Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

II. BAND

DAS UNGEHEUERLICHE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA


20. Die Grabwache

Man spricht von einem Agelith, der hatte drei Söhne, die waren' IVI jung, schön, stark und einander so ähnlich, daß sogar der Vater sie zuweilen miteinander verwechselte. Eines Tages wurde der Agelith sehr krank. Er lag im Sterben. Der Jüngste sagte zu seinen Brüdern: "Kommt, wir wollen den Vater sehen!" Die Söhne gingen zu ihrem Vater.

Die Söhne sagten: "Vater, was wünschest du? Sollen wir dir von den wiederbelebenden Äpfeln (=tzefa-zrun) bringen, die den Greis wieder zum Kind machen? Oder sollen wir dir von dem Wasser aus der Quelle zwischen den zusammenklappenden Felsen holen ?"Der Agelith sagte: "Ich danke euch, meine Söhne. Ich kann nicht weiterleben. Ich werde sterben. Um zweierlei will ich euch nun noch bitten. Ich bitte euch, mein Grab noch drei Tage lang, nachdem ich bestattet bin, zu bewachen. Dann aber lebt und sorgt für einander. Nehmt diese drei Stöcke und pflanzt sie in den Garten. Sie werden grün werden. So oft nun einer von euch abwesend ist, schaut nach, ob sein Stock grünt, oder ob er zu welken beginnt. Daraus werdet ihr dann ersehen, ob er sich wohl befindet, oder ob es ihm schlecht geht." Bald nachdem der alte Agelith das gesagt hatte, starb er. Er wurde auf dem Tachluit (Versammlungsplatz der ganz Alten, auf dem diese zu sehr ernsten Beratungen zusammenkommen) begraben.

Am ersten Abend nahm der älteste Sohn des Agelith seinen Säbel und eine Matte (=tajäthilt), ging auf den Tachluit und legte sich zur Nachtwache am Grabe nieder. Um Mitternacht kam eine Teriel an das Grab heran. Der Älteste sprang auf und versetzte der Teriel



Atlantis Bd_02-184 Flip arpa

einen Säbelschlag, so daß ihr Kopf zu Boden rollte. Der Älteste schnitt dem Kopf die Ohren ab, er steckte sie in seine Tasche. Dann vergrub er die Leiche der Teriel nahe dem Grabe seines Vaters. Am Morgen kehrte er in den Ort zu seinen Brüdern und den Frauen zurück. Er sagte aber nichts von dem, was er in der Nacht erlebt hatte.

Am Abend des zweiten Tages nahm der Zweite seine Matte und seinen Säbel, ging auf den Tachluit und legte sich zur Wache am Grabe des Vaters nieder. Als es Mitternacht war, schlich sich ein Löwe (= issem) heran. Der Zweite sprang auf, ergriff seinen Säbel und versetzte dem Löwen einen Schlag, so daß er gleich tot war. Der Zweite schnitt darauf dem Löwen die Ohren ab und steckte sie in seine Tasche. Den toten Löwen verscharrte er aber nahe dem Grabe seines Vaters. Als es Morgen war, nahm er seine Matte und seinen Säbel und kehrte in das Haus zu seinen Brüdern und deren Frauen zurück. Er sagte aber nichts von dem, was er nachts erlebt hatte.

Am Abend des dritten Tages nahm der Jüngste seine Matte und seinen Säbel und ging auf den Tachluit, um die Wache am Grabe seines Vaters zu halten. Er legte sich nieder und lag mehrere Stunden unbekümmert da. Um Mitternacht aber kam Lep'ha (oder Leph'ha), der Drache mit den sieben Köpfen. Lep'ha kam auf das Grab des Agelith zu. Der Jüngste sprang auf, er ergriff seinen Säbel. Er schlug Lep'ha einen Kopf ab. Lep'ha sagte: "Wer kratzt mich da am Halse ?" Dann stieß Lep'ha seinen Atem auf den Jüngsten. Der Atem Lep'has war wie Feuer. Er verbrannte die Kleider des Jüngsten. Der Jüngste aber schlug mit dem Säbel wieder zu und Lep'ha den zweiten Kopf ab. Lep'ha und der Jüngste kämpften miteinander. Die Erde zitterte, die Steine auf dem Tachluit stürzten um. Es war wie heller Tag, so leuchtete der Atem Lep'has. In der Luft war es wie ein starker Sturm, durch den Blitze (=theakath) fallen. Der Jüngste schlug Lep'ha sechs Köpfe ab. Lep'ha richtete sich dann mit aller Kraft auf. Lep'ha blies den flammenden Atem auf den Jüngsten und sagte: "Hier ist mein letzter Kopf!" Lep'ha wollte den Jüngsten verbrennen. Der Jüngste aber ergriff seinen Säbel und rief: "Und dies ist mein letzter Schlag." Der Jüngste traf gut. Der siebente und letzte Kopf Lep'has fiel auf die Erde. Das Blut floß aus dem Leibe Lep'has. Es floß wie ein Strom im Gebirge. Das Blut bedeckte den ganzen Tachluit und verlöschte die Lampe, die der Jüngste sich entzündet hatte. Der Jüngste wußte nun nicht,



Atlantis Bd_02-185 Flip arpa

wie er den Leib Lep'has begraben sollte. Er fürchtete, daß, wenn er dies nicht tue, seine Brüder am andern Tage die Geschichte erfahren würden. Der Jüngste blickte zwischen den Steinen des Tachluit hindurch hinaus und sah in der Entfernung ein Licht.



