und ein fünfter; doch er tat allen das gleiche wie dem ersten. Da stürmten alle übrigen auf ilm ein, überwältigt von Kampfeswut und in mächtiger Zornesglut; aber es dauerte nicht lange, bis er sie alle mit der Spitze seiner Lanze eingeheimst hatte. Als Kahardâsch diese Heldentaten sah, fürchtete er, das Ende sei nah; denn er erkannte in dem Jüngling die feste Entschlossenheit und war überzeugt, daß er einzig sei unter den Helden und Rittern weit und breit. Drum rief er Kân-mâ-kân zu: ,Ich schenke dir dein Blut und das Blut meiner Gefährten; nimm von den Herden so viel, wie du willst, und zieh deines Weges dahin! Denn ich habe Erbarmen mit dir wegen deiner Jugendschönheit; du hast ein größeres Recht, am Leben zu bleiben.' Kân-mâ-kân erwiderte: ,An Großmut der Edlen gebricht es dir nicht; doch laß dies Geschwätz, eile um dein Leben und sei unbesorgt um das, was der Tadel spricht. Laß dich aber nicht danach gelüsten, die Beute wieder zu fangen, sondern geh den graden Weg, um deine Rettung zu erlangen!'



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Da entbrannte Kahardâsch von gewaltiger Wut, und in den Tod trieb ihn seiner Leidenschaft Glut; und er sprach zu Kânmâ-kân: ,Weh dir! Wüßtest du, wer ich bin, du würdest mir auf dem Kampfesplan nicht mit solchen Worten nahn. Frage nach mir: ich bin als der starke Löwe bekannt, Kahardâsch genannt, der gegen die großen Könige Raubzüge machte, der den Reisenden die Wege versperrte und die Waren der Kaufleute heimbrachte! Dies Roß da, auf dem du sitzest, das suche ich; und ich wünsche, daß du mir kundtust, wie du zu ihm kamst und es an dich nahmst!' Jener erwiderte: ,Wisse, dies Roß war auf dem Wege zu meinem Oheim, dem König Sasân, geführt von einer hochbetagten alten Frau, die zehn Sklaven zu ihrem Dienste bei sich hatte. Da fielst du über sie her und nahmst ihr das Roß ab. Zwischen uns und jener Alten aber besteht Blutfehde wegen meines Großvaters, des Königs 'Omar ibn en-Nu'mân, und meines Oheims, des Königs Scharkân.' ,Du da,' rief Kahardâsch, ,wer ist dein Vater, du, der du keine freie Mutter hast?' ,Wisse denn,' erwiderte er, ,ich bin Kân-mâ-kân, der Sohn von Dau el-Makân, des Sohnes von 'Omar ibn en-Nu'mân!' Als Kahardâsch diese Worte vernahm, sprach er: ,Es läßt sich nicht leugnen, du besitzest Vollkommenheit, und du vereinest Anmut und Ritterlichkeit', und dann fuhr er fort: ,Ziehe hin in Frieden; denn durch deinen Vater ward uns manche Güte und Wohltat beschieden!' Doch Kân-mâ-kân antwortete: ,Bei Allah, ich gebe dir keine Ehre, du verächtliches Gebild, bis ich dich besiege auf dem Blachgefild !'Da ergrimmte der Beduine. Und nun sprengten beide aufeinander los mit lautem Kampfgeschrei, während ihre Rosse die Ohren anlegten und die Schweife hoben. So prallten sie denn mit solcher Macht zusammen, daß sie beide vermeinten, der Himmel sei geborsten. Darauf kämpften sie wie stößige Widder im harten



