Sagen aus dem Berner Oberland


Ausgewählt und herausgegeben von


Walter Menzi

1. bis 5. Tausend

Verlag Landschäftler A-G., Liestal


Beatus' unheiliges Lachen

Sankt Beatus begab sich einst nach Aeschi, um der dortigen Gemeinde zu predigen. Er verspätete sich eine Weile, sodass der heilige Justus die Predigt hielt. Da war aber der Tag warm und Justus kein guter Redner. Eins ums andere der Gemeindeglieder verfiel einem freundlichen Schlummer, bis zuletzt der heilige Beatus ganz allein wach geblieben war und den Worten seines Freundes lauschte.

Wie Beatus sich frommen Herzens an der Predigt erbaute, nahm sein Auge plötzlich den Teufel wahr: ein Bein übers andere geschlagen und eine Krähenfeder in der Hand, so sass der leibhaftige Feind unter der Kanzel, und er hatte ein grosses Bocksfell vor sich, auf das er eifrig die Namen der ihm verfallenen Schläfer eintrug. Wie gern hätte St. Beatus die Schlummernden geweckt und sie dem Satan wieder entrissen, doch war ihm verboten, die Predigt des heiligen Justus zu unterbrechen. Schon hatte der Teufel seine höllische Schreibtafel angefüllt und



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immer noch waren die Namen der Schlafenden nicht vollzählig aufgeschrieben. Da kam dem Teufel der Gedanke, die Bockshaut ein wenig in die Länge und Breite auszuspannen, indem er das eine Ende mit den Zähnen, das andere mit den Klauen fasste; um recht ziehen zu können, stemmte er sich kräftig gegen den Taufstein. Dabei strengte er sich so heftig an, dass das Bocksfell riss und sein Kopf mit aller Gewalt gegen den Fuss der Kanzel geschlagen wurde. Laut auflachen musste bei diesem Anblick der heilige Beatus, denn Lustigeres hatte er selten gesehen; darob erwachte die ganze Gemeinde just vor dem Amen. Dem Teufel entging die ganze Beute, die er schon sicher in der Hölle untergebracht wähnte. Vor Aerger rannte er kopfüber in den Thunersee, dessen Wellen aufspritzend zusammenschlugen.

Nicht ungestraft für die Sünde seines Lachens blieb der heilige Beatus. Als er an den See kam und nach der Beatushöhle übersetzen wollte, hatte sein Mantel die ihm verliehene Kraft, den Heiligen zu tragen, für immer verloren.


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