***
Der Jüngste sprang zwischen den Steinen (des umfassenden [Chromlechs]) des Tachluit hindurch hinaus in das Freie. Er lief auf das Licht zu, das er in der Entfernung sah. Er kam am Wege zu zwei Männern, von denen wickelte der eine einen schwarzen Wollfaden auf ein Knäuel (=thäkkurin), der andere wickelte einen weißen Faden von einem Knäuel. Der Jüngste fragte die beiden Männer: "Was macht ihr beide hier?" Die Männer sagten: "Wir sind hier, um den Tag zu erarbeiten und ihn wieder in der Nacht zur Ruhe zu legen." Der Mann mit dem schwarzen Faden sagte: "Ich wickle die Dunkelheit auf. Es will bald Tag werden." Der Mann mit dem weißen Faden sagte: "Ich wickle die Helligkeit ab. Die Nacht ist bald zu Ende." Der Jüngste sagte: "Laßt den Tag mit eurer Arbeit so lange in Ruhe, bis ich das Licht von dort herbeigeholt habe." Die Männer sagten: "Das dürfen wir nicht. Es gibt Kranke, die mit Ungeduld den Tag erwarten. Es gibt Tote, die herumstreifen und die allzulange Nacht zu Unheil nützen." Der Jüngste aber zog den Säbel und sagte: "Entweder ihr tut, wie ich euch sage, oder ich schlage euch mit dem Säbel die Köpfe ab." Die beiden Männer erschraken und sagten: "Es ist gut; wir wollen dir versprechen, die Arbeit liegen zu lassen; du aber versprich uns, deine Unternehmung so schnell zu erledigen, als es dir möglich ist." Der Jüngste sagte: "Ich verspreche euch, meine Unternehmung so schnell zu Ende zu führen, als es mir möglich ist."

Der Jüngste lief dann in großer Schnelligkeit auf das Licht zu. Er kam an einen Wald, im Walde an ein Haus, von dem ging das Licht aus. Das Haus gehörte 99 Wuarssen. Als der Jüngste in das Haus kam, sah er, daß die 99 Wuarssen ausgegangen waren, daß aber 70 Leichen von Menschen am Boden lagen. Der Jüngste sah sich noch um, da kamen die 99 Wuarssen heulend nach Hause. Der Jüngste versteckte sich zwischen den Leichen. Die 99 Wuarssen witterten in der Luft umher und riefen: "Es muß ein Lebender zwischen den Leichen liegen." Die 99 Wuarssen nahmen Nadeln (=tissinith) und stachen in die Leichen. Sie sagten: "Der Lebende wird schreien." Sie stachen auch in den Jüngsten. Der Jüngste aber regte sich nicht. Die 99 Wuarssen sagten: "Wir müssen uns



Atlantis Bd_02-186 Flip arpa

geirrt haben. Vielleicht ist an einer der Leichen noch der Geruch des Lebendigen."

Die 99 Wuarssen begannen nun ihr Abendessen zu bereiten. Die 99 Wuarssen hatten 99 Rebhühner und 99 Eßlöffel. Die 99 Wuarssen setzten das Wasser über das Feuer. Der Jüngste kam aber heimlich heran und stürzte den Wasserkessel, so daß das Feuer erlosch und nun alles dunkel war.*

Die 99 Wuarssen setzten sich nun im Dunkeln hin. Sie wollten essen. Der Jüngste setzte sich zwischen sie. Sie konnten ihn nicht sehen. Der erste Wuarssen sagte: "Ergreift eure Löffel!" Die Wuarssen und auch-der Jüngste ergriffen je einen Löffel. Der erste Wuarssen sagte: "Ergreift jeder sein Rebhuhn." Die Wuarssen und auch der Jüngste ergriffen je ein Rebhuhn. Ein Wuarssen aber rief: "Ich habe keinen Löffel!" Ein anderer Wuarssen rief: "Ich habe kein Rebhuhn." Der erste Wuarssen sagte: "So legt alle eure Löffel und Rebhühner wieder hin, damit ich sie zähle." Alle Wuarssen und auch der Jüngste legten ihre Löffel und Rebhühner hin. Der erste Wuarssen zählte sie; es waren 99 Rebhühner und 99 Eßlöffel. Der erste Wuarssen sagte: "Es sind 99 Eßlöffel und 99 Rebhühner. Also nehme jeder das seine!" Die Wuarssen und der Jüngste nahmen jeder einen Löffel und ein Rebhuhn. Es rief aber wieder ein Wuarssen: "Ich habe keinen Löffel," und ein anderer: "Ich habe kein Rebhuhn." Der erste Wuarssen ließ sie wieder Löffel und Rebhühner zusammenlegen. Er zählte wieder. Er fand 99 Löffel und 99 Rebhühner. Er hieß sie wieder jeden das Seine aufnehmen. Sie taten es. Wieder rief ein Wuarssen: "Ich habe keinen Löffel!" und ein anderer: "Und ich habe kein Rebhuhn."

