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Die schönsten Sagen des Berner Oberlandes


Erzählt für Jung und Alt von


Otto Eberhard

Mit 54 Zeichnungen von Fritz Buchser

Hans Feuz-Verlag Bern /Leipzig


Die Salzquelle

Betritt der Wandrer, vom Unterlande her kommend, das Städtchen Thun, erblickt er zu feiner Rechten eine hochragende Felskuppe. Es ist das Stockhorn. Schon die alten Römer müssen auf diesem Berge herumgeklettert sein, fand man doch daselbst tief unter der Erde zwei römische Münzen.

Auf einer der schönen Alpweiden, die sich rings um den Berg ausbreiten, hirtete vor Zeiten ein Senne feine Kühe. Die Weide war mager, die Tiere gaben wenig Milch. Auch hatte er eine große Familie zu ernähren, also daß der Senne mit bangem Herzen an die Zukunft dachte.

Wie er sich nun eines Abends aufs Heulager hinstreckte und seinen Sorgen nachhing, siehe, da öffnete sich leise die Tür und herein traten zwei Bergmännchen mit Spitzenkappe und einem Laternchen in der Hand. Sprechen tat keins von beiden ein Wort. Dagegen gaben sie dem Mann auf dem Heulager ein Zeichen, ihnen zu folgen, und wandten sich gleich wieder der Türe zu.

Nach einigem Besinnen erhob sich der Hirte und trat vor die Hütte. Jetzt winkten ihm du Zwerglein ein zweites Mal, und kurz entschlossen stapfte er hinter ihnen her die Weide hinan.

Im Scheune der Laternen erreichten sie bald einen Felsen und stiegen eine Schlucht empor, durch die ein Wässerlein sickerte. Vor einer hohen Wand hielten du Männchen plötzlich an, Woben den schweren Stein, der gegen die Wand lehnte, zum Verwundern ihres Begleiters beiseite, als ob es ein leichtes Stück Holz wäre, und betraten eine große Höhle. Ein bläulich Licht, von dem man nicht wußte, woher es kam, erfüllte den Raum, und in seiner Tiefe gewahrte der Senn eine grauweiße Masse, die sich wie eine Fluh auftürmte

Setzt wandten sich du Zwerglein gegen den Sennen, und eines sprach also:

"Das ist unsre Salzquelle. Sie liegt, wie du siehst, nicht weit von



Sagen-Oberlandes052 Flip arpa

deiner Hütte. Von nun an soll sie dir gehören. Schöpfe daraus jeden Tag und gib es deinen Kühen. Sie werden dabei gedeihen. Doch vergiß das eine nicht: erlaube auch den andern Sennen, ohne etwas dafür zu verlangen, den Zutritt zur Höhle, auf daß, wie die deinen, so ihre Kühe sich an der Lecke erfreuen mögen. Tust du es, dann soll der Quell nie versiegen. Tust du es nicht, dann klag dich selber an, wenn's dir schlecht ergeht. Denn wisse: wer unsre Güte mißbraucht und mit Gaben, die er von uns empfangen, nicht so umgeht, wie wir es verlangen, der wird dafür bestraft werden.

Sie traten wieder vor die Höhle. Als sich jedoch der Senn umschaute und den kleinen Leutchen Dank sagen wollte, da waren diese wie vom Erdboden verschwunden. Der Stein aber befand sich an seinem frühern Platze.

Der Hirte tat genau, wie ihn die guten Zwerglein geheißen. Er ging von nun an jeden Morgen zur Höhle hinauf, wälzte den Stein auf die Seite und faßte von der herrlichen Gabe so viel, als er dachte, es werde seinen Kühen gut bekommen. Und diese wurden auch wirklich vom Salze fett und glänzend und gaben setzt die Hälfte mehr Milch als zuvor. Er führte aber auch die andern Sennen nach der Stelle und erlaubte ihnen, frei und umsonst zu nehmen, was sie zum Gedeihen ihrer Tiere für nötig fanden.

Der Senne ward in kurzer Zeit ein wohlhabender Mann, und der Segen ruhte auf ihm und seiner Familie. Nach Jahr und Tag aber kam ein andrer Küher auf Sene Alp. Der wollte nun, selbstsüchtig nur an sich denkend, seinen Vorteil aus der Quelle ziehen und schloß sie ab, also daß außer ihm niemand mehr dazu gelangen konnte. So mußten denn die Hirten der Umgegend das Salz von ihm kaufen, und der habsüchtige Mann strich schmunzelnd den Erlös in seine Tasche.

Seine Freude dauerte indessen nicht gar lange. Der Salzquell ward zusehends kleiner, er erneuerte sich nicht mehr und versiegte am Ende ganz. Auch verlor der Mann eine Kuh um die andre durch Krankheit oder Unfall und soll im Elend gestorben sein.


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