Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Die schönsten Sagen des Berner Oberlandes


Erzählt für Jung und Alt von


Otto Eberhard

Mit 54 Zeichnungen von Fritz Buchser

Hans Feuz-Verlag Bern /Leipzig


Die undankbaren Sennen

Auf einem Berge des Simmentals liegt hart unter seinem Gipfel eine schöne Grasfläche, die Galm genannt. Sie war von seher zu steil, die Kühe ohne Gefahr darauf weiden zu lassen, und so begnügte man sich damit, das dort wachsende Gras im Spätsommer zu mähen, aufzuschichten und dann ins Tal zu schaffen.

An dieser Halde wuchsen, von der Höhensonne beschienen, die schönen Alpenblumen in Fülle, die Bärenwurz, die schneeweiße Berglilie, das dunkle Alpenveilchen, und verbreiteten einen solchen Wohlgeruch, daß auch die Bergmännchen herkamen, sich an ihnen zu erfreuen. Sie legten sich jeweilen hin ins Gras, sogen mit ihren Näschen den herrlichen Duft ein, ließen ihre Körper von der Sonne bescheinen, oder spielten wohl auch, wie Kinder tun, Fang mich! auf der blumigen Au. Sobald sich aber ein Senne blicken ließ, dann huschten sie davon, von Furcht ergriffen, und verschwanden wie Mäuse in ihren Verstecken.

Unter den kleinen Leuten, die sich in jener Gegend aufhielten, war indessen eines, das sich vor den Menschen nicht fürchtete. , es half ihnen gar bei ihrer Arbeit, ergriff etwa eine Sense und mähte dann so geschickt, daß seine Mahden glatter waren als die der Sennen.

Ein Weilchen dauerte das so fort, und die Sennen hatten ihre Freude an dem kleinen Knirps, der das hirtliche Handwerk fast besser zu verstehen schien als sie selber. Wie nun aber die Menschen das Gute, das sie haben, gar oft nur für gering achten und dann dafür bestraft werden, also erging es auch unsern Sennen: durch einen losen Streich verscherzten sie die Gunst des Zwergleins und hatten obendrein noch ihren Schaden dazu.

Das Zwerglein pflegte jeden Morgen, ehe es an seine Arbeit ging, sich auf eine große Platte zu setzen und, das Köpflein auf die Hand gestützt, ein Weilchen ins Tal hinabzublicken, das sich hier gar anmutig vor ihm ausbreitete. Es mochte wohl seine heimliche Freude haben an dem schönen Wiesengründe, durch den die Simme



Sagen-Oberlandes042 Flip arpa

wie ein silbern Schlänglein floß und wo aus den Hütten der Menschen der erste Rauch in die klare Morgenluft emporstieg. Nun war aber die Platte, auf dem es saß, unterhöhlt, und dies benutzten setzt die undankbaren Sennen, dem Männchen einen schlechten Streich zu spielen.

Eines Morgens früh nämlich, bevor es auf der Grashalde erschien , machten sie ein Feuerlein unter der Platte, also daß diese ganz heiß ward, und freuten sich schon zum voraus auf die lustigen Sprünge, die das Männchen tun würde, sobald es sich daraufsetzte.

Und wie setzt die Sonne höherstieg und die umliegenden Berge mit ihrem Golde umsäumte, da kam auch das Zwerglein herangesprungen und setzte sich, so wie es das gewohnt war, auf den Stein, um auch heute wieder, ehe es zur Sense griff, sich an Gottes schöner Welt zu erfreuen.

In dem Augenblicke aber, wo sich das Männchen ohne Arg niedersetzte, fuhr es mit einem gellenden Schrei gleich wieder in die Höhe, griff mit den Händchen nach der verbrannten Stelle und tat auch sonst ein paar drollige Sprünge, worüber die Sennen in ein schallendes Gelächter ausbrachen.



Sagen-Oberlandes043 Flip arpa

Jetzt wußte das Zwerglein gleich, wer ihm das angetan, und rief ihnen mit zornglühenden Augen zu:

"Weh euch, Ihr falschen Leute! Ihr habt mich heute zum letzten Male gesehen und sollt auch sonst noch zu spüren bekommen, wie es geht, wenn man Gutes mit Bösem vergilt.

Und husch! war s verschwunden und ließ sich nicht wieder blicken. Die Sennen aber verloren von da an, sie wußten nicht recht wie, manch schönes Stück Vieh, so daß sie es am Ende für gut fanden, die Galm zu verkaufen und auf eine andre Alp zu ziehen.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt