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Sagen aus dem Berner Oberland


Ausgewählt und herausgegeben von


Walter Menzi

1. bis 5. Tausend

Verlag Landschäftler A-G., Liestal


Beatuslegende

Beatus, der heilige Glaubensbote des Oberlandes, kam in härenem Mantel und mit langem Pilgerstab über den Brünig an den Wendelsee gezogen, zusammen mit Justus, seinem treuen Genossen. Sie pilgerten dem Ufer des Brienzersees entlang nach dem Bödeli, überschritten den Lombach und wanderten immerzu. Am Abend kamen sie ins Dörfchen Sundlauenen, wo freundliche Hirten sie gastlich empfingen. Weltabgeschieden lebten die Leute der Gegend als Heiden. Druiden lehrten sie, den Frevel durch Menschenopfer zu sühnen. Opferstätten waren auf dem Hohlenstein am Kienberg und auf der felsigen Platte vor der grossen Drachenhöhle der Balmfluh.

Die Sundlauener baten den heiligen Beatus, nachdem sie die Botschaft des Christentums vernommen hatten, dass er bei ihnen bleiben und sie in der neuen



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Lehre unterrichten möchte. Gern tat dies der würdige Fremdling, doch wollte er nicht beschwerlich fallen, weshalb er in einer Höhle zu wohnen begehrte. Eine solche Höhle sei gar nicht weit, erzählten



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die erfreuten Hirten. Kein rauher Luftzug komme dorthin und freundlich schaue die Sonne hinein. Nebenan sprudle ein munterer Bach aus dem Felsen, ein nie versiegender Brunnquell. Früher sei die Höhle die Wohnstatt der Druiden gewesen, nun aber horste dort ein grimmer Lindwurm zum Schrecken für Menschen und Vieh.

«Die Erde ist des Herren und was darinnen ist», sprach fröhlich Beatus, «im Namen Gottes will ich den Drachen vertreiben! » Ohne Zögern machte er sich, wiederum von Justus begleitet, auf den Weg. Wütend zischte der Lindwurm den Ankömmlingen entgegen, allein Beatus erhob seinen Stab und beschwor das Ungetüm im Namen des Herrn. Da fuhr der Drache aus, ohnmächtig heulend. Er stürzte sich in den See, der darob in heisser Wallung siedend aufkochte; dann schoss das Tier die senkrechte Fluh empor, wobei sein riesenhafter Schwanz dermassen an die Felswand schlug, dass das Zeichen tief eingegraben zurückblieb. Beatus selbst musste noch wiederholt den Zorn des Gewürms erfahren. Als sich der Heilige wohnlich eingerichtet hatte, zimmerte er unten



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am Seegestade ein Schiffchen, da er die Dörfer ringsum besuchen wollte. Aber der Widersacher verfolgte ihn mit Sturm und Wind und starkem Hagel solange, bis das Schiffchen zerschellte. «O Herre Gott, hilf aus dieser grossen Not, dass zu künden deine Lehr' mir der Satan nicht verwehr!» betete Beatus. Alsogleich ward das Flehen erhört - «von oben flugs ein Wind lüpft Beatum gar geschwind auf dem Mantel hurtig fort, über Wasser an den Ort, da die frommen Schäflein sein harrten an dem grünen Ram.

Zutraulich versammelten sich von nun an die Umwohner, um Beatus' Predigt zu hören und ihm beim Bau seiner Kapelle zu helfen. Dafür besuchte der Heilige die Leute in ihren Hütten. Kranke tröstete er mit freundlichem Zuspruch und manche wurden gesund durch sein kräftiges Gebet; vielen gab er heilsame Arznei, die ihm von dienstbaren Zwergen zugebracht wurde. Auch jenseits des Sees gewann er viele Jünger, besonders zu Einigen, wo das erste Kirchlein errichtet wurde. Weil jedoch die Reise weit war, schickte er seinen Gefährten Justus dorthin, damit die Gemeinde im Glauben befestigt



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werde. Später erbaute Justus im Justistal hinter Merligen eine Klause, denn er wollte ein Leben führen «den Engeln nahe».

Bei aller Mühsal und Entbehrung, die sich Beatus auferlegt hatte, erreichte er ein hohes Alter. Als er sein Ende nahen fühlte, liess er seinen lieben Genossen Justus rufen. Der pflegte ihn und versammelte das Volk am Sterbelager des Heiligen. Beatus nahm herzlichen Abschied von allen, die durch sein Zeugnis bekehrt worden waren. Nachdem er sie ermuntert hatte, treu zu sein bis in den Tod, schloss er die von himmlischer Seligkeit erfüllten Augen. Sein Leichnam wurde in der Höhle begraben, nahe dem Kirchlein; am gleichen Orte ward auch Justus wenige Jahre danach zur Erde gebettet.

Stetsfort übten die Christen ihre Andacht an den beiden Gräbern, die zu Heiligtümern des Berner Oberlandes wurden. Aus nahen und fernen Gegenden wallte das Volk zu den Ruhestätten der Glaubensboten, deren Gebeine seit Jahrhunderten unauffindbar vermodert sind. In Beatus' Kapelle aber verstummte die Predigt des Evangeliums nicht wieder.


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