Alle 99 Wuarssen schrien nun: "Es muß ein Fremder zwischen uns sein." Die 99 Wuarssen sagten: "Wenn ein Fremder unter uns ist, so soll er es sagen. Wir schwören ihm, daß wir ihm nichts tun werden, sondern daß wir ihn wie unseren Bruder unter uns aufnehmen wollen." Der Jüngste stand nun auf und sagte: "Ich bin unter euch." Die 99 Wuarssen luden ihn darauf ein, bei ihnen zu bleiben und ihr Mahl zu teilen. So aß der Jüngste mit den 99 Wuarssen.

Nach dem Essen erhoben sich die 99 Wuarssen und legten ihre



Atlantis Bd_02-187 Flip arpa

Gürtel um, um zu gehen. Der Jüngste fragte die 99 Wuarssen: "Wohin geht ihr?" Die 99 Wuarssen sagten: "Wir kämpfen jeden Tag gegen einen Agelith, der in einem hohen Hause (=thräja; Plural: thräjes) wohnt. Der Agelith hat sieben Hunde, die schützen sein Haus. Hätte er nicht diese Hunde, so würden wir das Haus längst zerstört und seine Tochter, die sehr schön ist, genommen haben." Der Jüngste sagte: "Darf ich euch begleiten?" Die 99 Wuarssen sagten: "Gewiß kannst du uns begleiten." Der Jüngste sagte: "So nehmt mir ein Themuetz (ein weibliches, fast erwachsenes Kalb, das noch nicht gedeckt ist) mit." Die 99 Wuarssen machten sich mit dem Jüngsten und dem Themuetz auf den Weg. Sie kamen zu der Burg (=thraja) des Agelith.

Der Jüngste schlachtete das Themuetz; er schnitt es in sieben Teile. Er sagte zu den Wuarssen: "Nun versteckt euch." Die 99 Wuarssen versteckten sich. Der Jüngste ging mit den sieben Teilen des Themuetz hin und warf jedem der sieben Hunde einen Teil des Themuetz vor. Die sieben Hunde stürzten sich darauf. Die sieben Hunde fraßen. Der Jüngste rief die Wuarssen herbei und sagte zu ihnen: "Nun stellt euch einer auf den andern, so daß ihr eine Leiter bildet, die bis zu dem Fenster des Tarorfiz der Burg (=thraja) reicht. Dann werde ich hinaufsteigen und euch einen nach dem andern in das Fenster helfen."

Die Wuarssen taten es so. Sie stellten sich einer auf den andern und bildeten so eine Kette, die bis zum Fenster des obersten Geschosses reichte. Der Jüngste stieg hinauf. Er stieg in das Fenster. Er rief herunter: "Nun kommt einer nach dem andern herein." Der erste Wuarssen kam in die Kammer. Kaum war er darin, so schlug der Jüngste ihm den Kopf ab. Der zweite kam. Der Jüngste schlug ihm den Kopf ab. Alle 99 Wuarssen kamen zum Fenster hinein in die Kammer. Der Jüngste schlug allen 99 Wuarssen den Kopf ab. Die ganze Kammer war mit Blut gefüllt.

Der Jüngste ging aus der Kammer in die andern Räume des Schlosses. Er kam in eine Kammer, in der lag die schöne Tochter des Agelith auf ihrem Lager. Eine Lep'ha mit sieben Köpfen lag aber neben dem Mädchen zu seinem Schutze. Der Jüngste trat herein. Der siebenköpfige Drache wollte sich auf den Jüngsten stürzen und ihn töten. Der Jüngste ergriff sein Schwert und schlug alle sieben Köpfe der Lep'ha ab.

Der Jüngste trat an das Lager der Tochter des Agelith. Am Kopfende des Lagers stand eine Lampe aus Gold. Am Fußende des



