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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

UBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 2

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON 'AZÎZ UND 'AZÎZA

Mein Vater war ein großer Kaufmann, doch Allah hatte ihm kein anderes Kind beschert als mich. Nun hatte ich eine Base namens 'Azîza, mit der ich im Hause meines Vaters erzogen wurde; denn ihr Vater war tot, und vor seinem Tode hatte er



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mit meinem Vater vereinbart, daß ich mit ihr vermählt werden sollte. Als wir nun beide herangewachsen waren, ich zum Manne und sie zur Jungfrau, trennte man uns beide nicht, bis schließlich mein Vater zu meiner Mutter sprach und sagte: ,Noch in diesem Jahre wollen wir den Ehevertrag zwischen 'Azîz und 'Azîza schließen.' Nachdem er sich hierüber mit meiner Mutter geeinigt hatte, begann er für das Hochzeitsfest Vorräte aufzuspeichern. Immer aber schliefen wir noch auf demselben Lager, denn wir wußten nichts von den Dingen; doch war sie klüger, verständiger und kenntnisreicher als ich.

Als nun mein Vater die Vorbereitungen für das Fest beendet hatte und nichts mehr zu tun blieb, als daß der Vertrag aufgesetzt wurde und ich die Hochzeit mit meiner Base vollzog, da bestimmte er für die Niederschrift des Vertrages die Zeit nach dem Freitagsgebet. Dann machte er die Runde bei seinen Freunden unter den Kaufleuten und anderen und teilte es ihnen mit; und meine Mutter ging aus und lud ihre Freundinnen und ihre Verwandten ein. Als der Freitag kam, säuberte man den Saal, der für das Fest bestimmt war, wusch den Marmorboden, breitete überall in unserm Hause Teppiche aus und stellte alles Erforderliche auf, nachdem man auch die Wände mit golddurchwirktem Brokat geschmückt hatte. Die Gäste hatten ihr Erscheinen nach dem Freitagsgebete zugesagt; und also ging mein Vater hin und befahl, Süßigkeiten und Schüsseln mit Zuckerwerk herzurichten, so daß nichts mehr fehlte, als daß der Vertrag geschrieben würde. Nun hatte meine Mutter mich ins Bad geschickt, und mir nach sandte sie ein neues, sehr prächtiges Gewand; und als ich den Baderaum verließ, da legte ich jenes prächtige Kleid an, das mit Wohlgerüchen getränkt war, und wie ich es trug, durchduftete es den ganzen Weg. Ich hatte damals die Absicht, mich in die große Moschee



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zu begeben, doch ich erinnerte mich an einen meiner Freunde, und so kehrte ich um, auf der Suche nach ihm, damit auch er bei der Schließung des Vertrages zugegen wäre; und ich sprach bei mir selber: ,Das wird gerade bis zur Zeit des Gebetes dauern.' Dann trat ich in eine Gasse ein, die ich noch nie betreten hatte; ich schwitzte aber infolge des Bades und der neuen Kleidung, die ich trug, und der Schweiß rann mir herab, während meine Kleidung Wohlgerüche ausströmte. Da breitete ich am oberen Ende der Straße ein gesticktes Tuch, das ich bei mir hatte, über eine Steinbank und setzte mich darauf, um auszuruhen. Mehr und mehr jedoch bedrückte mich die Hitze, so daß mir die Stirn naß war und Tropfen über meine Wangen rannen; aber ich konnte mir das Gesicht mit dem Tuche nicht abwischen, weil es unter mir lag. Gerade wollte ich da den langen Ärmel meines Festgewandes fassen, um mir die Wangen abzuwischen, als unerwartet von obenher ein weißes Tuch auf mich herabfiel, das sich weicher anfühlte als der Zephir und dem Auge lieblicher schien als dem Kranken die Heilung. Ich ergriff es mit der Hand und hob die Augen auf, um zu sehen, wo dies Tuch heruntergefallen sei; da traf mein Blick auf den Blick der Besitzerin dieses Gazellenbildes.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 113. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Jüngling zu Tâdsch el-Mulûk sprach: ,Ich hob die Augen auf, um zu sehen, wo dies Tuch heruntergefallen sei, da traf mein Blick auf den Blick der Besitzerin dieses Gazellenbildes. Sie schaute durch die Öffnung eines messingenen Gitterfensters, nie haben meine Augen eine Schönere als sie geschaut, kurz, meine Worte können sie nicht beschreiben. Als sie merkte, daß ich sie ansah, da steckte sie



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ihren Daumen in den Mund und legte Mittelfinger und Zeigefinger zusammen auf ihren Busen zwischen die Brüste; dann zog sie den Kopf zurück, schloß das Fenster und ging davon. In meinem Herzen aber brach ein Feuer aus, und es ward eine lodernde Flamme daraus; dieser eine Blick ließ tausend Seufzer in mir zurück, und ich blieb ratlos sitzen, da ich kein Wort von ihr vernahm, noch auch ihre Zeichen verstand. Noch einmal blickte ich zu dem Fenster empor, doch ich fand es verschlossen; und geduldig wartete ich bis zum Untergang der Sonne, doch ich hörte keinen Laut und sah niemanden. Als ich nun daran verzweifelte, sie nochmals zu sehen, stand ich auf, nahm das Tuch und öffnete es; und ihm entströmte ein Moschusduft, der mich mit solch hoher Wonne durchschauerte, daß ich im Paradiese zu sein glaubte. Dann breitete ich es vor mir aus, und heraus fiel ein feines Briefchen; und als ich das Papier entfaltete, entströmte ihm köstlicher Wohlgeruch, und ich fand auf ihm den folgenden Spruch:

Ich sandte ihm einen Brief, klagend ob Liebeskummer,
Geschrieben in feiner Schrift -denn Schrift ist von mancherlei Art.
Da sagte mein Freund: Warum hast du denn so geschrieben?
Kaum kann ich die Zeichen erkennen, so fein sind sie und zart!
Ich sprach darauf: Weil ich selber so schmächtig bin und fein.
Der Liebenden Schrift soll immer also geartet sein.

Nachdem ich die Verse gelesen hatte, warf ich einen Blick auf die Schönheit des Tuches, und da sah ich, daß auf einem Rand noch dieser Doppelvers geschrieben stand:

Es schrieb sein Wangenflaum - o welch ein herrlicher Schreiber! Zwei Zeilen auf sein Antlitz in Schrift, so fein und schlank.
Verwirrt sind Sonne und Mond vor ihm, wenn er erscheinet;
Wenn er sich neigt, beschämt er die Zweige dünn und schwank.



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Und auf dem anderen Rande standen diese beiden Verse geschrieben:

Es schrieb sein Wangenflaum in Perlenschrift mit Ambra
Zwei Zeilen, wie mit Gagat gemalt auf Äpfel fein.
Er tötet mit den Blicken der träumerischen Augen,
Und seine lieblichen Wangen berauschen, doch ohne Wein.

Als ich die Verse auf dem Tuche las, da entbrannten Feuerflammen in meinem Herzen, und sehnendes Sinnen erfüllte mich mit Schmerzen. Und ich nahm das Tuch und den Brief und ging damit nach Hause; denn ich wußte kein Mittel, zu ihr zu gelangen, und ich war in der Auslegung der Liebessprache noch unbefangen. Doch ich kam zu Hause erst an, als bereits ein Teil der Nacht verstrichen war, und sah meine Base in Tränen dasitzen. Sowie sie mich aber erblickte, wischte sie sich die Tränen ab, trat auf mich zu, nahm mir die Überkleider ab und fragte mich nach dem Grunde meines Ausbleibens und erzählte mir: ,All die Emire, die Vornehmen, die Kaufleute und die übrigen Gäste hatten sich in unserem Hause versammelt; und auch der Kadi und die Zeugen waren da. Sie aßen und blieben noch eine Weile sitzen, um dich zu erwarten und dann den Vertrag zu schreiben; doch als sie an deinem Kommen verzweifelten, da gingen sie auseinander und ihrer Wege. Dein Vater aber geriet in heftigen Zorn wegen all dessen, und er hat geschworen, er wolle den Ehevertrag jetzt erst im nächsten Jahre schreiben lassen, dieweil er viel Geld auf diese Festlichkeit verwendet hat.' Und schließlich fragte sie: ,Was ist dir heute widerfahren, daß du so lange ausgeblieben bist und daß dies alles wegen deines Fernseins geschehen mußte?' Ich antwortete: ,Liebe Base, frage nicht nach dem, was mir widerfahren ist!' Doch ich sprach ihr von dem Tuche und erzählte ihr alles, was vorgefallen war, von Anfang bis zu Ende. Da



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nahm sie den Brief und das Tuch und las, was darin geschrieben stand, und ihr rannen die Tränen die Wangen herab, und sie sprach die Verse:

Wer sagt, der Liebe Anfang sei ein freies Wählen,
Dem sage nur: Du lügst; nein, sie ist nichts als Zwang.
Und wer gezwungen ist, den trifft doch keine Schande.
Der Liebe Echtheit kündet auch ein rechter Klang. Als falsch erklärt man nicht die Münzen, die da echt.
Und wenn du willst, so sage auch: Ein süßes Leiden,
Ein wunder Schmerz im Leibe oder auch ein Schlag,
Ja, eine Gnade oder Plage oder ein Verhängnis,
Dran sich die Seele trösten oder quälen mag -
Ach, zwischen Leid und Freud find ich mich nicht zurecht.
Und doch, der Liebe Tage sind wie frohe Feste,
Ein immer während Lächeln einer schönen Maid,
Ein unbeschreiblich Fächeln süßer Wohlgerüche,
Und sie entrückt uns Fern von aller Häßlichkeit,
Nie suchte sie ein Herz sich aus, das Teig und schlecht.

Dann fragte sie mich: ,Was hat sie dir denn gesagt, und was für Zeichen hat sie dir gemacht?' Ich erwiderte: ,Sie hat nichts gesagt, sondern sie hat nur ihren Daumen in den Mund gesteckt, dann Zeigefinger und Mittelfinger zusammengetan und auf ihre Brust gelegt und nach unten gedeutet. Darauf hat sie ihren Kopf wieder zurückgezogen und das Fenster geschlossen, und ich habe sie nicht mehr gesehen. Aber sie hat mein Herz mit sich genommen. Bis zum Sonnenuntergange habe ich noch dort gesessen und gewartet, daß sie wieder aus dem Fenster schauen möchte: allein sie tat es nicht. Zuletzt verließ ich in meiner Verzweiflung jenen Ort und kam nach Hause. Das ist meine Geschichte. Nun bitte ich dich, hilf mir in meinem Elend!' Da hob sie ihr Haupt zu mir empor und sagte: ,Lieber Vetter, selbst wenn du mein Auge verlangtest, so würde



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ich es für dich mir unter den Lidern herausreißen. Ich kann nicht anders, ich muß dir zu deinem und ihr zu ihrem Ziele verhelfen. Denn wisse, sie ist in Liebe zu dir entbrannt wie du zu ihr!' ,Wie sind denn ihre Zeichen zu deuten?' fragte ich. 'Azîza antwortete: ,Daß sie den Daumen in den Mund steckte. bedeutet, du seist bei ihr so viel wert wie ihre Seele im Vergleich zu ihrem Leibe, und sie sei fest entschlossen, sich mit dir zu vereinen. Das Tuch bedeutet den Gruß der Liebenden an die Geliebten, das Blatt ist ein Zeichen dafür, daß ihre Seele ganz an dir hängt. Dadurch aber, daß sie die beiden Finger auf ihren Busen zwischen die Brüste legte, will sie dir sagen: Komm nach zwei Tagen hierher, auf daß mein Leid bei deinem Anblick weiche! Wisse nämlich, mein Vetter, sie liebt dich, und sie vertraut auf dich. So weit kann ich ihre Zeichen deuten. Ja, könnte ich frei ein und aus gehen, so würde ich euch beide gar bald vereinen und den Saum meines Gewandes über euch decken.'

,Als ich dies von ihr vernahm' —so fuhr der jüngling fort -, ,dankte ich ihr für ihre Worte und sprach bei mir selber: ,Ich will zwei Tage warten.' So blieb ich denn zwei Tage zu Hause und ging weder aus noch ein; ich aß und trank auch nicht, sondern ich legte mein Haupt auf den Schoß meiner Base, während sie mich tröstete mit den Worten: ,Sei gefaßt und entschlossen, hab Zuversicht und guten Mut!' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 114. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Jüngling dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren erzählte: ,Als nun die beiden Tage verstrichen waren, sprach meine Base zu mir: ,Hab Zuversicht und quäl dich nicht! Lege entschlossen dein Gewand an und



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geh zu ihr gemäß der Verabredung!' Dann ging sie hin und holte mir neue Gewänder und beräucherte mich mit duftenden Spezereien. Ich aber nahm mich zusammen, faßte mir ein Herz und trat hinaus; und ich ging dahin, bis ich in jene Gasse kam, und dort setzte ich mich eine Weile auf die Bank. Und siehe da, das Fenster tat sich auf, und ich erblickte sie mit meinem Auge. Doch wie ich sie sah, da sank ich ohnmächtig nieder. Als ich dann erwachte, nahm ich meine Kraft zusammen und faßte mir ein Herz, und wieder schaute ich sie an; allein die Sinne entschwanden mir. Wie ich aber dann wieder zu mir kam, erblickte ich in ihrer Hand einen Spiegel und ein rotes Tuch. Und indem sie mich anschaute, streifte sie die Ärmel von ihren Vorderarmen zurück, spreizte die fünf Finger ihrer einen Hand und schlug sich auf die Brust mit der Handfläche und den fünf Fingern. Dann hob sie ihre beiden Hände auf und hielt den Spiegel zum Fenster hinaus; hierauf nahm sie das rote Tuch und trat damit ins Zimmer zurück. Alsbald kam sie wieder und hielt das Tuch aus dem Fenster nach der Gasse zu hinunter; dreimal senkte und hob sie das Tuch, darauf rang sie es mit der Hand und legte es wieder zusammen, indem sie ihr Haupt neigte. Schließlich zog sie es zurück, schloß das Fenster und entschwand meinem Blick, ohne daß sie ein Wort zu mir gesprochen hätte. Ja, sie ließ mich allein in meiner Ratlosigkeit; denn ich wußte doch nicht, was sie mir angedeutet hatte. So blieb ich da, bis es Nacht ward. Erst gegen Mitternacht kam ich heim, und da fand ich meine Base, wie sie die Wange auf ihre Hand stützte und ihr die Tränen aus den Augen rannen. Und sie sprach diese Verse:

Was geht der Tadler mich an, der um deinetwillen mich schmähet? Wie gäb es einen Trost über dich, du Zweig so zart? O Antlitz, das mein Herz mir raubte und dann sich wandte,



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Vor dir hat keine Zuflucht die Liebe von Asras' Art!
Mit deinen Türkenblicken verwundest du die Herzen.
Wie nie die scharfe Klinge dem Feinde Wunden schlug.
Du ludest auf mich die Last der Liebe; doch ich Armer,
Ich habe zum Tragen des Hemdes nicht einmal Kraft genug!
Ja, ich hab Blut geweint, als meine Tadler sagten:
Aus deiner Liebsten Augen dräut dir ein tödlich Schwert.
O wäre doch mein Herz wie dein Herz. aber wehe.
Schmal wie dein schlanker Leib ist mir mein Leib verzehrt.
Du hast, Gebieterin, für die Schönheit einen Wächter,
Der hart ist gegen mich, einen Hüter, der Milde verneint.
Falsch ist's, wenn einer sagt, alle Schönheit sei in Joseph', Wie viele Josephs sind in deiner Anmut vereint!
Ich mühe mich ja so sehr, um deinen Blick zu ,neiden,
Aus Furcht vor den Augen der Späher. Welch Mühe voller Leiden!

Als ich ihre Verse vernahm, da wuchs mein Leid, und es mehrte sich meine Traurigkeit, so daß ich in einem Winkel des Hauses niedersank. Da aber eilte sie zu mir, hob mich auf, nahm mir die Überkleider ab und trocknete mein Gesicht mit ihrem Ärmel. Dann fragte sie mich nach dem, was mir widerfahren sei; und ich erzählte ihr alles, was ich erlebt hatte. Da sprach sie: ,Lieber Vetter, ihr Zeichen mit der Hand und den fünf Fingern bedeutet, daß du nach fünf Tagen kommen sollst. Daß sie aber den Spiegel zeigte, das rote Tuch senkte und hob und ihr Haupt zum Fenster hinaus neigte, dies bedeutet: Warte bei dem Färber laden, bis mein Bote zu dir kommt.' Als ich ihre Worte hörte, da flammte das Feuer in meinem Herzen auf, und ich rief: ,Bei Allah, liebe Base, du hast recht mit dieser Deutung; denn ich habe in der Gasse einen jüdischen Färber



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gesehen.' Wieder brach ich in Tränen aus, doch meine Base sprach: ,Fasse dich und sei festen Herzens! Sieh, andere werden jahrelang von Liebesgluten verzehrt und ertragen geduldig all das Feuer der Leidenschaft. Du aber hast nur eine einzige Woche zu warten; warum denn bist du so ungeduldige' So tröstete sie mich mit Worten. und dann brachte sie mir Speise. Ich nahm einen Bissen und wollte ihn essen; doch es war mir nicht möglich, ja Speise und Trank widerstanden mir, sogar auch der süße Schlummer floh mich. Nun ward meine Farbe bleich, und meine Schönheit schwand dahin: denn ich hatte vordem noch nie geliebt, noch das Feuer der Leidenschaft gekostet -dies war das erste Mal! Ich ward krank, und auch meine Base ward krank um meinetwillen. Und sie begann mir von den Schicksalen der treu Liebenden zu erzählen, um mich zu trösten, jede Nacht, bis ich einschlief; wenn ich dann aufwachte, so fand ich, daß sie um meinetwillen wach geblieben war und daß ihr die Tränen über die Wange strömten. Dieser Zustand dauerte fort, bis die fünf Tage vorübergegangen waren. Da ging meine Base hin, wärmte Wasser für mich und wusch mich damit. Dann legte sie mir meine besten Gewänder an und sprach zu mir: ,Geh hin zu ihr! Allah erfülle deinen Wunsch und gewähre dir, was du von deiner Geliebten erstrebst!' So ging ich fort und schritt dahin, bis ich zum Eingang der Gasse kam. Nun war jener Tag ein Sabbat, und daher fand ich, daß der Laden des Färbers geschlossen war. Ich setzte mich dort nieder, bis der Ruf zum Nachmittagsgebet erscholl, bis die Sonne erbleichte, bis zum Sonnenuntergangsgebet gerufen ward, ja bis die Nacht anbrach, ohne daß ich ein Zeichen von ihr sah, noch einen Laut oder eine Nachricht von ihr vernahm. Da fürchtete ich um mein Leben, wie ich so allein saß, und ich erhob mich und ging



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dahin wie ein Trunkener, bis ich nach Hause kam. Wie ich eintrat, erblickte ich meine Base 'Aziza: sie stand da und hielt sich mit ihrer einen Hand an einem Pflock, der in die Wand geschlagen war, und hatte die andere Hand auf ihre Brust gelegt. Tiefe Seufzer entrangen sich ihr, und sie sprach diese Verse vor mir:

Das Heimweh der Araberin, die fern von ihrem Stamme
Vor Sehnsucht nach Arabiens Weiden und Myrten stöhnt,
Wenn sie bei der reisigen Schar verweilt und die ihr das Leiden
Durch gastlich Feuer, die Tränen durch kühlen Trank verschönt -
Es kann nicht größer sein als meiner Liebe Weh!...
Mein Lieb denkt aber nur, daß ich eine Schuld begeh.

Als sie geendet hatte, wandte sie sich zu mir und blickte mich an; dann trocknete sie ihre Tränen und die meinen mit ihrem Ärmel, lächelte mich an und sprach: ,Mein lieber Vetter, Gott lasse dich genießen, was er dir gegeben hat! Doch warum bist du nicht die Nacht über bei deiner Geliebten geblieben und hast dein Verlangen an ihr nicht gestillte' Als ich das hörte, trat ich ihr mit dem Fuße gegen die Brust. Sie aber fiel auf die Estrade nieder, und ihre Stirn traf auf deren Kante, wo ein Pflock eingeschlagen war; der drang ihr in die Stirn. Wie ich sie dann anblickte, sah ich, daß ihr das Blut über das zerschlagene Antlitz rann.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 115. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Jüngling dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren erzählte: ,Als ich meiner Base mit dem Fuße gegen die Brust getreten hatte, fiel sie auf die Kante der Estrade nieder, und da drang ihr der Pflock in die Stirn, sodaß ihr das Blut über das zerschlagene Antlitz rann. Darauf schwieg



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sie still und sprach keinen Laut mehr. Aber alsbald erhob sie sich, brannte die Wunde mit einem glühenden Lappendocht aus, legte sich eine Binde um und wischte das Blut auf, das auf den Teppich geträufelt war. Als ob nichts geschehen sei, trat sie dann lächelnden Antlitzes auf mich zu und sprach zu mir mit sanfter Stimme: ,Bei Allah, lieber Vetter, ich habe diese Worte nicht gesagt, um dich oder sie zu verhöhnen. Ich war von Kopfschmerzen gequält, und ich hatte schon im Sinne, mich zur Ader zu lassen. Jetzt aber sind mir Kopf und Stirn leicht geworden; so berichte mir denn, wie es dir heute ergangen ist.' Da erzählte ich ihr alles, was mir von dem Mädchen an jenem Tage widerfahren war. Nachdem ich gesprochen hatte, weinte ich. Doch sie sagte: ,Lieber Vetter, vernimm die frohe Botschaft, daß du dein Ziel erreichen und deine Hoffnung erfüllt sehen wirst. Denn siehe, das war ein Zeichen, daß sie dich erhört hat. Und durch ihr Fortbleiben will sie dich nur auf die Probe stellen, auf daß sie erfahre, ob du in der Liebe zu ihr ausdauernd und aufrichtig bist oder nicht. Geh nur morgen wieder zu ihr an dieselbe Stätte wie vorher, und sieh, was für Zeichen sie dir geben wird. Jetzt ist deine Freude nah, und das Ende deiner Trauer ist da!' Mit solchen Worten suchte sie mich in meinem Schmerze zu trösten, aber mein tiefer Gram nahm immer noch zu. Darauf brachte sie mir Speisen; aber ich stieß mit dem Fuße dagegen, so daß die Schüsseln nach allen Seiten hin umfielen, und ich rief: ,Jeder, der liebt, ist von einem Waline befangen! Speise lockt ilm nicht, Schlaf erquickt ihn nicht!' ,Bei Allah,' sprach meine Base 'Azîza, ,lieber Vetter, dies sind fürwahr die Zeichen der Liebe.' Unter Tränen sammelte sie die Scherben der Schüsseln, wischte die Speisen auf und setzte sich wieder, um mit mir zu plaudern, während ich zu Gott betete, es möchte Morgen werden. Wie dann der Morgen



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sich einstellte und die Welt mit seinem Licht und Glanz erhellte, da eilte ich hin zu ihr; ich trat eilends in jene Gasse ein und setzte mich auf jene Bank nieder. Und siehe da, das Fenster war geöffnet, und sie steckte lachend ihren Kopf heraus. Dann verschwand sie, kehrte aber alsbald zurück mit einem Spiegel, einem Beutel und einem Blumentopfe voll grüner Pflanzen, während sie in der einen Hand eine Lampe trug. Das erste, was sie tat, war, daß sie den Spiegel in die Hand nahm und in den Beutel legte; dann band sie ihn zu und warf um ins Zimmer. Darauf ließ sie ihre Haare über ihr Antlitz fallen. setzte die Lampe einen Augenblick auf die Pflanzen, und dann nahm sie alles zusammen auf, ging damit fort und schloß das Fenster zu. Doch mein Herz war zerrissen von diesem Elend. von ihren Zeichen, die so geheimnisvoll waren, und ihren Andeutungen, den sonderbaren, bei denen sie kein Wort gesprochen hatte. Darum wuchs meine Leidenschaft, und immer stärker ward meiner Liebe wilde Kraft. Doch ich kehrte wieder um, mit Tränen in den Augen und betrübten Herzens, bis daß ich ins Haus eintrat. Dort sah ich meine Base mit dem Gesichte der Wand zugekehrt sitzen; ihr brannte ja das Herz vor Kummer und Gram und Eifersucht. aber ihre Liebe hielt sie zurück, und sie verriet mir nichts von ihren Gefühlen, denn sie sah den wilden Sturm der Leidenschaft mein Herz durchwühlen. Als ich sie nun ansah, erblickte ich auf ihrem Haupte zwei Binden, die eine über der Wunde auf ihrer Stirn, die andere über ihrem Auge, das ihr von dem heftigen Weinen schmerzte; sie war wirklich im tiefsten Elend, und unter Tränen sprach sie diese Verse:

Ich zähle all die Nächte, ich zähle sie Nacht für Nacht;
Einst hab ich, ohne die Nächte zu zählen. das Leben verbracht.
Ihr meine Freunde, fürwahr, ich kann es nimmer begreifen,



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Was Gott mit Leila beschlossen, noch, was er mir zugedacht.
Er bestimmte sie einem andern, mir gab er die Liebe zu ihr:
Was gäbe es andres als Leila, das mir noch Schmerzen macht?

Als sie geendet hatte, blickte sie nach mir; aber während sie mich ansah, weinte sie. Dann trocknete sie ihre Tränen und trat auf mich zu; doch sie konnte in ihrem Liebesweh kein Wort hervorbringen. Noch eine ganze Weile verharrte sie im Schweigen, dann hub sie an: ,Mein lieber Vetter, tu mir kund, wie es dir diesmal mit ihr ergangen ist!' Wie ich ihr alles berichtet hatte, sprach sie: ,Gedulde dich, denn die Zeit deiner Vereinigung mit ihr ist wirklich da, und du bist der Erfüllung deines Hoffens nah. Das Zeichen, das sie dir mit dem Spiegel gab, und wie sie ihn in den Beutel steckte, bedeutet, du mögest bis zum Sonnenuntergange warten. Daß sie ihr Haar über ihr Antlitz fallen ließ, heißt: Wenn die Nacht naht und tiefes Dunkel sich über das Licht des Tages herabläßt, dann komm. Und das Zeichen, das sie dir mit dem Blumentopfe und den Pflanzen darin gab, bedeutet: Wenn du kommst, so tritt in den Garten ein, der hinter der Gasse liegt. Ihr Zeichen mit der Lampe aber sagt dir: Wenn du in den Garten eingetreten bist, so geh weiter, und wo du eine Lampe leuchten siehst, dorthin geh und setze dich unter ihr nieder: erwarte mich, denn die Liebe zu dir bringt mich ums Leben.' Als ich diese Worte meiner Base vernommen hatte, schrie ich auf im Übermaß der Leidenschaft und sagte: ,Wie lange noch willst du mir Versprechungen machen? Wie oft soll ich noch zu ihr gehen, ohne mein Ziel zu erreichen und ohne einen wahren Sinn in deinen Deutungen zu finden?' Da lachte meine Base und erwiderte: ,Nur noch so lange brauchst du zu warten, bis der Rest dieses



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Tages vorübergeht, bis der lichte Tag sich senkt und die Nacht alles mit ihrem Dunkel umfängt. Dann wird dir ja die Vereinigung zuteil, und deine Hoffnungen werden erfüllt. Diese Worte sind wahr und ohne Falsch!' Dann sprach sie diese beiden Verse:

Laß die Tage immer nur enteilen,
In die Sorgen häuser tritt nicht ein!
Manches Ziel erscheint noch in der Ferne -
Dennoch ist die nahe Freude dein.

Dann trat sie auf mich zu und begann mich mit sanften Worten zu trösten; aber sie wagte nicht, mir mit Speisen zu nahen, denn sie fürchtete, ich würde ihr zürnen, und hoffte im stillen. ich würde meine Neigung ihr zuwenden. So tat sie denn nichts anderes, als daß sie mir die Überkleider abnahm; dann sprach sie: ,Lieber Vetter, setze dich, ich will dich unterhalten, damit du dich über die Zeit bis zum Abend hin weg tröstest. So Gott der Erhabene will, wirst du bei deiner Geliebten sein, wenn kaum die Nacht anbricht.' Ich achtete aber nicht auf sie. sondern wartete nur auf das Kommen der Nacht und sprach: ,Ach Herr, laß es doch bald Nacht werden!' Als es dann Abend ward, weinte meine Base bitterlich und gab mir ein Körnchen reinen Moschus mit den Worten: ,Lieber Vetter, nimm dies Körnchen in den Mund; und wenn du mit deiner Geliebten vereint bist und wenn du dann dein Begehren von ihr erreicht hast und sie dir deinen Wunsch gewahrt hat, so sprich diesen Vers zu ihr:

O ihr Liebenden, bei Allah, saget an:
Wenn ihn die Liebe plagt, was tut der Mann?'