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Strauß und holten abwechselnd immer wieder zu Lanzen stichen aus; schließlich führte Kahardâsch einen Lanzenstich gegen seinen Gegner, aber Kân-mâ-kân wich ihm aus. Dann wandte er sich rasch gegen ihn zurück und durchbohrte dem Kahardâsch die Brust, so daß die Lanzenspitze ihm zum Rücken herausstak. Alsbald sammelte er die Pferde und die Beute und rief die Sklaven an: ,Auf, treibt, so rasch ein jeder kann!' Nun kam auch Sabbah herab und trat auf Kân-mâ-kân zu mit den Worten: ,Du fochtest einen wackeren Streit, du größter Ritter unserer Zeit! Siehe, ich habe für dich gebetet, und der Herr hat mein Flehen erhört.' Dann schnitt Sabbah den Kopf des Kahardâsch ab; Kân-mâ-kân aber sprach lächelnd: ,Du da, Sabbah, ich hatte gedacht, du wärest ein Ritter in Kampf und Schlacht!' Der Beduine erwiderte: ,Vergiß deinen Sklaven nicht bei dieser Beute; vielleicht kann ich es dadurch erreichen, daß ich mich mit meiner Base Nadschma vermähle.' .Gewiß.' sprach Kân-mâ-kân, ,du sollst deinen Anteil daran erhalten. Jetzt aber sei Wächter über die Beute und die Sklaven!'

Dann machte Kân-mâ-kân sich auf den Weg dem Heimatlande zu und zog Tag und Nacht dahin ohne Ruh, bis daß er bei der Stadt Baghdad ankam, wo das ganze Heer von ihm vernahm; und die Soldaten sahen, welche Beute und wie große Herden er mitgebracht hatte, und wie der Kopf des Kahardâsch auf der Lanze Sabbâhs stak. Auch die Kaufleute erkannten jenen Kopf und sprachen erfreut: ,Nun hat Allah die Welt von ihm befreit; denn er war ein Wegelagerer.' Und sie wunderten sich über seinen Tod und beteten für den, der ihn getötet hatte. Das Volk von Baghdad aber kam zu Kân-mâ-kân und fragte ihn nach seinen Erlebnissen; und er erzählte den Leuten, was ihm widerfahren war. Da blickten ihn alle Männer voll Ehrfurcht an, ja, selbst die Ritter und Helden wurden



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von Furcht vor ihm angetan. Er aber trieb alles, was er bei sich hatte, bis unter die Mauern des Palastes. Dort pflanzte er die Lanze, auf deren Spitze der Kopf des Kahardâch stak, beim Schloßtore auf, machte dem Volke Geschenke und gab ihm die Pferde und Kamele, so daß die Einwohner von Baghdad um lieb gewannen und ihre Herzen sich ihm zuneigten. Darauf trat er an Sabbah heran, wies ihm eine geräumige Wohnung anund gab ihm einen Anteil an der Beute. Und schließlich ging er zu seiner Mutter hinein und berichtete ihr, was er auf seiner Fahrt erlebt hatte.

Inzwischen war die Kunde von ihm zum König gedrungen. Der erhob sich von seinem Thron, schloß sich mit seinen Vertrauten ein und sprach zu ihnen: ,Höret zu, ich will euch mein Geheimnis klarlegen und euch kundtun, welche Dinge mich im Verborgenen bewegen. Wisset, Kân-mâ-kân allein wird die Ursache unserer Vertreibung aus diesen Landen sein. Denn er hat Kahardâsch getötet, trotzdem die Stämme der Kurden und Türken bei ihm waren; und uns drohen von ihm die größten Gefahren. Doch am meisten müssen wir uns vor seinen Freunden fürchten; ihr habt ja gehört von dem Treiben des Wesirs Dandân, der hat meine Wohltaten verleugnet, nachdem ich ihm Gutes getan, ja er verriet mich und machte die Treue zum Wahn. Wie mir berichtet ward, führt er Truppen aus allen Provinzen heran; und den Kân-mâ-kân zum Sultan zumachen, das ist sein Plan. Denn die Herrschaft gehörte ja einst seinem Vater und seinem Großvater. Und es besteht kein Zweifel, daß er mich töten will; das ist ganz gewiß.' Als die Vertrauten seines Thrones diese Worte von ihm vernahmen, sprachen sie zu ihm: ,O König, wahrlich, er ist dem nicht gewachsen. Und wüßten wir nicht, daß er von dir erzogen ist, so würde sich keiner von uns um ihn kümmern. Wisse, wir stehen dir zu Befehl.



