Ein Kratten voll
Lauterbrunner Sagen
Gesammelt von Hans Michel
Der Rosenbach
Fern, irgendwo auf der andern Seite der hohen Lauterbrunner Grenzberge, liegt im Wallis ein abgelegenes Bergseelein. Niemand ergründete je, wo es seinen Abfluss hatte.
Im Lauterbrunnental, innerhalb der tosenden Trümmelbachfälle, etliche Dutzend Fuss über der Talsohle, quillt schneeweiss aus der senkrechten Fluh, vom Beginn der Rosenblust bis Weinmonat ein ansehnlicher Bach; dann versiegt er wie auf Zauberwort.
Ein Bursche im Wallis brachte einst seiner Auserwählten, die in der Nähe des Seeleins der Pflege des Viehs oblag, aus dem Rhonetal herauf einen Strauss Rosen. Als beide am Ufer des düstern Bergwassers
LeuterbrunnenSagen-055 | Flip | arpa |
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sassen, kamen sie überein, ein paar Rosen ins Wasser zu werfen, um zu schauen, wo sie wohl verschwinden würden. Bald entschwanden die Blumen in der dunklen Tiefe, kamen aber im Wallis nirgends zum Vorschein.
Wie erstaunten die Lauterbrunner, als der geheimnisvolle Bach aus dem Bergesinnern Rosen schwemmte ! Genau neun Tage lang sollen die Blumen durch die Leiber der Berge gewandert sein, und es ist wohl verständlich, dass die Talleute den seltsamen, bisher namenlosen Wasserlauf Rosenbach nannten.
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