Dann küßte sie mich und beschwor mich, ihr diesen Vers erst zu sagen, wenn ich von ihr fortginge. ,Ich höre und gehorche!' erwiderte ich. Darauf ging ich zur Abendzeit fort und schritt dahin, bis ich zu dem Garten kam. Seine Tür fand ich offen,



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und als ich eingetreten war, erblickte ich in der Ferne ein Licht. Auf das ging ich zu, und wie ich es erreicht hatte, fand ich eine große überdachte Laube; darauf war eine Kuppel aus Elfenbein und Ebenholz, aus deren Mitte die Lampe herabhing. Der Boden der Laube war mit seidenen Teppichen belegt, die mit Gold und Silber durchwirkt waren, und unter der Lampe stand dort eine große brennende Kerze in einem goldenen Leuchter. In der Laube befand sich auch ein Brunnenbecken, das mit allerlei Bildern geschmückt war; und daneben stand ein Tisch, über dem ein seidenes Tuch lag, ihm zur Seite ein großer Krug aus Porzellan, der mit Wein gefüllt war, und ein Kristallbecher mit goldenem Schmuck, und neben dem allem lag eine große silberne Platte, die zugedeckt war. Ich deckte sie auf und erblickte auf ihr alle Arten von Früchten. Feigen, Granatäpfeln, Weintrauben, Orangen, Limonen und Zitronen; dazwischen lagen mancherlei duftende Blumen, Rosen, Jasmin, Myrtenblüten, Eglantinen, Narzissen und viele andere wohlriechende Kräuter. Von jenem Orte ward ich ganz hingerissen, und ich war hocherfreut, von mir wichen Kummer und Leid, doch ich fand an der Stätte keine einzige lebende Seele.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 116. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der jüngling dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren erzählte: ,Von jenem Ort ward ich ganz hingerissen, und ich war hocherfreut, doch ich fand an ihm keine einzige lebende Seele, weder Knecht, noch Magd, noch jemanden, der sich um jene Dinge kümmerte oder alles das bewachte. Da setzte ich mich in der Laube nieder, um die Ankunft meiner Herzensliebsten zu erwarten, bis die erste



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Stunde der Nacht verstrichen war; dann verstrich eine zweite Stunde, eine dritte Stunde, aber immer noch kam sie nicht. Da packte mich nagen der Hunger; denn ich hatte ja lange Zeit in meiner heftigen Leidenschaft keine Speise angerührt. Nun aber, als ich jenen Ort gesehen hatte und als ich erkannte, daß meine Base in der Deutung der Zeichen meiner Geliebten wahr gesprochen hatte, da fand ich Ruhe, da spürte ich den nagenden Hunger.. Auch hatten die Düfte der Speisen, die auf dem Tische lagen, mein Verlangen erweckt, als ich dorthin gekommen war und meine Seele sich über die Vereinigung mit der Geliebten beruhigt hatte. So begehrte ich denn zu essen, trat an den Tisch heran, nahm die Decke ab und fand auf ihm eine große Schüssel aus Porzellan: darauf lagen vier geröstete und wohlgewürzte Küken. Und um die Schüssel herum waren vier Teller, einer mit türkischem Honig, ein anderer mit Granatapfelkernen, ein dritter mit Nußtörtchen, ein vierter mit Honiggebäck; was auf diesen Tellern lag, war teils süß und teils sauer. Nun begann ich zu essen; ich nahm von dem Honiggebäck und ein Stück Fleisch; dann ging ich zu den Nußtörtchen über und aß davon, soviel ich vermochte; darauf machte ich mich an den türkischen Honig und aß ein, zwei, drei oder vier Löffel voll davon, zuletzt aß ich noch ein Küken und einen Bissen Brot. Nun war aber mein Magen voll, meine Glieder erschlafften, und ich wurde so schläfrig, daß ich nicht mehr wach bleiben konnte. Nachdem ich mir die Hände gewaschen hatte, legte ich mein Haupt auf ein Kissen, und der Schlaf übermannte mich; was danach mit mir geschah, davon merkte ich nichts. Ich wachte erst wieder auf, als die Sonnenglut auf mir brannte; denn ich hatte ja seit mehreren Tagen keinen Schlaf gekostet. Als ich aber aufwachte, fand ich auf meinem Leibe Salz und Kohle. Da sprang ich auf und schüttelte



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meine Kleider, blickte nach rechts und links, fand aber niemanden: und ich entdeckte auch, daß ich auf dem Marmorpflaster ohne Decke geschlafen hatte. Nun war ich ratlos und tiefbetrübt; Tränen rannen über meine Wangen, und Trauer um mein Los nahm mich ganz gefangen. So ging ich nach Hause, und als ich dort ankam, fand ich meine Base, wie sie mit der Hand gegen ihre Brust schlug und Tränen gleich Regenschauern vergoß; und dabei sprach sie diese Verse:

Vom fernen Lande weht ein Zephirwind
Und facht mit seinem Hauch die Liebe an.
Du lieber Zephir, komme doch zu uns;
Vom Schicksal hat sein Los, wer liebgewann.
Ach, könnten wir in Liebe uns umfangen,
So wie ein hebend Paar sich eng umschlingt.
Doch Gott versagt mir, seit der Liebste fern,
Ein Dasein, dem die Lebensfreude winkt.
Ach, wußte ich, ob sein Herz wie mein Herz
Verzehrt wird von der Liebe Glut und Schmerz.

Doch als sie mich erblickte, stand sie rasch auf, trocknete ihre Tränen und redete mich mit sanften Worten an: ,Ach, mein Vetter, Allah ist dir in deiner Liebe gnädig gewesen, da sie, die du liebst, auch dich lieb hat, während ich über die Trennung von dir weine und klage, und du mich noch dazu tadelst und schiltst; doch Allah zürne dir nicht um meinetwillen!' Dann lächelte sie mir vorwurfsvoll ins Antlitz und liebkoste mich, nahm mir die Überkleider ab und breitete sie aus mit den Worten: ,Bei Allah. dies ist nicht der Duft dessen, der sich der Geliebten erfreut hat! So berichte mir denn, wie es dir ergangen ist, lieber Vetter!' Da erzählte ich ihr alles, was mir widerfahren war. Sie aber lächelte zum zweiten Male vorwurfsvoll und sprach: ,Ach, mein Herz ist voll Leid; aber wer deinem Herzen wehe tut, der soll nicht leben! Diese Frau benimmt



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sich sehr übermütig gegen dich. Bei Allah, mein Vetter, ich bin wahrlich für dich um ihretwillen in Sorge. Wisse denn, Sohn meines Oheims, das Salz hat zu bedeuten, daß du in Schlaf versunken warst und dadurch einer faden Speise gleich wardst, die man verabscheut, und daß du erst gesalzen werden mußt, damit die Natur dich nicht wieder von sich gibt. Denn du machst zwar den Anspruch darauf, zu den Leuten der echten und edlen Liebe zu gehören; aber der Schlaf ist doch den Liebenden versagt, und dein Anspruch auf die Liebe ist falsch. Allein ihre Liebe zu dir ist ebenso falsch, da sie dich nicht geweckt hat, als sie dich schlafen sah; wäre ihre Liebe echt, so hätte sie dich aufgeweckt. Das Zeichen mit der Kohle aber bedeutet: Allah schwärze dein Angesicht, da du fälschlich auf Liebe Anspruch gemacht hast! Du bist doch nur ein Kind, und der Sinn steht dir nur nach Essen und Trinken. Dies ist die Deutung ihrer Zeichen. Allah der Erhabene möge dich von ihr befreien!' Als ich ihre Worte vernommen hatte, schlug ich mit den Händen gegen meine Brust und rief aus: ,Bei Allah, das ist wahr! Ich habe ja geschlafen, aber die Liebenden schlafen nie. Nun habe ich gegen mich selbst gesündigt! Was konnte mir schädlicher sein als Essen und Schlafen? Was soll ich nun beginnen?' Nun begann ich laut zu weinen, und ich sprach zu meiner Base: ,Rate mir etwas, das ich tun kann! Erbarme dich meiner, auf daß Allah sich deiner erbarme! Sonst muß ich sterben.' Meine Base liebte mich leidenschaftlich. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 117. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Jüngling dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren erzählte: ,Und ich sprach zu meiner Base: ,Rate mir etwas, das ich tun kann! Erbarme dich meiner, auf



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daß Allah sich deiner erbarme! Sonst muß ich sterben.' Meine Base liebte mich leidenschaftlich, und so antwortete sie: ,Herzlich gern! Doch, mein lieber Vetter, ich habe dir schon mehrere Male gesagt: Könnte ich frei ein und aus gehen, so würde ich euch beide gar bald vereinen und den Saum meines Gewandes über euch decken. Ich tue ja dies alles für dich nur, um dir gefällig zu sein. So Gott der Erhabene will, werde ich die größte Mühe aufwenden, um euch beide zu vereinen. Nun höre auf mein Wort und folge meiner Weisung: geh noch einmal an dieselbe Stätte und warte dort; wenn es dann Abend wird, so setze dich wieder in die Laube, in der du gewesen bist. Aber hüte dich, etwas von den Speisen zu essen; denn das Essen macht schläfrig. Gib acht, daß du nicht einschlafest! Denn sie kommt erst zu dir, wenn ein Viertel der Nacht verstrichen ist. Allah schütze dich vor ihrer Arglist!'

Als ich ihre Worte vernommen hatte, freute ich mich, und ich begann zu Gott zu beten, es möchte bald Abend werden. Sowie es dunkel ward, wollte ich fortgehen; da sprach meine Base zu mir: ,Wenn du mit ihr vereint bist, so sage ihr den Vers, den ich früher genannt habe, doch erst in dem Augenblicke, da du Abschied nimmst.' ,Herzlich gern!' erwiderte ich. Nachdem ich dann fortgegangen und zum Garten gekommen war, fand ich den Raum wieder so hergerichtet, wie ich ihn vorher gesehen hatte; dort war, was man sich nur wünschen konnte an Speise und Trank, an duftenden Blumen und Naschwerk und dergleichen Dingen. Ich trat in die Laube und sog den Duft der Speisen ein; da gelüstete es mich nach ihnen, aber ich widerstand viele Male der Versuchung, sie anzurühren, bis ich es schließlich nicht mehr vermochte. Und so trat ich denn an den Tisch heran und nahm die Decke ab: wieder fand ich eine Schüssel mit Küken und um sie herum vier Teller mit Gerichteil



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von viererlei Art: Ich nahm von allem je einen Bissen und aß von dem türkischen Honig, soviel mir bekömmlich war, auch verzehrte ich ein Stück Fleisch und trank von dem Scherbett. Der gefiel mir sehr, und so nahm ich löffel weise immer mehr davon, bis ich satt und mein Magen gefüllt war. Darauf sanken mir die Augenlider zu, ich nahm ein Kissen und legte es unter meinen Kopf, indem ich bei mir dachte: ,Ich will mich nur anlehnen, ohne einzuschlafen.' Ich schloß aber doch die Augen und schlief ein.

Erst als die Sonne aufgegangen war, wachte ich wieder auf. Da fand ich auf meinem Leibe einen Knochenwürfel, ein Schnellholz, den Stein einer unreifen Dattel und einen Johannisbrotkern. Doch in dem Raume lagen keine Teppiche, noch war sonst etwas darin, und es schien, als ob auch am Tage vorher gar nichts dort gewesen wäre. Ich sprang auf, schüttelte alles von mir ab und ging zornig davon, bis ich zu Hause ankam. Dort traf ich meine Base, wie sie in Seufzer ausbrach und diese Verse sprach:

Der Leib schwindet hin, und das Herz ist verwundet,
Und auf die Wangen strömt der Tränen Flut.
Unnahbar ist der Geliebte. und dennoch -
All, was die Schönheit tut, das ist auch gut.
Du, Vetter, hast mein Herz mit Leid erfüllt,
Mein Aug ist durch die Tränen schmerzverhüllt.

Da tadelte ich meine Base und schalt sie, bis sie weinte. Doch sie trocknete ihre Tränen, trat auf mich zu. küßte mich und wollte mich an ihre Brust drücken, während ich mich fern von ihr hielt und mir selbst Vorwürfe machte. .Lieber Vetter.' sprach sie, ,es scheint, du hast auch in dieser Nacht geschlafen!' ,Ja,' erwiderte ich, ,doch als ich aufwachte, fand ich einen Knochenwürfel, ein Schnellholz, den Stein einer unreifen Dattel



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und einen Johannisbrotkern; und ich weiß nicht, warum sie das getan hat.' Dann begann ich zu weinen und wandte mich an sie mit den Worten: ,Erkläre mir doch, was dies ihr Tun zu bedeuten hat; sage mir, was ich tun soll, und hilf mir in meinem Elend!' ,Das will ich herzlich gern tun,' antwortete sie; ,der Knochenwürfel und das Schnellholz, die sie dir auf die Brust gelegt hat, sollen dir sagen: Du bist hier, aber dein Herz ist fern. Und es ist, als ob sie zu dir spräche: So ist die Liebe nicht; drum zähle du dich nicht unter die Liebenden! Durch den Stein der unreifen Dattel deutet sie dir an: Wärest du wirklich ein Liebender, so wäre dein Herz von Leidenschaft entbrannt, und du hättest die Wonne des Schlafes nicht gekannt; denn die Dattel ist der süßen Liebe Bild, die das Herz mit glühendem Feuer erfüllt. Doch der Johannisbrotkern offenbart, daß des Liebenden Herz müde ward; und sie sagt dir: Ertrag unsere Trennung mit einer Geduld von Hiobs Art!'

Als ich diese Deutung von ihr vernommen hatte, da brannten die Feuer in meinem Herzen, und es wuchsen in meiner Seele die Schmerzen. Laut schrie ich auf: ,Allah sandte mir den Schlaf, da ich ein Unglücks kind bin!' Dann sprach ich zu ihr: .Liebe Base. so wert dir mein Leben ist, verschaffe mir ein Mittel, wie ich zu ihr gelangen kann!' Unter Tränen erwiderte sie: .O 'Azîz, du Sohn meines Oheims, siehe, mein Herz ist schwer von Trauer, und ich kann kaum reden. Doch geh heut abend wieder an jene Stätte und hüte dich einzuschlafen; dann wirst du dein Ziel erreichen. Dies ist mein Rat, und damit Gott befohlen!' Ich sagte darauf: ,So Gott will, werde ich nicht schlafen; ich will nur das tun, was du mich heißest.' Nun ging meine Base hin und brachte mir Speisen mit den Worten: ,Iß dich jetzt satt, damit du nachher nicht mehr daran denkst!' So aß ich mich denn satt: und als es Abend ward. holte meine Base



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mir ein prächtiges Gewand, das sie mir anlegte; dabei ließ sie mich schwören, ich wolle der Maid den genannten Vers sagen, und sie warnte mich noch einmal davor, einzuschlafen. Dann verließ ich sie und begab mich zu dem Garten, trat in jene Laube ein und schaute immer nur in den Garten; dabei hielt ich mir die Augen mit den Fingern offen und bewegte den Kopf hin und her, während die Nacht immer dunkler ward.'— — «

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 118. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Jüngling dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren erzählte: ,Ich ging in den Garten, trat in jene Laube ein und schaute immer nur in den Garten; dabei hielt ich mir die Augen mit den Fingern offen und bewegte den Kopf hin und her, während die Nacht immer dunkler ward. Schließlich wurde ich hungrig von dem Wachen, und da der Duft der Speisen zu mir drang, ward mein Hunger noch heftiger. So trat ich denn an den Tisch heran, nahm die Decke ab und aß von jedem Gericht einen Bissen, dazu ein Stück Fleisch. Dann nahm ich den Weinkrug und dachte bei mir: ,Ich will nur einen Becher trinken.' Den trank ich auch; aber dann trank ich einen zweiten und einen dritten, bis es im ganzen zehn geworden waren. Da traf mich ein Lufthauch, und ich sank zu Boden wie ein erschlagener Kämpfer. So blieb ich liegen, bis es Morgen ward. Wie ich aber aufwachte, fand ich mich außerhalb des Gartens, mit einem scharfen Dolchmesser und einem runden Eisenplättchen auf der Brust. Zitternd vor Erregung nahm ich beides und ging damit nach Hause. Dort traf ich meine Base, wie sie klagte: ,Fürwahr, ich bin in diesem Hause elend und voll Betrübnis; denn ich habe keinen Helfer als die Tränen!' Doch kaum war ich eingetreten, so fiel ich der Länge



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nach zu Boden; dabei warf ich das Messer und das Plättchen aus der Hand und sank in Ohnmacht. Als ich aus meiner Ohnmacht wieder zur Besinnung kam, berichtete ich ihr, was mir widerfahren war, und rief: ,Sieh, ich habe mein Ziel doch nicht erreicht!' Und wie sie meine leidenschaftlichen Tränen sah. ward sie noch tiefer betrübt um mich und sprach: ,Ich habe mit meiner Warnung vor dem Schlafe keinen Erfolg; denn du hast nicht auf meinen Rat gehört, und so nützen meine Worte dir nichts.' Darauf sprach ich zu ihr: ,Ich bitte dich um Allahs willen, erkläre mir das Zeichen mit dem Messer und dem runden Eisenplättchen!' Sie antwortete: ,Durch das runde Eisenplättchen deutet sie auf ihr rechtes Auge, und sie spricht bei ihm diesen Schwur aus: Bei dem Herrn der Welten und bei meinem rechten Auge, wenn du noch einmal wieder kommst und einschläfst, so werde ich dich mit diesem Messer töten! Darum bin ich besorgt um dich, lieber Vetter, wegen ihrer Tücke, und mein Herz ist voll Trauer um deinetwillen. Ich kann jetzt nichts mehr sagen. Wenn du dich selbst genau genug kennst, um sicher zu sein, daß du bei deiner Rückkehr zu ihr nicht einschläfst, so geh wieder hin und hüte dich einzuschlafen; dann wirst du dein Ziel erreichen. Wenn du aber, wissend, daß du bei deiner Rückkehr zu ihr doch wieder wie gewöhnlich einschläfst, trotzdem zu ihr gehst und in Schlaf versinkst, so wird sie dich töten.' ,Was soll ich nun tun?' sprach ich; ,liebe Base, ich bitte dich um Allahs willen, hilf mir in dieser Not!' ,Das will ich herzlich gern tun,' gab sie zur Antwort, ,ja, wenn du auf meine Worte hörst und meine Weisung befolgst, so wirst du deinen Wunsch erfüllt sehen.' Da rief ich: ,Fürwahr, ich will auf deine Worte hören und deine Weisung befolgen.' ,Wenn es Zeit ist zum Gehen, will ich es dir sagen', sprach sie und zog mich an ihren Busen. Darauf legte sie mich aufs Lager



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und knetete mich solange, bis mich die Müdigkeit übermannte und ich in tiefen Schlaf versank. Dann nahm sie einen Fächer. setzte sich mir zu Häupten und fächelte mein Antlitz, bis der Tag sich neigte. Da weckte sie mich auf, und als ich die Augen aufschlug, fand ich sie mit dem Fächer in der Hand mir zu Häupten sitzen, weinend und ihre Kleider von ihren Tränen benetzt. Sobald sie sah, daß ich wach war, trocknete sie ihre Tränen und brachte mir etwas zu essen. Ich wollte es zurückweisen, doch sie sagte: ,Hab ich dir nicht gesagt, du solltest mir gehorchen? So iß denn!' Ich aß und widersetzte mich ihr nicht. Dabei gab sie mir die Bissen in den Mund, und ich kaute, bis ich satt war. Dann gab sie mir gezuckerten Brustbeerenscherbett zu trinken, wusch mir die Hände, trocknete sie mit einem Tuche und besprengte mich mit Rosenwasser. Erfrischt setzte ich mich zu ihr. Als es nun bald dunkel ward, legte sie mir meine Kleider an und sagte: ,Lieber Vetter, wache die ganze Nacht, schlafe nicht; denn sie wird in dieser Nacht erst gegen Morgen zu dir kommen. So Gott will, wirst du heute nacht endlich mit ihr vereinigt werden. Vergiß aber meinen Auftrag nicht!' Dann brach sie in Tränen aus, und das Herz tat mir weh um ihretwillen, da sie so sehr weinte. Auf meine Frage: ,Was ist das für ein Auftrag, den du mir gegeben hast?' antwortete sie: ,Wenn du von ihr Abschied nimmst, so sag ihr den Vers, den ich dir früher genannt habe.'

Erfreut ging ich von dannen, begab mich zudem Garten und trat in die Laube ein. Da ich gesättigt war, so setzte ich mich nieder und wachte, bis ein Viertel der Nacht vergangen war. Aber die Nacht kam mir so lang vor wie ein Jahr; dennoch blieb ich wach, bis drei Viertel der Nacht verstrichen waren und die Hähne bereits krähten. Da kam ein heftiges Hungergefühl über mich, weil ich solange gewacht hatte; und so ging



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ich zu dem Tische und aß, bis ich satt war. Schon wurde mir der Kopf schwer, und ich wollte gerade einschlafen, als ich plötzlich in der Ferne ein Licht kommen sah. Sogleich sprang ich auf, wusch mir Hand und Mund und raffte mich zusammen. Und im nächsten Augenblick kam sie mit zehn Dienerinnen nen; in ihrer Mitte erschien sie wie der Vollmond unter den Sternen, und sie trug ein grünseidenes Prachtgewand, darauf sich Stickerei aus rotem Golde befand. Sie war, wie der Dichter sagt:

Stolz ist sie gegen die Liebenden, in ihren grünen Gewändern,
Den wallenden, und im Haare, das frei herab ihr hängt.
Ich fragte sie: Wie heißt du? Sie sprach: Ich bin die Schöne,
Die aller Liebenden Herzen mit glühenden Kohlen versengt.
Ich klagte ihr, was ich leide in meiner heißen Liebe.
Sie sagte: Du klagst dem Felsen und wußtest nichts davon.
Da rief ich: Wenn dein Herz ein Felsen ist, so wisse:
Gott ließ aus Fels entspringen den allerklarsten Brünn.

Als sie mich erblickte, sagte sie lächelnd: ,Wie kommt es, daß du wach bist und dich nicht vom Schlafe hast übermannen lassen? Nun, da du die Nacht hindurch wach geblieben bist, weiß ich, daß du ein wahrhaft Liebender bist. Denn daran werden die Liebenden erkannt, daß sie die Nächte hindurch in ihrer Sehnsuchtsqual wachen.' Darauf wandte sie sich den Dienerinnen zu und gab ihnen ein Zeichen. Die entfernten sich; doch sie selbst trat auf mich zu, zog mich an ihren Busen und küßte mich. Auch ich küßte sie, und sie sog an meiner Oberlippe, während ich an ihrer Unterlippe sog. Dann legte ich meine Hand um ihren Leib und streichelte sie. Und alsbald ruhten wir beide gemeinsam auf dem Boden; da band sie ihre Hose auf, die ihr bis zu den Knöcheln hinab glitt. Nun begannen wir zu tändeln und uns zu umschlingen, zu kosen und zu flüstern von zarten Dingen, zu beißen und Leib an Leib zu legen, und



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im Umlauf um das heilige Haus und seine Pfeiler uns zu bewegen, bis ihre Glieder erschlafften und sie dahinsank und der Welt entrückt ward. Fürwahr, jene Nacht war eine Freude für das Herz und ein Trost für das Auge, so wie der Dichter von ihr gesagt hat:

Die schönste Nacht, die ich in der Welt verlebte, war jene,
In der ich bei dem Becher verweilte für und für.
In ihr hielt ich den Schlummer fern von meinen Augen;
Doch Ohrgehenk und Spange vereinte ich bei mir.

Eng umschlungen lagen wir da bis zum Morgen; als ich dann fortgehen wollte, hielt sie mich fest mit den Worten: ,Warte, damit ich dir noch etwas sage.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 119 Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der jüngling dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren erzählte: ,Als ich fortgehen wollte, hielt sie mich fest mit den Worten: ,Warte, damit ich dir noch etwas kundtue und dir einen Auftrag gebe.' So blieb ich denn stehen, während sie ein Tuch entfaltete, dies Stück Leinwand daraus hervornahm und vor mir ausbreitete; darauf sah ich das Bild von Gazellen, wie sie sich hier darstellen. In höchster Verwunderung nahm ich es hin; und nachdem ich mit ihr verabredet hatte, daß ich jede Nacht zu ihr in jenen Garten kommen wolle, ging ich hocherfreut davon. In meiner Freude aber vergaß ich an den Vers zu denken, den meine Base mir aufgetragen hatte. Denn als meine Geliebte mir das Linnen gab, auf dem das Gazellenbild war, sagte sie zu mir: ,Dies ist die Arbeit meiner Schwester.' Auf meine Frage: ,Wie heißt denn deine Schwester?' antwortete sie: ,Sie heißt Nûr el-Huda. Bewahre dies Linnen gut auf!' Darauf hatte ich ihr Lebewohl gesagt



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und war hocherfreut davongegangen. Nun ging ich also nach Hause, trat bei meiner Base ein und fand sie auf dem Lager ruhend. Doch als sie mich erblickte, erhob sie sich mit Tränen im Auge. Dann kam sie auf mich zu, küßte mir die Brust und fragte: ,Hast du meinen Auftrag ausgeführt und ihr den Vers gesagte' ,Fürwahr', rief ich aus, ,das habe ich vergessen. Nur das Bild dieser Gazellen hat es mich vergessen lassen!' Und ich warf das Stück Linnen vor sie hin!' Dann setzte sie sich wieder, doch sie konnte nicht mehr an sich halten; sie ließ ihren Tränen freien Lauf und sprach diese Verse:

Der du die Trennung suchst, gemach!
Laß die Umarmung dich nicht trügen.
Gemach! Des Schicksals Art ist Trug:
Das Gluck muß sich der Trennung fügen.

Als sie geendet hatte, bat sie mich: ,Lieber Vetter, gib mir dies Stück Linnen!' Ich gab es ihr; da nahm sie es hin, breitete es aus und schaute das Bild darauf an.

Wie es nun wieder Zeit für mich ward zugehen, sprach meine Base zu mir: ,Geh jetzt hin, Friede geleite dich! Wenn du dann jedoch von ihr scheidest, so sage ihr den Vers, den ich dir früher genannt habe, an den du aber nicht gedacht hast!' Da bat ich sie, ihn zu wiederholen; und sie tat es. Darauf ging ich zum Garten, trat in die Laube ein und fand die Maid auf mich wartend. Sobald sie mich erblickte, erhob sie sich, küßte mich und ließ mich an ihrem Busen ruhen. Dann aßen und tranken wir und stillten unser Verlangen, wie in der Nacht vorher. Als es aber Morgen ward, sagte ich ihr den Vers:

O ihr Liebenden, bei Allah, saget an:
Wenn ihn die Liebe plagt, was tut der Mann?

Doch wie sie das hörte, flossen ihre Augen von Tränen über, und sie sprach:



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Er hütet seine Lieb, birgt sein Geheimnis treu
Und harrt geduldig aus in allem, was es sei!

Ich prägte mir den Vers ein und war nun froh, daß ich den Wunsch meiner Base erfüllt hatte. Dann ging ich heim, doch als ich bei ihr eintrat, fand ich sie auf ihrem Lager; meine Mutter saß ihr zu Häupten und weinte über ihr Elend. Kaum war ich eingetreten, so rief meine Mutter mich an: ,Verderben über einen solchen Vetter, wie du es bist! Wie konntest du deine Base in ihrem elenden Zustande verlassen, ohne nach ihrer Krankheit zu fragen?' Doch als meine Base mich erblickte, hob sie ihr Haupt, richtete sich auf und fragte mich: ,'Azîz, hast du ihr den Vers gesagt, den ich dich gelehrt habe?' ,Jawohl,' antwortete ich; ,und als sie ilm hörte, weinte sie und sprach einen anderen Vers, den ich mir eingeprägt habe.' Da bat sie mich, ich solle ihn ihr vortragen; und als ich das getan hatte, weinte sie heftig. Dann sprach sie diese beiden Verse:

Wie kann er die Liebe hüten, wenn sie ihm das Leben raubt.
Und wenn das Herz ihm täglich in tausend Stücke springt?
Wohl hat er die rechte Geduld gesucht, doch fand er nichts
Als nur ein Herz, das immer mit quälender Sehnsucht ringt!

Und sie fügte hinzu: ,Wenn du wieder wie gewöhnlich zu ihr gehst, so sage ihr diese beiden Verse, die du gehört hast.' ,Das will ich gern tun', antwortete ich und ging dann um die gewohnte Zeit zu ihr in den Garten. Dort erlebte ich mit ihr, was keine Zunge beschreiben kann. Wie ich mich aber zum Gehen wandte, sagte ich ihr jene beiden Verse; doch ihr rannen beim Hören die Tränen aus den Augen, und sie sprach das Dichterwort:

Wenn die Kraft, um sein Geheimnis zu hüten, sich ihm nicht bot,
So weiß ich keinen Rat für ihn als nur den Tod!

Nachdem ich mir auch dies gemerkt hatte, ging ich heim. Doch wie ich zu meiner Base eintrat, fand ich sie ohnmächtig daliegen



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und meine Mutter ihr zu Häupten sitzen. Sobald sie meine Stimme vernahm, schlug sie die Augen auf und rief: ,'Azîz, hast du ihr die beiden Verse gesagt?' ,Jawohl,' erwiderte ich; ,und als sie sie hörte, weinte sie und sprach einen anderen Vers.' Diesen Vers wiederholte ich ihr; wie aber meine Base ihn hörte, sank sie von neuem in Ohnmacht. Als sie dann wieder zu sich kam, sprach sie diese beiden Verse:

Ich habe gehört und gehorcht; dann bin ich gestorben. Nun bringe
Von mir einen Gruß zu ihr, die mir das Liebesglück stahl!
Jene, die glücklich sind, möge ihr Glück erfreuen
Dem armen Liebenden blieb ein Kelch der bitteren Qual.

Als es dann wieder Abend ward, ging ich zum Garten wie gewöhnlich. Dort fand ich die Maid auf mich wartend; wir setzten uns, aßen und tranken, genossen unser Glück und schliefen bis zum Morgen. Und wie ich mich zum Gehen wandte, sagte ich ihr die Verse, die meine Base gesprochen hatte. Aber als sie die hörte, schrie sie laut auf und rief entsetzt: ,Wehe, wehe! Bei Allah, die diese Verse gesprochen hat, ist jetzt tot!' Dann weinte sie und fuhr fort: ,Ach, die diese Verse gesprochen hat, steht dir doch nicht nahe?' Ich antwortete: ,Sie ist meine Base.' Da rief sie: ,Du lügst! Bei Allah, wäre sie deine Base, du hättest sie ebenso lieb gehabt wie sie dich! Du hast sie getötet. Möge Allah dir den Tod geben, wie du ihn ihr gegeben hast! Bei Allah, hättest du mir kundgetan, daß du eine Base hast, ich hätte dich mir nicht nahen lassen.' Ich entgegnete ihr: ,Sie hat mir doch die Zeichen erklärt, die du mir immer gabst! Sie hat mir doch gezeigt, wie ich zu dir gelangen könnte und was ich tun sollte! Wäre sie nicht gewesen, so wäre ich nie zu dir gelangt.' ,Wußte sie denn um uns?' fragte sie; und ich gab zur Antwort: ,Jawohl.' Darauf sagte sie nur noch: ,Allah lasse dich deine Jugend beklagen, wie du sie ihre Jugend beklagen ließest!



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Geh, sieh nach ihr!' So ging ich denn kranken Herzens fort und schritt dahin, bis ich in unsere Gasse kam. Da hörte ich schon Wehklagen, und als ich danach fragte, sagte man mir: ,Wir haben 'Azîza tot hinter der Tür gefunden!' Dann trat ich ins Haus; doch als meine Mutter mich erblickte, rief sie: ,Du hast an ihr gesündigt! Die Verantwortung lastet auf deinen Schultern. Gott verzeihe dir ihr Blut nie!' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 120. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der junge 'Azîz dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren erzählte: ,Dann trat ich ins Haus; doch als meine Mutter mich erblickte, rief sie: ,Du hast an ihr gesündigt! Die Verantwortung lastet auf dir. Gott verzeihe dir ihr Blut nie! Verderben über einen solchen Vetter, wie du es bist!' Dann kam mein Vater, und wir versahen ihre Leiche. trugen sie hinaus und geleiteten sie zum Friedhofe. Dort begruben wir sie; wir ließen auch den Koran über ihrem Grabe lesen und blieben drei Tage lang bei der Gruft. Danach kehrten wir heim. Und wie ich, tiefbetrübt um meine Base. ins Haus trat, kam meine Mutter mit den Worten auf mich zu: ,Ich möchte wissen, was du ihr angetan hast, so daß ihr die Galle ins Blut drang. Mein Sohn, ich habe sie doch so oft nach dem Grunde ihres Leidens gefragt; aber sie hat mir kein Wort verraten. Drum bitte ich dich um Allahs willen, sage mir, was du ihr angetan hast, so daß sie sterben mußte!' Da gab ich zur Antwort: ,Ich habe gar nichts getan.' Doch sie sprach: ,Allah räche sie an dir! Fürwahr, sie hat mir nichts gesagt, sondern ihr Geheimnis bis zu ihrem Tode verborgen. Aber sie verzeiht dir; denn ich war bei ihr, und ehe sie starb, schlug sie die Augen auf und sagte: ,Frau meines Oheims, Allah vergebe deinem Sohne



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mein Blut und strafe ihn nicht für das, was er mir angetan hat! Sieh, jetzt führt Allah mich aus der vergänglichen irdischen Wohnstatt zu der ewigen Stätte im Jenseits.' ,Liebe Tochter,' rief ich da, ,der Himmel erhalte dich und deine Jugend!' Und ich fragte sie nach der Ursache ihres Leidens. Doch sie gab mir keine Antwort darauf, sondern lächelnd sagte sie nur noch: ,Frau meines Oheims, sage deinem Sohne, wenn er dorthin gehen will, wohin er jeden Tag geht, er solle beim Abschied diese beiden Worte sprechen: Treue ist trefflich - Verrat ist häßlich. Dies sage ich aus Sorge um ihn, und so will ich ihm Zeichen meiner Fürsorge nicht nur im Leben, sondern auch nach meinem Tode geben.' Dann gab sie mir etwas für dich und ließ mich schwören, es dir nicht eher zu geben, als bis ich dich um sie hätte weinen und klagen sehen. Ich habe es bei mir, und wenn ich dich so sehe, wie sie gesagt hat, dann gebe ich es dir.' Ich bat sie: ,Zeige es mir!' aber sie wollte es nicht tun. Nun gab ich mich ganz den Wonnen meiner Liebe hin und dachte gar nicht mehr an den Tod meiner Base; denn ich war leichtfertigen Sinnes und wünschte in meinem Herzen, daß ich nicht nur die Nacht, sondern auch den Tag über immer bei meiner Geliebten weilen könnte. Ich konnte kaum warten, bis die Nacht anbrach, da eilte ich auch schon in den Garten, wo ich die Maid vor Ungeduld wie auf Kohlen sitzend traf. Kaum hatte sie mich erblickt, so flog sie mir entgegen, hängte sich an meinen Hals und fragte mich nach meiner Base. ,Sie ist tot!' antwortete ich, ,wir haben für sie beten und den Koran lesen lassen. Das geschah vor vier Nächten, und dies ist die fünfte Nacht seit ihrem Tode.' Als sie das hörte, schrie sie auf und weinte; dann sprach sie: ,Habe ich dir nicht gesagt, daß du sie getötet hast? Hättest du mich vor ihrem Tode um sie wissen lassen, so hätte ich ihr das Gute vergolten, das sie an mir getan



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hat. Sie hat mir doch einen großen Dienst erwiesen und dich mit mir vereinigt; ja, wäre sie nicht gewesen, wir wären nie zueinander gekommen. Aber nun fürchte ich, daß dich ein Unheil treffen wird, da du dich an ihr versündigt hast!' Ich antwortete: ,Sie hat mir vor ihrem Tode verziehen', und erzählte ihr dann, was meine Mutter mir berichtet hatte. ,üm Allahs willen', rief sie, ,wenn du zu deiner Mutter gehst, so suche zu erfahren, was sie hat!' Darauf fuhr ich fort: ,Meine Mutter hat mir auch gesagt, daß meine Base ihr, ehe sie starb, einen Auftrag für mich gegeben hat des Inhalts: Wenn dein Sohn dorthin geht, wohin er gewöhnlich geht, so lehre ihn diese beiden Worte: Treue ist trefflich, Verrat ist häßlich.' Wie die Maid das vernahm, sprach sie: ,Allah der Erhabene erbarme sich ihrer! Sie hat dich vor mir gerettet; ich hatte dir ein Unheil zugedacht, aber jetzt will ich dir kein Leids und nichts Böses antun.' Erstaunt fragte ich sie: ,Was hattest du denn bisher im Sinne mir anzutun, wo wir doch einander lieb haben?' Sie erwiderte: ,Du bist ganz vernarrt in mich; aber du bist noch jung und unerfahren, dein Herz ist frei von Arglist, und du ahnst nichts von unserer Tücke und Falschheit. Wenn sie noch am Leben wäre, so wäre sie dir eine Helferin; sie allein ist die Ursache deiner Rettung, und sie hat dich vor dem Untergang bewahrt. Jetzt aber warne ich dich: Sprich mit keiner Frau, rede keine unseres Geschlechts an, weder jung noch alt! Hüte dich, und nochmals: hüte dich! Du bist noch unerfahren und kennst die Falschheit und List der Frauen nicht. Sie, die dir die Zeichen erklärte, lebt nicht mehr, und ich befürchte für dich, daß du in Unheil gerätst und dann niemanden findest, der dich daraus befreit, seit deine Base gestorben ist.' ——«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 121.



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Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Jüngling dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren erzählte: ,Da sprach die Maid zu mir: ,Ich befürchte für dich, daß du in ein Unheil gerätst und dann niemanden findest, der dich daraus befreit. Welch ein Jammer um deine Base! Ach, hätte ich sie doch vor ihrem Tode kennen gelernt, daß ich zu ihr hätte gehen und ihr das Gute vergelten können, das sie an mir getan hat! Allah der Erhabene erbarme sich ihrer! Sie hat ihr Geheimnis verborgen, sie hat nichts von dem, was sie litt, offenbart. Ja, wäre sie nicht gewesen, du wärest nie zu mir gekommen! Nun habe ich noch eine Bitte an dich.' ,Wie ist die?' fragte ich. Sie antwortete: ,Die ist, daß du mich zu ihrem Grabe führest; so kann ich sie an der Stätte aufsuchen, wo sie in der Erde ruht, und Verse auf ihren Grabstein schreiben.' ,Morgen, so Gott will!' erwiderte ich. Dann ruhte ich bei ihr in jener Nacht, während sie von Stunde zu Stunde klagte: ,Ach, hättest du mir doch von deiner Base erzählt, ehe sie starb!' Doch als ich sie fragte: ,Was bedeuten diese beiden Worte, die sie gesprochen hat: Treue ist trefflich, Verrat ist häßliche' da gab sie mir keine Antwort.

Wie es Morgen ward, erhob sie sich, nahm einen Beutel mit Goldstücken und sprach zu mir: ,Wohlan, zeige mir ihr Grab, auf daß ich zu ihm wallfahrte: ich will Verse auf den Grabstein schreiben und eine Kuppel über der Stätte erbauen lassen, ich will zu Gott flehen, daß er sich ihrer erbarme, und diese Goldstücke als Almosen für ihre Seele verteilen.' ,Ich höre und gehorche!' erwiderte ich und ging vor ihr her, während sie mir folgte und unterwegs Almosen verteilte; jedesmal, wenn sie eine Gabe austeilte, sprach sie: ,Dies ist ein Almosen für die Seele der 'Azîza; sie hat, bis sie den Todeskelch trank, ihr Geheimnis bewahrt und ihre geheime Liebe nie offenbart!' So



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gab sie ohn Unterlaß Almosen aus dem Beutel mit den Worten: ,Für die Seele der Azîza!' bis das Geld zu Ende war und wir zudem Grabe kamen. Wie sie dann die Grabstätte erblickte, weinte sie und warf sich darauf. Dann nahm sie einen Stichel aus Stahl und einen zierlichen Hammer hervor und grub mit dem Stichel auf den Stein, der zu Häupten des Grabes stand, in feiner Schrift diese Verse ein:

Ich kam zu einem verfallenen Grabe in einem Garten;
Von sieben Anemonen war drauf ein Blütenstrauß.
Da sprach ich: Wes Grab ist dies? Die Erde gab mir zur Antwort:
Vernimm in Ehrfurcht, dies ist eines Liebenden Totenhaus.
Dann rief ich: Möge der Herr dich schützen, du Opfer der Liebe!
Im Paradiese droben halt' er deine Stätte bereit!
Unselige Geschöpfe sind doch die Leute der Liebe,
Daß ihre Gräber noch der Staub des Elends entweiht.
Vermöchte ich es, ich legte ein Blumenbeet um dich an
Und mit der Flut meiner Tränen tränkte ich es dann.

Dann ging sie weinend in den Garten zurück, und ich mit ihr. Dort sprach sie zu mir: ,Ich bitte dich um Allahs willen, verlaß mich nie!' ,Ich höre und gehorche!' war meine Antwort.

Nun gab ich mich wieder ganz der Liebe zu ihr hin und besuchte sie immerfort. Und sooft ich eine Nacht bei ihr verbrachte, nahm sie mich freundlich auf und bewirtete mich ehrenvoll; dabei fragte sie mich dann stets nach den beiden Worten, die meine Base 'Azîza meiner Mutter gesagt hatte, und ich wiederholte sie ihr. So lebte ich denn dahin in frohem Behagen: ich dachte nur an Essen und Trinken, an Küssen und Umarmen und daran, immer neue feine Kleider zu tragen, bis ich dick und fett wurde und, frei von Sorge und Trauer, meine Base ganz vergaß.

Ein ganzes Jahr hatte ich so zugebracht; da, am Neujahrstage, ging ich ins Badehaus, erquickte mich dort und legte ein prächtiges



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Gewand an. Als ich herauskam, trank ich einen Becher Wein und sog den Duft meines Gewandes ein, das mit allerlei Wohlgerüchen durchtränkt war. Da ward mir die Brust so weit; denn ich wußte noch nichts von des Schicksals Tücke noch von den Wechselfällen der Zeit. Wie es nun Abend ward. machte ich mich voll Sehnsucht auf zu meiner Geliebten; doch ich war trunken und wußte nicht, wohin ich ging. So ließ mich denn auf meinem Wege zu ihr mein Rausch in eine Gasse geraten, die da die Vorstehersgasse heißt. Während ich also in jener Gasse dahinschritt, blickte ich einmal auf, und siehe, da war ich nah bei einer alten Frau, die ihres Weges ging, in der einen Hand eine brennende Kerze und in der anderen ein gefaltetes Schreiben.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 122. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß 'Azîz, der junge Kaufmann. dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren erzählte: ,Als ich in die Gasse, die da die Vorstehersgasse heißt, gekommen war, blickte ich einmal auf, und siehe, da war ich nahe bei einer alten Frau, die ihres Weges ging, in der einen Hand eine brennende Kerze und in der anderen ein gefaltetes Schreiben. Als ich an sie herantrat, weinte sie und sprach diese Verse:

Sei mir, du freundlicher Bote, aufs allerschönste willkommen!
Wie süß sind deine Worte für mich! Wie freuen sie mich!
O der du kommst von ihm, dem ich alles Gute wünsche, Solange der Ostwind wehet, segne der Himmel dich!

Als sie mich erblickte, fragte sie mich: ,Mein Sohn, kannst du wohl lesen?' In meinem Übereifer erwiderte ich: ,Jawohl, mein gutes Mütterchen!' Mit den Worten: ,So nimm diesen Brief und lies ihn mir vor!' reichte sie mir das Schreiben. Ich



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nahm es hin, öffnete es und las es ihr vor. Es war aber ein Brief in der Ferne geschrieben, mit vielen Grüßen an die Lieben. Als sie den Inhalt vernahm, freute sie sich der guten Botschaft und flehte Segen auf mein Haupt herab mit den Worten: ,Allah vertreibe deine Sorgen, wie du meine Sorge vertrieben hast!' Dann nahm sie den Brief wieder und ging einige Schritte vorauf. Mich aber drängte ein Bedürfnis; und so hockte ich mich nieder, um Wasser zu lassen. Dann stand ich auf, brachte meine Kleider in Ordnung, ließ das Obergewand herunterfallen und wandte mich zum Gehen. Doch siehe, da kam die Alte wieder auf mich zu, beugte sich über meine Hand, küßte sie und sprach: ,Lieber Herr, Gott gebe dir Freude an deiner Jugend! Ich bitte dich, komm einige Schritte mit mir bis zu jener Tür! Ich hab den Leuten gesagt, was du mir aus dem Briefe vorgelesen hast, aber sie wollten mir nicht glauben. Komm ein paar Schritte mit mir und lies ihnen den Brief drinnen vor. Nimm von mir im voraus die Fürbitte einer rechtschaffenen Frau entgegen!' Auf meine Frage: ,Was ist es denn mit diesem Briefes' antwortete sie: ,Mein Sohn, dieser Brief kommt von meinem eigenen Sohne, der seit zehn Jahren fern von mir weilt. Er zog mit Waren aus und blieb so lange in der Fremde, daß wir die Hoffnung auf seine Rückkehr schon aufgegeben hatten und glaubten, er sei gestorben. Jetzt, nach dieser langen Zeit, ist dieser Brief von ihm zu uns gekommen. Nun hat er eine Schwester, die Tag und Nacht immerdar um ihn weint. Ich habe ihr gesagt, daß er wohlauf sei; aber sie hat es mir nicht glauben wollen, sondern sie hat gesagt: ,Du mußt mir jemanden bringen, der diesen Brief in meiner Gegenwart vorliest, auf daß mein Herz Ruhe finde und meine Seele sich tröste.' Du weißt ja, mein Sohn, die Liebenden denken immer an Schlimmes; darum erweise mir die Güte, mit mir zu kommen



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und ihr diesen Brief vorzulesen. Du sollst dann draußen vor dem Vorhange stehen, während seine Schwester, wenn ich sie gerufen habe, von drinnen zuhört; so wirst du unseren Kummer stillen und unseren Wunsch erfüllen. Hat doch auch der Gesandte Allahs -Er segne ihn und gebe ihm Heil! —gesagt: Wer einen Bekümmerten von einer Kümmernis dieser Welt befreit, den wird Allah von hundert Kümmernissen befreien. Und nach einer anderen Überlieferung: Wer seinen Bruder von einer Kümmernis dieser Welt befreit, den wird Allah von zweiundsiebzig Kümmernissen des Jüngsten Gerichts befreien. Ich habe mich vertrauensvoll an dich gewandt; drum enttäusche mich nicht!' ,Ich höre und gehorche,' antwortete ich, ,geh nur vorauf!' So schritt sie voran, und ich folgte ihr eine Weile, bis sie zu dem Tor eines schönen, großen Hauses kam, wo die Tür mit rotem Kupfer beschlagen war. Ich blieb hinter der Tür stehen, während die Alte etwas in fremder Sprache rief. Und ehe ich mich dessen versah, kam mit leichtem und behendem Schritt eine Maid herbei. Sie hatte ihre Hosen bis zu den Knien aufgeschlagen, so daß ich an ihr ein Paar Waden erblickte, das Geist und Auge in Verwirrung bringt; und sie selbst war, wie der Dichter von ihr singt:

Die du den Schenkel entblößest, auf daß du dem Verliebten
Ihn zeigest, und daß man ahne, wie schön der ganze Leib sei,
Die du mit einem Becher zu deinem Geliebten eilest:
Der Becher und der Schenke treibt Menschen zur Raserei.

Nun waren ihre Beine, die zwei Säulen aus Alabaster glichen, mit goldenen, edelsteinbesetzten Fußspangen geziert, und die Maid hatte ihre Ärmel bis unter die Achseln emporgerafft und ihre Arme entblößt, so daß ich ihre weißen Handgelenke sehen konnte. An ihren Armen trug sie ein Paar Spangen, deren Schlösser mit großen Perlen besetzt waren; um ihren Hals hing eine



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Kette aus kostbaren Edelsteinen; an ihren Ohren glitzerten Perlengehänge; und auf ihrem Haupte lag ein Tuch aus feinem Seidengewebe, das mit edlen Steinen besetzt war. Den Saum ihres Hemdes aber hatte sie unter die Schnur ihrer Hose geschoben, als ob sie geschäftig bei der Hausarbeit wäre. Als ich sie erblickte, stand ich sprachlos vor ihr; denn sie glich der strahlenden Sonne. Doch sie sagte in feiner Sprache und mit einer so süßen Stimme, wie ich sie noch nie gehört hatte: ,Mütterchen, ist dies der Mann, der gekommen ist, um uns den Brief vorzulesen?' Die Alte bejahte es und streckte mir die Hand mit dem Schreiben entgegen, während sie etwa vier Schritt von der Tür entfernt stand. Da streckte auch ich meine Hand aus. um den Brief von ihr entgegenzunehmen, und ich neigte Kopf und Schultern in das Tor hinein, um den Brief mehr aus der Nähe vorlesen zu können. Doch ehe ich wußte, was geschah, legte die Alte ihren Kopf auf meinen Rücken und stieß mich, mit dem Schreiben in der Hand, hinein. Und dann fand ich mich denn plötzlich drinnen im Hause und blieb in der Vorhalle stehen. Die Alte aber lief schneller als ein Blitzstrahl hinein und hatte nichts Engeres zu tun, als die Tür zu verschließen.' — — «

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 123 Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der junge 'Azîz dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren erzählte: ,Als die Alte mich hineingestoßen hatte, fand ich mich plötzlich drinnen in der Vorhalle; die Alte aber lief schneller als ein Blitzstrahl hinein und hatte nichts Engeres zu tun, als die Tür zu verschließen. Sowie nun die Maid mich in der Halle sah, kam sie auf mich zu, zog mich an ihre Brust und warf mich auf den Boden; dann setzte sie sich rittlings auf meine Brust und preßte meinen Leib



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mit ihren Händen, bis ich fast die Besinnung verlor. Darauf faßte sie mich bei der Hand. ohne daß ich mich von ihr hätte losmachen können, da sie mich so fest an sich zog. Und dann ging sie mit mir weiter ins Haus, während die Alte mit der brennenden Kerze voranschritt; und als sie mich durch sieben Hallen geführt hatte, trat sie schließlich mit mir in einen großen Saal mit vier Estraden, in dein ein Reiter hätte Schlagball spielen können. Zuletzt ließ sie mich los und sagte zu mir: ,Öffne deine Augen!' Ich tat es, aber ich war noch ganz schwindlig, da sie mich so fest an sich gezogen und meinen Leib gepreßt hatte. Nun sah ich, daß der ganze Saal aus feinstem Alabaster und Marmor erbaut war; alle Teppiche darin waren aus Seide und Brokat, sogar auch die Kissen und Polster. Dort waren auch zwei Bänke aus Messing und ein Lager aus rotem Golde, besetzt mit Perlen und Edelsteinen. ferner andere Gemächer und ein Staatsraum, der nur einem König deinesgleichen gebührt. Dann fragte sie mich: ,Sprich, 'Azîz, was ist dir lieber, der Tod oder das Lebens' ,Das Leben', erwiderte ich. ,Wenn also das Leben dir lieber ist', fuhr sie fort. ,so vermähle dich mit mir!' Ich rief aber: ,Es ist mir zuwider, mich mit einer, wie du es bist, zu vermählen!' Da sprach sie: ,Wenn du dich mit mir vermählst, so wirst du sicher sein vor der Tochter der listigen Ränkeschmiedin.' Nun fragte ich sie: ,Wer ist die Tochter der listigen Ränkeschmiedin?' Lächelnd antwortete sie: ,Sie ist es, in deren Freundschaft du jetzt ein Jahr und vier Monate verbracht hast -Allah der Erhabene vernichte sie und suche sie heim durch einen, der noch stärker ist als sie! Doch, bei Allah, es gibt niemanden, der listenreicher wäre als sie! Wie viele Männer hat sie schon vor dir getötet und wie viele Untaten hat sie schon vollbracht! Wie bist du denn ihren Händen entronnen, nachdem du so lange Zeit in Freundschaft mit ihr gelebt



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hast, ohne daß sie dich tötete oder dir ein Leids antat?' Als ich ihre Worte vernommen hatte, verwunderte ich mich gar sehr, und ich fragte sie: ,O Herrin, wer hat dir denn von ihr berichtet?' Sie antwortete: ,Ich kenne sie, wie das Schicksal seine Wechselfälle kennt. Aber jetzt wünsche ich, daß du mir alles erzählst, was dir bei ihr begegnet ist, auf daß ich auch erfahre, auf welche Weise du aus ihren Händen gerettet wurdest.' Also erzählte ich ihr alles, was ich mit jenem Mädchen und auch mit meiner Base 'Azîza erlebt hatte. Doch wie sie von 'Azîzas Tod hörte, rief sie: ,Allah erbarme sich ihrer!' und Tränen entströmten ihren Augen, und sie schlug in Trauer ihre Hände aufeinander. Dann sprach sie: ,In Aufopferung schwand ihre Jugend dahin. Möge Allah dir ihren Verlust in seiner Güte ersetzen! Wahrlich, 'Azîz, sie ist nun dahingegangen und war doch die Ursache deiner Rettung aus den Händen der Tochter der listigen Ränkeschmiedin! Wäre sie nicht gewesen, so wärest du umgekommen. Und auch jetzt noch bin ich um dich besorgt, wegen der List und der Bosheit der anderen. Aber meine Zunge versagt mir, und ich kann nicht mehr sprechen.' ,Ja, bei Allah!' seufzte ich, ,es ist alles so gekommen.' Sie aber schüttelte den Kopf und sprach: ,Wie 'Azîza gibt es heute keine mehr!' Dann fügte ich hinzu: ,Und bei ihrem Tode hat sie mir noch aufgetragen, jenem Mädchen nur diese beiden Worte zu sagen: Treue ist trefflich, Verrat ist häßlich.' Als sie das hörte, sprach sie zu mir: ,Bei Allah, 'Azîz, diese beiden Worte sind es, die dich aus ihrer Gewalt und vor dem Tode durch ihre Hand gerettet haben. Jetzt ist mein Herz nicht mehr ihretwegen um dich besorgt; sie wird dich nicht mehr töten. Ja, deine Base war dein Schutzengel zu ihren Lebzeiten und nach ihrem Tode. Aber weißt du, bei Allah, ich habe Tag für Tag nach dir verlangt, doch ich konnte dich bis zu dieser Stunde nicht in meine



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Gewalt bringen; erst jetzt hat die List, die ich gegen dich ersann, über dich Erfolg gehabt. Du bist ja noch unerfahren und kennst weder die Listen der jungen Frauen noch das Unheil der alten.' ,Nein, bei Allah!' rief ich; und sie fuhr fort: ,Sei getrost und gutes Muts! Wer tot ist, findet Erbarmen; und wer lebt, erfahrt Güte. Du bist ein schöner Jüngling, und ich verlange nach dir nur gemäß dem Gesetze Allahs und seines Propheten —Er segne ilm und gebe ihm Heil! Was du nur immer wünschest an Geld und Gut, das soll dir bald zuteil werden; niemals werde ich dir irgendeine Ausgabe verursachen. Auch habe ich immer gebackenes Brot genug, und das Wasser ist im Krug. Ich will nichts von dir, als daß du mit mir tust, wie der Hahn tut.' ,Was ist denn das, was der Hahn tut?' fragte ich. Da lachte sie, klatschte in die Hände und fiel vor lauter Lachen auf den Rücken. Dann richtete sie sich wieder auf und sagte lächelnd: ,Du Licht meines Auges, kennst du denn nicht das Geschäft des Hahnes?' ,Nein, bei Allah,' rief ich, ,ich kenne das Geschäft des Hahnes nicht!' Da entgegnete sie: ,Das Geschäft des Hahnes ist, daß er ißt und trinkt und tritt!' Wie sie das gesagt hatte, fragte ich in meiner Verlegenheit: ,Ist dies das Geschäft des Hahnes?' ,Jawohl,' erwiderte sie; ,und ich verlange von dir jetzt nur das eine: gürte deine Lenden und stähle deinen Willen, und mögest du nach Kräften die eheliche Pflicht erfüllen!' Wiederum klatschte sie in die Hände und rief: ,Mütterchen, bringe die, so bei dir sind!' Und siehe, da kam die Alte mit vier rechtmäßigen Zeugen und mit einem seidenen Tuch in der Hand. Darauf zündete sie die vier Kerzen an; und als die Zeugen eingetreten waren, mich begrüßt und sich gesetzt hatten, legte die Maid einen großen Schleier um und beauftragte einen von ihnen, den Ehevertrag aufzusetzen. Dann ward der Vertrag niedergeschrieben, und sie selbst bezeugte, daß sie die



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ganze Mitgift erhalten habe, die erste und die zweite, und daß ich Anspruch auf zehntausend Dirhems von ihrem Vermögen hätte.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 124. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Jüngling dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren erzählte: ,Als der Ehevertrag niedergeschrieben ward, bezeugte sie selbst, daß sie die ganze Mitgift erhalten habe, die erste und die zweite, und daß ich Anspruch auf zehntausend Dirhems von ihrem Vermögen hätte. Darauf gab sie den Zeugen ihren Lohn, und die gingen dorthin, von wo sie gekommen waren. Nun legte die Maid ihre Gewänder ab und kam herbei in einem feinen Hemde, das mit golddurchwirkten Spitzen besetzt war. Weiter legte sie auch ihre Hosen ab, nahm mich bei der Hand und führte mich zudem Lager, indem sie sprach: ,Im Erlaubten ist keine Sünde!' Und sie ließ sich auf dem Lager nieder, legte sich auf den Rücken und zog mich an ihre Brust. Dann seufzte sie tief, wand sich und zog das Hemd bis über ihre Brust hinauf. Doch als ich sie so daliegen sah, konnte ich mich nichtmehr halten, sondern umarmte sie unter heißen Küssen, während sie seufzte und verschämt die Augen schloß und weinte, ohne daß eine Träne floß. Und wie sie mir zuflüsterte: ,Geliebter, tu es!' erinnerte sie mich sofort an eines Dichters Wort:

Als ich das Gewand aufhob vorn Dache ihres Leibes,
Fand ich, sie war so eng, wie mein Sinn und mein Geld bedrängt.
Das Werk begann ich; sie seufzte. Da fragte ich: ,Warum das?'
Sie sprach: ,Ich seufze danach, daß man das Ganze mir schenkt!'