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Willst du seinen Tod. so töten wir um: willst du seine Verbannung, so schaffen wir ihn fort.' Darauf erwiderte der König: ,Sein Tod ist allein das Richtige. Doch ich muß euch darauf einen Eid abnehmen.' So schworen sie denn, den Kânmâ-kân gewißlich zu töten; wenn dann der Wesir Dandân käme und von dem Tode des Prinzen hörte, so würde er sein Vorhaben nicht mehr ausführen können. Wie sie nun den feierlichen Eid darauf geleistet hatten, erwies er ihnen die höchsten Ehren und begab sich dann in seine eigenen Gemächer. Aber die Hauptleute sagten sich von ihm los, und die Truppen weigerten sich, den Waffendienst zu tun, bis sie gesehen hätten, was sich begeben würde; denn sie sahen ja, daß der größere Teil des Heeres bei dem Wesir Dandân war.

Inzwischen drang die Nachricht davon auch zu Kudija-Fakân. Da ward sie von tiefem Kummer erfüllt, und sie sandte alsbald zu der Alten, die sonst mit Botschaften von ihrem Vetter zu ihr zu kommen pflegte. Wie die bei ihr war, befahl sie ihr, zu ihm zu gehen und ihm die Kunde zu hinterbringen. Als jene Alte zu ihm kam, sprach sie den Gruß aus, worüber er seine Freude bezeigte; dann hinterbrachte sie ihm die Kunde. Nachdem er sie vernommen hatte, sagte er: ,Überbringe meiner Base meinen Gruß und sprich: Siehe, die Erde ist Allahs, des Allgewaltigen und Glorreichen; er gibt sie zum Erbe, wem er will von seinen Dienern.' Wie schön ist doch das Wort des Dichters:

Gott herrschet! Wer sich vermißt, sein Ziel allein zu erreichen,
Den stößt er zurück mit Macht, daß die Seele im Höllenpfuhl sei.
Besäße ich oder ein andrer nur einen Finger breit Landes,
Der Allah nicht gehört -das wäre Vielgötterei.'

Da kehrte die Alte zu seiner Base zurück und berichtete ihr, was er ihr gesagt hatte, und erzählte ihr auch, daß Kân-mâ-kân



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in der Stadt weile. König Sasân aber wartete nur darauf, daß er aus Baghdad hinausziehen würde, um dann jemand hinter ihm her zu senden, der um ermorden sollte.

Nun traf es sich, daß Kân-mâ-kân zu Jagd und Hatz auszog, zusammen mit Sabbah, der sich Tag und Nacht nie von ihm trennte. Und da erjagte er zehn Gazellen, unter ihnen eine mit dunklen Augen, die ängstlich nach rechts und links blickte. Die ließ er los: Sabbah aber fragte ihn: ,Warum hast du diese Gazelle losgelassen?' Lächelnd ließ Kân-mâ-kân auch die anderen frei und sprach: ,Die Mannesehre gebietet, Gazellen freizulassen, die Junge haben. Die Gazelle da blickte nur deshalb hin und her, weil sie junge hat. Darum habe ich sie freigelassen und mit ihr die übrigen, ihr zu Ehren.' Nun bat Sabbah: ,Laß auch mich frei, auf daß ich zu meinem Volke gehe!' Lächelnd stieß Kân-mâ-kân ihm mit dem unteren Lanzenende gegen die Brust, so daß er zu Boden fiel und sich wand wie eine Schlange. In demselben Augenblicke, siehe, da türmte sich eine Staubwolke auf, Pferdegetrappel erscholl, und unter der Wolke traten Ritter und Kämpen hervor. Solches begab sich, weil Leute dem König Sasân berichtet hatten, daß Kân-mâ-kân zu Jagd und Hatz ausgezogen war, und weil der König dann einen Emir der Dailamiten, namens Dschami', mit zwanzig Rittern ausgesandt, ihnen Geld gegeben und den Kân-mâ-kân zu ermorden befohlen hatte. Als sie nahe an ihn herangekommen waren, stürmten sie auf ihn ein; doch auch er drang auf sie ein und tötete sie bis auf den letzten Mann. Plötzlich kam auch König Sasân angeritten; aber als er zu seinen Leuten stieß und sie alle erschlagen fand, erschrak er und kehrte wieder um. Doch die Einwohner der Stadt ergriffen ihn und legten ihn in feste Bande.