Atlantis Bd_02-188 Flip arpa

Lagers stand eine Lampe aus Silber. Der Jüngste stellte die golden Lampe vom Kopfende an das Fußende und die silberne Lampe von Fußende an das Kopfende. Der Jüngste sah, daß am Kopfende und am Fußende je ein Kissen (= thathumta) lag. Der Jüngste wechselte sie um. Der Jüngste sah, daß an dem Finger der Tochter des Agelith ein Ring mit eingeschnittenen Zeichen war. Der Jüngste zog den Ring ab und steckte ihn selbst auf. Er nahm den Ring mit den Zeichen seiner Duar (= Sippe) von seinem Finger und steckte ihn an den Finger der Tochter des Agelith. Der Jüngste schnitt der Tochter des Agelith dann eine Locke (=theg[ge]toscht, die alte Form; heute sagt man meist: temsurth) ab. Die Locke steckte der Jüngste in seine Tasche. Der Jüngste ging aus der Burg. Er kehrte zurück zu dem Hause der Wuarssen. Er nahm dort das Feuerzeug (= lekao) und machte sich dann auf den Heimweg zu dem Tachluit, auf dem sein Vater begraben lag. Unterwegs kam er an den beiden Männern vorbei, die den Faden der Nacht und den Faden des Tages auf ihren Knäueln hatten. Die beiden Männer waren zornig und sagten: "Du hast sehr lange gebraucht. Wir haben viel Zeit für unsere Arbeit verloren." Der Jüngste sagte: "Ich habe euch versprochen, meine Unternehmung so schnell zu erledigen, wie ich könnte. Ich habe es getan. Wenn ihr einen Mann findet, der in einer Nacht so viel zu tun hat, wie ich zu tun hatte, so ist euer Zorn gerecht."

Der Jüngste ging dann auf den Tachluit. Er entzündete ein Feuer. Er verscharrte die Leiche der Lep'ha nahe an dem Grabe seines Vaters. Die sieben Köpfe der Lep'ha steckte er in seine Tasche. Danach legte er sich hin und schlief. Als es Morgen war, nahm er seine Matte und seinen Säbel und ging zurück in das Haus seiner Brüder. Er sagte aber zu seinen Brüdern und den Frauen im Hause nichts davon, was er in der Nacht erlebt hatte.



***
Als der nächste Morgen graute, rief der Agelith der Burg eine Magd und rief: "Bringe mir Wasser zum Waschen." Die Magd lief aus dem Hause und wollte zum Brunnen gehen. Sie hörte es aber vom Tarorfiz her herabrieseln und sagte: "Ah! Es hat die Nacht also geregnet, und nun läuft das Wasser vom Dache ab. Ich kann dort also Wasser nehmen und brauche nicht bis zum Brunnen zu laufen." Die Magd hielt ihr Gefäß unter die Flüssigkeit, bis es (Tongefäß = thabakith) voll war und brachte es dem Agelith herauf.



Atlantis Bd_02-189 Flip arpa


Der Agelith wusch sich mit der Flüssigkeit, die die Magd aufgefangen hatte und ging, als es Tag geworden war, zu dem Thimamorth (=Versammlungsplatz der Männer und Burschen). Die Alten begrüßten den Agelith und sagten: "Weshalb hast du dein Gesicht und deine Hände mit Blut gefärbt?" Der Agelith betrachtete seine Hände und sagte: "Sie sind rot, und doch habe ich mich nur gewaschen." Die Alten sagten: "Dann hast du dein Gesicht und deine Hände mit Blut gewaschen." Der Agelith rief die Magd und fragte sie: "Wo hast du heute morgen das Blut genommen, mit dem ich mich gewaschen habe?" Die Magd erschrak und sagte: "Ich habe kein Blut genommen, sondern in meinem Gefäß das Regenwasser aufgefangen, das vom Dach des Tarorfiz herabrieselte." Die Alten sagten: "Es hat heute nacht aber nicht geregnet."

Der Agelith sagte: "Kommt, wir wollen das ansehen." Der Agelith ging mit den Alten zu dem Tarorfiz. Sie sahen, daß das Blut noch immer aus der obersten Kammer herausfloß. Sie gingen zurück in die Burg und stiegen die Leiter hinauf. Sie öffneten die Kammer. Sie sahen die Leichen der 99 Wuarssen und ihre 99 Köpfe im Blute liegen. Alle Leute kamen herauf. Alle Leute stießen Schreie der Freude aus. Alle Leute jubelten.

Von dem Jubel erwachte die Tochter des Agelith. Die Tochter des Agelith sah um sich. Sie sah, daß das Kissen an ihrem Kopfende und das Kissen an ihrem Fußende umgewechselt waren. Sie sah, daß die goldene Lampe vom Kopfende am Fußende und daß die silberne Lampe vom Fußende am Kopfende ihres Lagers stand. Sie sah, daß die Lep'ha tot war. Sie sah, daß ihre Locke abgeschnitten war. Sie sah, daß auf ihrem Finger ein fremder Ring mit fremden Zeichen statt des ihrigen steckte. Sie hörte die Leute wieder in der Burg schreien: "Die 99 Wuarssen sind tot! Die 99 Wuarssen sind tot." Die Tochter des Agelith schrie vor Freude! Sie sagte: "Diesen Mann, der das tat und keinen andern will ich heiraten."

Der Agelith rief alle Leute zusammen und sagte: "In dieser Nacht hat ein Mann die 99 Wuarssen getötet, die jeden Morgen mit uns Krieg führten. Der, der das getan hat, der soll mein Nachfolger werden. Ich will ihm meine Tochter zur Frau geben und mit ihm alles teilen, was ich besitze. Wer sich aber meldet und nachher überwiesen wird, daß er gelogen hat, den werde ich töten lassen."