Und weiter flüsterte sie: ,Geliebter, tu dein Bestes! Ach, ich bin deine Sklavin. Wohlan, tu es ganz! Bei meinem Leben, laß es



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mich mit der Hand bis in mein Inneres hineintun!' So ließ sie mich ohne Unterlaß kosende Worte und Stöhnen und Seufzen hören, indem sie dazwischen mich küßte und in die Arme nahm, bis unter Liebesgestammel unser Glück zur höchsten Vollendung kam. Dann schliefen wir bis zum Morgen. Da wollte ich fortgehen, aber siehe, sie trat mir lächelnd in den Weg mit den Worten: ,Oh! Oh! Meinst du, daß man das Badehaus ebenso verlassen kann, wie man es betritt? Ich glaube fast, du denkst, ich sei wie die Tochter der listigen Ränkeschmiedin! Hüte dich vor solchen Gedanken! Du bist jetzt wirklich mein Gatte nach Ehevertrag und Gesetz. Wenn du trunken bist, so werde wieder nüchternen Verstandes; denn dies Haus, in dem du bist, öffnet sich nur alljährlich an einem einzigen Tage. Geh hin und schau dir das große Tor an!' Da ging ich zudem großen Tore hin und fand es verriegelt und vernagelt; und ich kehrte zurück und tat ihr kund, was ich gesehen. Nun sprach sie zu mir: ,'Azîz, wir haben hier Mehl, Korn, Granatäpfel und andere Früchte, Zucker, Fleisch, Schafe, Hühner und andere Lebensmittel, die uns auf viele Jahre hin genügen. Von jetzt ab wird sich dies Tor erst wieder nach einem Jahre auftun; und ich weiß, daß du dich erst nach dieser Zeit außerhalb dieses Hauses sehen wirst.' Ich erwiderte nur: ,Es gibt keine Macht, und es gibt keine Majestät außer bei Allah!' ,Was quält dich denn?' fragte sie mich; ,du kennst ja nun das Geschäft des Hahnes, das ich dich gelehrt habe!' Darauf lächelte sie, und auch ich lächelte; und so fügte ich mich denn ihrem Befehle. Ich blieb bei ihr, indem ich die Pflicht des Hahnes tat, indem ich aß und trank und trat, bis ein volles Jahr von zwölf Monaten bei uns verstrichen war. Während dieser Zeit ward sie von mir schwanger, und ich wurde durch sie mit einem Kinde gesegnet.



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Doch am Neujahrstage hörte ich, wie das Tor sich öffnete; und siehe, da traten Männer herein mit Kuchen aus Mehl und Zucker. Rasch wollte ich hinausgehen, aber sie befahl mir: ,Warte bis zur Abendzeit! Wie du hereingekommen bist, so sollst du auch wieder hinausgehen.' So wartete ich denn bis zur Abendzeit und wollte nun endlich hinausgehen, zitternd vor Angst. Aber siehe da, sie rief: ,Bei Allah, ich laß dich nicht hinaus, es sei denn, du schwörest mir, daß du noch in dieser Nacht zurückkehrest, ehe das Tor geschlossen wird!' Das versprach ich ihr, und so ließ sie mich feierliche Eide schwören, bei dem Schwerte und bei dem heiligen Buche und bei der Scheidung, daß ich zu ihr zurückkehren würde. Dann verließ ich sie und ging zu dem Garten meiner einstigen Freundin. Als ich den wie gewöhnlich offen fand, ward ich zornig und sprach bei mir: ,Nun bin ich ein ganzes Jahr lang diesem Orte fern gewesen, und wie ich jetzt unvermutet hierherkomme, finde ich ihn offen wie gewöhnlich! Ist die Maid wohl noch da wie früher, oder nichte Ich muß doch einmal hineingehen und nachsehen, ehe ich zu meiner Mutter gehe, zumal es jetzt gerade Abendzeit ist!' Ich ging also in den Garten hinein.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 125. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß 'Azîz dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren erzählte: ,Ich ging also in den Garten hinein und schritt weiter, bis ich zu der Laube kam. Dort fand ich die Tochter der listigen Ränkeschmiedin sitzen, den Kopfüber die Kniee gebeugt und die Wange in die Hand geschmiegt; ihre Farbe war fahl, und ihre Augen waren eingesunken. Sowie sie mich erblickte, rief sie: ,Preis sei Allah für deine glückliche Wiederkehr!' Und sie wollte sich erheben; aber sie sank vor



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Freuden wieder zu Boden. Beschämt senkte ich mein Haupt vor ihr; dann trat ich auf sie zu, küßte sie und fragte sie: ,Wie wußtest du, daß ich in dieser Nacht zu dir kommen würde?' ,Ich wußte es nicht,' antwortete sie, ,bei Allah. ich habe ein ganzes Jahr lang den Schlaf nicht gekannt noch seine Süßigkeit gekostet, sondern jede Nacht gewacht, um auf dich zuwarten. So steht es um mich seit dem Tage, da du mich verließest und ich dir das Gewand aus neuem Linnen gab, und da du mir versprachest, nur ins Badehaus zu gehen und dann wiederzukommen! Ich saß da, um auf dich zu warten, die erste Nacht. die zweite Nacht, die dritte Nacht und so fort, bis du endlich nach dieser langen Zeit zu mir gekommen bist, während derer ich immer nur auf deine Wiederkehr harrte. So ergeht es den Liebenden. Jetzt bitte ich dich, erzähle mir, warum du dies ganze Jahr lang mir fern geblieben bist!' Da erzählte ich es ihr. Doch als sie vernahm, daß ich vermählt war, erblich sie. Ich fuhr dann fort: ,Siehe, ich bin heute nacht zu dir gekommen, aber ich muß noch vor Tagesanbruch wieder scheiden.' Da rief sie: ,Ist es ihr nicht genug, daß sie sich durch eine List mit dir vermählt und dich ein ganzes Jahr bei sich gefangen gehalten hat? Mußte sie dir auch noch den Eid bei der Scheidung schwören lassen, daß du noch in dieser Nacht vor Tagesanbruch zu ihr zurückkehren würdest? Mußte sie dich auch noch hindern, dich mit deiner Mutter oder mit mir in Ruhe zu unterhalten? War es denn so schwer für sie, daß du eine einzige ganze Nacht fern von ihr bei einer von uns bleiben solltest? Wie steht es denn um die, von der du ein ganzes Jahr fern gewesen bist und die dich eher gekannt hat als sie? Doch Allah erbarme sich deiner Base 'Azîza! Ihr widerfuhr, was noch niemandem widerfahren ist, und sie ertrug, was noch niemand ertragen hat! Sie ist gestorben, da so grausam an ihr handel test; und doch war sie



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es, die dich vor mir schützte. Ich glaubte damals, du liebtest mich, und so ließ ich dich deines Weges gehen, obgleich ich imstande war, dich nicht heil und gesund fortgehen zu lassen, und dich hätte gefangen halten und verderben können!' Dann weinte sie heftig und ward zornig; ihre Haare sträubten sich vor meinem Angesicht, und sie blickte mich mit grimmigen Augen an. Als ich sie in solcher Verfassung sah, erbebte ich aus Furcht vor ihr; denn sie glich einem drohenden Dämone, ich aber einer Bohne über dem Feuer. Darauf sprach sie zu mir: ,Du bist jetzt zu nichts mehr nütze, seit du vermählt bist und ein Kind hast. Du taugst jetzt nicht mehr für meine Gesellschaft; denn nur ein Junggeselle paßt für mich, während der Ehemann mir nichts nützt. Du hast mich zwar für jenen Haufen Dreck verkauft, aber, bei Allah, ich werde der Metze schon um deinetwillen Herzeleid bereiten; du sollst weder mir noch ihr erhalten bleiben!' Dann stieß sie einen lauten Schrei aus, und ehe ich mich dessen versah, kamen zehn Sklavinnen und warfen mich zu Boden. Während ich nun unter deren Händen dalag, ging sie hin, holte ein Messer und rief: ,Fürwahr, ich werde dich schlachten wie einen Ziegenbock. Und das ist noch nicht Strafe genug für das, was du an mir und vorher an deiner Base getan hast!' Wie ich mich so in der Gewalt der Sklavinnen am Boden erblickte, mein Gesicht von Staub beschmutzt, und wie ich sie das Messer wetzen sah, war ich des Todes gewiß.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 126 Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Wesir Dandân zu Dau el-Makân sprach: ,Darauf erzählte der junge 'Azîz dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren: ,Wie ich mich so in der Gewalt der Sklavinnen am Boden erblickte, mein Gesicht von



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Staub beschmutzt, und wie ich sie das Messer wetzen sah, war ich des Todes gewiß, und da flehte ich sie um Gnade an. Aber sie ward nur noch hartherziger und befahl den Sklavinnen, mir die Hände zu fesseln. Die taten es, warfen mich dann ausgestreckt auf den Rücken, setzten sich auf meinen Leib und packten meinen Kopf; zwei Sklavinnen aber setzten sich auf meine Fußknöchel, und zwei andere packten mich bei den Händen. Schließlich kam sie mit zwei Sklavinnen herbei: denen befahl sie, mich zu schlagen. Da schlugen die beiden mich so lange, bis ich in Ohnmacht fiel und mir die Stimme versagte. Als ich wieder zu mir kam, sprach ich bei mir selber: ,Wenn ich sofort mit dem Schlachtmesser getötet wäre, wäre es besser und leichter für mich gewesen, als so geschlagen zu werden!' Dabei mußte ich an die Worte meiner Base denken, die sie mir zu sagen pflegte: ,Möge Allah dich vor ihrer Bosheit beschützen!' Und ich schrie auf und weinte, bis mir die Stimme versagte und ich weder einen Laut hervorbringen noch atmen konnte. Dann wetzte sie das Messer von neuem und sprach zu den Sklavinnen: ,Deckt ihn auf!' Aber da gab mir der Herr ein, die beiden Worte zu sprechen, die meine Base mir gesagt und ans Herz gelegt hatte. So sprach ich denn: ,O Herrin, weißt du nicht: Treue ist trefflich, Verrat ist häßliche' Als sie das hörte. schrie sie auf und rief: ,Allah erbarme sich deiner, o 'Azîza! Allah gebe ihr das Paradies für ihre verlorene Jugend! Ja, sie ist es, die dir zu ihren Lebzeiten und nach ihrem Dahinscheiden gedient hat, die dich durch diese beiden Worte aus meiner Gewalt befreit hat. Aber ich kann dich jetzt nicht so davon lassen, nein, ich muß an dir eine Spur hinterlassen, zum Schmerze für jene schamlose Metze, die dich von mir ferngehalten hat.' Dann rief sie den Sklavinnen zu und befahl ihnen, meine Füße mit einem Seil fest zu binden. Weiter befahl sie: ,Setzt euch wieder



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auf ihn!' und sie taten es. Darauf ging sie von mir fort, holte eine kupferne Pfanne, hängte sie über dem brennenden Kohlenbecken auf, goß Sesamöl hinein und briet Käse darin, während ich wie von Sinnen dalag. Danach trat sie wieder auf mich zu. löste mir die Hosen und band einen Strick um meine Hoden: die Enden des Stricks nahm sie in die Hand, reichte sie zwei Sklavinnen und befahl ihnen, daran zu ziehen. Als die das taten, sank ich wieder in Ohnmacht, und vor Übermaß der Schmerzen war es mir, als versänke ich in eine andere Welt. Nun trat sie mit einem scharfen Rasiermesser an mich heran und schnitt mir das Glied ab, sodaß ich nunmehr wie ein Weib war. Dann brannte sie mir die Wunde mit dem siedenden Öl aus und rieb sie mit einem Pulver ein, während ich in Ohnmacht dalag. Als ich aber wieder zu mir kam, war das Blut bereits gestillt. Da befahl sie den Sklavinnen, mich los zu binden, und sie gab mir einen Becher Wein zu trinken. Und dann sprach sie zu mir: ,Nun geh hin zu ihr, mit der du dich vermählt hast, zu ihr, die dich mir nicht einmal eine einzige Nacht gönnte! Möge Allah sich deiner Base erbarmen, die dich gerettet und die ihr Geheimnis nie offenbart hat! Ja, hättest du mich nicht ihre beiden Worte hören lassen, so hätte ich dich getötet. Geh in diesem Augenblick fort, zu wem du willst! Ich wollte von dir nur das, was ich dir abgeschnitten habe; jetzt brauche ich nichts mehr von dir. Ich habe auch keinerlei Verlangen mehr nach dir. Auf denn, lege deine Hand auf deinen Kopf und flehe zu Allah um Erbarmen für deine Base!' Darauf gab sie mir einen Tritt mit ihrem Fuße. So erhob ich mich, und kaum imstande zu gehen, wankte ich ganz langsam dahin, bis ich zu unserer Haustür kam. Die fand ich offen: und da warf ich mich fassungslos ins Haus. Nun kam meine Gattin herbei und trug mich in die Halle hinein: da entdeckte sie, daß ich einem Weibe



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gleich geworden war. Ich aber versank in einen tiefen Schlaf. Als ich dann wieder aufwachte, fand ich mich beim Gartentor liegen.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 127. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtetworden, o glücklicher König, daß der Wesir Dandân vor König Dau el-Makân seine Geschichte in dieser Weise fortführte: ,Darauf erzählte der junge 'Azîz dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren: ,Als ich dann wieder aufwachte, fand ich mich beim Gartentor liegen. Da erhob ich mich, seufzend und von Schmerzen gepeinigt, und begab mich zu meinem Elternhause. Nachdem ich dort eingetreten war, sah ich meine Mutter, wie sie um mich weinte und klagte: ,Ach, wer weiß, in welchem Lande du weilst, mein Sohn!' Ich ging auf sie zu und warf mich ihr entgegen. Doch als sie mich sah und mich genau anblickte, erkannte sie, daß ich krank war; denn mein Gesicht war bleich und gelb. Nun dachte ich wieder an meine Base und an all das Gute, das sie mir erwiesen hatte, und nur zu spät sah ich ein, daß sie mich wahrhaft geliebt hatte. Und wie ich um sie weinte, weinte auch meine Mutter. Dann sprach sie zu mir: ,Mein Sohn, wisse, dein Vater ist gestorben!' Da ward ich noch heftiger erregt, und ich weinte, bis ich in Ohnmacht sank. Als ich wieder zu mir kam, fiel mein Blick auf die Stätte, an der meine Base zu sitzen pflegte. Von neuem mußte ich weinen, und fast wäre ich im Übermaße meiner Tränen wieder in Ohnmacht gesunken. Und so weinte und klagte ich ohn Unterlaß bis Mitternacht. Da sprach meine Mutter zu mir: ,Wisse, dein Vater ist vor zehn Tagen gestorben!' ,Ach,' rief ich, ,ich werde nie mehr an jemand anders denken können als an meine Base. Ja, ich verdiene all das, was mir widerfahren ist: denn ich habe



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ihrer nicht geachtet, während sie mich so treu liebte!' ,Was ist dir denn widerfahren?' fragte meine Mutter. Da erzählte ich ihr, was ich erlebt hatte. Eine Weile weinte sie still; doch dann ging sie hin und brachte mir etwas Speise und Trank. Ich aß und trank ein wenig; darauf wiederholte ich ihr meine Geschichte und tat ihr alles kund, was über mich hereingebrochen war. ,Preis sei Allah,' rief sie, ,daß dir nur dies widerfahren ist und daß sie dich nicht getötet hat!' Dann hegte und pflegte sie mich, bis ich gesund wurde; und als meine Genesung vollkommen war, sprach sie zu mir: ,Mein Sohn, jetzt will ich dir holen, was deine Base mir für dich anvertraut hat; denn es gehört dir, und sie hat mich schwören lassen, es dir nicht eher zu geben, als bis ich sähe, daß du ihrer gedächtest und um sie weintest und deine Verbindung mit der anderen gelöst hättest. Jetzt sehe ich, daß diese Bedingungen bei dir erfüllt sind.' Nun ging sie hin, öffnete eine Truhe und nahm daraus dies Stück Linnen, auf dem diese Gazellen abgebildet sind und das ich ihr einst gegeben hatte. Als ich es nahm, fand ich darin ein Blatt mit diesen Versen:

O Herrin der Schönheit, wer hat zur Härte dich verleitet,
Zum Tode für den, dessen Herz in Liebe zu dir zerbricht?
Wenn du auch meiner nicht mehr gedenkst, seit wir uns trennten,
So ist doch Gott mein Zeuge: ich vergesse dich nicht!
Du quäl test mich zu Unrecht; und süß ist das mir dennoch.
Gewähre mir nur einmal die Huld, daß ich dich seh!
Erst jetzt kann ich begreifen, daß Liebe Schmerzen bringet
Und Seelenqualen, seit ich in Sehnsucht nach dir vergeh.
Ja, heftige Leidenschaft entflammte mein Herz, und ich schmachte,
In Liebes banden gefangen durch deiner Augen Strahl.
Der Tadler selbst hatte Mitleid mit mir in meiner Liebe
Und klagte; doch du, o Hind', klagst nicht um meine Qual.
Bei Gott, müßt ich sterben, ich bliebe dir treu, du mein Augenlicht.
Ja, wenn ich vor Sehnsucht zerfließe, ich vergesse dich nicht.



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Als ich diese Verse las, weinte ich heftig und schlug mir ins Gesicht. Dann faltete ich das Blatt auseinander und fand darin ein zweites verborgen. Als ich auch das öffnete, siehe, da stand auf ihm geschrieben: ,Wisse, mein lieber Vetter, ich spreche dich frei von meinem Blut. und ich bete zu Allah. daß er dich mit der, die du liebst, einträchtiglich vereine. Doch wenn dir etwas Böses widerfährt von der Tochter der listigen Ränkeschmiedin, so kehre nicht zu ihr zurück; geh weder zu ihr noch zu einer anderen, sondern ertrage dein Leid. Wäre dir nicht eine lange Lebenszeit bestimmt, so wärest du längst zu Tode gekommen. Aber Preis sei Allah, der meinen Todestag dem deinen vorausgehen ließ! Nun grüße ich dich zum letzten Male. Hab acht auf dies Tuch mit dem Bilde der Gazellen und trenne dich nie von ihm: denn es war mein trauter Gefährte. wenn du mir fern warst.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 128. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Wesir Dandân vor König Dau el-Makân seine Geschichte in dieser Weise fortführte: ,Darauf erzählte der junge 'Azîz dem Tâdsch el-Mulûk des weiteren: ,Ich las, was meine Base für mich geschrieben und mir ans Herz gelegt hatte, und ihre Worte lauteten: ,Hab acht auf dies Tuch mit den Gazellen und trenne dich nie von ihm: denn es war mein trauter Geführte, wenn du mir fern warst. Ich beschwöre dich bei Gott. wenn das Schicksal dich mit der zusammenführt, die diese Gazellen gestickt hat, so bleib ihr fern, laß sie dir nicht nahe kommen, vermähle dich nicht mit ihr! Wenn es aber nicht geschieht, daß das Schicksal dich mit ihr zusammenführt, und wenn du den Weg zu ihr nicht findest, so nahe dich dann nie mehr einer aus dem Geschlechte



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der Frauen. Wisse, sie, die diese Gazellen gestickt hat, stickt ein solches Gazellenpaar alljährlich und schickt es in die fernsten Länder. damit ihr Ruf und ihre schöne Kunst. in der ihr kein Mensch gleichkommt, überall bekannt werde. Deiner Geliebten aber, der Tochter der listigen Ränkeschmiedin, kam dies Gazellentuch zu Händen, und sie pflegte damit den Menschen vor Augen zu treten und es ihnen zu zeigen, indem sie sprach: ,Ich habe eine Schwester, die solches stickt.' Aber sie log mit ihren Worten -Allah zerreiße ihren Schleier! Und dies ist nun mein letztes Vermächtnis an dich, das ich dir vermache, weil ich weiß, daß nach meinem Tode die Welt dir zu eng werden wird: vielleicht wirst du deshalb in die Fremde ziehen und auf der Erde umherschweifen, und wenn du dann von der Künstlerin dieses Bildes hörst und dich danach sehnst, sie kennen zu lernen, so wirst du an mich denken; aber es wird dir nichts nützen, ja, meinen wahren Wert wirst du erst nach meinem Tode erkennen. Wisse denn, die Maid, die diese Gazellen gestickt hat, ist die Tochter des Königs der Kampferinseln, und sie ist eine edle Herrscherin.' Als ich dies Blatt gelesen und seinen Inhalt verstanden hatte, da weinte ich, und meine Mutter weinte mit mir. Immer mußte ich das Blatt ansehen und weinen, bis die Nacht anbrach. Und dabei blieb ich ein ganzes Jahr lang. Dann, im folgenden Jahre, rüsteten diese Kaufleute aus meiner Vaterstadt sich zur Reise, diese Kaufleute da, in deren Karawane ich mich befinde. Da riet meine Mutter mir, ich solle mich auch ausrüsten und mit ihnen reisen, da ich mich so vielleicht trösten und meine Trauer vergessen könnte; sie sprach zu mir: ,Sei fröhlich und laß von dieser Trauer ab; zieh in die Ferne, ein Jahr lang oder zwei oder gar drei, bis die Karawane heimkehrt! Vielleicht wird dein Herz sich freuen und dein Kummer sich zerstreuen.' Mit solchen Worten sprach sie mir



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immer freundlich zu, bis ich meine Waren zurüstete und mit ihnen fortreiste. Doch meine Tränen sind während der ganzen Reise bisher nie getrocknet; jedesmal, wenn wir Rast machen, entfalte ich dies Tuch und schaue darauf diese Gazellen an. und dann denke ich an meine Base und weine um sie, wie du es eben gesehen hast. Ach, sie hat mich ja so innig geliebt; sie ist gestorben, da ich so grausam an ihr handelte. Ich habe ihr nur Böses getan, doch sie hat mir nur Gutes getan. Wenn diese Kaufleute nun von ihrer Reise heimkehren, so will auch ich mit ihnen nach Hause ziehen; denn dann bin ich ein volles Jahr in der Fremde gewesen. Aber meine Trauer hat nur noch zugenommen, und Kummer und Trübsal sind nicht von mir gewichen. Freilich bin ich zu den Kampferinseln mit dem Kristallschlosse gekommen. Das sind sieben Inseln, und über sie herrscht ein König namens Schehrimân. Der hat eine Tochter, Dunja genannt; und es ward mir gesagt, daß sie es ist, die die Gazellen stickt. Auch diese Gazellen da vor dir sind ein Zeichen ihrer Kunst. Als ich das damals hörte, da nahm meine Sehnsucht immer noch zu, und ich versank im Meere der Gedanken, die ließen mir keine Ruh. Auch beweinte ich mein Unglück, daß ich wie ein Weib geworden war, keine Kraft mehr hatte und das nicht mehr besaß, was zum Manne gehört. Seit dem Tage, an dem ich die Kampferinseln verließ, weint mein Auge und trauert mein Herz. So lange schon bin ich in diesem Elend, und ich weiß auch gar nicht, ob es mir möglich sein wird, in meine Heimat zurückzukehren und bei meiner Mutter zu sterben oder nicht. Ach, ich bin der Welt überdrüssig geworden!'

Dann weinte der junge Kaufmann von neuem, und seufzend und klagend blickte er auf das Bild der Gazellen; die Tränen rannen in Strömen auf seine Wangen, und er sprach diese beiden Verse:



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Wie mancher sagte zu mir: ,Die Freude muß doch kommen!'
Ich drauf: ,Wie oft beim Kummer heißt es: die Freude muß kommen!'
,Nach einer Weile!' sprach er; ich sagte: ,Es nimmt mich wunder;
Wer bürgt mir für mein Leben? O du, dessen Gründe nichts frommen!'

Und ferner sprach er:

Gott weiß es ja, ich habe, seitdem du von mir schiedest,
So lange geweint, bis daß ich mir die Tränen lieh!
Da sprach zu mir mein Tadler: ,Geduld! du wirst sie gewinnen.'
Ich rief: ,Oder du mich tadelst, Geduld -wie find ich die?'

Dies ist, o König, meine Geschichte! Hast du je eine seltsamere als sie gehörte'

Da war Tâdsch el-Mulûk aufs höchste erstaunt, und während er der Erzählung des jungen Kaufmanns zugehört hatte, ward in seinem Herzen Liebesfeuer entzündet durch den Bericht von der Anmut der Herrin Dunja.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 129. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Wesir Dandân vor Dau el-Makân weiter erzählte: ,Als Tâdsch el-Mulûk die Geschichte des jungen Kaufmanns gehört hatte, war er aufs höchste erstaunt, und Liebesfeuer ward in seinem Herzen entzündet, wie er von der Anmut der Herrin Dunja vernahm und wußte, daß sie es war, die das Gazellenpaar gestickt hatte; und seine leidenschaftliche Sehnsucht ward immer heftiger. Zu dem jungen Kaufmann aber sprach er: ,Bei Allah, dir ist widerfahren, desgleichen noch nie einem anderen Menschen widerfahren ist. Doch dir ist eine Lebensdauer bestimmt, die du erfüllen mußt. Nun möchte ich dich noch nach etwas fragen!' Als 'Azîz erwiderte: Was ist düse' fuhr jener fort: ,Erzähle mir, wie du jene Dame zu sehen bekamst, die dies Gazellenpaar gestickt hat!'



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,O mein Gebieter,' antwortete 'Azîz, ,ich fand durch eine List Zutritt zu ihr, und zwar auf diese Weise. Als ich mit der Karawane in ihre Stadt gekommen war, ging ich aus und wanderte dort in den Gärten umher, die voll von hohen Bäumen waren. Der Wächter jener Gärten aber war ein alter, hochbetagter Mann. Den fragte ich: ,Alterchen, wem gehört dieser Garten hier?' Er antwortete mir: ,Er gehört der Prinzessin, der Herrin Dunja. Und wir stehen hier unten bei ihrem Palaste. Wenn sie sich ergehen will, so öffnet sie die geheime Pforte, wandelt im Garten umher und erfreut sich am Dufte der Blumen.' Darauf bat ich ihn: .Erweise mir die Gunst und laß mich in diesem Garten sitzen, bis sie kommt und an mir vorbeigeht; vielleicht habe ich dann das Glück, einen Blick von ihr zu erhaschen.' Der Alte erwiderte: ,Darin liegt nichts Böses'; und nachdem er so gesprochen, gab ich ihm ein paar Dirhems mit den Worten: ,Kaufe uns etwas zu essen!' Erfreut nahm er das Geld. machte das Gartentor auf und führte mich mit sich hinein; dort gingen wir immer weiter, bis wir an eine liebliche Stätte kamen, wo er mir sagte: ,Bleib hier sitzen, bis ich wieder zu dir zurückkehre!' Vorher aber hatte er mir ein wenig Obst gegeben. Nun verließ er mich und blieb eine Weile fort; als er zurückkam, hatte er ein geröstetes Lamm bei sich, und von dem aßen wir, bis wir satt waren. Bei alledem jedoch sehnte mein Herz sich nach dem Anblick der Dame. Während wir beide so dasaßen, tat sich plötzlich die Tür auf, und der Alte sagte zu mir: ,Auf, verbirg dich!' Als ich das getan hatte, siehe, da steckte ein schwarzer Eunuch seinen Kopf aus der Tür und rief: ,Alter, ist jemand bei dir?' ,Nein!' erwiderte der; da fuhr der Eunuch fort: ,Schließ das Gartentor zu!' Und wie nun der Alte das Gartentor verriegelt hatte, siehe, da trat die Herrin Dunja aus der geheimen Pforte hervor. Bei ihrem Anblicke



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vermeinte ich, der Mond sei am Horizonte aufgegangen und erstrahle hell. Eine ganze Stunde war ich in ihren Anblick versunken, und ich verlangte nach ihr, wie der Durstige nach frischem Wasser verlangt. Als aber die Stunde vorüber war, verschwand sie wieder, nachdem sie die Pforte verschlossen hatte. Da ging auch ich aus dem Garten hinaus und suchte meine Herberge auf, wohl wissend, daß ich nie zu ihr gelangen würde und daß ich auch nicht ein Mann für sie war, zumal ich wie ein Weib geworden war und das nicht mehr besaß, was zum Manne gehört; auch war sie ja eine Königstochter, ich aber nur ein Kaufmann. Wie sollte ich also mit ihresgleichen oder mit irgendeiner anderen Maid vereint werden können? Als dann meine Gefährten dort sich zum Aufbruch rüsteten, machte ich mich gleichfalls reisefertig und zog mit ihnen fort; ihr Ziel war diese Stadt, und so gelangten wir schließlich an diese Stätte und trafen mit dir zusammen. Du hast mich befragt, und ich habe dir berichtet. Dies ist die Geschichte von dem, was mir widerfahren ist - und damit Gott befohlen!'

Als Tâdsch el-Mulûk jenen Bericht gehört hatte, wurden sein Sinn und seine Gedanken ganz von der Liebe zu der Herrin Dunja gefangen genommen, und er wußte nicht, was er tun sollte. Doch er erhob sich, bestieg sein edles Roß, nahm den 'Azîz mit sich und kehrte mit ihm zu der Stadt seines Vaters zurück. Dort bestimmte er für 'Azîz ein eigenes Haus und versorgte ihn darin mit allem, dessen er an Speise und Trank und Kleidung bedurfte. Dann verließ er ihn und begab sich zu seinem Schlosse, während die Tränen ihm auf die Wangen herniederrannen; denn oft kann das Hören den gleichen Eindruck wie Sehen und Begegnen gewähren. Und in dieser Verfassung blieb Tâdsch el-Mulûk immerdar, bis einmal sein Vater zu ihm eintrat und sah, daß seine Farbe erblichen, sein Leib abgezehrt



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und seine Augen voll Tränen waren; da wußte er, daß sein Sohn in Kummer war wegen etwas, das über ihn gekommen sein mußte, und so fragte er ihn denn: ,Lieber Sohn, tu mir dein Leid kund; sag mir, was ist dir widerfahren, so daß deine Farbe erblichen und dein Leib abgezehrt ist?' Nun erzählte er ihm alles, was er erlebt hatte, was er von der Geschichte des 'Azîz und von dem Berichte über die Herrin Dunja gehört hatte, und ferner, daß er sie liebe, nur weil er von ihr gehört habe, ohne sie von Angesicht gesehen zu haben. Doch sein Vater sprach zu ihm: ,Lieber Sohn, siehe, sie ist die Tochter eines Königs, dessen Land fern von dem unseren ist. Deshalb laß ab davon und geh in den Palast deiner Mutter!' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 130. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Wesir Dandân vor Dau el-Makân des weiteren erzählte: ,Der Vater des Tâdsch ei-Mulûk sprach zu ihm: ,Lieber Sohn, siehe, ihr Vater ist ein König, dessen Land fern von dem unseren ist. Deshalb laß ab davon und geh in den Palast deiner Mutter! Dort sind fünfhundert Mädchen, Monden gleich; und welche nur immer von ihnen dir gefällt, die nimm. Oder wir wollen für dich um eine Königstochter werben, die noch schöner ist als die Herrin Dunja.' Allein Tâdsch el-Mulûk erwiderte: ,Lieber Vater, ich will niemals eine andere als sie, die Künstlern der Gazellen, die ich gesehen habe; ich muß sie gewinnen, sonst werde ich in den Wüsten und Einöden umherirren und um ihretwillen den Tod suchen.' Da sprach sein Vater zu ihm: ,Gib mir eine kurze Frist, bis ich zu ihrem Vater sende und um sie bei ihm werbe und dich an dein Ziel gelangen lasse, wie ich es selbst bei deiner Mutter erreicht habe. Vielleicht wird Allah dir zu



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deinem Wunsche verhelfen. Wenn aber ihr Vater nicht einwilligt, so werde ich ihm sein Land erschüttern durch ein Heer, dessen Nachhut noch hier bei mir ist, während der Vortrab schon bei ihm steht.' Dann ließ er den jungen 'Azîz rufen und sprach zu ihm: ,Mein Sohn, kennst du den Weg zu den Kampferinselnt' Als der die Frage bejahte, fuhr der König fort: ,Ich wünsche, daß du mit meinem Wesir dorthin reisest.' 'Azîz erwiderte: ,Ich höre und gehorche, o größter König unserer Zeit!' Nun ließ der König seinen Wesir kommen und sprach zu ihm: ,Ersinne mir einen Plan für die Sache meines Sohnes, einen Plan, der das Rechte trifft. Zieh hin zu den Kampferinseln und wirb um die Tochter ihres Königs für meinen Sohn!' Der Wesir beteuerte seinen Gehorsam; Tâdsch el-Mulûk aber kehrte zu seinem Hause zurück, von übergroßer Leidenschaft krank, und die Zeit erschien ihm endlos lang. Und als die Nacht ihn mit ihrem Dunkel umfing, begann er zu weinen und zu seufzen und zu klagen, und er sprach diese Verse:

Schwarz fällt die Nacht, und meine Tränen rinnen wieder,
Da Liebe in meinem Innern wie heißes Feuer loht.
Fraget die Nächte nach mir, sie werden euch erzählen,
Daß ich nichts anderes kenne als Sorge und bittere Not.
Ich sehe in meinem Kummer des Nachts, wie die Sterne sinken:
Gleich Hagelkörnern fallen die Tränen auf mein Gesicht.
So lieg ich einsam da und habe keinen Helfer,
Gleichwie ein Liebender, dem es an Volk und Freunden gebricht.

Als er die Verse zu Ende gesprochen hatte, sank er auf lange Zeit in Ohnmacht; und erst als es Morgen ward, kam er wieder zu sich. Da kam der Kammerdiener seines Vaters herein, trat ihm zu Häupten und entbot ihn zum König. So ging er denn mit dem Diener. Als aber sein Vater ihn erblickte und sein bleiches Antlitz sah, ermahnte er ihn zur Geduld und versprach ihm, er werde ihn mit der geliebten Prinzessin vereinigen. Dann



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rüstete er 'Azîz und den Wesir aus und gab ihnen die königlichen Geschenke mit. Jene reisten nun Tag und Nacht, bis sie in der Nähe der Kampferinseln ankamen; dort machten sie halt am Ufer eines Flusses, und der Wesir entsandte einen Boten an den König, um ihm ihre Ankunft zu melden. Der Bote ging, und kaum war eine Stunde verflossen, da kamen auch schon der Kammerherr und die Wesire des Königs ihnen entgegen. Eine Parasange weit von der Hauptstadt entfernt trafen sie mit den fremden Gästen zusammen, begrüßten sie und gaben ihnen das Ehrengeleit, bis sie mit ihnen vor den König traten. Da brachten die Fremden ihm die Geschenke dar und verblieben drei Tage als seine Gäste. Am vierten Tage aber machte der Wesir sich auf, ging zum König, trat vor ihn hin und berichtete ihm, weswegen er gekommen war. Der König wußte nicht, was er ihm antworten sollte; denn seine Tochter liebte die Männer nicht und verlangte nicht nach der Ehe. So senkte er denn eine Weile sein Haupt, dann hob er es wieder, rief einen der Eunuchen und sprach zu ihm: ,Geh zu deiner Herrin Dunja und wiederhole ihr, was du gehört hast und weswegen dieser Wesir gekommen ist!' Der Eunuch ging dahin, und nachdem er eine Weile fortgeblieben war, kehrte er zum König zurück und berichtete ihm: ,O größter König unserer Zeit, siehe, als ich zu der Herrin Dunja eingetreten war und ihr meinen Auftrag kundgetan hatte, da ward sie sehr zornig, kam mit einem Stock auf mich zu und wollte mir den Kopf entzweischlagen. Rasch wich ich vor ihr zurück; sie aber rief: ,Wenn mein Vater mich zur Ehe zwingt, so werde ich den töten, mit dem ich vermählt werde!' Da sprach ihr Vater zu dem Wesir und zu 'Azîz: ,Ihr habt es beide gehört, und nun wißt ihr es. Berichtet es dem König und überbringt ihm meinen Gruß! Sagt ihm, meine Tochter liebe die Männer nicht und verlange nicht nach der Ehe!' — —«



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Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 131 Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der König Schehrimân zum Wesir und zu 'Azîz sprach: ,Überbringt dem König meinen Gruß! Und berichtet ihm, wie ihr gehört habt, daß meine Tochter nicht nach der Ehe verlangt!' So kehrten sie unverrichteter Sache um und zogen dahin, bis sie wieder vor ihren König traten. Als sie ihm berichteten, was geschehen war, befahl er sofort den Hauptleuten, die Heere zusammenzurufen, auf daß sie zu Krieg und Feldzug auszogen. Der Wesir aber sprach zu ihm: ,O Herr König, geruhe, das nicht zu tun !Jenen König trifft keine Schuld. Denn als seine Tochter von dem Antrage erfuhr, schickte sie eine Botschaft des Inhalts: ,Wenn mein Vater mich zur Ehe zwingt, so werde ich den töten, mit dem ich vermählt werde, und danach werde ich mir selbst den Tod geben.' Die Weigerung kommt also nur von ihr.' Als der König die Worte des Ministers vernahm, war er um Tâdsch el-Mulûk besorgt und sagte sich: ,Wenn ich gegen ihren Vater zu Felde ziehe und dann auch die Prinzessin in meine Gewalt bringe, sie aber sich den Tod gibt, so nützt mi? das nichts.'

Dann tat der König seinem Sohne Tâdsch el-Mulûk kund, wie es stand; und wie der es gehört hatte, sprach er zu seinem Vater: ,Lieber Vater, ich kann das Leben ohne sie nicht ertragen! Ich will zu ihr gehen, ich will durch eine List versuchen, mit ihr vereint zu werden, sollte ich auch dabei den Tod finden. Nichts anderes als dies will ich tun!' ,Wie willst du denn zu ihr gehen?' fragte sein Vater; und er antwortete: ,Ich will in der Verkleidung eines Kaufmanns gehen.' Darauf sagte der König: ,Wenn du denn durchaus gehen mußt, so nimm den



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Wesir und 'Azîz mit dir!' Dann ließ er ihm Geld aus seinem Schatzhause holen und beschaffte ihm Waren für hunderttausend Dinare; und er verabredete den Plan mit 'Azîz und dem Wesir. Doch als es Nacht wurde, ging Tâdsch el-Mulûk mit 'Azîz in dessen Wohnung; dort blieben die beiden jene Nacht über. Tâdsch el-Mulûk aber hatte das Herz voll Wunden; Speise und Schlaf wollten ihm nicht munden; ja, trübe Gedanken stürmten auf ihn ein, und die Sehnsucht nach der Geliebten rüttelte ihn auf; und er bat den Schöpfer flehentlich: ,Gewähre mir die Vereinigung gnädiglich!' Und er weinte und seufzte und klagte und sprach die Verse:

Wird mir Vereinigung zuteil wohl nach der Trennung?
Dann klag ich dir dereinst mein Liebesleid und sag:
,Ich dachte deiner, als die Nacht mich ganz vergessen;
Du hieltest wach mich, als die Welt im Schlummer lag.'

Darauf weinte er bitterlich, und auch 'Azîz weinte mit ihm; denn der gedachte seiner Base. So weinten beide ohn Unterlaß, bis der Morgen anbrach. Dann erhob Tâdsch el-Mulûk sich und ging zu seiner Mutter, gekleidet in Reiseausrüstung. Als sie ihn fragte, wie es um ihn stehe, berichtete er ihr alles. Da gab sie ihm fünfzigtausend Dinare und nahm Abschied von ihm. Wie er dann hinausging, betete sie, er möchte sicher ans Ziel gelangen und mit der Geliebten vereinigt werden. Darauf ging er zu seinem Vater und bat ihn um Erlaubnis zum Aufbruch. Der gewährte ihm die Erlaubnis und gab ihm ebenfalls fünfzigtausend Dinare; auch gab er Befehl, daß man für den Prinzen draußen vor der Stadt ein Prachtzelt aufschlage. Als das geschehen war, blieb Tâdsch el-Mulûk noch zwei Tage in dem Zelte. Dann brach er auf, froh darüber, daß er den 'Azîz zum Gefährten hatte, und er sprach zu ihm: ,Bruder, ich werde mich nie von dir trennen können!' Da antwortete 'Azîz: ,Auch



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ich denke so ;ja, ich würde gern zu deinen Füßen sterben. Doch ach, mein lieber Bruder, mein Herz ist in Sorge um meine Mutter!' ,Wenn wir unser Ziel erreichen,' fuhr Tâdsch el-Mulûk fort, ,so wird alles gut sein.' So zogen sie dahin; der Wesir ermahnte ihn, nicht zu verzagen; doch 'Azîz pflegte ihn des Abends zu unterhalten, ihm Verse aufzusagen und ihm Geschichten und Erzählungen vorzutragen. Eiligst zogen sie dahin, Tag und Nacht, zwei volle Monatelang, bis dem Tâdsch el-Mulûk der Weg zu lang ward; und als die Liebesflammen mit neuer Heftigkeit in ihm brannten, sprach er die Verse:

Der Weg ist lang: es werden so schwer mir Kummer und Sorgen,
Und in meinem Herzen brennet von neuem die Liebesglut.
Ich schwöre, o du meine Sehnsucht, o du Ziel meiner Hoffnung,
Bei dem, der den Menschen erschuf aus einem Tropfen Blut:'
Ich habe durch dich, du mein Wunsch, solche Liebes last getragen,
Die hohe Berge nicht trügen, in mancher schlaflosen Nacht.
O Herrin meiner Welt, die Liebe hat mich vernichtet.
Sie hat mich zu einem Toten ohn Lebenshauch gemacht.
Beseelte mich nicht die Hoffnung, mit dir vereint zu werden,
Mein Leib hätte nicht die Kraft, zu wandern auf dieser Erden!

Als er zu Ende gesprochen hatte, weinte er wieder, und 'Azîz weinte mit ihm, da auch er wunden Herzens war. Das Herz des Wesirs aber ward durch ihr Weinen gerührt, und er sprach: ,O Herr, sei froh und wohlgemut; alles wird gut werden!' Doch Tâdsch el-Mulûk erwiderte: ,O Wesir, die Reise wird mir zu lang. Tu mir kund, wie weit wir noch von der Stadt entfernt sind!' ,Es bleibt noch ein kurzer Weg', sagte 'Azîz. Dann setzten sie ihre Reise fort und durchmaßen Berg und Tal, Wüsten und Steppen zumal. Eines Nachts nun, als Tâdsch el-Mulûk im Schlafe lag, siehe, da erblickte er im Traum seine Geliebte bei sich, während er sie umarmte und an seine Brust



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zog; in wildem Schreck und fast wie von Sinnen wachte er auf, und dann sprach er die Verse:

Ihr Freunde, das Herz ist voll von Liebe, die Tränen fließen;
Heiß glüht meine Leidenschaft, und ihr Gefährte heißt Gram.
Ich klage wie die Mütter, die ihre Kinder verloren;
Ja, wie die Tauben klag ich, wenn nächtliches Dunkel kam.
Und wenn aus deinem Lande die Winde zu mir wehen.
So fühle ich, wie Kühlung sich auf die Erde legt.
Dich grüfte ich immerdar, sooft der Zephir säuselt,
Sooft die Tauben girren, den Vogel sein Fittich trägt.

Als Tâdsch el-Mulûk seine Verse beendet hatte, trat der Wesir auf ihn zu und sprach: ,Freue dich, dies ist ein glückliches Vorzeichen! Sei gutes Muts und getrost; du wirst sicher dein Ziel erreichen!' Auch 'Azîz trat an ihn heran, sprach ihm Mut zu und begann ilm durch Plaudern und durch Erzählen von Geschichten abzulenken. Und so zogen sie weiter in angestrengten Märschen ununterbrochen Tag und Nacht, wiederum zwei Monate lang. Da, eines Tages, bei Sonnenaufgang leuchtete ihnen aus der Ferne etwas Weißes entgegen, und Tâdsch el-Mulûk fragte sofort den 'Azîz: ,Was ist das Weiße dort?' ,Mein Gebieter,' antwortete 'Azîz, ,das ist das Weiße Schloß, und dort ist die Stadt, die dein Ziel ist!' Darüber freute der Prinz sich, und so zogen sie rasch weiter, bis sie der Stadt nahe waren. Und wie sie dort ankamen, war Tâdsch el-Mulûk hocherfreut, und es wichen von ihm Sorgen und Leid. Darauf zogen sie ein, als Kaufleute verkleidet, der Prinz aber in Gestalt eines vornehmen Kaufherrn: und sie kamen zu einer Stätte, die bekannt war als Herberge der Kaufleute, einem großen Chân. Als Tâdsch el-Mulûk fragte: ,Ist dies die Stätte der Kaufleute?' erwiderte 'Azîz: ,Jawohl! dies ist der Chân, in dem ich einst gewohnt habe.' So machten sie dort halt, ließen ihre Kamele niederknien, nahmen ihnen die Lasten ab und schafften ihre



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Waren in die Speicher. Vier Tage lang ruhten sie sich aus; dann riet der Wesir ihnen, sich ein großes Haus zu mieten. Sie waren damit einverstanden, und so mieteten sie sich ein Haus mit großen Räumen, das für Festlichkeiten geeignet war; dort schlugen sie ihren Wohnsitz auf. Nun begannen der Wesir und 'Azîz Pläne für Tâdsch el-Mulûk zu machen; denn der Prinz selbst war ratlos und wußte nicht, was er tun sollte. Und da der Wesir keinen anderen Platz finden konnte als den, daß der Prinz sich als Kaufmann in der Halle des Tuchmarktes niederlasse, so wandte er sich an Tâdsch el-Mulûk und 'Azîz mit den Worten: ,Wisset, wenn wir so untätig hier bleiben, werden wir unser Ziel nicht erreichen und gar nichts ausrichten. Mir ist nun etwas in den Sinn gekommen; und so Gott will, werden wir dadurch auf den rechten Weg geführt.' Da sprachen Tâdsch el-Mulûk und 'Azîz: ,Tu, was dir gut dünkt! Denn Segen ruht auf alten Männern, zumal auf dir, der du in allen Dingen erfahren bist. Drum sage uns, was dir in den Sinn gekommen ist!' ,Ich bin der Meinung,' sprach er zu Tâdsch el-Mulûk. ,daß wir für dich einen Laden im Tuchbasar mieten. in dem du dann Handel treiben kannst. Denn alle Leute. Vornehme Geringe, haben Tuch und Kleiderstoffe nötig. Wenn du geduldig in jenem Laden ausharrst, dann wird, so Allah der Erhabene will, deine Sache gut werden, besonders da du von schöner Gestalt bist. Mache aber 'Azîz zu deinem Geschäftsführer und laß ihn drinnen im Laden sitzen, damit er dir die Stoffe und Tuche reiche!' Als Tâdsch el-Mulûk diese Worte vernommen hatte, sagte er: ,Dies ist ein rechter und trefflicher Rat!' Zugleich holte er einen prächtigen Kaufmanns anzug heraus, legte ihn an und machte sich auf den Weg; seine Diener folgten ihm, und er gab einem von ihnen tausend Dinare, um damit die Einrichtung des Ladens zu bestreiten. Sie gingen dahin,



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bis sie zum Tuchbasar kamen. Als aber die Kaufleute den Tâdsch el-Mulûk erblickten und ihre Augen auf seiner wunderbaren Schönheit ruhen ließen, wurden sie verwirrt, und die einen sagten: ,Seht, Ridwân, der Hüter des Paradieses, hat die Tore geöffnet und unbewacht gelassen, so daß dieser Jüngling von so herrlicher Schönheit entweichen konnte!' Und ein anderer sagte: ,Vielleicht ist dies einer von den Engeln.' Wie jene dann in den Kreis der Kaufleute eingetreten waren, fragten sie nach dem Laden des Marktvorstehers, und als man ihnen den Weg dorthin gewiesen hatte, gingen sie alsbald zu ihm und begrüßten ihn. Da erhoben sich der Vorsteher und alle Kaufleute, die bei ihm waren, ließen die Fremden sitzen und ehrten sie um des Wesirs willen; denn sie sahen, daß er ein betagter und ehrfurchtgebietender Mann war und von den Jünglingen Tâdsch el-Mulûk und 'Azîz begleitet wurde. Und sie sagten zueinander: ,Sicherlich ist dieser Greis der Vater dieser beiden Jünglinge!' Nun fragte der Wesir: ,Wer unter euch istder Vorsteher des Basars Da riefen die Leute: ,Dort ist er!' und als der dann vortrat, schaute der Wesir ihn an und betrachtete ilm genau; er sah, daß der Vorsteher ein hochbetagter Mann war, von ernstem und würdigem Aussehen, und daß er von Dienern und Burschen und schwarzen Sklaven umgeben war. Nun begrüßte der Vorsteher sie wie Freunde und empfing sie mit hohen Ehrenbezeugungen. Er ließ sie neben sich sitzen und sprach zu ihnen: ,Habt ihr vielleicht ein Anliegen, das wir euch erfüllen könnten?' ,Ja,' erwiderte der Wesir; ,ich bin ein alter, hochbetagter Mann, und ich habe diese beiden Jünglinge bei mir, mit denen ich alle Gebiete und Länder durchreist habe. Jedesmal, wenn ich in eine große Stadt komme, so bleibe ich ein volles Jahr dort, damit die beiden sich in ihr umsehen und ihre Bewohner kennen lernen können. Seht, ich bin jetzt in



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diese eure Stadt gekommen und habe mich entschlossen, in ihr zu verweilen; und so erbitte ich von dir einen schönen Laden an bester Stätte, damit ich die beiden darin sitzen lasse. Sie sollen Handel treiben, sich aber auch in dieser Stadt umsehen und sich den Gebräuchen ihrer Bewohner anpassen, indem sie lernen, wie man hier kauft und verkauft, bietet und nimmt.' Der Vorsteher gab zur Antwort: ,Das soll gern geschehen!' Dann aber blickte er die beiden Jünglinge an, freute sich über sie und ward von heftiger Liebe zu ihnen entzündet. Dieser Vorsteher nämlich ward hingerissen von bezaubernden Blicken, und er ließ sich von der Neigung zu Knaben mehr als von den Mädchen berücken; und so gab er sich der Knabenliebe hin. Jetzt sprach er bei sich: ,Dies ist ein schönes Wild. Preis sei Ihm, der sie aus verächtlichem Wasser geschaffen und gebildet hat!" Bei alledem stand er, der Vorsteher, vor ihnen, um gleichwie ein Bedienter ihnen aufzuwarten. Dann aber ging er hin und machte den Laden für sie bereit; der befand sich mitten in der großen Kaufhalle, und es gab keinen stattlicheren und geschätzteren Laden im ganzen Basar als gerade diesen, denn er war geräumig und verziert, und in ihm waren Borten aus Elfenbein und Ebenholz. Dann übergab er dem Wesir, der ja wie ein betagter Kaufmann aussah, die Schlüssel mit den Worten: ,Nimm hin, werter Herr; möge Allah den Laden zu einer gesegneten Stätte für deine beiden Söhne machen!' Nachdem der Wesir die Schlüssel hingenommen hatte, gingen die drei zudem Chân, indem sie sie ihre Waren aufgespeichert hatten, und befahlen den Dienern, alles, was sie an Waren und Tuchen bei sich hatten, in jenen Laden zu schaffen. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 132.



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Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Wesir, nachdem er die Schlüssel des Ladens hingenommen hatte, zusammen mit Tâdsch el-Mulûk und 'Azîz zum Chân ging und daß sie den Dienern befahlen, alles fortzuschaffen, was sie an Waren. Tuchen und Kostbarkeiten bei sich hatten; und das war eine sehr große Menge, die Schätze Goldes wert war. Die Diener führten den Befehl aus. Dann gingen sie selbst zu dem Laden, und nachdem sie die Waren in ihm untergebracht hatten, begaben sie sich zur Nachtruhe. Am andern Morgen aber führte der Wesir die beiden Jünglinge mit sich ins Badehaus. Dort badeten sie, säuberten sich, legten prächtige Gewänder an, die von Wohlgerüchen dufteten, und genossen so alle Annehmlichkeit des Bades. Beide jünglinge waren von strahlender Lieblichkeit, und im Badehaus schien es, als habe der Dichter ihnen die Worte geweiht:

Wohl seinem Badediener, wenn dessen Hand berühret
Den Leib, der wie aus Wasser und Licht geschaffen ward!
Ohn Unterlaß übt er sein Handwerk fein behutsam,
Dann ist's, als gewönne er Moschus vom Leibe wie Kampfer so zart.

Darauf verließen sie das Badehaus. Der Vorsteher aber hatte sich, als er hörte, sie seien zum Bade gegangen, hingesetzt, um auf sie zu warten. Und siehe, da kamen sie beide, schön wie Gazellen; ihre Wangen röteten sich mild; ihre Augen waren von dunklem Glanze erfüllt, ihr Antlitz war der strahlenden Schönheit Bild. Sie glichen zwei Monden, die im Glanze sich zeigen, oder zwei fruchtbeladenen Zweigen. Sowie er sie erblickte, sprang er auf und sprach: ,Meine Söhne, möge euer Bad euch immer gut bekommen!' Da sagte Tâdsch el-Mulûk mit lieblicher Stimme: ,Allah erweise dir Gutes, würdiger Vater, warum bist du nicht mit uns gekommen, um gemeinsam



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zu baden?' Dann beugten die beiden sich über die Hand des Vorstehers, küßten sie und gingen vor ihm her, bis sie zu dem Laden kamen. Das taten sie aus Höflichkeit und um ihn zu ehren, da er ja das Oberhaupt der Kaufleute im Basar war und ihnen zuvor eine Güte erwiesen hatte, als er ihnen den Laden gab. Nun sah er ihre Hüften sich bewegen, und da begann die Leidenschaft sich in ihm immer stärker zu regen; er schnaubte und schnaufte und konnte sich kaum noch beherrschen, er wollte sie mit den Augen verschlingen und begann diese beiden Verse zu singen:

Das Herz liest das Kapitel alleinigen Besitzes;
Den Abschnitt über die Teilung mit anderen schlägt es nicht auf.
Kein Wunder ist's, wenn es ob solcher Last erbebet;
Bewegen sich doch am Himmel die Sphären in ihrem Lauf!

Und ferner sprach er:

Mein Aug erblickte zwei, die auf die Erde traten -
Die beiden liebt ich auch, wenn sie ins Aug mir träten!

Als sie solches von ihm hörten, beschworen sie ihn, mit ihnen wieder ins Bad zu gehen. Obgleich er seinen Ohren kaum traute, eilte er doch hin zu dem Badehause, und die beiden gingen dann mit ihm hinein; der Wesir aber hatte das Bad noch nicht verlassen. Als der von des Vorstehers Kommen hörte, ging er hin, begrüßte ihn mitten in der Vorhalle und lud ihn zum Eintritt ins Bad ein. Wie jener das ablehnte, faßte Tâdsch el-Mulûk ihn an der einen Hand und 'Azîz an der anderen, und so geleiteten sie ihn in eine besondere Kammer. Jener unreine Alte ließ sich von ihnen führen, und dabei ward seine Erregung immer stärker. Nun schwor Tâdsch el-Mulûk, kein anderer als er selbst dürfe den Vorsteher waschen; und 'Azîz schwor, kein anderer als er dürfe das Wasser auf ihn gießen.



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Obgleich der Alte gerade dies wünschte, lehnte er es doch ab; da sprach der Wesir zu ihm: ,Siehe, die beiden sind deine Söhne, laß sie dich waschen und säubern!' ,Gott bewahre sie dir!' rief der Vorsteher, ,bei Allah, Segen und Glück ließen sich in unserer Stadt nieder, als ihr mit den Eurigen kamt!' Und dann sprach er diese beiden Verse:

Du kamst, und es ergrünten bei uns die Hügel,
Sie zeigten sich dem Beschauer im Blumenkleid.
Es rief die Erde und alle, die auf ihr wohnen:
Ein herzlicher Gruß sei dir, dem Gaste, geweiht!

Sie dankten ihm für diese Worte; und Tâdsch el-Mulûk fuhr fort, ihn zu waschen, während 'Azîz das Wasser über ihn goß; er aber glaubte ins Paradies entrückt zu sein. Als sie schließlich ihren Dienst an ihm vollendet hatten, wünschte er ihnen den Segen des Himmels und setzte sich dann neben den Wesir, um mit ihm zu plaudern, während er dabei die Jünglinge ansah. Darauf brachten die Diener ihnen die Tücher; sie neben sich ab, legten ihre Kleider wieder an und verließen das Bad. Der Wesir aber wandte sich an den Vorsteher mit den Worten: ,Werter Herr, siehe, das Bad ist doch ein Paradies auf Erden!' Jener antwortete darauf: ,Allah lasse es dir und deinen Söhnen zur Gesundheit gereichen und schütze die beiden vor dem bösen Blick! Habt ihr vielleicht etwas von dem, was die Meister der Sprache zum Lobe des Bades gesagt haben, in Erinnerungt' Da sprach Tâdsch el-Mulûk: ,Ich will dir zwei Verse vortragen', und er trug vor:

Siehe, das Leben im Bade ist wohl das schönste Leben.
Doch ach, wir weilen darinnen immer nur kurze Zeit -
Ein Paradies, in dem uns länger zu bleiben verwehrt ist,
Ein Höllenfeuer, in das wir treten mit Freudigkeit!

Als Tâdsch el-Mulûk seine Verse gesprochen hatte, hub 'Azîz



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an: ,Auch ich weiß zwei Verse zum Lobe des Bades.' Da bat der Vorsteher ihn, sie vorzutragen, und so sprach er:

Ein Haus, geschmückt mit Blumen auf großen Marmorblöcken,
Ein schönes Haus - wenn rings die Feuer es umglühn,
So hältst du es für die Hölle, doch ist's in Wahrheit der Himmel,
Daran so viele Sonnen und Monde vorüberziehn.

Die Verse, die 'Azîz sprach, gefielen dem Vorsteher, und indem er auf die Schönheit der Jünglinge schaute uns sich an ihrer Beredsamkeit erbaute, rief er: ,Bei Allah, ihr vereinet in euch Beredsamkeit und Lieblichkeit. Nun hört auch mir zu!' Dann begann er die Melodei und sang diese Verse dabei:

O Schönheit des Höllenfeuers und Qual des Paradieses -
Zum Leben erweckt es wieder die Seelen und das Gebein.
So staune über ein Haus, des Freuden sich immer erneuern,
Und unter dem doch lohen die Flammen im Feuerschein!
Ein Leben der Freude für jeden, der seinen Schritt zu ihm lenkt,
Und doch haben es die Wasser mit ihren Tränen getränkt.

Dann ließ er den Blick seines Auges in den Glitten ihrer Schönheit weiden, und wieder sprach er Verse, und zwar diese beiden:

Ich ging zu seiner Stätte, und dort erblickte ich Hüter,
Die sahen mich immerdar mit lächelndem Antlitz an.
Ich trat in sein Paradies, besuchte sein Höllenfeuer
Und dankte der Güte des Molik, dankte auch dem Ridwân.'

Als die anderen dies gehört hatten, waren sie über solche Verse verwundert. Nun lud der Vorsteher sie in sein Haus, doch sie lehnten ab und kehrten heim, um sich nach der großen Hitze des Bades auszuruhen. Nachdem sie das getan hatten, aßen sie und tranken und verbrachten die Nacht in ihrer Wohnung



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vollkommen glücklich und zufrieden. Am andern Morgen aber erhoben sie sich aus dem Schlafe, vollzogen die religiöse Waschung, sprachen die Gebetsformeln und tranken den Morgentrunk. Sobald die Sonne höher am Himmel stand und die Läden und Basare geöffnet wurden, machten sie sich auf, verließen ihre Wohnstatt und begaben sich zum Basar, um den Laden zu eröffnen. Den hatten die Diener bereits aufs schönste eingerichtet: sie hatten Woll teppiche und Seidenteppiche darin ausgebreitet und zwei Diwane aufgestellt, deren jeder hundert Dinare wert war; und auf jeden Diwan hatten sie eine Lederdecke gelegt, die mit goldener Tresse umsäumt war, wie sie sich für Könige ziemte. Mitten in dem Laden war das feinste Hausgerät aufgestellt, dem vornehmen Raume entsprechend. Da setzte Tâdsch el-Mulûk sich auf den einen Diwan, 'Azîz aber auf den anderen, und der Wesir ließ sich in der Mitte des Ladens nieder, während die Diener sich vor ihnen aufstellten. Bald hörte auch das Volk der Stadt überall von ihnen und eilte in Scharen herbei, so daß sie von ihren Waren und ihren Stoffen mancherlei verkauften; denn in der ganzen Stadt verbreitete sich die Kunde von der Schönheit und Anmut des Tâdsch el-Mulûk. Mehrere Tage gingen so dahin, und dabei eilte das Volk jeden Tag in immer größerer Menge herbei. Darauf trat der Wesir an Tâdsch el-Mulûk heran, empfahl ihm, sein Geheimnis zu bewahren, und legte 'Azîz ans Herz, dem Prinzen treu zu dienen; er selbst aber ging in die Wohnung, um mit sich allein zu sein und über einen Pian nachzudenken, der ihnen von Nutzen sein könne. Derweilen begannen die beiden Jünglinge zu plaudern, und Tâdsch el-Mulûk sprach zu 'Azîz: ,Vielleicht kommt bald jemand von der Herrin Dunja.' Doch er wartete Tage und Nächte darauf; das Herz war ihm schwer, Schlaf und Schlummer fand er nimmermehr. Denn die Sehnsucht



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nahm ihn ganz gefangen, und immer stärker ward sein leidenschaftliches Verlangen, so daß er die Süße des Schlafs nicht mehr kannte, ja Speise und Trank von sich verbannte; dennoch blieb er wie der herrliche Mond, der in der Nacht seiner Fülle am Himmel thront. Während er so dasaß, siehe, da kam einst ein altes Weib auf ihn zu. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 130. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Wesir Dandân vor Dau el-Makân des weiteren erzählte: ,Während Tâdsch el-Mulûk so dasaß, siehe, da kam einst ein altes Weib auf ihn zu und trat an ihn heran. Begleitet von zwei Sklavinnen, war sie geradenwegs dahergekommen, bis sie vor dem Laden des Tâdsch el-Mulûk stillstand. Da erblickte sie seine ebenmäßige Gestalt und seiner Schönheit liebliche Gewalt, und vorlauter Erstaunen über sein herrliches Aussehen näßte sie ihre Hose und rief aus: ,Preis sei Ihm, der dich aus verächtlichem Wasser hervorgebracht' und dich zu einer Versuchung für das Auge gemacht!' Dann schaute sie ihn lange an und sprach: ,Das ist kein sterbliches Wesen, nein, das ist ein überirdischer Engel!' Darauf trat sie näher zu ihm und grüßte ihn; er aber gab ihr den Gruß zurück, indem er sich erhob und sie anschaute mit lächelndem Blick, wie ihm 'Azîz durch einen Wink geraten hatte. Und alsbald ließ er sie zu seiner Seite sitzen und begann ihr mit einem Fächer Kühlung zuzufächeln, bis sie sich erfrischt und ausgeruht hatte. Da sprach die Alte, zu Tâdsch el-Mulûk gewendet: ,Mein Sohn, der du so vollkommen bist an Gestalt und an Geist, bist du aus diesem Landet' Mit Worten von gewählter Reinheit und mit einer Stimme von süßer Feinheit erwiderte



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er: ,Bei Allah, edle Herrin, noch nie in meinem Leben betrat mein Fuß diese Landstriche vor dieser Zeit; auch habe ich hier nur haltgemacht, auf daß ich mich umschaue.' Da sprach sie: ,Glückauf zu deiner Ankunft in einem Lande des Segens! Was hast du denn an Stoffen bei dir? Zeige mir etwas Schönes; der Schöne bringt nur das Schöne!' Als Tâdsch el-Mulûk ihre Worte vernahm, pochte sein Herz, aber er verstand den Sinn ihrer Rede nicht. Doch als 'Azîz ihm ein Zeichen zuwinkte. sprach er: ,Ich habe bei mir alles, was du nur wünschest; ja, ich habe Sachen, die nur Königen und Prinzessinnen zukommen. So tu mir kund, für wen und was du kaufen willst, auf daß ich dir jedes Stück vorlege, das dem, für den es bestimmt ist, zukommt!' Das sagte er, um den Sinn ihrer Worte zu verstehen. Darauf antwortete sie: ,Ich wünsche einen Stoff, wie er sich für die Herrin Dunja, die Tochter des Königs Schehrimân, geziemt.' Wie aber Tâdsch el-Mulûk den Namen des Mädchens hörte, das er liebte, war er hocherfreut und sprach zu 'Azîz: ,Bring mir den Ballen dort her!' Da brachte 'Azîz ihn her und öffnete ihn vor dem Prinzen; der sagte nun zu der Alten: ,Wähle aus, was ihr geziemt! Sieh, dies ist etwas, das sich nur bei mir findet.' Nun wählte sie etwas aus, das tausend Dinare wert war, und fragte nach dem Preise. Dabei plauderte sie mit ihm und rieb sich zwischen den Schenkeln mit der flachen Hand. Tâdsch el-Mulûk aber rief: ,Soll ich mit deinesgleichen um diesen geringen Preis feilschen? Allah sei gepriesen, daß er mich mit dir bekannt gemacht hat!' ,Allahs Name behüte dich!' antwortete die Alte. ,dein schönes Antlitz stelle ich in den Schutz des Herrn der Morgenröte!' Ach, das Antlitz ist so fein und die Stimme so rein! Glücklich die, die an deinem Busen ruhen und deine schlanke Gestalt umschlingen und sich



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deiner Jugend erfreuen darf, zumal wenn sie ebenso schön und lieblich ist wie du!' Da lachte Tâdsch el-Mulûk, bis er fast auf den Rücken fiel, und sprach bei sich: ,O Herr, du lässest die Wünsche gewinnen durch die alten Kupplerinnen; sie sind der Wünsche Erfüllerinnen!' Als sie dann fragte: ,Mein Sohn, wie heißt du?' erwiderte er: ,Ich heiße Tâdsch el-Mulûk.' Die Alte sprach: ,Das ist wahrlich ein Name für Könige und die Söhne von Königen! Aber du bist gekleidet wie ein Kaufmann!' Da fiel 'Azîz ein: ,Weil seine Eltern und Verwandten ihn lieb hatten und ihn so sehr wertschätzten, haben sie ihn so genannt.' Mit den Worten: ,Du hast recht. Möge Allah euch vor dem bösen Blick behüten und vor der Gefahr von Feinden, die voll Neid auf euch sehen, wenn auch die Herzen vor euren Reizen vergehen!' nahm sie den Stoff und ging fort, immer noch voll Bewunderung ob seiner Schönheit und Lieblichkeit und seines Wuchses Ebenmäßigkeit.

Eilends schritt sie dahin, bis sie bei der Herrin Dunja eintrat; und sie sprach zu ihr: ,Hohe Herrin, ich bringe dir einen schönen Stoff.' ,Zeige ihn mir!' gebot die Prinzessin. Die Alte sprach: ,Hohe Herrin, hier ist er! Wende ihn nur um, mein Augapfel, und sieh ihn dir an!' Als dann die Herrin Dunja ihn sah, erstaunte sie und rief: ,Liebes Mütterchen, das ist ja wirklich ein schöner Stoff! Den habe ich noch nie in unserer Stadt gesehen.' Die Alte aber fuhr fort: ,Liebe Herrin, sein Verkäufer ist noch schöner als er. Man könnte glauben, Ridwân hätte die Tore des Paradieses geöffnet und hätte nicht mehr daran gedacht, und dann wäre ein Jüngling daraus entwichen, eben der, der diesen Stoff verkauft. Ach, ich wünschte, er könnte noch in dieser Nacht bei dir ruhen und an deiner Brust liegen. Denn er, der mit kostbaren Stoffen in deine Stadt gekommen



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ist, um sich dort umzusehen, er ist eine Versuchung für jedes Auge!' Die Herrin Dunja aber lächelte über die Worte der Alten und sprach: ,Allah strafe dich, du Unglücks alte! Du redest töricht und hast keinen Verstand mehr.' Doch dann fügte sie hinzu: ,Bring mir den Stoff wieder, damit ich ihn genau ansehe!' Als die Alte ihn ihr gereicht hatte und die Prinzessin ihn wiederum betrachtete und sah, daß es zwar ein kleines Stück, aber von sehr hohem Werte war, da hatte sie großes Gefallen an ihm; denn sie hatte nie in ihrem Leben etwas Ähnliches gesehen. Und wieder rief sie aus: ,Bei Allah, wahrlich, das ist ein schöner Stoff!' Doch die Alte hub wieder an: ,Liebe Herrin, bei Allah, wenn du den sähest, von dem er stammt, du würdest erkennen, daß er der schönste Jüngling ist, den es auf Erden gibt.' Nun fragte die Herrin Dunja: ,Hast du ihn vielleicht gefragt, ob er irgendeinen Wunsch hat, den er uns wissen lassen könnte, damit wir ihm den erfüllen?' Da sprach die Alte und schüttelte den Kopf: ,Gott erhalte dir deinen Scharfsinn! Bei Allah, er hat einen Wunsch. Mögest du deine Klugheit immer behalten! Ist denn irgendjemand frei und ledig von Wünschen?' ,So geh hin zu ihm,' erwiderte die Prinzessin, ,grüße ihn und sage ihm, er habe durch sein Kommen unser Land und unsere Hauptstadt geehrt, und wenn er irgendwelche Wünsche habe, so wollten wir sie ihm gern erfüllen!' Alsbald kehrte die Alte zu Tâdsch el-Mulûk zurück. Doch wie er sie erblickte, ward er vorlauter Freude fast wie von Sinnen; er sprang auf vor ihr, ergriff ihre Hand und bat sie, sich an seine Seite zu setzen. Als sie sich dann gesetzt und ausgeruht hatte, berichtete sie ihm, was die Herrin Dunja ihr gesagt hatte. Und nachdem er das vernommen hatte, war er hocherfreut, und die Brust ward ihm froh und weit; Glückseligkeit erfüllte sein Herz, und er sprach bei sich: ,Jetzt ist mein Wunsch in Erfüllung



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gegangen!' Dann sagte er zu der Alten: ,Vielleicht bist du so gütig, eine Botschaft von mir für sie in Empfang zu nehmen und mir ihre Antwort zu überbringen?' ,Ich höre und gehorche!' entgegnete sie. Sofort rief er dem 'Azîz zu: ,Bringe Tintenkapsel und Schreibpapier und ein Schreibrohr aus Messing her zu mir !'Als der ihm diese Dinge gebracht hatte, nahm Tâdsch el-Mulûk das Schreibrohr in die Hand und schrieb diese Verse:

Ich schreibe einen Brief für dich, o Ziel meiner Hoffnung,
Mit all dem Trennungs schmerze, der sich mir geweiht.
Die erste Zeile erzählt vom Feuer in meinem Herzen.
Die zweite von meiner Liebe und sehnsuchtsvollem Leid.
Die dritte besagt: Mein Leben und meine Geduld ist geschwunden.
Die vierte: All die Qual der Leidenschaft bleibt bestehn.
Die fünfte: Wann wird mein Auge jemals dich erblicken?
Die sechste: Wann ist der Tag, da wir vereint uns sehn?

Dann schrieb er als Unterschrift: Dieser Brief kommt von dem Gefangenen der sehnsüchtigen Leidenschaft,*der da gebunden ist in der Neigung Haft,*daraus es für ihn keine Befreiung gibt,* es sei denn die Vereinigung mit ihr, die er liebt,*nachdem er so lang in der Ferne Entsagung geübt;*denn durch das Fernsein der Geliebten erträgt er zumal,*die allerbitterste Liebesqual.* Da ward sein Auge von Tränen benetzt, und diese beiden Verse schrieb er noch zuletzt:

Ich schrieb dir diese Zeilen. während die Tränen rannen:
Ja, unaufhörlich strömten aus dem Auge die Zähren.
Doch ich verzweifle nicht an meines Gottes Güte;
Ich hoffe, ein Tag wird einst die Vereinigung gewähren.

Darauf faltete er den Brief, versiegelte ihn und übergab ihn der Alten mit den Worten: ,Bring ihn der Herrin Dunja!' Sie sagte nur: ,Ich höre und gehorche!' Dann gab er ihr tausend Dinare und sagte: ,Liebe Mutter, nimm dies als ein Geschenk



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von mir und als Zeichen der Zuneigung an!' Sie nahm beides hin, flehte Gottes Segen auf ihn herab und wandte sich zum Gehen. Ohne Aufenthalt schritt sie dahin, bis sie bei der Herrin Dunja eintrat. Als die sie erblickte, fragte sie: , Nun, Mütterchen, was für Wünsche hat er, daß wir sie ihm erfüllen?' ,Hohe Herrin,' antwortete sie, ,schau, er sendet diesen Brief durch mich, und ich weiß nicht, was darin steht.' Darauf reichte sie der Prinzessin das Schreiben; die nahm es entgegen, aber als sie es gelesen und seinen Sinn verstanden hatte, rief sie aus: ,Woher kommt es und wohin führt es, daß dieser Kaufmann mir Briefe durch Boten sendet?' Und dann schlug sie sich ins Angesicht und rief: ,Woher bin ich denn, daß ich zum Volke hinabsteigen und mich mit ihm vereinen sollte? Wehe, wehe!' Und weiter sprach sie: ,Bei Allah, wenn ich mich nicht vor dem Allmächtigen fürchtete, ich würde ihn totschlagen und an seinem Laden kreuzigen lassen!' Da fragte die Alte: ,Was steht denn in diesem Briefe, daß er dein Herz so erregt und deinen Sinn so verstört hat? Enthält er etwa eine Klage über Bedrückung oder die Forderung des Preises für den Stoff?' ,Wehe dir!' entgegnete die Prinzessin, ,dergleichen steht nicht darin, nein, nur Gerede von Liebe und Zuneigung. Das alles kommt nur von dir her. Woher sollte dieser Teufel mich denn sonst kennen?' Darauf erwiderte die Alte: ,Hohe Herrin, du bist in deinem hochragenden Schlosse: niemand kann zu dir eindringen, nicht einmal die Vögel der Luft! Gott bewahre dich und deine Jugend vor Schimpf und Tadel! Was geht das Bellen der Hunde dich an, da du doch eine Fürstin, die Tochter eines Fürsten bist? Sei mir drum nicht böse, wenn ich dir diesen Brief überbracht habe, ohne zu wissen, was darin steht. Dennoch möchte ich der Ansicht sein, du könntest ihm eine Antwort senden, in der du ihm mit dem Tode drohst und ihm dies törichte Geschwätz fl.



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verbietest; dann wird er doch sicher ein Einsehen haben und dergleichen nicht wieder tun!' Aber die Herrin Dunja sprach: ,Wenn ich ihm schreibe, so muß ich befürchten, daß er noch heftiger nach mir verlangt.' Dagegen sagte die Alte: ,Sieh, wenn er er Fährt, daß ihm mit Strafe gedroht wird, so wird er von seinem Gebaren ablassen.' Da rief sie: ,Bringt Tintenkapsel und Papier und das Schreib rohr aus Messing her zu mir!' Und als man ihr diese Dinge gebracht hatte, schrieb sie diese Verse:

Der du die Liebe begehrst und die Qual der wachen Nächte
Und alle die Leidenschaft, die in Gedanken verzehrt,
Erstrebst du. dich zu vereinen. Vermessener. mit dem Monde -
Ja, wird denn je einem Menschen sein Wunsch vom Monde gewährt?
Wohlan. ich rate dir ab von dem, was du dir wünschest.
Laß ab davon; denn siehe, es birgt für dich Gefahr.
Doch kommst du noch einmal mit solchen Worten. so wisse.
Dir naht von mir eine Strafe voll schweren Leides, fürwahr!
Bei Ihm, der aus geronnenem Blute den Menschen erschaffen,
Der Licht von Sonne und Mond erstrahlen ließ zu ihrer Frist -
Wenn du noch einmal kommst mit dem, was du gesagt hast,
So will ich dich kreuzigen lassen am hölzernen Gerüst!

Dann faltete sie den Brief und übergab ihn der Alten mit den Worten: ,Gib ihm dies und sage ihm, er solle aufhören mit solchem Gerede!' ,Ich höre und gehorche!' antwortete die Alte, nahm den Brief erfreut entgegen und ging zu ihrer Wohnung; so verbrachte sie die Nacht in ihrem Hause. Am andern Morgen aber begab sie sich zu dem Laden des Tâdsch el-Mulûk, der, wie sie sah, schon auf sie wartete. Sobald er sie erblickte, ward er fast wie von Sinnen vor Freude; doch als sie an ilm herantrat, sprang er auf vor ihr und bat sie, an seiner Seite Platz zu nehmen. Nun holte sie das Schreiben hervor und reichte es ihm mit den Worten: ,Lies, was darin steht!' Dann



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fügte sie hinzu: ,Wisse, die Herrin Dunja ward zornig, als sie deinen Brief las. Aber ich habe sie besänftigt und mit ihr gescherzt, bis ich sie zum Lächeln brachte und bis sie Mitleid mit dir hatte und dir die Antwort schickte!' Tâdsch el-Mulûk dankte ihr dafür und befahl dem 'Azîz, ihr tausend Dinare zu geben. Doch wie er dann den Brief gelesen und verstanden hatte, weinte er heftig. Da hatte die Alte herzliches Mitleid mit ihm, und es ward ihr schwer, ihn weinen und klagen zu hören. So sprach sie denn zu ihm: ,Mein Sohn, was steht denn in diesem Schreiben, daß du so weinen mußt?' ,Ach,' erwiderte er, ,sie droht mir mit dem Tode am Kreuze und verbietet mir, ihr Botschaften zu senden. Aber wenn ich ihr keine Botschaft senden darf, so ist der Tod mir lieber als das Leben. Nimm doch noch die Antwort auf ihr Schreiben mit dir, und dann laß sie tun, was sie will!' Da rief die Alte: ,Bei deiner Jugend, ich kann nicht anders, ich muß mein Leben für dich wagen; ich muß dich zu deinem Ziele gelangen lassen und dir zu dem verhelfen, was dir am Herzen liegt!' ,Was du auch tust,' sprach Tâdsch el-Mulûk darauf, ,ich will es dir vergelten. Mögest du es durch sorgsames Abwägen finden; denn du verstehst es, die Dinge zu fügen, und du kennst die Bücher der Intrigen. Alles was man schwer erreicht, ist für dich leicht, und Allah ist mächtig über alle Dinge!' Dann nahm er ein Blatt und schrieb darauf diese Verse:

Sie hat mir mit dem Tode gedroht - o wehe mir Armen!
Doch mir ist Sterben Erlösung; der Tod ist vom Schicksal bestimmt.
Der Tod ist fur den Liebenden schöner als langes Leben,
Wenn es ihm Unheil bringt und ihm alle Hoffnung nimmt.
Bei Allah, so kommet doch zum Freunde, der hilflos ist;
Ich bin ja Euer Knecht - und Knechte liegen in Banden.
O Herrin, habt Mitleid mit mir in meiner Liebe zu Euch.
Denn wer die Edelen liebt, der wird doch nicht zuschanden.



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Dann seufzte er in tiefer Betrübnis und weinte, bis auch die Alte zu weinen begann. Darauf nahm sie das Blatt von ihm in Empfang und sprach: ,Hab Zuversicht und quäl dich nicht! Ich werde dich sicherlich zu deinem Ziele gelangen lassen.'——«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 134. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß die Alte, als Tâdsch el-Mulûk weinte, zu ihm sprach: ,Hab Zuversicht und quäl dich nicht! Ich werde dich sicherlich zu deinem Ziele gelangen lassen.' Dann machte sie sich auf und ließ ihn wie auf feurigen Kohlen zurück. Sie begab sich zur Herrin Dunja, und da sah sie, wie deren Antlitz immer noch von Zorn über das Schreiben des Tâdsch el-Mulûk verfärbt war. Dennoch reichte sie ihr den neuen Brief. Aber da ward die Prinzessin noch zorniger, und sie fuhr die Alte an: ,Hab ich dir nicht gesagt, daß er noch heftiger nach mir verlangen würde?' Und als die Alte fragte: ,Was ist denn das für ein Hund, daß er nach dir verlangen sollte?' erwiderte die Herrin Dunja: ,Geh hin zu ihm und sage ihm: Wenn du ihr noch eine Botschaft zu senden wagst, so schlägt sie dir den Kopf ab!' Darauf bat die Alte: ,Schreib mir diese Worte in einem Briefe auf; den will ich dann mit mir nehmen, damit seine Furcht noch größer wird.' Die Prinzessin nahm ein Blatt und schrieb darauf diese Verse:

Oder du um die Schläge des Schicksals dich nicht kümmerst,
Dir ist der Weg, der zur Vereinigung führet, versagt!
Ja, glaubst du denn, Vermeßner, du könnest Suhâ' gewinnen,
Und kannst den Mond nicht erreichen, der hell am Himmel ragt?



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Wie kannst du nur auf mich hoffen und denken, dich mir zu nahen,
Auf daß die Freude den schlanken Leib zu umfangen dir blüht?
Laß ab von diesem Plan aus Furcht vor meinem Zorne
An einem finsteren Tage, der graue Scheitel zieht!

Dann faltete sie den Brief und reichte ihn der Alten. Die nahm ihn hin und ging damit zu Tâdsch el-Mulûk. Als er sie sah, stand er auf und rief: ,Allah lasse mich nie den Segen deines Kommens entbehren !'Die Alte erwiderte: ,Da, nimm die Antwort auf deinen Brief!' Er nahm das Blatt, doch als er es gelesen hatte, begann er heftig zu weinen und rief: ,Ach, jetzt sehne ich mich nach jemandem, der mir den Tod gibt, auf daß ich Ruhe finde. Denn Sterben ist mir leichter als dies Ungemach, das ich jetzt erdulde!' Darauf nahm er Tintenkapsel, Schreibfeder und Papier und schrieb einen Brief, dem er diese beiden Verse anvertraute:

O du meine Sehnsucht, laß ab, dich grausam zu versagen,
Komm zu dem Liebenden doch, der in der Liebe ertrinkt!
Glaub nicht, ich könne dies Leben voll grausen Leides ertragen;
Siehe, wiefern der Geliebten mein Geist dem Leibe entsinkt!

Darauf faltete er den Brief und gab ihn der Alten mit den Worten: ,Sei mir nicht böse, daß ich dir nutzlose Mühe gemacht habe!' Dem 'Azîz aber befahl er. ihr tausend Dinare auszuzahlen. Dann fuhr er fort: ,Liebe Mutter, jetzt ist nichts anderes mehr möglich; auf diesen Brief folgt entweder der Vereinigung Seligkeit oder der ewigen Trennung Leid.' Doch die Alte sagte: ,Lieber Sohn, bei Allah, ich wünsche dir nur Gutes; ja, es ist mein Ziel, dich mit ihr zu vereinen. Denn du bist wie der Mond an strahlendem Lichte so reich, und sie ist der aufgehenden Sonne gleich. Wenn ich euch beide nicht zusammenführe, so ist auch mein Leben nichts nütze. Ich habe doch mein Leben in List und Trug verbracht, bis ich neunzig Jahre alt geworden



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bin; wie sollte ich da nicht zwei vereinen können, auch wenn es eine Sünde ist?' Dann nahm sie Abschied von ihm, indem sie seinem Herzen Mut zusprach, und wandte sich zum Gehen. Geradenwegs schritt sie dahin, bis sie bei der Herrin Dunja eintrat; den Brief aber hatte sie in ihrem Haare versteckt. Als sie nun bei der Prinzessin saß, kratzte sie sich auf dem Kopfe und sprach: ,Hohe Herrin, vielleicht bist du so gütig, mir das Haar zu lausen; denn ich bin seit langer Zeit nicht im Bade gewesen.' Da entblößte die Herrin Dunja ihre Arme bis über die Ellenbogen, löste das Haar der Alten und begann ihr die Strähnen zu lausen, bis plötzlich das Blatt von ihrem Kopfe herabfiel. Als die Prinzessin das sah, fragte sie: ,Was ist das für ein Blatte' Und die Alte erwiderte: ,Es ist mir so, als ob es an mir hängen blieb, wie ich beim Laden des Kaufmannes saß. Gib es mir her, damit ich es ihm wieder zustelle! Vielleicht steht eine Abrechnung darauf, die er nötig braucht.' Aber die Herrin Dunja öffnete es, las es und verstand, was es bedeutete; da rief sie: ,Dies ist wieder eine von deinen Listen! Wenn du mich nicht aufgezogen hättest, so würde ich dich jetzt, in diesem Augenblicke, unbarmherzig schlagen. Allah hat mich wirklich mit diesem Kaufmann heimgesucht; und an allem, was mir von ihm widerfahren ist, bist du allein schuld! Ich weiß nicht einmal, aus welchem Lande er zu uns gekommen ist. Kein einziger anderer Mann als er würde es auch wagen, so kühn gegen mich zu werden. Nun muß ich doch auch fürchten, daß meine Sache ruchbar wird, und noch dazu mit einem Manne, der nicht zu meinem Volke gehört und nicht meinesgleichen ist.' Da trat die Alte zu ihr heran und sprach: ,Kein Mensch würde es wagen, davon zu reden, aus Furcht vor deinem Zorn und aus Ehrfurcht vor deinem Vater. Es liegt doch nichts Böses darin, wenn du ihm antwortest!' ,Mütterchen',



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erwiderte die Prinzessin, ,dies ist ein Satan! Wie kann er es wagen, solche Worte zu führen, ohne vor des Sultans Zorn Furcht zu spüren? Jetzt weiß ich schon nicht mehr, was ich mit ihm machen soll: gebe ich Befehl, ihn zu töten, so wäre das nicht recht; lasse ich ihn aber ungehindert, so wird er nur noch kühner.' Nun riet die Alte ihr: ,Schreib ihm doch einen Brief; vielleicht läßt er sich dadurch einschüchtern.' So verlangte die Prinzessin denn nach Papier, Tintenkapsel und Schreibfeder und schrieb ihm diese Verse:

Trotz allem Schelten verführt dich das Übermaß der Torheit.
Wie oft verbot ich es dir durch Verse von eigener Hand!
Doch dem Verbot zu Trotz wird dein Verlangen noch stärker.
Und jetzt befehle ich: Mache Verborgenes nicht bekannt.
Verbirg du deine Liebe, laß nie von ihr verlauten!
Sprichst du ein Wort davon, so schone ich dich nicht mehr.
Wenn du mir solche Briefe jetzt nur noch einmal sendest,
Naht dir der Trennungsrabe und krächzet ,Tod' vor dir her.
Dann wird alsbald der Tod dich plötzlich überfallen,
Und deine Heimstatt wird das Grab in der Erde dort.
Dann lässest du die Deinen. Vermessener. in Trauer
Um deinen Tod, und sie beklagen dich immerfort.

Darauf faltete sie das Blatt und übergab es der Alten. Die nahm es hin, begab sich zu Tâdsch el-Mulûk und händigte es ihm aus. Wie er es las, erkannte er, daß die Prinzessin harten Herzens war und daß er nie zu ihr gelangen würde. So klagte er dem Wesir sein Leid und bat ihn um den Rat seiner Erfahrenheit. ,Wisse,' sprach der Wesir zu ihm, ,bei ihr kann jetzt nichts mehr fruchten, als daß du ihr einen Brief schreibst, in dem du sie verfluchest.' Da rief der Prinz: ,'Azîz, mein lieber Bruder, schreib du ihr in meinem Namen, so gut du es verstehst!' So nahm 'Azîz ein Blatt und schrieb darauf diese Verse:



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Herr, rette mich, ich flehe dich an bei den fünf Planeten!
Und ihr, durch die ich leide -mein Elend sende ihr!
Du weiße es ja, daß ich in feuriger Liebe vergehe:
Und doch, mein Lieb ist hart, hat kein Erbarmen mit mir.
Wie lange soll ich sie in meinem Schmerz noch schonen?
Wie lange soll sie mich Schwachen noch quälen mit Tyrannei?
Ich werde ja gepeinigt von Qualen ohne Ende,
Und finde keinen Helfer; o Herr, wer stände mir bei?
Wie sehnlich wünsche ich meine Liebe zu ihr zu vergessen!
Und doch, wie kann ich vergessen? Mir fehlt die Kraft im Leid.
Doch du, die du mir das Glück der Liebesnähe versagest,
Bist du denn gegen Unglück und Schicksalsschläge gefeit?
Lebst du nicht noch in Freuden? Ich aber bin verbannt
Um deinetwillen und ferne von Volk und Heimatland.

Darauf faltete 'Azîz den Brief und reichte ihn dem Tâdsch eI-Mulûk. Der las um und hatte Gefallen daran, und dann reichte er ihn der Alten. Da nahm die Alte ihn hin, begab sich mit ihm zu der Herrin Dunja und überreichte ihn ihr. Doch als die ihn gelesen und seinen Inhalt verstanden hatte, da ward sie sehr zornig und rief: ,An allem, was mir widerfährt, ist diese Unglücks alte schuld!' Dann rief sie nach den Sklavinnen und den Eunuchen und gebot: ,Packt diese verfluchte Alte, die Ränkespinnerin, und schlagt mit euren Sandalen auf sie ein!' Da fielen die über sie her und schlugen sie mit den Sandalen, bis sie in Ohnmacht sank. Als sie dann wieder zu sich kam, sprach die Prinzessin zu ihr: ,Bei Allah. du Unheilsvettel, fürchtete ich nicht den Erhabenen, so hätte ich dich totschlagen lassen!' Und wiederum rief sie: ,Schlagt sie von neuem!' Da schlugen sie sie, bis sie wieder in Ohnmacht sank. Dann befahl sie ihnen, sie zu schleifen und vor die Tür zu werfen. Nun schleiften sie die Alte auf dem Gesicht dahin und warfen sie vor die Tür.



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Als sie sich erholt hatte, erhob sie sich und wankte dahin; doch sie mußte sich beim Gehen immer wieder hinsetzen. Endlich kam sie in ihre Wohnung, und dort blieb sie bis zum Morgen. Dann machte sie sich auf und ging zu Tâdsch el-Mulûk, dem sie alles berichtete, was ihr widerfahren war. Darüber war er sehr betrübt, und so sprach er zu ihr: ,Liebe Mutter, was dir widerfahren ist, lastet schwer auf mir. Doch alles ist durch das Schicksal vorherbestimmt.' Sie erwiderte darauf: ,Hab Zuversicht und quäl dich nicht! Ich werde nicht ruhen, bis ich dich mit ihr vereint habe, bis ich dich mit dieser Metze, die mich durch Schläge gepeinigt hat, verkuppelt habe.' Nun fragte Tâdsch el-Mulûk sie: ,Sage mir doch, was ist der Grund ihres Hasses gegen die Männer!' Als sie antwortete: ,Sie hat einen Traum gesehen, der dies verursacht hat', fragte er weiter: ,Was war denn das für ein Traum?' Daerzählte sie ihm: ,Eines Nachts sah sie im Traum einen Vogelsteller, der ein Netz auf der Erde ausspannte und ringsherum Weizenkörner streute. Dann setzte er sich in der Nähe hin; und alle die Vögel dort gingen in das Netz. Unter anderem sah sie ein Taubenpaar, ein Männchen und ein Weibchen. Während nun das Weibchen das Netz anschaute, verfing sich der Fuß des Männchens darin, und es begann zu zappeln. Da erschraken alle die anderen Vögel und flogen davon. Das Weibchen aber flatterte über dem Männchen hin und her, flog dann herunter zu dem Netz, während der Vogelsteller nicht aufpaßte, pickte nach der Masche, in die der Fuß des Männchens gefangen war, und begann mit seinem Schnabel daran zu zupfen, bis es den Fuß aus dem Netze befreit hatte. Dann flogen beide davon. Bald darauf kam der Vogelsteller, besserte das Netz aus und setzte sich weit davon nieder. Nach einer Weile kamen die Vögel wieder, und diesmal blieb das Netz am Weibchen hängen. Da flogen alle Vögel erschrocken



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von dannen, mit ihnen auch der Täuber; der aber kehrte nicht wieder zu seinem Weibchen zurück. Nun kam der Vogelsteller, nahm die Taube und schlachtete sie. Da wachte die Prinzessin erschrocken aus ihrem Traume auf und sprach: ,Ein jeder Mann ist wie dieser Täuber; an ihm ist nichts Gutes, und an allen Männern ist nichts Gutes für die Frauen!'

Wie die Alte ihre Erzählung beendet hatte, sprach Tâdsch el-Mulûk zu ihr: ,Liebe Mutter, ich möchte sie nur ein einziges Mal sehen, und wenn das auch meinen Tod bedeutet. Bitte, ersinne mir eine List, daß ich sie schauen kann!' ,Wisse,' erwiderte sie, ,sie hat einen Garten unterhalb ihres Schlosses; der dient ihr zur Zerstreuung. Dorthin geht sie einmal in jedem Monat durch eine geheime Pforte. Jetzt gerade nach zehn Tagen. ist die Zeit, daß sie sich wieder dort ergeht. Wenn sie also hingehen will, dann komme ich zu dir und tue es dir kund, damit auch du dorthin gehen und ihr begegnen kannst. Hüte dich aber, den Garten rasch wieder zu verlassen! Denn wenn sie deine Schönheit und Anmut erblickt, so wird ihr Herz vielleicht von der Liebe zu dir ergriffen. Ist doch die Liebe das stärkste Mittel der Vereinigung.' ,Ich höre und gehorche!' antwortete der Prinz. Dann verließ er den Laden zusammen mit 'Azîz; und sie beide nahmen die Alte mit sich zu ihrer Wohnung und zeigten sie ihr. Darauf sprach Tâdsch el-Mulûk zu 'Azîz: ,Lieber Bruder, ich habe den Laden nicht mehr nötig; ich habe meinen Zweck mit ihm erreicht. Darum schenke ich ihn dir mit allem, was darin ist; denn du bist mit mir in die Fremde gezogen und hast dich von deiner Heimat getrennt.' 'Azîz nahm dies Geschenk von ihm an, und dann saßen die beiden im Gespräche beisammen. Der Prinz fragte seinen Freund nach seinen Abenteuern und Erlebnissen, und der erzählte ihm, was ihm alles begegnet war. Darauf gingen die beiden zum



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Wesir, berichteten ihm, was Tâdsch el-Mulûk beschlossen hatte, und fragten ihn, wie sie es ausführen sollten. Er antwortete nur: ,Auf, laßt uns zudem Garten gehen!' Da zog nun ein jeder von ihnen seine prächtigsten Kleider an, und sie gingen fort, begleitet von drei weißen Sklaven. Sie begaben sich zu dem Garten, und sahen dort viele Bäume sprießen und zahlreiche Bäche fließen. Den Gärtner aber fanden sie am Tore sitzen. Als sie ihn grüßten, erwiderte er ihren Gruß. Dann reichte der Wesir ihm hundert Dinare mit den Worten: ,Nimm, bitte, dies Geld und hole uns dafür etwas zu essen. Wir sind nämlich Fremdlinge, und ich möchte diesen beiden Jünglingen, die bei mir sind, die Sehenswürdigkeiten zeigen.' Der Gärtner nahm die Goldstücke und sprach zu ihnen: ,Tretet in den Garten ein und sehet euch um; er ist ganz der eure. Setzt euch auch, bis ich euch zu essen bringe!' Während er zum Basar ging, traten der Wesir, Tâdsch el-Mulûk und 'Azîz in den Garten ein, in der Abwesenheit des Wächters. Nach einer Weile aber kam er zurück und brachte ein geröstetes Lamm und schneeweißes Brot. Das setzte er vor sie hin, und sie aßen und tranken. Danach brachte er ihnen Süßigkeiten; auch davon aßen sie, und dann wuschen sie sich die Hände. Nun saßen sie plaudernd beisammen, und da sprach der Wesir: ,Erzähle uns von diesem Garten! Gehört er dir oder hast du ihn gepachtete' Der Alte gab zur Antwort: ,Er gehört nicht mir, sondern der Tochter des Königs, der Herrin Dunja.' Weiter fragte der Wesir: ,Wieviel Lohn erhältst du im Monat?' ,Einen einzigen Dinar, sonst nichts', war die Antwort des Alten. Dann schaute der Wesir den Garten genauer an und entdeckte darin ein hohes Bauwerk, das aber schon alt war. Darauf sagte er: ,Alterchen, ich möchte hier etwas Gutes tun, das dich an mich erinnern soll.' Der andere fragte: ,Hoher Herr, was für ein gutes Werk willst du



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denn tun?' ,Nimm diese dreihundert Dinare!' antwortete der Wesir. Als aber der Gärtner von Gold reden hörte, rief er: ,Hoher Herr, tu, was du nur willst!' Nun gab jener ihm die Dinare mit den Worten: ,So Allah der Erhabene will, werden wir an dieser Stätte ein gutes Werk tun!' Dann verließen sie den Alten, begaben sich in ihre Wohnung und brachten dort die Nacht zu. Am nächsten Morgen berief der Wesir einen Anstreicher, einen Maler und einen geschickten Goldschmied zu sich und ließ für sie alle Werkzeuge, die sie nötig hatten, herbeischaffen. Dann ging er mit ihnen in den Garten und befahl ihnen, das Gebäude weiß anzustreichen und mit allerlei Malereien zu schmücken. Ferner ließ er Gold - und Lazurfarbe zubereiten und sprach zu dem Maler: ,Male auf der Wand im Hintergrunde der Halle die Gestalt eines menschlichen Wesens, eines Vogelstellers, wie er sein Netz ausgebreitet hat, in das schon die Vögel hineingeflogen sind, und dann eine Taube, die sich mit ihrem Schnabel in den Maschen gefangen hat!' Als der Maler auf der einen Seite ein solches Bild fertiggemalt hatte, sprach der Wesir zu ihm: ,Male auf der anderen Seite ein ähnliches Bild, doch stelle die Taube allein im Netze dar, den Vogelsteller aber, wie er die Taube packt und ihr das Messer an den Hals legt. Und schließlich male auf der dritten Seite einen großen Raubvogel, der den Täuber erjagt hat und seine Krallen in ihn schlägt!' Als dieser Befehl ausgeführt war und die Männer mit den Aufträgen, die der Wesir ihnen gegeben hatte, fertig waren, und als dieser ihnen dann ihren Lohn gegeben hatte, gingen sie davon. Auch der Wesir mit seinen Gefährten wandte sich zum Gehen und nahm Abschied von dem Gärtner; sie begaben sich in ihre Wohnung und setzten sich dort zum Plaudern nieder. Tâdsch el-Mulûk aber sprach zu 'Azîz: ,Lieber Bruder, sing mir doch ein Lied, auf daß meine Brust sich weitet



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und dies quälende Sinnen von mir zieht und auch in meinem Herzen die feurige Flamme nicht mehr so heiß glüht!' Da hub 'Azîz an zu singen, und er ließ dies Lied erklingen:

All das, was die Liebenden je an bitterem Leid erduldet,
Das trug ich ganz allein, bis mir die Geduld entschwand.
Wenn du eine Tränke suchest, sieh, meine Zähren flossen,
Daß draus für Wasser sucher ein weites Meer entstand.
Und willst du sehen, was die Hände der Liebe getan
Am Volke. das da liebt, sieh meinen Leib nur an.

Da brachen ihm die Tränen aus den Augen hervor, und weiter trug er diese Verse vor:

Wer nicht den Gazellenhals liebt und Antilopenaugen,
Doch sagt, er kenne die Wonne der Welt, der spricht nicht wahr.
Denn in der Liebe liegt ein Glück, das unter den Menschen
Nur der erreicht, der selber gehört zu der Liebenden Schar.
Gott befreie mein Herz niemals von der Liebe Macht,
Geb' keinen Schlaf dem Auge, das um die Geliebte wacht!

Darauf hub er von neuem an zu singen, und nun ließ er dies Lied erklingen:

Es meinte Avicenna bei Leitsätzen seiner Lehre.
Für Liebeskrankheit wäre die Arzenei der Sang,
Die Nähe einer Maid, die der Geliebten gleiche,
Dazu ein schöner Garten. Naschwerk und edler Trank.
So nahm ich denn einmal eine andre als dich, zur Genesung,
Als Zeit und Möglichkeit mir ihren Beistand heim:
Doch ich erkannte, die Liebe ist eine tödliche Krankheit,
Und nur Gefasel ist Avicennas Medizin.

Als 'Azîz seine Verse beendet hatte, wunderte Tâdsch el-Mulûk sich über seine Beredsamkeit und die Schönheit seines Vortrags, und er sprach: ,Du hast meinen Schmerz schon etwas gelindert.' Da hub der Wesir an: ,Ja, die Alten haben manches gekannt, was die Hörer in seinen Zauber bannt.' ,Wenn dir etwas Ähnliches



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gegenwärtig ist,' rief der Prinz, ,so laß mich hören, was du von solchen zarten Versen kennst, und unterhalt uns weiter!' Nun begann auch der Wesir zu singen, und er ließ dies Lied erklingen:

Ich lebte im Glauben dahin, deine Gunst sei zu erkaufen
Durch reichliche Geschenke und Gaben von Kostbarkeit;
Ich Tor vermeinte, die Liebe zu dir sei etwas Leichtes -
Ach, zarte Seelen litten um sie viel bitteres Leid-:
Bis ich erkannte, daß du erwählest und dem gehörest,
Den du freiwillig beglückst mit Liebeshuld so leich.
Da wußte ich, du bist durch List nicht zu gewinnen,
Und barg mein Haupt im Schutze des Fittichs, dem Vogel gleich;
So machte ich mir im Nest der Liebe einen Hort,
Und alle Tage und Nächte verbringe ich nur dort.

Lassen wir nun jene und wenden wir uns wieder zu der Alten! Die hatte sich in ihrem Hause eingeschlossen. Inzwischen aber ward die Prinzessin von der Sehnsucht danach erfüllt, sich im Garten zu ergehen, und da sie nur in Begleitung der Alten auszugehen pflegte, so ließ sie sie kommen, besänftigte und begütigte sie und sprach zu ihr: ,Siehe, ich möchte mich zu dem Garten begeben, auf daß ich mich am Anblick seiner Bäume und Früchte erfreue und daß meine Brust beim Dufte seiner Blumen sich von Kummer befreie.' ,Ich höre und gehorche!' antwortete die Alte; ,aber ich möchte noch in mein Haus gehen und mich umkleiden, ich bin dann sofort wieder bei dir.' Da sagte die Prinzessin: ,Geh in dein Haus, doch bleib mir nicht zulange fort!' In Wirklichkeit aber ging die Alte, als sie fort war, zu Tâdsch el-Mulûk und sprach zu ihm: ,Mach dich bereit, zieh deine prächtigsten Gewänder an und geh zudem Garten! Tritt zuerst beim Gärtner ein und begrüße ihn; dann verbirg dich zwischen den Bäumen!' Der Prinz rief: ,Ich höre und gehorche!' Nun verabredete sie noch ein Zeichen mit ihm,



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und dann begab sie sich zur Herrin Dunja. Nachdem sie fortgegangen war, kleideten der Wesir und 'Azîz den Tâdsch el-Mulûk in ein prächtiges Königs gewand, das fünftausend Dinare wert war, und legten ihm einen goldenen Gürtel um, der mit Juwelen und Edelmetall besetzt war. Dann begaben sie sich zu dem Garten. Wie sie beim Gartentor ankamen, fanden sie den Gärtner dort sitzen; und sobald der den Prinzen erblickte, stand er schon auf seinen Füßen, um ihn mit Achtung und Ehrerbietung zu begrüßen. Indem er das Tor öffnete, sprach er: ,Tritt ein und ergehe dich in dem Garten!' Aber der Gärtner wußte nicht, daß die Prinzessin an jenem Tage in den Garten kommen würde. Als nun Tâdsch el-Mulûk eingetreten war und sich kaum eine Stunde lang dort aufgehalten hatte, hörte der Gärtner ein Geräusch, und ehe er sich dessen versah, waren schon die Eunuchen und die Dienerinnen aus der geheimen Pforte hervorgetreten. Bei deren Anblick ging er zu Tâdsch el-Mulûk, tat ihm kund, daß die Prinzessin nahe, und fragte ihn: ,Hoher Herr, was ist jetzt zu tun? Die Prinzessin, die Herrin Dunja, ist hier!' Doch der Prinz erwiderte: ,Sorge dich nicht! Siehe, ich werde mich an irgendeiner Stätte im Garten verbergen.' Nachdem der Gärtner ihm ans Herz gelegt hatte, er möge sich so sorgsam wie möglich verstecken, verließ er ihn und ging fort.

Als nun die Prinzessin mit ihren Dienerinnen und der Alten im Garten war, sprach die Alte bei sich: ,Solange die Eunuchen bei uns sind, werden wir unser Ziel nicht erreichen.' Dann wandte sie sich an die Prinzessin mit den Worten: ,Hohe Herrin, ich möchte dir etwas raten, was deinem Herzen wohltun könnte.' ,Sprich, was du meinst!' erwiderte die Herrin Dunja. Da fuhr die Alte fort: ,Hohe Herrin, sieh, jene Eunuchen da sind uns zu dieser Stunde nicht vonnöten; und deine Brust



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fühlt sich nicht frei, solange sie bei uns verweilen. Schick sie nur fort von uns!' ,Du hast recht', sagte die Prinzessin, und sie entließ sie. Alsbald begann sie umherzuwandeln, während Tâdsch el-Mulûk sie in ihrer herrlichen Schönheit erblicken konnte, ohne daß sie darum wußte. Doch sooft er sie nur sah. wurde er durch den Anblick ihres strahlenden Lieb reizes ohnmächtig. Währenddessen aber leitete die Alte sie im Gespräch unbemerkt bis zudem Gebäude, das der Wesir hatte ausschmücken lassen. Dort trat die Prinzessin ein und schaute sich die Malereien an. Wie sie die Vögel und den Vogelsteller und die Tauben gewahrte, rief sie aus: ,Allah sei gepriesen! Das ist ja die Darstellung dessen, was ich im Traume gesehen!' Dann begann sie die Figuren genauer anzusehen, die Vögel, den Vogelsteller und das Netz, und ward von Bewunderung erfüllt. ,Liebes Mütterchen,' rief sie, ,sieh, ich pflegte die Männer zu tadeln und zu hassen, aber nun schau einmal an, der Vogelsteller schlachtet das Weibchen, und das Männchen war entkommen und wollte herbeieilen, um das Weibchen zu befreien, doch da ist der Raubvogel ihm in den Weg gekommen und hat es zerrissen!' Die Alte tat ihr gegenüber, als wisse sie nichts davon, und hielt sie weiter im Gespräch fest, bis sie beide in die Nähe der Stätte kamen, an der Tâdsch el-Mulûk verborgen war. Da machte sie ihm ein Zeichen, er sollte unter den Fenstern des Gebäudes umherwandeln. Und während die Herrin nun dahinschritt. da fiel ihr Blick auf ihn: sie sah ihn an und betrachtete seine Lieblichkeit und seines Wuchses Ebenmäßigkeit. ,Mütterchen,' rief sie, ,woher kommt dieser schöne Jüngling?' Die Alte antwortete: ,Ich weiß nichts von ihm. Doch ich glaube, er ist der Sohn eines mächtigen Königs; denn er ist vollendet schön und so wunderbar lieblich anzusehn!' Nun entbrannte die Herrin Dunja in Liebe zu ihm; es lösten sich die Bande des Zaubers,



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der sie gefangen hielt, und ihr Sinn ward berückt durch seine Schönheit und Lieblichkeit und seines Wuchses Ebenmäßigkeit, so daß sich heißes Verlangen nach ihm in ihr regte. Und sie sprach: ,Mütterchen, wahrlich, dieser Jüngling ist schön!' Die Alte aber erwiderte nur: ,Du sprichst die Wahrheit, hohe Herrin', und dann machte sie dem Prinzen ein Zeichen, er solle nach Hause gehen. Und er, vom Feuer der Liebe entbrannt, er, der nur noch die heftigste Leidenschaft empfand, ging fort, ohne zu verweilen. Von dem Gärtner nahm er Abschied und begab sich zu seiner Wohnung; er war ja so sehr von der Sehnsucht erregt, und doch wagte er der Alten nicht zu widersprechen. Als er dann dem Wesir und 'Azîz berichtete, die Alte habe ihm ein Zeichen gemacht, daß er fortgehen solle, begannen sie ihm Mut zuzusprechen, und sie sagten: ,Hätte die Alte nicht gewußt, daß es von Vorteil sei, wenn du heimkehrtest, so hätte sie dir das Zeichen nicht gegeben.'

Lassen wir nun Tâdsch el-Mulûk und den Wesir und 'Azîz, und wenden wir uns wieder zur Prinzessin, der Herrin Dunja! Die war von Sehnsucht nach ihm entbrannt. sodaß sie nur noch die heftigste Leidenschaft empfand, und sie sprach zu der Alten: ,Ich weiß nicht, wie ich mit diesem Jüngling vereinigt werden kann außer allein durch dich.' Da rief die Alte: ,Ich nehme meine Zuflucht zu Allah vordem verfluchten Teufel! Du wolltest nichts von Männern wissen; wie kommt's, daß bangende Liebe zu diesem dich hat ergreifen müssen? Doch bei Allah, keiner als er ist deiner Jugendschönheit wert!' Die Herrin Dunja aber fuhr fort: ,Liebes Mütterchen, steh mir bei, hilf mir, daß ich mit ihm vereinigt werde! Tausend Dinare sollen dir von mir zuteil werden und ein Ehrenldeid, das tausend Dinare wert ist. Wenn du mir aber nicht zur Begegnung mit ihm verhilfst, siehe, so muß ich sterben, das steht fest.' Darauf erwiderte die



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Alte: ,Geh du in dein Schloß! Ich will auf Mittel und Wege sinnen, euch beide zu vereinen, ja ich will mein Leben für euer Glück opfern!' So ging denn die Herrin Dunja zu ihrem Schlosse, aber die Alte begab sich zu Tâdsch el-Mulûk. Kaum erblickte er sie, da stand er schon vor ihr auf den Füßen, um sie mit Achtung und Ehrerbietung zu begrüßen. Nachdem er sie zu seiner Seite sich hatte setzen lassen, sprach sie zu ihm: ,Wisse, die List ist geglückt!' und erzählte ihm, wie es ihr mit der Herrin Dunja ergangen war. Auf seine Frage: ,Wann wird die Zusammenkunft seine' antwortete sie: ,Morgen.' Da gab er ihr tausend Dinare und ein Gewand, das ebensoviel wert war; sie nahm beides und wandte sich zum Gehen. Dann ging sie geradenwegs zur Herrin Dunja, und die empfing sie mit den Worten: ,Mütterchen, welche Kunde bringst du von dem Geliebten?' Die Alte erwiderte: ,Ich weiß jetzt, wo er wohnt, und morgen bin ich mit ihm bei dir.' Erfreut darüber gab die Herrin Dunja ihr tausend Dinare und ein Gewand, das ebensoviel wert war; da nahm die Alte beides mit sich und begab sich in ihre Wohnung, wo sie bis zum anderen Morgen blieb. Dann machte sie sich wieder auf und begab sich zu Tâdsch el-Mulûk, kleidete ihn in Frauengewänder und sprach zu ihm: ,Geh hinter mir her mit wiegendem Gang; doch geh nicht zu rasch und sieh dich nicht um, wenn jemand dich anredet!' Nachdem sie ihm diese Weisung gegeben hatte, ging sie hinaus, während er ihr im Frauengewand folgte. Unterwegs sprach sie ihm Mut zu, damit er keinerlei Furcht habe. Und so gingen die beiden, sie vorauf und er hinterdrein, geradenwegs zum Tore des Schlosses. Dort trat sie ein und ging dem Prinzen voran durch Türen und Hallen hindurch, bis sie mit ihm durch sieben Türen gekommen war. Vor der siebenten Tür aber hatte sie zu Tâdsch el-Mulûk gesagt: ,Sei mutigen Herzens! Wenn ich dich rufe



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mit den Worten: ,Mädchen, tritt ein!' so sei nicht säumig, sondern spring herbei. Bist du dann in die Halle eingetreten, so schau nach links, dort wirst du einen Saal mit vielen Türen erblicken. Zähle fünf Türen ab, und tritt in die sechste ein: denn siehe, dort ist das Ziel deiner Sehnsucht!' Und auf seine Frage: ,Wohin gehst du denn?' hatte sie geantwortet: ,Ich gehe nirgendhin, außer daß ich vielleicht hinter dir zurückbleibe, wenn der Obereunuch mich aufhält, und mit ihm rede.' So ging sie ihm denn weiter voran, bis sie zu der Tür kam, bei der sich der Obereunuch befand. Als der den Tâdsch el-Mulûk in der Gestalt einer Dienerin erblickte, rief er die Alte an: ,Was ist's mit diesem Mädchen, das du bei dir hast?' Die Alte gab zur Antwort: ,Das ist eine Sklavin; die Herrin Dunja hat von ihr gehört, daß sie gut zu arbeiten versteht, und sie will sie kaufen.' Der Eunuch aber sagte: ,Ich weiß weder von einer Sklavin noch von sonst etwas. Hier darf niemand eintreten, ohne daß ich ilm untersuche, so wie der König mir befohlen hat.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 135. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Türhüter zu der Alten sprach: ,Ich weiß weder von einer Sklavin noch von sonst etwas. Hier darf niemand eintreten, ohne daß ich ihn untersuche, so wie der König mir befohlen hat.' Da sagte die Alte, indem sie sich zornig stellte: ,Ich kannte dich als einen Mann von Verstand und von guter Erziehung; aber wenn deine Art sich geändert hat, so werde ich es der Herrin berichten und ihr kundtun, daß du ihrer Sklavin in den Weg getreten bist.' Darauf rief sie Tâdsch el-Mulûk mit den Worten: ,Tritt ein, Mädchen!' Also trat er in die Halle ein, wie sie ihm befohlen hatte; der Eunuch aber schwieg still und sagte kein Wort.