Kân-mâ-kân war inzwischen von jener Stätte weiter geritten, zusammen mit dem Beduinen Sabbah. Und während er so dahinzog,



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sah er unterwegs einen Jüngling bei der Tür eines Hauses; den begrüßte er. Der Jüngling aber ging, nachdem er seinen Gruß erwidert hatte, in das Haus und kehrte alsbald mit zwei Schüsseln zurück; in der einen war saure Milch, in der anderen lagen Brotbrocken und Fleischstücke, um die geschmolzene Butter brodelte. Die beiden Schüsseln setzte er vor Kân-mâ-kân hin mit den Worten: ,Erweise uns die Ehre und iß von unserer Speise!' Doch Kân-mâ-kân lehnte es ab, zu essen; und da fragte der Jüngling ihn: ,Was ist dir, Mann, daß du nicht essen willst?' ,Wisse, ein Gelübde lastet auf mir', erwiderte Kân-mâ-kân. Als der Jüngling dann weiter fragte. ,Was war der Anlaß zu deinem Gelübde?' antwortete der Prinz: ,Vernimm, König Sasân hat mir die Herrschaft geraubt in feindseliger Tyrannei, obgleich jene Herrschaft meinem Vater und meinem Großvater vor mir gehörte. Er hat sich ihrer mit Gewalt bemächtigt nach dem Tode meines Vaters, indem er mich wegen meiner jungen Jahre beiseite schob. Da habe ich ein Gelübde getan, von niemandes Speise zu essen, bis ich meinem Herzen Rache an meinem Widersacher verschaffe.' ,Freue dich,' rief der Jüngling, ,Allah hat schon dein Gelübde vollendet. Denn wisse, er ist in einem Hause gefangen, und mich dünkt, er wird bald sterben.' Als Kân-mâ-kân fragte, in welchem Hause er eingekerkert sei, erwiderte der Jüngling: ,In jenem hohen Kuppelbau.' Da erblickte der Prinz einen hohen Kuppelbau und sah, wie das Volk dort eindrang, um auf Sasân loszuschlagen, während er Todesqualen kostete. Alsbald ging Kân-mâ-kân dorthin, bis er den Bau erreichte und mit eigenen Augen sah, was in ihm vorging. Dann kehrte er zu dem Hause zurück, setzte sich bei dem Essen nieder und aß sich satt: was von dem Fleisch noch übrig blieb, tat er in seinen Sack. Darauf blieb er an jener Stätte sitzen, bis es dunkle Nacht ward und



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der Jüngling, bei dem er zu Gaste war, einschlief. Alsdann begab Kân-mâ-kân sich zu dem Kuppelbau, in dem Sasân gefangen lag. Ringsum waren Hunde, die ihn bewachten, und einer von ihnen sprang auf den Prinzen los. Dem warf er ein Stück Fleisch aus seinem Sacke zu. Ebenso warf er auch den anderen Hunden Fleischstücke zu, bis er an den Bau herankam und zu König Sasân vordrang; dem legte er die Hand auf den Kopf. ,Wer bist du?' schrie jener mit lauter Stimme. Da antwortete der Prinz: ,Ich bin Kân-mâ-kân, dem du nach dem Leben trachtetest; doch Allah hat dich in deinen bösen Plänen zu Fall gebracht. Genügte es dir nicht, daß du mir mein Reich, das Reich meines Vaters und Großvaters, genommen hast? Mußtest du mir auch noch nach dem Leben trachten?' Nun schwor Sasân den falschen Eid, er habe ihn nicht töten lassen wollen und das Gerede davon sei nicht wahr. Da vergab Kânmâ-kân ihm und sprach: ,Folge mir!' Jener erwiderte: ,Ich kann keinen einzigen Schritt tun, so schwach bin ich.' ,Wenn es so steht,' erwiderte Kân-mâ-kân, ,so wollen wir uns zwei Pferde verschaffen und zusammen hinausreiten.' Dann tat er. wie er gesagt hatte; er und Sasân saßen auf und ritten dahin bis zum Morgen. Da beteten sie das Morgengebet und zogen wieder weiter, bis sie zu einem Garten kamen; dort setzten sie sich nieder, um zu plaudern. Nun hub Kân-mâ-kân an und sprach zu Sasân: ,Hast du im Herzen noch irgend etwas gegen mich?' ,Nein, bei Allah!' antwortete Sasân. Darauf kamen sie überein, nach Baghdad zurückzukehren, und der Beduine Sabbah sprach: ,Ich will euch vorauseilen, um den Leuten die frohe Botschaft zu bringen!' So ritt er denn voraus und meldete Männern und Frauen die frohe Kunde; da zog das Volk mit Trommeln und Flöten ihm entgegen. Auch Kudija-Fakân erschien, dem Vollmonde gleich, der das Dunkel der Welt mit