Bald darauf kam ein Mann und sagte: "Ich habe die 99 Wuarssen getötet." Der Agelith ließ ihn kommen und fragte: "Hast du einen



Atlantis Bd_02-190 Flip arpa

Ring?" Der Mann sagte: "Was soll ich für einen Ring haben?" Da ließ der Agelith ihn töten. Es kam ein Mann, der zeigte einen goldenen Ring und sagte: "Ich habe die 99 Wuarssen getötet." Der Agelith besah den Ring und sagte: "Dies sind nicht die Zeichen meiner Tochter." Der Agelith ließ ihn töten. Es kam ein dritter Mann und sagte: "Ich habe die 99 Wuarssen getötet, und hier ist der goldene Ring mit den Zeichen deiner Tochter." Der Agelith sagte: "Wo hast du die Locke?" Der Mann sagte: "Was für eine Locke ?" Der Agelith ließ ihn töten. Es kamen 99 Leute und logen: "Ich habe die 99 Wuarssen getötet." Der Agelith ließ jeden einzeln, er ließ alle 99 Lügner töten. Danach kamen keine Lügner mehr.

Es kam aber ein Mann zu dem Agelith, der sagte: "Laß mich im Dorf ein Haus bauen, in welchem ich Tee (früher aus zwei Kräutern bereitet) an alle Durchziehenden verschenke und laß alle Durchziehenden bei mir übernachten. Auf diese Weise werde ich es innerhalb eines Jahres erfahren, wer die 99 Wuarssen getötet hat." Der Agelith sagte: "Es ist mir recht. Aber wenn du es nicht innerhalb eines Jahres erfährst, lasse ich dich töten, wie die 99 andern." Der Mann baute sein Haus, verschenkte seinen Tee und hatte lange Monate hindurch viele durchziehende Gäste. Aber er konnte die Leute befragen, soviel er wollte. Er erfuhr nicht, wer der Mann gewesen war, der die 99 Wuarssen getötet hatte. Der Mann erhielt vom Agelith viele Hammel für viele Abendessen, die er den durchreisenden Leuten vorsetzte. Das Jahr, das er sich ausbedungen hatte, strich hin, und den Namen des Töters der 99 Wuarssen erfuhr er nicht. Der Mann ward sehr betrübt und sagte zu seinem Freunde: "Mein Kopf sitzt nur noch ganz kurze Zeit auf meinem Körper."

Die drei Söhne des Agelith waren inzwischen daheim in einen Zwiespalt gekommen. Sie stritten untereinander, wer von ihnen der Tüchtigste sei. Der älteste der drei Brüder sagte eines Tages: "Kommt, wir wollen zusammen eine Wanderung unternehmen; da werden wir es ja sehen, wer von uns der Tüchtigste ist." Die andern waren damit einverstanden. Die drei Brüder machten sich gemeinsam auf den Weg.



***
Die drei Brüder kamen eines Abends zu dem Teewirt. Der Tee-1) wirt begrüßte sie und sagte: "Ihr seid zur rechten Zeit gekommen. Morgen wird mich der Agelith töten lassen, weil ich ein Versprechen nicht erfüllt habe. So helft mir denn, diesen Abend noch recht fröhlich zu verbringen. Ich bitte euch, nehmt mit mir ein gutes Abendessen



Atlantis Bd_02-191 Flip arpa

ein und bleibt bis morgen früh mit mir wach." Die drei Brüder waren gerne bereit, dem Teewirt diesen Gefallen zu tun. Der Teewirt ließ von dem Agelith einen Hammel holen. Er ließ seine Frau ein gutes Essen bereiten. Er aß mit den drei Brüdern zusammen und sagte nach dem Essen: "Nun wollen wir einander erzählen, was wir erlebt haben." Die drei Brüder sagten: "Wir sind einverstanden." Der Teewirt sagte: "Dann soll der Älteste von euch beginnen."

Der Älteste sagte: "Ich habe nicht viel erlebt. Als aber unser Vater gestorben war, hatte ich als Ältester in der ersten Nacht sein Grab zu bewachen. Um Mitternacht kam eine Teriel. Ich tötete sie. Hier im Beutel habe ich noch ihre Ohren. Das ist alles." Der Zweite sagte: "Ich habe nicht mehr erlebt. Als unser Vater gestorben war, hatte ich auf seinem Grabe die zweite Nacht Wache. Um Mitternacht kam ein Löwe. Ich tötete ihn und schnitt ihm die Ohren ab. Hier im Beute! habe ich sie noch. Das ist alles." Der jüngste Sohn sagte: "Ich habe auch nicht viel mehr erlebt. Als unser Vater gestorben war, hatte ich die dritte Nachtwache auf seinem Grabe. Als es Mitternacht war, kam ein siebenköpfiger Drache. Ich schlug ihm den Kopf ab. Das Blut löschte die Lampe auf dem Grabe aus. Ich ging und suchte Licht. Ich traf 99 Wuarssen. Die 99 Wuarssen wollten eine Burg zerstören. Ich tötete die 99 Wuarssen. In der Burg war ein sehr schönes Mädchen, die von einem Drachen bewacht wurde. Ich tötete den Drachen, wechselte die Kissen und Lampen an ihrem Lager und nahm ihren Ring und eine Locke mit. Auf dem Rückweg holte ich das Feuerzeug aus dem Hause der Wuarssen, zündete auf dem Grabe meines Vater wieder die Lampe an, und das ist alles."