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Nun zählte Tâdsch el-Mulûk fünf Türen ab und trat in die sechste ein. Dort fand er die Herrin Dunja, wie sie dastand und auf ihn wartete. Und sowie sie ihn erkannte, zog sie ihn an ihre Brust, und auch er umarmte sie innig. Darauf trat die Alte zu den beiden ein; vorher hatte sie listigerweise die Sklavinnen fortgeschickt, da sie fürchtete, daß die Sache ruchbar würde. Nun sprach die Herrin Dunja zu ihr: ,Sei du unsere Türhüterin!' Und dann blieb sie mit Tâdsch el-Mulûk allein; sie ruhten mit den Armen umwunden und innigst verbunden bis zur Zeit der Morgendämmerung. Als es aber hell ward, ging sie fort und schloß ihn ein. Sie selbst begab sich in ein anderes Zimmer und setzte sich nach ihrer Gewohnheit nieder. Da kamen auch die Sklavinnen; und sie erledigte, was sie mit ihnen zu tun hatte, und plauderte eine Weile mit ihnen. Dann sprach sie zu den Sklavinnen: ,Geht nun fort von mir! Ich möchte mich für mich allein vergnügen.' Als die Sklavinnen sie verlassen hatten und sie wieder zu Tâdsch el-Mulûk gegangen war, da trat auch die Alte zu den beiden ein und brachte ihnen etwas Speise. Sie aßen davon und gaben sich wieder der Liebeständelei hin bis zum Morgengrauen. Am dritten Tage verschloß die Prinzessin wieder die Tür wie am Tage vorher. Und in dieser Weise blieben sie einen vollen Monat beieinander.

So stand es nun mit Tâdsch el-Mulûk und der Herrin Dunja. Was aber den Wesir und 'Azîz angeht, so waren sie, als Tâdsch el-Mulûk sich in das Schloß der Prinzessin begeben hatte und nun diese ganze Zeit über fortblieb, der festen Meinung, daß er nie wieder herauskommen würde und daß er sicherlich dort den Tod gefunden hätte. Da sprach 'Azîz zum Wesir: ,Mein Vater, was sollen wir tun?' Der antwortete: ,Mein Sohn, die Lage ist jetzt schwierig. Wenn wir nicht zu seinem Vater heimkehren und ihm berichten, so wird er uns deswegen tadeln.'



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Zur selbigen Stunde machten die beiden sich bereit und begaben sich nach dem Grünen Lande und zu den beiden Säulen und zum Thronsitze des Königs Sulaimân Schâh; Tag und Nacht durchquerten sie die Flußtäler, bis sie endlich zum König eintraten. Dem berichteten sie, wie es seinem Sohne ergangen war, und daß man, seit er das Schloß der Prinzessin betreten, nichts mehr von ihm gehört habe. Da war er von Schrecken wie erschlagen, und bitteres Leid begann an ihm zu nagen; und er gab Befehl, man solle in seinem Lande zum Heiligen Kriege ausrufen. Dann ließ er die Truppen vor die Stadt ziehen und dort ein Lager für sie aufschlagen. Er selbst aber ließ sich in seinem Prachtzelte nieder und wartete, bis die Heerhaufen aus allen Gegenden sich versammelt hatten; denn sein Volk liebte um wegen seiner großen Gerechtigkeit und Mildtätigkeit. Und nun brach er auf, mit einem Heere so groß, daß es den Horizont versperrte, und zog aus auf der Suche nach seinem Sohne Tâdsch el-Mulûk.

Das also geschah von ihrer Seite. Tâdsch el-Mulûk und die Herrin Dunja aber lebten so weiter ein halbes Jahr lang; und dabei nahm ihre Liebe zueinander mit jedem Tage zu. Indes Prinzen Herzen wühlte immer mehr der sehnenden Liebe Kraft und die aller wildeste Leidenschaft. bis daß er ihr schließlich seine geheimen Gedanken offenbarte und zu ihr sprach: ,Wisse, o du Geliebte meines innersten Herzens, je länger ich bei dir verweile, desto mehr wächst in mir die Leidenschaft und der Sehnsucht Kraft, denn ich habe mein Ziel noch nicht ganz erreicht.' Sie erwiderte: ,Was wünschest du noch, o du Licht meines Auges, du mein Herzallerliebster? Wenn du noch etwas anderes willst, als daß wir ruhen mit den Armen umwunden und innig verbunden, so tu, was dir gefällt; denn vor Gott hat niemand teil an uns in der Welt.' Doch er fuhr fort: ,Danach steht



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nicht mein Begehr. Nein, ich möchte dir die Wahrheit über mich selbst kundtun. Wisse denn, ich bin kein Kaufmann, sondern ich bin ein König, der Sohn eines Königs. Mein Vater heißt der großmächtige König Sulaimân Schâh; er ist's, der den Wesir als Gesandten zu deinem Vater geschickt hat, daß er um dich für mich werbe. Aber damals, als die Kunde davon zu dir kam, hast du nicht eingewilligt.' Dann erzählte er ihr die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende -doch hier noch einmal erzählen, würde die Hörer nur quälen -, und er schloß mit den Worten: ,Jetzt möchte ich mich zu meinem Vater begeben und ihn bitten, einen Gesandten an deinen Vater zu schicken, der bei ihm um dich werbe, auf daß wir in Ruhe leben können.' Als sie diese Worte vernahm, war sie hocherfreut; denn das war auch gerade ihr Wunsch. Und mit diesem Entschlusse begaben sie sich zur Ruhe.

Nun aber traf es sich nach der Bestimmung des Schicksals, daß der Schlaf in jener Nacht mehr Gewalt über sie gewann als in den anderen Nächten und daß sie schlummerten, bis die Sonne aufging. Um jene Zeit saß König Schehrimân auf dem Throne seiner Herrschaft, während die Emire seines Reiches vor ihm standen. Da kam zufällig der Vorsteher der Goldschmiedezunft zu ihm herein, mit einer großen Schachtel in der Hand. Er trat vor, öffnete sie vor dem König und nahm aus ihr ein feines Kästchen heraus, das hunderttausend Dinare wert war; denn darin befanden sich Edelsteine, Rubine und Smaragde so viele, wie sie keiner der Könige aus aller Welt sich hätte verschaffen können. Wie der König die sah, staunte er ob ihrer Schönheit, und sogleich sah er sich nach dem Ober eunuchen um, eben dem, der mit der Alten jenes Erlebnis gehabt hatte, und gebot ihm: ,Kafûr, nimm dies Kästchen und bringe es der Herrin Dunja!' Da nahm der Eunuch das Kästchen in



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Empfang und schritt dahin, bis er zu dem Gemache der Prinzessin kam. Als er dort die Tür verschlossen und die Alte auf der Schwelle schlafend fand, tiefer: ,Ihr schlaft noch um diese Stunde?' Doch wie die Alte die Stimme des Eunuchen hörte, erwachte sie aus ihrem Schlafe und rief erschrocken: ,Warte, bis ich dir den Schlüssel bringe!' und lief davon, so schnell sie konnte.

Überlassen wir die ihrem Schicksal, und sehen wir, was der Eunuch weiter tat! Der hatte nämlich erkannt, daß die Alte ratlos war. Und so hob er die Tür aus den Angeln, trat in das Gemach ein und fand die Herrin Dunja und Tâdsch el-Mulûk, wie sie eng umschlungen schliefen. Als er das sah, wußte er nicht, was er tun sollte. Gerade wollte er zum König zurückkehren, da wachte die Herrin Dunja auf. Beim Anblick des Eunuchen verfärbte sich ihr Antlitz und erblich; und sie sprach: ,Kafûr, verbirg, was Allah verborgen hat!' Doch er antwortete: ,Ich darf vor dem König nichts verheimlichen.' Dann schloß er die beiden ein und kehrte zum König zurück. Der fragte ihn: ,Hast du das Kästchen deiner Herrin überreichte' Da erwiderte der Eunuch: ,Nimm das Kästchen zurück, hier ist es! Ich darf vor dir nichts verheimlichen. Wisse denn, ich habe bei der Herrin Dunja einen schönen Jüngling gesehen, der bei ihr auf demselben Lager schlief, und beide hielten einander umarmt.' Sogleich befahl der König, die beiden herzuschaffen. Und wie sie dann vor ihm standen, rief er ihnen zu: ,Was ist das für ein Unterfangen!' In seinem heftigen Zorn ergriff er eine Geißel und wollte Tâdsch el-Mulûk schlagen. Aber die Herrin Dunja warf sich über ihn und rief ihrem Vater zu: ,Töte mich zuvor!' Da schalt der König seine Tochter und befahl, man solle sie in ihre Kammer zurückführen. Doch dann fuhr er Tâdsch el-Mulûk an mit den Worten: ,Weh dir! Woher



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kommst du? Wer ist dein Vater? Was brachte dich zu solcher Kühnheit gegen meine Tochter?' ,Wisse, o König,' erwiderte Tâdsch el-Mulûk, ,wenn du mich töten lässest, so bist du verloren; ihr werdet es bereuen, du und alle Untertanen deines Reiches!' Der König fragte: ,Warum denn?' Da gab Tâdsch el-Mulûk zur Antwort: ,Wisse, ich bin der Sohn des Königs Sulaimân Schâh! Ehe du dich dessen versiehst, wird er mit seinen Rossen und Mannen über dich herfallen!' Als König Schehrimân diese Worte vernahm, wollte er seine Hinrichtung aufschieben und ihn ins Gefängnis werfen, um zu sehen, ob seine Worte wahr wären. Aber sein Wesir sprach zu ihm: ,O größter König unserer Zeit, ich halte dafür, daß du diesen Galgenstrick sofort hinrichten lässest, ihn, der sich an Prinzessinnen vergreift!' So befahl der König denn dem Scharfrichter: ,Schlag ihm den Kopf ab; denn er ist ein Verbrecher!' Da packte der Scharfrichter ihn an und schnürte ihn in Fesseln; dann hob er seinen Arm auf, indem er die Emire anblickte, als wolle er sie um Rat fragen, einmal, zweimal; denn er gedachte dadurch Zeit zu gewinnen. Doch der König schrie ihn an: ,Wie lange willst du noch um Rat fragen? Tust du es noch ein einziges Mal, so lasse ich auch dir den Kopf abschlagen!' Nun also hob der Scharfrichter seinen Arm so hoch, bis das Haar unter seiner Achsel sichtbar ward, und wollte wirklich den Hals des Prinzen durchschlagen. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 136. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Scharfrichter seinen Arm so hoch hob, bis das Haar unter seiner Achsel sichtbar ward, und den Hals des Prinzen wirklich durchschlagen wollte; doch da erschollen plötzlich laute Schreie, und die



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Leute schlossen ihre Läden. Der König rief dem Scharfrichter zu: ,Halt ein!' und schickte sofort einen Boten, der ihm berichten sollte, was es gäbe. Der Bote ging und kam zurück mit der Nachricht: ,Ich sah ein Heer gleich dem tosenden wogen gepeitschten Meer. Die Reiter sprengten dahin, daß die Erde unter ihnen erdröhnte. Doch ich weiß nicht. was es mit ihnen zu bedeuten hat.' Da erschrak der König und war besorgt, sein Reich könne ihm entrissen werden. Und so wandte er sich an den Wesir mit den Worten: ,Sind denn keine von unseren Truppen diesem Heere entgegengezogen?' Doch kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, da kamen auch schon seine Kammerherren herein mit den Gesandten des Königs, der da herannahte, und unter ihnen befand sich auch der Wesir. Als dieser zuerst den Gruß aussprach, erhob der König sich vor den Fremden, bat sie näher zu treten und fragte sie nach dem Grunde ihres Kommens. Nun trat der Wesir aus ihrer Reihe hervor, näherte sich dem König und sprach zu ihm: ,Wisse, daß er, der in dein Land eingefallen ist, kein König ist wie die Herrscher aus früherer Zeit noch wie die Sultane der Vergangenheit!' ,Wer ist er denn?' fragte Schehrimân. Der Wesir antwortete: ,Er ist der Herrscher voll Treue und Gerechtigkeit, dessen hohen Sinn die reisigen Leute verkünden weit und breit, Sultan Sulaimân Schâh, der Herr des Grünen Landes und der beiden Säulen und der Berge von Jspahan, er, der da eintritt für Recht und Gerechtigkeit, der aber abhold ist aller Tyrannei und Ungerechtigkeit! Er läßt dir sagen, sein Sohn sei bei dir in deiner Hauptstadt, er, den er innigst und von Herzen liebt. Wenn er ihn nun wohlbehalten antrifft, so ist erreicht, was er gewollt, und dir wird Lob und Dank gezollt; ist er aber in deinem Lande verloren gegangen oder hat ihn irgendein Leid betroffen, so mache dich gefaßt aufs Sterben und auf des



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Landes Verderben, ja, dann soll dein Reich zur Wüste werden, darinnen die Raben krächzen. Siehe da, ich habe dir die Botschaft ausgerichtet und bin am Ende.'

Als König Schehrimân diese Worte von dem Gesandten vernommen hatte, geriet sein Herz in Sorgen, und er fürchtete für sein Königtum. Sofort berief er die Großen seines Reiches, die Wesire, die Kammerherren und die Statthalter; und als sie erschienen waren, sprach er zu ihnen: ,Ihr da, geht hin und suchet nach jenem Jüngling!' Der war noch unter dem Arme des Scharfrichters, und durch das furchtbare Grauen, das ihn gepackt hatte, war sein Aussehen ganz verändert. Doch wie der Wesir nur einen Blick auf ihn warf und den Sohn seines Königs auf dem Blutleder sicher wiedererkannte, da warf er sich über ihn; ebenso taten auch die anderen Gesandten. Dann machten sie sich daran, seine Fesseln zu lösen, und küßten ihm Hände und Füße. Als aber Tâdsch el-Mulûk die Augen aufschlug und den Wesir seines Vaters und seinen Freund 'Azîz erkannte, da sank er in Ohnmacht, von Freude überwältigt.

König Schehrimân jedoch wußte nicht, was er tun sollte, und war in großer Angst, als er dessen gewiß war, daß jenes Heer nur wegen dieses Jünglings gekommen war. So ging er denn hin zu Tâdsch el-Mulûk, küßte ihm das Haupt, mit Tränen in den Augen, und flehte ihn an: ,Mein Sohn, sei mir nicht böse, sei dem Missetäter wegen seines Tuns nicht böse! Hab Mitleid mit meinen grauen Haaren und laß mein Reich nicht verwüstet werden!' Da trat Tâdsch el-Mulûk zu ihm, küßte ihm die Hand und sprach: ,Sorge dich nicht! Du bist für mich gleichwie mein Vater. Doch verhüte, daß meiner geliebten Herrin Dunja irgendein Leid zustoße!' ,Hoher Herr,' erwiderte der König, ,befürchte nichts für sie; nichts als Freude soll ihr zuteil werden!' und er fuhr fort, sich bei ihm zu entschuldigen und



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den Wesir des Königs Sulaimân Schâh zu begütigen, indem er ihm viel versprach, wenn er das, was er gesehen, dem König verheimlichen würde. Dann befahl er den Großen seines Reiches, den Prinzen Tâdsch el-Mulûk ins Bad zu geleiten, ihn in eines seiner eigenen prächtigsten Gewänder zu kleiden und dann alsbald mit ihm zurückzukehren. Diesem Befehle gemäß führten sie ihn ins Bad, legten ihm das Gewand an, das König Schehrimân für ilm bestimmt hatte, und kehrten dann mit ihm in die Regierungshalle zurück. Als der Prinz eintrat, erhob der König sich vor ihm und ließ alle Großen seines Reiches sich bei ihm aufstellen, ihm zu Diensten. Darauf setzte Tâdsch el-Mulûk sich nieder, um mit dem Wesir seines Vaters und mit 'Azîz über seine Erlebnisse zu plaudern. Die beiden erzählten ihm: ,Wir sind inzwischen zu deinem Vater gezogen und haben ihm berichtet, du seiest in den Palast der Prinzessin gegangen und nicht wieder herausgekommen, und da seien wir über dein Schicksal in Sorge gewesen. Als er das hörte, rüstete er die Heere, und wir kamen in dies Land. Unser Kommen hat dir Erlösung aus äußerster Not und hohe Freude gebracht.' Da sprach er: ,Lauter Gutes ist immer durch eure Hände gekommen von Anfang bis zu Ende.'

Inzwischen aber ging König Schehrimân zu seiner Tochter, der Herrin Dunja, und er fand sie jammernd und weinend um Tâdsch el-Mulûk. Ja, sie hatte ein Schwert genommen, es mit dem Heft in den Boden gestoßen und die Spitze gerade auf ihr Herz mitten zwischen ihre Brüste gerichtet. Schon neigte sie sich vornüber und war im Begriff, sich auf das Schwert zu stürzen, indem sie ausrief: ,Es muß sein, ich muß mich töten; ich kann meinen Geliebten nicht überleben!' Da trat ihr Vater zu ihr ein, und als er sah, was sie tat, rief er mit lauter Stimme: ,O Herrin der Prinzessinnen, halt ein, hab Mitleid mit deinem



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Vater und dem Volke deines Landes!' Dann eilte er auf sie zu mit den Worten: ,Ich flehe ian, verhüte, daß deinem Vater um deinetwillen Leid widerfahre!' Und weiter erzählte er ihr alles, daß nämlich ihr Geliebter, der Sohn des Königs Sulaimân Schâh, sich ihr vermählen wolle, und er schloß mit den Worten: ,Siehe, die Verlobung und die Vermählung hängen nur von deinem Ermessen ab!' Lächelnd erwiderte sie ihm: ,Hab ich dir nicht gesagt, daß er der Sohn eines Sultans ist? Bei Allah, jetzt muß ich ihn gewähren lassen, wenn er dich an ein hölzernes Kreuz schlägt, das zwei Dirhems wert ist!' ,O Tochter,' rief der König, ,hab Erbarmen mit mir! Dann wird Allah mit dir Erbarmen haben.' Darauf befahl sie ihm: ,Auf, spute dich, geh und bring ihn mir sogleich, ohne Verzug!' Er sagte nur: ,Herzlich gern!' ging dann eilends von ihr fort, trat zu Tâdsch el-Mulûk ein und flüsterte ihm ins Ohr, was sich ereignet hatte. Der sprang auf und ging mit dem König, und beide begaben sich zur Prinzessin. Wie sie den Geliebten erblickte, fiel sie ihm um den Hals vor den Augen ihres Vaters, hängte sich an ihn und küßte ihn und rief: ,Wie hab ich mich nach dir gesehnt, da du fern warst!' Dann sprach sie, zu ihrem Vater gewendet: ,Hast du je einen gesehen, der sich an einer so herrlichen Gestalt hätte vergreifen können? Dazu ist er noch ein König, der Sohn eines Königs, ein Edelmann, dem alles Gemeine fernliegt!' Da ging König Schehrimân hinaus und schloß mit eigener Hand die Tür hinter sich. Und er begab sich zu dem Wesir des Königs Sulaimân Schâh und den Gesandten. die bei ihm waren. und er hieß sie ihrem Könige Bericht erstatten, daß sein Sohn in Wohlsein und Freude mit seiner geliebten Prinzessin das herrlichste Leben führe; sie zogen also zu ihrem Könige dahin, um ihm dies kundzutun. Darauf befahl König Schehrimân, den Truppen des Königs Sulaimân Schah Geschenke zu bringen, ihre



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Tiere mit Futter zu versorgen und sie selbst zu bewirten. Als der Befehl ausgeführt war, ließ er hundert Renner, hundert edle Dromedare, hundert Mamluken, hundert Odalisken, hundert Sklaven und hundert Sklavinnen bringen und sandte sie alle als Geschenk voraus. Er selbst aber ritt inmitten der Großen seines Reiches und seiner Garden dahin, bis sie außerhalb der Stadt waren. Doch als Sultan Sulaimân Schâh die Kunde davon erhielt, machte er sich auf und ging ihm gemessenen Schrittes entgegen. Denn der Wesir und 'Azîz hatten ihm bereits Bericht erstattet, und erfreut hatte er gerufen: ,Preis sei Allah, der meinem Sohne seinen Wunsch erfüllt hat!' Und nun umarmte König Sulaimân Schâh den König Schehrimân und ließ ihn an seiner Seite auf dem Throne sitzen. Dann plauderten die beiden miteinander und freuten sich ihrer Unterhaltung. Darauf ward auch das Mahl' für sie aufgetragen, und sie aßen, bis sie gesättigt waren; zum Nachtisch wurden ihnen süße Speisen, Früchte und Naschwerk gebracht, und sie ließen sich alles munden.

Nach einer kurzen Weile aber trat Tâdsch el-Mulûk vor sie hin, in Prachtgewand und Prunkwaffen. Sowie sein Vater ihn erblickte, stand er auf, schloß ihn in seine Arme und küßte ihn. Mit ihm waren aber auch alle, die da saßen, aufgestanden. Und nun setzten die beiden Könige ilm zwischen sich; darauf plauderten sie zu dritt eine Weile. Dann sprach König Sulaimân Schah zu König Schehrimân: ,Wisse, ich möchte den Ehevertrag zwischen meinem Sohne und deiner Tochter vor den Zeugen aufzeichnen lassen, auf daß ihre Vermählung kundgegeben werde, nach Brauch und Herkommen.' ,Ich höre und gehorche!' antwortete König Schehrimân, und er sandte nach dem Kadi und den Zeugen. Die kamen alsbald herbei und zeichneten den Ehevertrag des Tâdsch el-Mulûk mit der Herrin



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Dunja auf. Darauf wurden Geldgeschenke und Zuckerwerk verteilt, Weihrauch und Wohlgerüche wurden gestreut, und das war ein Tag der Freude und Fröhlichkeit, darob waren Führer und Mannen erfreut.

Während nun König Schehrimân die Aussteuer seiner Tochter herzurichten begann, sprach Tâdsch el-Mulûk zu seinem Vater: ,Siehe, der Jüngling da, 'Azîz, ist ein edler Mensch. Er hat mir einen großen Dienst geleistet, er hat alle Mühen mit mir geteilt, er ist mit mir gereist und hat mich an das Ziel meiner Wünsche geführt; er hat mit mir ausgeharrt und hat mich im Ausharren gestärkt, bis ich erreichte, was ich erstrebte. Jetzt ist er schon zwei Jahre lang bei mir, fern von seiner Heimat. Drum möchte ich, daß wir ihm Waren von hier aus zurüsten: dann kann er leichten Herzens von dannen ziehen. Denn sein Land ist nahe.' ,Trefflich ist deine Absicht', erwiderte sein Vater. Da rüsteten sie ihm hundert Lasten der prächtigsten und kostbarsten Stoffe aus; Tâdsch el-Mulûk aber ging zu ihm und überreichte ihm zum Abschied ein fürstliches Geldgeschenk mit den Worten: ,Lieber Bruder und Freund, nimm diese Lasten hin und empfange sie von mir als ein Geschenk und ein Zeichen der Liebe, und ziehe in Frieden dahin nach deiner Heimat!' 'Azîz nahm alles von ihm hin, küßte den Boden vor dem Prinzen und seinem Vater und nahm Abschied von ihnen. Doch Tâdsch el-Mulûk ritt mit 'Azîz, bis er ihn drei Meilen weit begleitet hatte; da bot 'Azîz ihm Lebewohl und beschwor ihn, nunmehr umzukehren, und fügte hinzu: ,Bei Allah. mein Gebieter, wäre nicht meine Mutter, so würde ich mich nicht von dir trennen; doch, guter Herr, laß mich nicht ohne Nachrichten von dir sein!' ,So sei es!' versprach ihm der Prinz. Darauf kehrte Tâdsch el-Mulûk wieder um, während 'Azîz dahinzog, bis er sein Heimatland erreichte. Dort zog er



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ohne Aufenthalt weiter, bis er zu seiner Mutter kam. Er sah, daß sie mitten in der Halle ein Grabmal für ihn errichtet hatte, bei dem sie immer weilte. Und gerade, als er in die Halle eintrat, fand er die Mutter, wie sie ihr Haar gelöst und über das Grab gebreitet hatte, und wie sie weinend diese Verse sprach:

Wohl hab ich die Kraft, um alles, was da geschieht, zu tragen -
.Und dennoch, gilt es Trennung, so bricht mir fast das Herz.
Wer hätte wohl die Geduld, den Lieben fern zu weilen?
Wer fühlte bei plötzlicher Trennung nicht allertiefsten Schmerz?

Dann schluchzte sie auf und sprach noch diese Verse:

Wie ging ich denn vorbei an Gräbern dort und grüßte
Des Freundes Ruhestatt, ohn daß mir Antwort ward?
Es sprach der Freund:, Wie kann dir eine Antwort werden?
Ich bin doch jetzt ein Raub für Staub und Felsen hart!
Der Staub fraß meine Schönheit, da vergaß ich dich;
Und ach, von meinen, Volk und Freunden trennt ich mich!'

Während sie so trauerte, kam plötzlich 'Azîz und trat auf sie zu. Doch als sie ilm sah, sank sie im Übermaß der Freude ohnmächtig nieder. Er aber sprengte ihr Wasser aufs Antlitz; so kam sie wieder zu sich, erhob sich, schloß ihn in ihre Arme und preßte ihn an sich. Auch er umarmte sie innig und sprach: ,Friede sei über dir!' Da rief sie: ,Auch über dir sei Friede!' und fragte ihn, warum er so lange in der Ferne gewesen sei. Nun berichtete er ihr alles, was er erlebt hatte, von Anfang bis zu Ende, und erzählte ihr auch, wie Tâdsch el-Mulûk ihm Geld und hundert Lasten an Stoffen gegeben hatte; und darüber war sie hocherfreut. Darauf blieb 'Azîz bei seiner Mutter in seiner Heimatstadt und trauerte über das Unheil. das ihm von der Tochter der listigen Ränkeschmiedin wid erfahren war, von ihr, die ihn entmannt hatte.

Das ist die Geschichte von 'Azîz. Hören wir nun noch von



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dem weiteren Schicksale des Tâdsch el-Mulûk! Der ging zu seiner geliebten Gemahlin ein und nahm ihr das Mädchentum. Inzwischen machte König Schehrimân sich daran, seine Tochter für die Reise mit ihrem Gemahl und ihrem Schwiegervater auszurüsten. Er befahl, Reisevorrat zu bringen, auch Geschenke und allerlei Kostbarkeiten. So ließen sie denn aufladen und brachen auf. Der König Schehrimân aber gab ihnen das Ehrengeleit drei Tage lang; da bat König Sulaimân Schâh ihn inständigst, wieder umzukehren. Jener kehrte also zurück; doch Tâdsch el-Mulûk und sein Vater und seine Gemahlin zogen mit dem Heere ohne Unterlaß dahin, Tag und Nacht, bis sie sich ihrer Hauptstadt nahten. Da verbreitete sich die Kunde von ihrem Kommen, und die Stadt schmückte sich. —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 137. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, als Sulaimân Schâh sich seiner Hauptstadt näherte, da habe die Stadt sich geschmückt, ihm und seinem Sohne zu Ehren. So zogen sie denn ein; der König setzte sich auf den Thron seiner Herrschaft, mit seinem Sohne Tâdsch el-Mulûk zur Seite, verteilte Gaben und Geschenke und ließ die Gefangenen frei. Dann bereitete er seinem Sohne eine zweite Hochzeit. Es erscholl Gesang und Saitenklang einen ganzen Monat hindurch, und die Kammerfrauen schmückten die Herrin Dunja mit immer neuen Hochzeitsgewändern; dabei wurde sie nicht müde, sich in ihrem Schmuck zu zeigen, während jene nicht müde wurden, sie anzublicken. Nachdem nun Tâdsch el-Mulûk so wieder mit Vater und Mutter vereint war, ging er auch wieder zu seiner Gemahlin ein; und sie lebten hinfort immerdar herrlich und in Freuden. bis der Zerstörer aller Wonnen zu ihnen kam.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
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