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seinem strahlenden Lichte erhellt. Als Kân-mâ-kân auf sie zutrat, da sehnte sich Seele nach Seele, und Leib verlangte nach Leib. Nun redete das Volk der Welt immer nur noch von Kân-mâ-kân weit und breit, und die Ritter bezeugten von ihm, er sei der tapferste Held seiner Zeit; und sie sprachen: ,Keiner darf über uns Sultan sein außer Kân-mâ-kân allein, und die Herrschaft seines Großvaters werde wieder wie ehedem sein!'

Was nun aber Sasân anlangt, so trat er zu Nuzhat ez-Zamân ein. Die sprach zu ihm: ,Wahrlich, ich sehe, wie das Volk von nichts anderem redet als von Kân-mâ-kân und von ihm sagt, er habe Eigenschaften, die keine Zunge beschreiben kann.' ,Hörensagen und Augenschein ist nicht dasselbe,' antwortete Sasân; ,ich habe ihn gesehen, aber ich habe keine von all den Eigenschaften der Vollkommenheit an ihm bemerkt. Es wird ja auch nicht alles gesagt, was man hört; aber das Volk äfft einer dem andern nach in dem Lob für ilm und der Liebe zu ihm, und Allah hat seinen Ruhm über die Zungen der Menschen laufen lassen, daß die Herzen des Volks von Baghdad sich ihm zugeneigt haben und auch dem Wesir Dandân, dem verräterischen, treulosen Mann; der führte Truppen aus allen Provinzen für ihn heran. Wer kann denn Herrscher der Länder sein und sich damit zufrieden geben, unter der Gewalt eines verwaisten, wertlosen Gebieters zu leben?' Als Nuzhat ez-Zamân dann fragte: ,Was hast du denn zu tun beschlossene' erwiderte er: ,Ich habe beschlossen, ihn zu töten: dann soll der Wesir Dandân seinen Plan vereitelt sehen, sich wieder meinem Befehle unterwerfen und mir Gehorsam schwören, da ihm nichts mehr übrig bleibt, als daß seine Dienste mir gehören.' Aber Nuzhat ez-Zamân entgegnete ihm: ,Wahrlich, Verrat ist gegen Fremde nicht schön; wieviel weniger gegen die, so



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uns nahe stehn! Das Richtige wäre, du vermähltest ihn mit deiner Tochter Kudija-Fakân und hörtest auf das, was uns in Versen der Vorzeit kundgetan:

Hat das Geschick über dich einen andren Mann erhoben,
Wenngleich du würdiger bist, und fällt es dir auch schwer,
So gib ihm doch das Recht der Wurde, die ihm gebühret:
Er würde dich ja erreichen, ob nah, ob fern er wär.
Und red auch nicht von dem, was du über ihn erfahren;
Sonst wärest du ein Mensch, der Vorteil fern von sich hält.
Wie viele im Frauengemach sind schöner als die Gattin;
Und doch hat das Geschick die Gattin hochgestellt.'