Der Teewirt sprang auf und schrie: "Zeige mir den Ring und die Locke der Tochter des Agelith." Der Jüngste öffnete seinen Beute! und sagte: "Hier sind die sieben Köpfe der Lep'ha. Hier ist die Locke der Tochter des Agelith. Und hier am Finger ist der Ring der Tochter des Agelith." Als der Teewirt das sah, stieß er einen Schrei der Freude aus und rief: "Morgen brauche ich nicht zu sterben! Morgen werde ich nicht getötet! Der Mann, der die 99 Wuarssen getötet hat, ist gefunden." Der Teewirt sprang auf den Jüngsten zu, er umarmte und küßte ihn und veranstaltete ein großes Fest.

Der Agelith hörte von der Burg aus die Töne des Festes zu sich herüberklingen. Er rief einen Boten und sagte: "Geh zum Teewirt und frage ihn, was die Ursache des Festes ist, das er veranstaltet."



Atlantis Bd_02-192 Flip arpa

Der Bote ging. Er kam zu dem Teewirt und sagte: "Der Agelith läßt fragen, warum ihr ein Fest feiert." Der Teewirt sagte: "Es ist weiter nichts. Ich feiere nur den letzten Tag meines Lebens, denn morgen will der Agelith mich ja töten lassen."

Am andern Morgen wollten die drei Brüder sich auf den Weg machen und weiter wandern. Der Teewirt beschwor sie und sagte: "Bleibt heute noch über Tag hier und helft mir, daß ich nicht getötet werde." Die drei Brüder sagten: "Wie sollen wir dir helfen, daß du nicht getötet wirst?" Der Teewirt sagte: "Es genügt, wenn ihr dabei seid, wenn der Agelith über mein Leben entscheidet. Weiter verlange ich nichts von euch." Die drei Brüder sagten: "Wenn es nichts weiter ist, so wollen wir bei dir bleiben." Die drei Brüder blieben. Als es Mittag war, kam ein Bote des Agelith und sagte zu dem Teewirt: "Das Jahr ist abgelaufen. Der Agelith erwartet dich auf dem Platze der Männerversammlung." Der Teewirt sagte: "Ich komme."

Der Teewirt ging mit den drei Brüdern zu dem Platze der Männerversammlung. Der Bote führte ihn zu dem Agelith; neben dem Agelith stand der Mann, der dem Teewirt den Kopf abschlagen sollte. Der Agelith fragte den Teewirt: "Du hast vor einem Jahr dich anheischig gemacht, innerhalb von zwölf Monaten den Mann zu finden, der die 99 Wuarssen in meiner Burg getötet und uns damit vor unserm Untergang bewahrt hat. Das Jahr ist heute verstrichen. Hast du den Mann gefunden, so werde ich dich nach meinem Versprechen reich beschenken. Hast du ihn aber nicht gefunden, so werde ich dich, wie ich es vorher gesagt habe, jetzt töten lassen. Sage also, ob du ihn gefunden hast?" Der Teewirt sagte: "Ja, ich habe den Mann gefunden. Hier ist er." Der Teewirt zeigte auf den jüngsten der drei Brüder.

Die Männer in der Versammlung sprangen auf. Sie riefen: "Ist es wahr, oder ist es gelogen? Hat er den Ring mit den Zeichen der Tochter des Agelith? Hat er die Locke von dem Kopfe der Tochter des Agelith? Hat er die Köpfe des Drachen?" Der Jüngste öffnete den Sack und zog die Köpfe des Drachen, den er auf dem Grabe seines Vaters getötet hatte, hervor. Er zog die Köpfe des Drachen, den er in der Kammer der Tochter des Agelith getötet hatte, hervor. Er zog die Locke vom Kopfe der Tochter des Agelith, die er abgeschnitten hatte, hervor. Er zeigte den kleinen Finger und sagte: "Hier trage ich den Ring mit den Zeichen der Tochter des Agelith; sie hat an ihrem Finger den Ring mit den Zeichen meines



Atlantis Bd_02-193 Flip arpa

Duar." Die Leute riefen: "Es ist wahr; es ist keine Lüge. Dieser Mann hat die 99 Wuarssen getötet." Der jüngste der drei Brüder erhob sich und sagte zu seinen Brüdern: "Kommt, meine Brüder, wir wollen nun unsere Wanderung fortsetzen."

