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Sagen aus dem Berner Oberland


Ausgewählt und herausgegeben von


Walter Menzi

1. bis 5. Tausend

Verlag Landschäftler A-G., Liestal


Kirchbau zu Reichenbach

Oft mag sich der Fremde wundern, warum die spitzhelmige Kirche von Reichenbach nicht auf einer der aussichtsreichsten Anhöhen des Kientalhanges erbaut wurde, sondern in flacher Talsenke, aus der sie seit vielen hundert Jahren zu den Weilern und Dörfern und zu den herrlich schimmernden Gletschern der Blümlisalp emporblickt.

Im 16. Jahrhundert, als Reichenbach von Aeschi getrennt wurde, bestand freilich die Absicht, das neue Gotteshaus auf einem der grünen Hügel, Schärüte genannt, zu errichten. Als der Grund gelegt war und einige Mauern bereits den Umriss der Kirche wiesen, wurde das ganze Werk in einer Nacht zerstört; niemand kannte den Untäter, doch riet man auf einen zürnenden Geist. Zum zweitenmal musste darum der mühsame Bau begonnen werden. Wie gross war das Erstaunen der Leute, als auch jetzt, trotzdem zur Sicherheit drei Mann als Wachen aufgestellt worden waren, die angefangene Kirche wiederum niedergelegt wurde.



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Nochmals machte man sich am darauffolgenden Tag an den Wiederbeginn der Arbeit, und siehe, zum drittenmal blieb kein Stein auf dem andern.

Endlich deutete das Volk den geheimnisvollen Umstand als Stimme des Himmels, die den Bürgern die Wahl eines andern Bauplatzes befahl. Um die richtige Stätte zu finden, trieb man am Abend zwei zusammengebundene Stiere hinaus ins Freie; sie sollten die Nacht auf der Weide verbringen und, von der Vorsehung gelenkt, sich gegen Morgen an dem für die Kirche bestimmten Orte zur Ruhe begeben.

Auf keinem Hügel, wohl aber am Rande der Talebene, inmitten eines Erlengebüsches neben dem vorbeipolternden Reichenbach, fanden sich in der Morgenfrühe die beiden ruhenden Stiere; friedlich lagerten sie im tauigen Gras, als eben die Sonne den Kamm der Berge betrat. Nun war der Kirchplatz gefunden! Flink warfen die Handwerksleute den Grund auf, auch die Maurer waren da, und in kurzer Zeit erhoben sich Turm und Gotteshaus zu ihrer jetzigen schönen Gestalt.


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