Als Sasân diese Worte von ihr vernahm und der Sinn dieser Verse ihm zum Bewußtsein kam, sprang er zornig von ihrer Seite auf und rief: ,Tät es nicht Schimpf und Schande eintragen, dich zu erschlagen, fürwahr, ich hiebe dir den Kopf mit dem Schwerte ab und brächte dich alsbald ins Grab!' Da antwortete sie: ,Während du gegen mich ergrimmst, scherze ich doch nur mit dir!' Dann erhob sie sich rasch, küßte ihm Haupt und Hände und sprach: ,Was du meinst, ist das Rechte. Wir wollen nun gemeinsam ein Mittel zu finden suchen, durch das wir ihn zu Tode bringen.' Über diese ihre Worte freute er sich und sprach: ,Suche eiligst nach dem Mittel und befreie mich von meinem Kummer! Denn mir ist das Tor der Mittel und Wege zu eng geworden.' Da fuhr sie fort: ,Ich werde dir sicher eine List ersinnen, um seinem Leben ein Ende zumachen.' ,Auf welche Weise?' fragte er, und sie gab ihm zur Antwort: ,Durch unsere Sklavin, Bakûn genannt; denn die ist in allen Listen gewandt.' Jene Sklavin aber war eine der ärgsten aller Unheilstifterinnen, und nach ihrer Religion wäre es Sünde, keine Schlechtigkeit zu ersinnen; sie hatte Kân-mâ-kân und Kudija-Fakân erzogen, ja, Kân-mâ-kân war ihr herzlich zugetan und pflegte in seiner großen Verehrung für sie zu ihren Füßen zu



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schlafen. Als König Sasân diese Worte seiner Gemahlin vernommen hatte, sprach er: ,Ja, dieser Rat ist der rechte.' Dann ließ er die Sklavin Bakûn kommen, erzählte ihr, was vorgefallen war. und befahl ihr, dem Prinzen nach dem Leben zu trachten, indem er ihr allerlei Schönes versprach. ,Deinem Befehle wird gehorcht,' erwiderte sie, ,doch ich wünsche, o mein Herr, du möchtest mir einen Dolch geben, der mit dem Wasser des Todes getränkt ist, damit ich ihn dir desto rascher umbringen kann.' Sasân willfahrte ihr gern und holte für sie einen Dolch, der dem Todesgeschick zuvorkommen konnte.

Nun hatte diese Sklavin Geschichten und Verse vernommen und seltsame Berichte und Erzählungen in sich aufgenommen; und wie sie den Dolch empfangen hatte, ging sie aus dem Hause und dachte, wie sie ihm wohl den Garaus machte. Sie kam also zu Kân-mâ-kân, wie er dasaß und auf die Zusage einer Begegnung mit der Herrin Kudija-Fakân wartete. So geschah es, daß in jener Nacht seine Gedanken sich zu seiner Base wandten und die Flammen der Liebe zu ihr in seinem Herzen brannten. In dem Augenblicke trat plötzlich Bakûn zu ihm ein und sprach: ,Jetzt ist es Zeit, zur Vereinigung zu gelangen; denn die Tage der Trennung sind vergangen.' Als er das hörte, fragte er: ,Wie steht es mit Kudija-Fakân?' ,Wisse, sie denkt nur an deine Liebe', antwortete Bakûn. Da sprang Kân-mâkân auf, legte seine Obergewänder ab und gab sie ihr und versprach ihr alles Schöne. Sie aber fuhr fort: ,Höre, ich will diese Nacht bei dir verbringen; ich will dir etwas von dem, was ich gehört habe, erzählen und dich trösten durch Geschichten von Liebeskranken, die sich in ihrer Sehnsucht quälen.' Doch Kân-mâ-kân erwiderte: ,Erzähle mir eine Geschichte. die mein Herz erfreut, und die mich von meinem Kummer befreit!' Mit den Worten: ,Herzlich gern!' setzte sie sich an



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seiner Seite nieder, während jener Dolch in ihren Kleidern verborgen war, und fuhr dann fort: ,Wisse, das Heiterste, was meine Ohren je vernahmen, ist


Copyright: arpa, 2015.

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