Der Agelith fiel dem Jüngsten in die Arme und sagte: "Nein, du darfst nicht gehen, du mußt meine Tochter heiraten. Du sollst mein Nachfolger werden. Du sollst am Morgen Herr sein, und ich werde am Abend Herr sein." Der Agelith führte den Jüngsten in seine Burg. Er führte ihn zu seiner Tochter. Er sagte: "Dies ist der Mann, der uns von den 99 Wuarssen befreit hat." Die Tochter des Agelith sah ihn. Sie sah, daß er schön war. Der Jüngste sah die Tochter des Agelith und sah, daß sie schöner war, als irgendeine Frau auf dieser Erde. Der jüngste der drei Brüder sagte: "Ich trage deinen Ring auf meinem Finger." Die Tochter sagte: "Ich trage deinen Ring auf meinem Finger und werde ihn nicht wieder abziehen."

Der Agelith veranstaltete ein Fest, das währte sieben Tage und sieben Nächte. Der jüngste der drei Brüder heiratete die Tochter des Agelith. Der Agelith beschenkte den Teewirt reich. Nach sieben Tagen nahmen die beiden Brüder von dem Jüngsten Abschied und sagten: "Wir wissen nun, wer der Tüchtigste unter uns dreien ist. Wir werden nun nach Hause zurückkehren. Laß es uns wissen, wenn du uns brauchst." Der jüngste Bruder sagte: "Lebt wohl und habt Dank dafür, daß ihr mich hierher begleitet habt. Seht von Zeit zu Zeit auf die drei Stöcke, die uns unser Vater im Garten hat pflanzen lassen und vergeßt nicht, daß es, solange sie grün sind, mir gut geht, daß ich aber, wenn einer von ihnen welkt, eure Hilfe nötig habe." Die drei Brüder nahmen von einander Abschied. Die beiden älteren wanderten wieder nach Hause. Der Jüngste blieb bei seiner jungen, schönen Frau in der Burg des Agelith.



***
Eines Tages gingen alle Leute des Agelith auf die Jagd. Der Agelith fragte seinen Schwiegersohn: "Möchtest du wohl auch mit auf die Jagd gehen?" Der Jüngste sagte: "Ich habe große Lust hierzu." Der Agelith sagte: "So nimm deine Waffen, besteige auch einen Maulesel und jage, wo du Lust hast. Nur jenen Hügel darfst du nicht betreten." Der Jüngste sagte: "Ich werde deine Worte nicht vergessen."

Der Jüngste bestieg den Maulesel und ritt zur Jagd. Aber wo er auch ein Tier traf, immer lief es fort, gerade auf den Hügel, den zu



Atlantis Bd_02-194 Flip arpa

betreten der Agelith ihm verboten hatte. Der Jüngste wurde zornig. Endlich traf er eine Gazelle, die er eine Zeitlang verfolgen konnte. Plötzlich aber bog die Gazelle von ihrer Richtung ab und lief auch auf den Hügel. Da vergaß der Jüngste die Worte des Agelith; er ritt hinter der Gazelle her, in den Wald auf den Hügel.

In dem Walde auf dem Hügel wohnte aber eine Teriel. Die Teriel kam dem Jüngsten entgegen. Die Teriel sagte: "Sei mir gegrüßt, mein Sohn! Ich habe dich lange nicht gesehen." Danach verschlang die Teriel den Jüngsten samt seinem Maulesel.

Drei Tage, nachdem der Jüngste von der Teriel verschlungen war, ging der älteste Bruder daheim einmal durch den Garten. Er sah die Stöcke, die der Vater vor seinem Tode die drei Brüder hatte pflanzen lassen und die sonst mit grünem Laub bedeckt waren. Der älteste Bruder blickte auf die Stöcke und erschrak. Der Stock des jüngsten Bruders war verdorrt. Der älteste Bruder ging zu seinem zweiten Bruder und sagte: "Mein Bruder, unserm jüngsten Bruder muß ein Unglück zugestoßen sein. Ich sah soeben, daß sein Stock verdorrt ist und werde sogleich zu der Burg reiten und sehen, was ihm geschehen ist."

Der älteste Bruder bestieg einen Maulesel und ritt zur Burg des Agelith. Der Agelith sah ihn. Der älteste Bruder war aber dem jüngsten so ähnlich, daß der Agelith sie nicht voneinander unterscheiden konnte. Der Agelith sagte: "Du bist lange ausgeblieben, mein Sohn! Deine Frau erwartet dich mit Ungeduld." Der Älteste ging zu der jungen Frau. Die junge Frau sah nicht, daß es der Bruder ihres Gatten war. Sie hielt ihn für ihren Mann. Die junge Frau sagte: "Mein Mann, du warst vier Tage lang auf der Jagd. Weshalb bliebst du so lange fort! Jetzt wirst du müde sein, komm schnell mit mir schlafen." Der Älteste ging mit der jungen Frau in die Kammer. Er legte sich nieder. Er legte aber zwischen sich und die junge Frau sein Schwert. Nachts erwachte die junge Frau. Sie sah das Schwert zwischen sich und dem Manne. Sie begann zu weinen. Sie lief zu ihrer Mutter und sagte: "Mein Mann hat eine andere Frau lieber als mich. Er hat heute nacht sein Schwert zwischen mich und sich gelegt." Die Mutter sagte: "Warte ab mein Kind! Du kannst noch nicht wissen, was das zu bedeuten hat! Dein Mann wird sich dir offenbaren." Der Älteste stand inzwischen früh auf. Er ging zum Agelith und sagte: "Ich will wieder zu der Jagd, dahin, wo ich her kam." Der Agelith sagte: "Es ist recht, mein Sohn. Aber wie vor vier Tagen



