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Sagen aus dem Berner Oberland


Ausgewählt und herausgegeben von


Walter Menzi

1. bis 5. Tausend

Verlag Landschäftler A-G., Liestal


Badquelle Weissenburg

Im Jar da man zellt nach Christi Gepurt tusent vierhundert und fünfzechen Jar ist beschächen als hienach geschriben staht. Da war zu Därstetten im niedern Simmental, hart an der Simme, ein altes, berühmtes Klösterlein, von einem Propst und etlichen Brüdern des Ordens St. Augustini innegehabt, und freundnachbarlich hatte unfern der Freiherr zu Weissenburg ein offenes Haus auf seiner Feste, wo er mit den Klosterbrüdern pokulierte bei Tag und Nacht. Noch jetzt sieht man die Ueberreste des Schlosses an der alten Talstrasse, während zu Därstetten das Klösterlein längst vom Erdboden getilgt ist.

Zu der Zeit kam aus dem Klösterlein ein geistlicher Jüngling, der Bruder Gervasi genannt wurde, oft auf die Burg; er war ein Herr von Simmenegg und der letzte Spross seines Stammes. Mit seinem frommen Wesen erbaute er die Schlossherrin und des Freiherrn Töchterchen Kunigunde. Da sollte nun schnell eine Hochzeit werden zwischen Kunigund und



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einem strengen, fast harten Manne, dem Burgherrn von Grimmenstein. Das Fräulein war aber widerspenstig und wollte nichts davon, denn sie liebte den Bruder Gervasi, und sie konnte daraus auch kein Hehl machen gegen ihn. «So das Euer Begehr ist, dass Ihr den Herrn Grimmenstein nicht freien wollt», beschied der geistliche Ritter, «so ist nichts nötiger, als dass wir von hier hinweg und weiterziehen, damit Euer Herr Vater Euch nicht dränge und zwinge wider Euern Willen. »

Es hob der Bruder die Jungfrau zur Nacht bei dem kleinen Türchen auf die Arme, trug sie von dannen und watete durch die Simme. Weiter trug er sie nach einer bösen Bergschlucht, durch Wasser und über wildes Gestein. So kamen sie in eine enge Kluft, verborgen zwischen Flühen, wo sie eine Hütte bauten. Ein vertrauter Geisshirt, der nicht weit weg auf seinem Stafel weidete, liess dem Bruder eine Geiss und brachte Speise von Zeit zu Zeit, sodass die Liebenden, als ehrbare Eheleute in Zucht und Treue lebend, keinen Mangel erleiden mussten.

Als der alte Freiherr merkte, dass sein Töchterchen abhanden war, schickte er



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Zeichnung aus dem Jahr. 1887 sein reisiges Volk weit ins Land, doch umsonst. Ihm wurde keine Kunde von seinem Kind. Er klagte nun hart, büsste ein ganzes Jahr und starb mit lauter Reue.

Es ward aber dann Kunigunde krank und das machte den Bruder Gervasi übel traurig; er fürchtete, sie werde sterben und ihn kummervoll zurücklassen. Darum betete er viel und wollte sie mit allerlei Kräutern heilen, das half aber nichts. Da ging er aus und es ward ihm eine grosse Gnade. In der Schlucht fand er ein Brünnchen; es war lau und gab einen gar besondern Geschmack. Er schöpfte ein Näpfchen voll und hiess sein Weib davon



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trinken so viel es mochte. Heilsam schien das Wasser zu sein, denn Kunigunde gesundete mehr und mehr.

Darnach spendete der Bruder forthin aus dem Brünnchen jedermann, der krank und bresthaft darniederlag, also dass ein Schall ausging im Lande und er berühmt wurde wegen des Wassers. Als er dann gestorben war im hohen Alter und sein Eheweib dazu am gleichen Tage, blieb sein Gedächtnis beim Volke frisch und in guter Ehre. Die Talleute bauten ein gutes Schirmdach in der Schlucht und kamen mit Fleiss daher. Immer fanden sie, dass das Brünnchen ein segensreiches Heiltum war. Ein Heiltum ist es geblieben bis auf den heutigen Tag.


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