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Die schönsten Sagen des Berner Oberlandes


Erzählt für Jung und Alt von


Otto Eberhard

Mit 54 Zeichnungen von Fritz Buchser

Hans Feuz-Verlag Bern /Leipzig


Der Seidenweg

Seitab vom Wege, der von Meiringen nach der Grimsel hinaufführt, liegt das Gadmental.

In alten Zeiten, so erzählt uns die Sage, hauste auf der einen Seite dieses Tales ein Riese. Der war so groß, daß ihm die gewöhnlichen Menschen nur bis zu den Knien reichten, und also gewaltig stark, daß er Bäume wie Strohhalme aus dem Boden riß. Auf seinen Schultern trug der gewaltige Mann beständig eine Keule, und mit dieser erschlug er die Kühe und Schafe der Herden, oder auch die Bären und Wölfe. Doch auch Menschen, die etwa in feine Nähe kamen, tötete und verzehrte der Unhold gleichermaßen, also daß es am Ende niemand mehr wagte, Sene Gegend zu betreten.

Dem Niesen aber war das Menschenfleisch seine Lieblingsspeise, und als er merkte, daß die Leute ihm auswichen und ihre Hütten auf der andern Seite des Tales aufschlugen, da beschloß er, auch hinüberzugehen.

Es führte aber ein Steg über den Bach, der du beiden Talseiten trennte. Dieser Steg war nur leicht aus Baumästen zusammengefügt und hing zu all dem recht hoch zwischen Felsen über einem schauerlichen Abgrund. Wie nun der Niese seinen schweren Fuß auf dieses Brücklein setzte, da brachen die Aeste plötzlich entzwei. Er taumelte, ein schrecklich Geschrei ausstoßend, zwischen die Wände hinab und hinunter in das wilde Wasser, wo er elendiglich ertrinken mußte.

Also ward das Tal von dem bösen Manne befreit. Die Menschen stellten nun das Brücklein mit großer Freude wieder her, gaben aber wohl acht, es wiederum ebenso leicht und lose zu bauen, wie es vorher gewesen, damit, wenn se wieder ein Niese in ihre Gegend käme, er dem gleichen Schicksale verfallen möchte wie sein Stammgenosse.

Jene Stelle aber, wo noch heute im Gadmentale ein schwindliges Brücklein von einem Felsen zum andern hinüberleitet, nennt man den Heidenweg.


Copyright: arpa, 2015.

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