Atlantis Bd_02-195 Flip arpa

warne ich dich auch heute, den einen Hügel zu betreten." Der Älteste sagte: "Sage mir noch einmal, mein Vater, welcher Hügel es ist; ich habe es vergessen." Der Agelith sagte: "Es ist jener Hügel dort!"

Der älteste Bruder bestieg seinen Maulesel und ritt auf den Hügel zu. Er sagte bei sich: "Dieser Hügel muß es sein, auf dem meinem Bruder ein Unglück widerfahren ist." Der Älteste ritt auf den Hügel zu. Er kam in den Wald auf den Hügel. Die Teriel kam. Der Älteste erkannte sogleich, daß diese Frau eine Teriel war. Er sprach zu seinem Maulesel: "Mein Maulesel paß auf. Diese Frau dort ist eine Teriel. Ich werde sie zuerst begrüßen, damit sie mich dann nach ihrer Art fragt, von welcher Seite sie anfangen soll, mich zu verschlingen. Ich werde sagen: ,Von hinten.' Sie wird sogleich anfangen, dich von hinten zu verschlingen. Ich halte dich aber am Ohr, und du kannst ihr dann deine Hufe zeigen." Der Maulesel war einverstanden.

Die Teriel kam näher. Der Älteste rief ihr aus der Ferne zu: "Sei gegrüßt, meine Mutter!" Die Teriel sagte: "Ich danke dir. Da du mich so freundlich grüßt, will ich zu dir nachher auch freundlich sein. Was hast du auf der Jagd erlegt?" Der Älteste sagte: "Ich habe Rebhühner erlegt. Hier hast du eines." Der Älteste warf der Teriel ein Rebhuhn zu. Die Teriel verschlang es und sagte: "Gib mir mehr." Der Älteste warf ihr ein zweites, ein drittes und noch mehr Rebhühner zu, bis er keine Rebhühner mehr hatte. Die Teriel war aber nicht satt, sondern sagte: "Was gibst du mir nun, damit ich satt werde?" Der Älteste sagte: "Nimm meinen Maulesel!" Die Teriel sagte: "Soll ich von vorn oder von hinten anfangen, ihn zu verschlingen?" Der Älteste sagte: "Fange von hinten an."

Der Älteste stieg vom Maulesel. Er hielt den Maulesel am Ohr. Die Teriel kam von hinten an den Maulesel; als sie aber ganz dicht herangekommen war, schlug der Maulesel nach hinten aus und traf die Teriel gerade vor den Kopf. Der Schlag war so stark, daß die Teriel sogleich der Länge nach ins Gras fiel. Der Älteste sprang aber hinzu, zog das Schwert und hieb ihr mit einem Schwertschlag den Kopf ab.

Dann öffnete er mit einem zweiten Schnitt den Leib der Frau. Er fand darin seinen jüngsten Bruder und dessen Maulesel. Sie waren beide scheintot (= tharan). Der älteste Bruder glaubte aber, sein jüngster Bruder sei ganz tot. Er legte ihn in das Gras und weinte über ihn bis tief in die Nacht hinein. Nachts flogen zwei Vögel über



Atlantis Bd_02-196 Flip arpa

seinem Kopfe. Sie sagten zueinander: "Da ist ein Mann, der hat seinem jüngsten Bruder erst Gutes getan; dann aber hat er damit aufgehört und weint nur noch. Wenn er klug ist, sucht er das Kraut Taschischt und hält es seinem scheintoten Bruder unter die Nase." Der-älteste Bruder hörte, was die beiden Vögel zueinander sprachen. Er stand sogleich auf und suchte das Kraut Taschischt. Er fand es und hielt es seinem Bruder unter die Nase. Sogleich richtete sich sein jüngster Bruder auf und sagte: "Du bist es, mein ältester Bruder." Beide fielen sich in die Arme und weinten vor Freude.

Als es Morgen war, bestiegen beide Brüder ihre Maulesel und ritten zurück zur Burg des Agelith. Sie wurden herzlich empfangen. Der Jüngste ging zu seiner jungen Frau. Er fand sie weinend. Er fragte sie: "Was hast du? Weshalb weinst du? Freust du dich nicht, mich zurückerhalten zu haben?" Die junge Frau sagte: "Weshalb hast du gestern das Schwert zwischen mich und dich gelegt? Hast du eine andere lieber als mich ?" Der jüngste Bruder sagte: "Das muß mein ältester Bruder gewesen sein. Denn ich konnte das gestern nicht tun. Ich war noch im Bauche der Teriel im Walde auf dem Hügel."


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt